Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 815/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 U 110/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 02. Februar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2005 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass bei der Klägerin eine Berufskrankheit im Sinne einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Beurteilung der Erkrankung der Bandscheiben der Lendenwirbelsäule (LWS) der Klägerin als Berufskrankheit (BK) der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die 1964 geborene Klägerin war vom 01. Oktober 1980 bis 30. September 1981 als Vorschülerin der R-Klinik in B tätig gewesen. Vom 01. Oktober 1981 bis 23. April 1983 arbeitete sie dort bis zum 15. April 1987 als Krankenpflegeschülerin. Nach den vorliegenden Arbeitsverträgen war die Klägerin ab 14. Mai 1984 als Pflegehelferin im R-Krankenhaus tätig. Sie war dabei in der Strahlenabteilung mit Grund- und Behandlungspflege beschäftigt gewesen. Nach einer Ausbildung zur Krankenschwester vom 01. Mai 1985 bis 15. April 1987 war sie ab 16. April 1987 fortlaufend als Krankenschwester in der C Klinikum in diesem Beruf tätig. Nach einer Elternzeit vom 12. September 1998 bis 31. März 2000 und Krankheitszeiten arbeitete sie vom 1. September 2001 bis 31. März 2002 in der Klinik Hämatologie/Onkologie, vom 1. April 2002 bis 31. Juli 2003 in der Abteilung für Innere Medizin, vom 1. August 2003 in der Strahlenklinik und vom 12. Januar 2004 bis 21. Mai 2004 in der Gefäßsprechstunde der C. Während eines Sonderurlaubes vom 24. Mai 2004 bis 12. Mai 2006 wurde die Klägerin zur medizinischen Dokumentationsassistentin und Fallkoordinatorin weitergebildet. Im Anschluss an den Sonderurlaub wurde sie in der C im Bereich der medizinischen Dokumentation eingesetzt.
Auf die BK-Anzeige der HEK-Hanseatischen Krankenkasse im November 2003 ermittelte die Beklagte, Auskünfte der C wurden eingeholt und Unterlagen behandelnder Ärzte wurden beigezogen.
Ärztliche Berichte wurden erstattet aus dem Röntgeninstitut S von Dr. F im April 2003 (Bericht über eine Computertomografie der LWS vom 22. April 2003), von dem Arzt für Radiologische Diagnostik Dr. B im Mai 2003 ( über ein MRT der LWS vom 08. Mai 2003), im Juli 2003 von Dr. B ( über ein MRT der LWS vom 17. Juli 2003), aus der C im Juli 2003 (über ein MRT im Monat 2003),aus dem Röntgeninstitut a in B von Dr. S im Juli 2003 und aus der Klinik für Neurochirurgie der Charite im August 2003.
Mit Bescheid vom 02. Februar 2005 lehnte die Beklagte die Erkrankung der Lendenwirbelsäule der Klägerin als BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ab. Die Veränderungen stellten keine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Nr. 2108 dar. Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestünden daher nicht.
Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin, der nicht begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2005 zurück.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28. September 2005 zugestellten Widerspruchsbescheid richtet sich die am 28. Oktober 2005 beim Sozialgericht (SG) Berlin eingegangene Klage, mit der sie ihren Anspruch auf Anerkennung ihrer Erkrankung als BK weiter verfolgt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2005 -gemeint 02. Februar 2005- in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Erkrankung der Klägerin als BK anzuerkennen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2006 hat das SG ohne weitere Ermittlungen die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, die Kammer sehe auch von Amts wegen keine Gesichtspunkte, die die Entscheidung der Beklagten zweifelhaft erscheinen ließen und weitere Ermittlungen erforderten.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 02. Juni 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am Montag, den 03. Juli 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Klägerin habe sich im Februar 2003 beim Betten einer Patientin einen Bandscheibenvorfall zugezogen. Im Juli 2003 sei eine ausgeprägte Schädigung des Nervs im LWS-Bereich C diagnostiziert worden. Im August 2003 habe sie sich an der Bandscheibe operieren lassen. Im Januar 2004 habe sie ihre Tätigkeit als Krankenschwester wieder aufgenommen. Sie sei im Betratron eingesetzt gewesen, wo sie schwerstkranke Tumorpatienten zum Bestrahlungstisch begleiten und lagern musste. Als sich dann noch eine ca. 80 kg schwere Patientin aus dem Stuhl an ihr hochgezogen habe, habe sie selbst die Initiative ergriffen. Die C habe ihr Ende Mai 2004 eine berufsbegleitende Ausbildung zur medizinischen Dokumentationsassistentin und Fallkoordinatorin angeboten. Die Deutsche Rentenversicherung habe durch Gutachter entschieden, dass die Klägerin ihren Beruf aufgrund des operierten Bandscheibenvorfalls als Krankenschwester nicht mehr ausüben könne und habe ihr die berufsbegleitende Vollzeitausbildung zur Dokumentationsassistentin finanziert.
Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 02. Februar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2005 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihr, der Klägerin, eine Berufskrankheit im Sinne einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigte ihre Entscheidungen.
Im Berufungsverfahren wurden Befundberichte erstattet vom Internisten Dr. D, aus der Neurochirurgischen Praxis von Dr. B der Fachärztin für Anästhesie Dr. B. Der Arzt für Neurochirurgie Dr. U übersandte Aufzeichnungen zu seinen Behandlungen der Klägerin ab 2003. Aufzeichnungen des behandelnden Arztes Dr. Swurden zur Akte gereicht. Berichte gingen ein vom Facharzt für Radiologische Diagnostik, Dr. , aus dem Gemeinschaftskrankenhaus H. Aus der Gemeinschaftspraxis Dr. M wurden Ausdrucke aus der elektronischen Krankenakte übermittelt. Aus der Rettungsstelle des Evangelischen W S gelangte ein Bericht vom 26. Dezember 2004 zu den Akten.
Aufgrund der Beweisanordnung vom 01. März 2010 erstattete der Facharzt für Orthopädie Dr. W am 12. Mai 2010 beim LSG eingehend ein Gutachten nach Aktenlage, das er im Dezember 2010 ergänzte. Er stellte aufgrund eines MRT vom 08. Mai 2003 eine Höhenminderung im Segment L 5/S 1 fest. Er meinte im Ergebnis, es fehlten konkrete Hinweise für berufsspezifische Einflüsse auf die Segmentschädigung L 5/S 1.
Die Beklagte teilte im August 2010 auf Nachfrage des Gerichts mit, es habe ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen nach den Zusatzkriterien gemäß Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen in einigen Bereichen ermittelt werden können. Es werde jedoch darauf hingewiesen, dass das Computerprogramm zur Dosisberechnung nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) nur zusammenhängende Fehlzeiten von mehr als 4 Wochen berücksichtige. Die erheblichen Fehlzeiten der Klägerin seien daher in der Berechnung nur zum Teil berücksichtigt worden.
Die Beklagte überreichte eine Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition aus der Abteilung Prävention vom 24. August 2010. Aus den Erhebungsdaten, für die die Bestätigung des Arbeitgebers vorliege, werde eine berufliche Gesamtdosis der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Oktober 1981 bis 14. April 2003 in Höhe von 12,6 x 106 Nh berechnet. Bei Einbeziehung noch unbestätigter Angaben der Klägerin ergebe sich eine Gesamtdosis von 15,4 x 106 Nh. Das Zusatzkriterium "besonders intensive Belastung" liege nicht vor. Das Zusatzkriterium "besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitze" sei erfüllt.
Ermittlungen zu Angaben der Klägerin, als Vorschülerin in der Zeit vom 1. Oktober 1980 bis 30.September 1981 und als Krankenpflegeschülerin vom 1. Januar 1984 bis 31. März 1985 als so genannte Extrawache in der Station 61 gewesen zu sein, blieben ohne Erfolg. Unterlagen aus dieser Zeit lagen der C nicht mehr vor. Der Facharzt für Radiologie Dr. R erstattete im August 2011 ein Gutachten nach Aktenlage. Nach Auswertung der vorliegenden Aufnahmen bildgebender Verfahren gelangte er zu der Beurteilung, dass ab der Röntgenaufnahme der LWS vom 29. Juli 2003 eine Höhenminderung zweifelsfrei nachgewiesen ist in Form einer altersuntypischen Chondrose L 5/S 1.
Der Diplombiologe D erstattete im November 2011 ein arbeitstechnisches Gutachten nach Aktenlage. Dieses ergänzte er im Januar 2012, nachdem die Beklagte Einwendungen gegen sein Gutachten erhoben hatte. Er berechnete die berufliche Gesamtbelastungsdosis der Klägerin in seiner ergänzenden Stellungnahme nach den Kriterien des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) Aktenzeichen B 2 U 4/06 R mit 13,7 MNh und nach den Kriterien des Maiz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) mit 12,6 MNh.
Er erachtete die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2108 für die Klägerin gemäß den Anforderungen des BSG-Urteils mit Sicherheit als erfüllt. Auch hinsichtlich der Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen sei für die Klägerin ein Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen mit Sicherheit als erfüllt zu betrachten.
Prof. Dr. G , der in der orthopädischen Universitätsklinik des Universitätsklinikums M tätig und im Autorenverzeichnis der Konsensempfehlungen aufgeführt ist, erstattete im März 2012 ein Gutachten nach Aktenlage, das er im Mai 2012 ergänzte. Er erachtete ein lumbales Wurzelreizsyndrom auf der Grundlage der vorliegenden Befunde für zweifelsfrei nachgewiesen.
Die Beklagte gab keine Stellungnahmen ab nach Eingang der Ergänzung durch den SV Dund des medizinischen SVG von Prof. Dr. G und bat um eine gerichtliche Entscheidung in der Sache.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtmäßig. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung einer Bk nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV.
Die erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig.
Gegenstand des Verfahrens ist eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, mit der unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass die Erkrankungen der Klägerin eine BK darstellt. Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass eine bestimmte BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage infrage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage klären lassen ( BSG vom 15.09.2011- B 2 U 25/10 R unter Hinweis auf BSG Urteil vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45). Das Feststellungsinteresse der Klägerin folgt aus der vorliegenden Erkrankung ihrer Bandscheiben der LWS.
Die Klage ist auch begründet.
Sämtliche Voraussetzungen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind bei der Klägerin ab 2003 feststellbar.
BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge eines Versicherungsschutzes nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
In der BKV ist die BK 2108 definiert als "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können."
Die Tatbestandsvoraussetzungen einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind sämtlich erfüllt.
Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss der Versicherte auf Grund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG, Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 4/06R – Rdnr. 16 f.).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die der Senat in den Entscheidungen vom 09. Mai 2006 (- B 2 U 1/05 R, B 2 U 26/04 R – mwN) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach den Einwirkungen, Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung von individuellen Versicherten sind der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Zur Anerkennung einer BK muss ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bejaht werden. Die gesundheitsgefährdende schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und diese Einwirkung muss die als BK zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben.
Bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a. F.). Der ursächliche Zusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).
Das BSG hat ausgeführt, dass sich letztlich angesichts der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen, der Dauer der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines eindeutig abgrenzbaren Krankheitsbildes, das für Belastungen durch Heben und Tragen oder Arbeit in Rumpfbeugehaltung typisch sei, entscheidend nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der LWS-Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen stelle. Aus diesen Gründen sei auch der § 9 Abs. 3 SGB VII, unabhängig von seinem Inkrafttreten erst am 01. Januar 1997, bei der BK Nr. 2108 nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht anwendbar (Urteil vom 18. November 1997 – 2 RU 48/96 – SGb 1999, 39, B 2 U 13/05 R, zitiert nach juris).
Von diesen rechtlichen Voraussetzungen ausgehend ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 SGG) zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass sämtliche Voraussetzungen der BK Nr. 2108 erfüllt sind.
Die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankungen, für die eine Rente beansprucht wird, sind zweifelsfrei nachgewiesen. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, Anm. 5 zu § 118 m. w.N.) Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128).
Die Klägerin war als Versicherte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bei ihrer im Tatbestand des Urteils genannten beruflichen Tätigkeiten Einwirkungen durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten und Arbeit in extremer Rumpfbeugehaltung mit einer Gesamtbelastungsdosis von 13,7 MNh hinreichend ausgesetzt. Die Einwirkungen waren mit Wahrscheinlichkeit wesentliche (Mit-)Ursache für die bandscheibenbedingte Erkrankung der Klägerin, so dass sie infolge ihrer den Versicherungsschutz nach § 2 SGB VII begründeten Tätigkeit eine bandscheibenbedingte Erkrankung ihrer LWS erlitten hat und dadurch gezwungen war, diese Tätigkeit aufzugeben.
Der Senat legt 13,7 MNh als berufliche Gesamtbelastungsdosis zugrunde. Denn der Diplombiologe D berechnete die berufliche Gesamtbelastungsdosis der Klägerin in seiner ergänzenden Stellungnahme nach den Kriterien des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) Aktenzeichen B 2 U 4/06 R mit 13,7 MNh bzw. nach den Kriterien des MDD mit 12,6 MNh. Der Senat folgt dem Gutachter. Seine Beurteilung entspricht auch im Wesentlichen der Stellungnahme der Arbeitsplatzexposition der Abteilung Prävention vom 24. August 2010. Aus den vom Arbeitgeber bestätigten Erhebungsdaten wurde dort nach dem MDD eine berufliche Gesamtdosis der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Oktober 1981 bis 14. April 2003 in Höhe von 12,6 x 106 Nh berechnet. Bei Einbeziehung noch unbestätigter Angaben der Klägerin ergab sich eine Gesamtdosis von 15,4 x 106 Nh.
Auch nach den weiteren im BSG-Urteil genannten Kriterien bieten die Berechnungen des Sachverständigen D keinen Anlass für Beanstandungen. Die tatsächlichen Grundlagen der Berechnungen orientieren sich an den Angaben des Arbeitgebers der Klägerin zur Art und Dauer ihrer Wirbelsäulen belastenden Tätigkeiten gemäß der BK 2108 und hinsichtlich der Bandscheibendruckkraft am MDD. Selbst die Beklagte hat nach Eingang der korrigierten Berechnung des Sachverständigen keine Einwendungen erhoben.
Damit hat die Klägerin die für die Krankheitsverursachung im Sinne der Bk 2108 erforderliche Belastungsdosis erreicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird der Wert von 8,5 x 106 Nh für ausreichend erachtet, da die Richtwerte des MDD (für Frauen 17 MNh) nach dieser Rechtsprechung für die Gesamtbelastungsdosis zu halbieren sind (BSG Urteil vom 30. Oktober 2007, B 2 U 4/06 R). Das BSG hat Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet.
Auch ist bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS zweifelsfrei feststellbar.
Der Senat orientiert sich bei der Frage, ob eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nachgewiesen ist, an den "Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule", den Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe (veröffentlicht in Trauma und Berufskrankheit, Heft 3 und 4/2500, Springer Medizinverlag, Seite 211 ff. – nachfolgend Konsensempfehlungen genannt).
Die Konsensempfehlungen entsprechen dem aktuellen wissenschaftlichen medizinischen Erkenntnisstand, wie der Sachverständige bestätigt hat. Als aktueller wissenschaftlicher medizinischen Erkenntnisstand, sind die durch Forschung und praktische Erfahrungen gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt wurden, über die von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallende Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (Urteil des BSG vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R).
Nach den Konsensempfehlungen leitet sich die Klassifikation der Bk-relevaten Bandscheibenschäden als Basis einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne der BK 2108 ab aus Kriterien bildgebender Verfahren über morphologische Veränderungen, klinischen Kriterien des Wirkungsgrades morphologischer Schäden auf Funktionen der betroffenen Bewegungssegmente sowie topographisch zuzuordnender Nervenwurzeln und der damit zu erklärenden Schmerzausprägung. Damit ist der bildgebende Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens (Höhenminderung und/oder Vorfall) unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis eines Bandscheibenschadens. Hinzukommen muss eine korrelierende klinische Symptomatik.
Sämtliche Voraussetzungen sind hier feststellbar.
Ein lumbales Wurzelsyndrom im Sinne der Konsensempfehlungen ist zweifelsfrei nachgewiesen. Hierfür sollen nach den Konsensempfehlungen als Kriterien erfüllt sein:
- Radiologie: Vorfall oder Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung mit Nervenwurzelbedrängung , ggf. i. V. m. Retrospondylose, Spondylarthrose, Foramenstenose, Recessusstenose und/oder Spinalkanalstenose, im Ausnahmefall bei engem Spinalkanal nach Protrusion - Neurologie: Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzel (n)
Die radiologischen Voraussetzungen sind erfüllt durch den bildgebenden Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens mit einer Höhenminderung (Chondrose) Grad I in L5/S1. Bei Erstellung des MRT vom 08. Mai 2003 war die Klägerin erst 39 Jahre alt. Damit ist nach den Konsensempfehlungen der Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens erbracht. Dies hat Dr. R nach Auswertung der Aufnahmen bildgebender Diagnostik überzeugend dargestellt. Der Senat folgt seiner Beurteilung. Er hat die Aufnahmen gemäß den Vorgaben der Konsensempfehlungen ausgemessen und nachvollziehbar den Kriterien der Konsensempfehlungen untergeordnet. Die Konsensempfehlungen beurteilen eine Höhenminderung Grad I größer 1/5 -1/3 im Alter unter 50 Jahren als altersuntypisch. Die Beurteilung von Dr. steht hiermit in Übereinstimmung.
Auch ein Bandscheibenprolaps lag bei der Klägerin vor. Der Bericht von Dr. U beschreibt unter dem 25. August 2003 mikroneurochirurgische Entfernung eines subligamentär sequestrierten Bandscheibenprolapses L5/S1 links, worauf Prof. Drhingewiesen hat.
Prof. Dr. G hat auch das erforderliche radiologische Kriterium mit Nervenwurzelbedrängung, ggf. i. V. m. Recessusstenose für erfüllt erachtet.
Soweit Dr. R hat in seinem radiologischen Gutachten eine Nervenwurzelbedrängung nicht festgestellt hat, steht dies der Beurteilung von Prof. Dr. G nicht entgegen Prof. Dr. G hat diese Voraussetzung den aktenkundigen Befunden außerhalb des Aufgabenbereichs von Dr. R entnommen. Der Senat folgt seiner Beurteilung.
Prof. Dr. Ghat in seiner ergänzenden Stellungnahme ausführlich begründet, dass in Zusammenschau aller Befunde eine Wurzelbedrängung der S1-Wurzel links als gesichert anzunehmen ist. Er hat hierzu ausgeführt:
In diesem Zusammenhang zitierte ich nochmals die Befunde des MRT’s der LWS vom 17.07.03 und des Berichtes von Dr. Th. B vom 03.09.03. Das MRT vom 17.07.03 beschreibt eine kräftige Bandscheibenprotrusion an der Grenze zum subligamentären Vorfall bei L5/S1 mit minimaler Impression des Duraschlauches und Tangierung beider S1-Wurzeln. Weiterhin ist vermerkt, dass aus dem Bildaspekt eine Wurzelirritation abzuleiten ist. 1. Der Bericht von Dr. U beschreibt unter dem 25.08.03 mikroneurochirurgische Entfernung eines subligamentär sequestrierten Bandscheibenprolapses L5/S1 links bei einer erweiterten Fensterung links mit Dekompression des Duralsackes und der S1-Wurzel links sowie Ausräumung des Zwischenwirbelraumes L 5/S1 von links. Auch Dr. Rbeschreibt in seinem Gutachten, dass eine geringe Rezessusstenose bei L5/S1 besteht, wodurch eine Wurzelreizung S1 erklärbar wäre. Demzufolge wird Ihre erste Frage dahingehend beantwortet, dass die klinischen Kriterien eines Wurzelreizsyndroms zweifelsfrei erfüllt sind mit positivem Lasegue’schen Zeichen, ausgefallenen Achillessehnenreflex links, dezenter Fußsenkerparese links und im EMG V. a. akute Wurzelschädigung S 1 links. In den radiologischen Berichten findet sich kein Hinweis auf eine direkte Wurzelkompression, jedoch kann aus den Befundberichten des MRT’s vom 17.07.03 auf eine Wurzelirritation durch knöcherne Einengung im Rezessus ausgegangen werden. Das wird auch dadurch erhärtet, dass während des operativen Eingriffes am 25.08.03 eine Dekompression der Wurzel S 1 vorgenommen wurde.
In Zusammenschau aller Befunde ist eine Wurzelbedrängung der S1-Wurzel links als gesichert anzunehmen. Wenn keine Nervenwurzelbedrängung nachweisbar ist, wären die radiologischen Kriterien nicht erfüllt. Wie bereits ausgeführt und auch in den Konsensempfehlungen formuliert, kann eine Nervenwurzelbedrängung auch durch eine Rezessusstenose möglich sein. Dieses wird in dem beschriebenen MRT-Befund für wahrscheinlich gehalten.
Mit dem Hinweis auf die Rezessusstenose sollte das radiologische Korrelat einer Wurzelbedrängung dargestellt werden. Die neurologischen Zeichen eines lumbalen Wurzelreizsyndroms sind auf Grund der vorliegenden Befunde eindeutig erfüllt. Eine Rezessusstenose ist die Einengung des äußeren Bereiches des Wirbelkanals durch Vergrößerung der oberen Wirbelgelenksfortsätze, wodurch die austretende Wurzel komprimiert wird.
Auch die nach den Konsensempfehlungen erforderlichen neurologischen Zeichen sind nachgewiesen. Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzel (n) sind durch Befunde gesichert. Prof. Dr. G hat ausgeführt es seien neurologische Zeichen einer Nervenwurzelschädigung S 1 aufgrund eines EMG-Befundes vom 05. August 2003 zweifelsfrei nachgewiesen. Im einzelnen berichtete er:
Im Befund vom 19.08.2003 ist ein positiver Lasègue links bei 45°, ein ausgefallener Achillessehnenreflex links und eine dezente Fußsenkerlähmung links beschrieben. Erhärtet wird die Wurzelreizung S 1 durch eine EMG-Untersuchung vom 05.08.2003 mit V. a. akute Nervenwurzelschädigung S 1 links. Die von Dr. R beschriebenen MRT-Befunde lassen zwar keine direkte Nervenwurzelkompression im Segment L5/S 1 erkennen, jedoch werden Rezessusstenosen beschrieben, die eine Wurzelreizung S 1 bds. erklären könnten. 396 ga Eine Nervenwurzelschädigung lässt sich durch klinische und elektrophysiologische Untersuchungen feststellen. Klinische Zeichen der Nervenwurzelschädigung sind der ausgefallene ASR, dezente Fußsenkerschwäche und der im EMG beschriebene V.a. Läsion der Wurzel S 1.
Weiterhin ist vermerkt, dass aus dem Bildaspekt eine Wurzelirritation abzuleiten ist. 1. Der Bericht von Dr. U beschreibt unter dem 25.08.03 mikroneurochirurgische Entfernung eines subligamentär sequestrierten Bandscheibenprolapses L5/S1 links bei einer erweiterten Fensterung links mit Dekompression des Duralsackes und der S1-Wurzel links sowie Ausräumung des Zwischenwirbelraumes L 5/S1 von links. Auch Dr. Rbeschreibt in seinem Gutachten, dass eine geringe Rezessusstenose bei L5/S1 besteht, wodurch eine Wurzelreizung S1 erklärbar wäre. Demzufolge wird Ihre erste Frage dahingehend beantwortet, dass die klinischen Kriterien eines Wurzelreizsyndroms zweifelsfrei erfüllt sind mit positivem Lasegue’schen Zeichen, ausgefallenen Achillessehnenreflex links, dezenter Fußsenkerparese links und im EMG V. a. akute Wurzelschädigung S 1 links. In den radiologischen Berichten findet sich kein Hinweis auf eine direkte Wurzelkompression, jedoch kann aus den Befundberichten des MRT’s vom 17.07.03 auf eine Wurzelirritation durch knöcherne Einengung im Rezessus ausgegangen werden. Das wird auch dadurch erhärtet, dass während des operativen Eingriffes am 25.08.03 eine Dekompression der Wurzel S 1 vorgenommen wurde.
Damit liegen sowohl die radiologischen als auch die klinischen Voraussetzungen vor, die das Krankheitsbild eines nach Prof. Dr. G Typ 2 der Konsensempfehlungen begründen. Die Beurteilung des Sachverständigen ist überzeugend. Seine Beurteilung steht in Übereinstimung mit Befunden der Aktenlage, die er zutreffend wiedergegeben hat. Die Beklagte ist seiner Beurteilung nicht entgegengetreten.
Die Beurteilung von Dr. W steht dem nicht entgegen. Er hat die Voraussetzungen der Typen 1 und 2 nicht nachvollziehbar überprüft.
Die festgestellte bandscheibenbedingte Erkrankung ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nach den vorgenannten Maßstäben auf die berufliche Tätigkeit als wesentliche (Mit-)Ursache zurückzuführen. Andere Ursachen von überragender Bedeutung sind nicht feststellbar. Bereits für die Zeit der Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit im Jahr 2003 lassen sich die klinischen und radiologischen Kriterien feststellen.
Die bandscheibenbedingte Erkrankung der Klägerin i. S. der Konsensempfehlungen ist entsprechend der Einordnung in die Konstellation B 2 auf die schädigenden Einwirkungen bei versicherter Tätigkeit als wesentliche (Mit-)Ursache mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zurückzuführen.
Die Konstellation B 2 besagt:
- Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren erkennbar: nein - Begleitspondylose: nein.
Zusätzlich mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt:
- Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben – bei monosegmenater/m Chondrose/Vorfall in L 5/S 1 oder L4/L 5 "black disc" im Magnetresonanztomogramm in mindestens 2 angrenzenden Segmenten (Hinweis: ggf. Magnetresonanztomogramm der Lendenwirbelsäule im Rahmen der Begutachtung veranlassen)
- Besonders intensive Belastung; Anhaltpunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren.
- Besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen; Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 ½ kN; Männer ab 6 kN).
Beurteilung: Zusammenhang wahrscheinlich.
Im Fall der Klägerin fehlt eine Begleitspondylose.
Als solche ist definiert eine Spondylose
a) in /im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) sowie b) in /im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) die nachgewiesenermaßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines Vorfalls aufgetreten ist.
Nach dem Gutachten von Dr. ist eine Begleitspondylose bei der Klägerin nicht feststellbar.
Die Frage, ob Begleitspondylosen erforderlich sind, ist in der Wissenschaft umstritten (Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen, Anhänge 1 und 2 der Konsensempfehlungen). Allerdings ist der Streit im vorliegenden Verfahren aufgrund der weiteren Kriterien der B 2 unerheblich.
Denn im Fall der Klägerin ist das 3. Zusatzkriterium der Konstellation B 2 feststellbar: "Besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen".
Der Sachverständige D erachtete diese Voraussetzung für eindeutig erfüllt. Der Senat folgt seiner Beurteilung auch insoweit. Er stellte in der Anlage die Tätigkeiten der Klägerin dar, bei denen das Kriterium der "hohen Belastungsspitzen" durch eine resultierende Bandscheibendruckkraft ab 4 ½ kN erfüllt ist, sowie die aus den entsprechenden Druckkräften für jedes Tätigkeitsmodul (Arbeitsschicht) errechneten Tagesdosen, deren Wert mindestens den hälftigen MDD-Tagesdosis-Richtwert für Frauen von 1,75 kNh (50 % von 3,5 kNh) erreicht.
Danach waren die genannten Bedingungen für die Klägerin nach Aktenlage an insgesamt 1.848 Arbeitsschichten erfüllt, wobei hier die entsprechenden Fehlzeiten bereits berücksichtigt sind. Ausgehend von durchschnittlich 220 Arbeitstagen pro Jahr entspricht dies einer Dauer von 8,4 Arbeitsjahren. Damit ist das Kriterium der "besonderen Gefährdung durch hohe Belastungsspitzen" für die Klägerin eindeutig erfüllt.
Die Konsensempfehlungen enthalten für das 3. Zusatzkriterium keine Mindestvoraussetzungen. Im Text wird keine Mindestanzahl von Arbeitsschichten o. ä. für die Erfüllung des Kriteriums erwähnt. Selbst wenn dieses Zusatzkriteriums dahingehend ausgelegt würde, dass ein wiederkehrendes Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen erforderlich ist, was im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. August 2009 - L 3 U 202/04 - zum Ausdruck gekommen sein könnte, hätte die Klägerin diese Voraussetzung erfüllt. Die 1.848 relevanten Arbeitsschichten der Klägerin sind sicherlich als "wiederkehrende" Belastung anzusehen, wie der Sachverständige D dargelegt hat.
Die Beklagte hat gegen seine Bewertung keine Einwendungen erhoben. Bereits in der Stellungnahme vom 24. August 2010 ihrer Abteilung Prävention hatte diese mitgeteilt: • "3. Zusatzkriterium" Besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen. Bei der Versicherten ist das 3. Zusatzkriterium gemäß den Konsensempfehlungen zur Berufskrankheit Nr. 2108 erfüllt.
In ihrem Schriftsatz vom 30. August 2010 führte die Beklagte dazu aus, dass ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen in einigen Berichten habe ermittelt werden können.
Soweit die Beklagte darauf hinwies, ihr stehe kein Programm zur Verfügung, das die Fehlzeiten der Klägerin berücksichtige, ist dies durch das Gutachten des Sachverständigen D nachgebessert worden. Er hat die Fehlzeiten berücksichtigt.
Der Senat hat keinen Anlass an seiner Beurteilung zu zweifeln, zumal die Beklagte, die hierfür qualifiziert wäre, keine Einwendungen dagegen erhoben hat.
Das 2.Zusatzkriterium "Besonders intensive Belastung; Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren" ist nach den Kriterien des BSG- Urteils - B 2 U 4/06 R- erfüllt in den Jahren 1989 bis 1992 jeweils für die zurückliegende Dekade, wie der Sachverständige ausgeführt hat. Denn die 10-Jahresdosis- Summe erreicht hier jeweils Werte von mindestens 8,5 MNh.
Indizien, die nach den Konsensempfehlungen gegen einen Zusammenhang sprechen könnten, sind von nicht festgestellt worden. Insbesondere
- die gleichmäßige Ausbreitung von Schmerzen über weite Bereiche des Rückens mehrere Segmente vom bildgebend dargestellten Bandscheibenschaden entfernt - die Schilderung von Schmerzen, die sich zugleich über die Gelenke ausbreiten (Seite 216 der Konsensempfehlungen)
sind nicht feststellbar. Prof. Dr. G hat dies in Übereinstimmung mit der Aktenlage überzeugend dargelegt Auch sind konkurrierende Erkrankungen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht feststellbar.
Aus der bandscheibenbedingten Erkrankung hat sich ein chronisches Schmerzsyndrom im Sinne eines Postdiskotomiesyndroms entwickelt (Gutachten von Prof. Dr. G) und hat auch zu chronisch rezidivierende LWS-Beschwerden mit Funktionsstörungen wie verminderter Bewegungsfähigkeit der LWS geführt.
Die Unterlassung der wirbelsäulenbelastenden beruflichen Tätigkeit wurde wesentlich verursacht durch die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS und ist medizinisch geboten gewesen. Auch dies hat überzeugend dargelegt. Der Senat schließt sich seiner Beurteilung auch insoweit an.
Die Stellungnahme von Frau steht der Beurteilung der Erkrankung als BK nicht entgegen. Sie orientierte sich nicht an den Konsensempfehlungen und entspricht hinsichtlich der Beurteilung der Erkrankung als BK damit nicht dem aktuellen Stand.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Beurteilung der Erkrankung der Bandscheiben der Lendenwirbelsäule (LWS) der Klägerin als Berufskrankheit (BK) der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die 1964 geborene Klägerin war vom 01. Oktober 1980 bis 30. September 1981 als Vorschülerin der R-Klinik in B tätig gewesen. Vom 01. Oktober 1981 bis 23. April 1983 arbeitete sie dort bis zum 15. April 1987 als Krankenpflegeschülerin. Nach den vorliegenden Arbeitsverträgen war die Klägerin ab 14. Mai 1984 als Pflegehelferin im R-Krankenhaus tätig. Sie war dabei in der Strahlenabteilung mit Grund- und Behandlungspflege beschäftigt gewesen. Nach einer Ausbildung zur Krankenschwester vom 01. Mai 1985 bis 15. April 1987 war sie ab 16. April 1987 fortlaufend als Krankenschwester in der C Klinikum in diesem Beruf tätig. Nach einer Elternzeit vom 12. September 1998 bis 31. März 2000 und Krankheitszeiten arbeitete sie vom 1. September 2001 bis 31. März 2002 in der Klinik Hämatologie/Onkologie, vom 1. April 2002 bis 31. Juli 2003 in der Abteilung für Innere Medizin, vom 1. August 2003 in der Strahlenklinik und vom 12. Januar 2004 bis 21. Mai 2004 in der Gefäßsprechstunde der C. Während eines Sonderurlaubes vom 24. Mai 2004 bis 12. Mai 2006 wurde die Klägerin zur medizinischen Dokumentationsassistentin und Fallkoordinatorin weitergebildet. Im Anschluss an den Sonderurlaub wurde sie in der C im Bereich der medizinischen Dokumentation eingesetzt.
Auf die BK-Anzeige der HEK-Hanseatischen Krankenkasse im November 2003 ermittelte die Beklagte, Auskünfte der C wurden eingeholt und Unterlagen behandelnder Ärzte wurden beigezogen.
Ärztliche Berichte wurden erstattet aus dem Röntgeninstitut S von Dr. F im April 2003 (Bericht über eine Computertomografie der LWS vom 22. April 2003), von dem Arzt für Radiologische Diagnostik Dr. B im Mai 2003 ( über ein MRT der LWS vom 08. Mai 2003), im Juli 2003 von Dr. B ( über ein MRT der LWS vom 17. Juli 2003), aus der C im Juli 2003 (über ein MRT im Monat 2003),aus dem Röntgeninstitut a in B von Dr. S im Juli 2003 und aus der Klinik für Neurochirurgie der Charite im August 2003.
Mit Bescheid vom 02. Februar 2005 lehnte die Beklagte die Erkrankung der Lendenwirbelsäule der Klägerin als BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ab. Die Veränderungen stellten keine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Nr. 2108 dar. Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestünden daher nicht.
Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin, der nicht begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2005 zurück.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28. September 2005 zugestellten Widerspruchsbescheid richtet sich die am 28. Oktober 2005 beim Sozialgericht (SG) Berlin eingegangene Klage, mit der sie ihren Anspruch auf Anerkennung ihrer Erkrankung als BK weiter verfolgt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2005 -gemeint 02. Februar 2005- in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Erkrankung der Klägerin als BK anzuerkennen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2006 hat das SG ohne weitere Ermittlungen die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, die Kammer sehe auch von Amts wegen keine Gesichtspunkte, die die Entscheidung der Beklagten zweifelhaft erscheinen ließen und weitere Ermittlungen erforderten.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 02. Juni 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am Montag, den 03. Juli 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Klägerin habe sich im Februar 2003 beim Betten einer Patientin einen Bandscheibenvorfall zugezogen. Im Juli 2003 sei eine ausgeprägte Schädigung des Nervs im LWS-Bereich C diagnostiziert worden. Im August 2003 habe sie sich an der Bandscheibe operieren lassen. Im Januar 2004 habe sie ihre Tätigkeit als Krankenschwester wieder aufgenommen. Sie sei im Betratron eingesetzt gewesen, wo sie schwerstkranke Tumorpatienten zum Bestrahlungstisch begleiten und lagern musste. Als sich dann noch eine ca. 80 kg schwere Patientin aus dem Stuhl an ihr hochgezogen habe, habe sie selbst die Initiative ergriffen. Die C habe ihr Ende Mai 2004 eine berufsbegleitende Ausbildung zur medizinischen Dokumentationsassistentin und Fallkoordinatorin angeboten. Die Deutsche Rentenversicherung habe durch Gutachter entschieden, dass die Klägerin ihren Beruf aufgrund des operierten Bandscheibenvorfalls als Krankenschwester nicht mehr ausüben könne und habe ihr die berufsbegleitende Vollzeitausbildung zur Dokumentationsassistentin finanziert.
Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 02. Februar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2005 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihr, der Klägerin, eine Berufskrankheit im Sinne einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigte ihre Entscheidungen.
Im Berufungsverfahren wurden Befundberichte erstattet vom Internisten Dr. D, aus der Neurochirurgischen Praxis von Dr. B der Fachärztin für Anästhesie Dr. B. Der Arzt für Neurochirurgie Dr. U übersandte Aufzeichnungen zu seinen Behandlungen der Klägerin ab 2003. Aufzeichnungen des behandelnden Arztes Dr. Swurden zur Akte gereicht. Berichte gingen ein vom Facharzt für Radiologische Diagnostik, Dr. , aus dem Gemeinschaftskrankenhaus H. Aus der Gemeinschaftspraxis Dr. M wurden Ausdrucke aus der elektronischen Krankenakte übermittelt. Aus der Rettungsstelle des Evangelischen W S gelangte ein Bericht vom 26. Dezember 2004 zu den Akten.
Aufgrund der Beweisanordnung vom 01. März 2010 erstattete der Facharzt für Orthopädie Dr. W am 12. Mai 2010 beim LSG eingehend ein Gutachten nach Aktenlage, das er im Dezember 2010 ergänzte. Er stellte aufgrund eines MRT vom 08. Mai 2003 eine Höhenminderung im Segment L 5/S 1 fest. Er meinte im Ergebnis, es fehlten konkrete Hinweise für berufsspezifische Einflüsse auf die Segmentschädigung L 5/S 1.
Die Beklagte teilte im August 2010 auf Nachfrage des Gerichts mit, es habe ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen nach den Zusatzkriterien gemäß Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen in einigen Bereichen ermittelt werden können. Es werde jedoch darauf hingewiesen, dass das Computerprogramm zur Dosisberechnung nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) nur zusammenhängende Fehlzeiten von mehr als 4 Wochen berücksichtige. Die erheblichen Fehlzeiten der Klägerin seien daher in der Berechnung nur zum Teil berücksichtigt worden.
Die Beklagte überreichte eine Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition aus der Abteilung Prävention vom 24. August 2010. Aus den Erhebungsdaten, für die die Bestätigung des Arbeitgebers vorliege, werde eine berufliche Gesamtdosis der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Oktober 1981 bis 14. April 2003 in Höhe von 12,6 x 106 Nh berechnet. Bei Einbeziehung noch unbestätigter Angaben der Klägerin ergebe sich eine Gesamtdosis von 15,4 x 106 Nh. Das Zusatzkriterium "besonders intensive Belastung" liege nicht vor. Das Zusatzkriterium "besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitze" sei erfüllt.
Ermittlungen zu Angaben der Klägerin, als Vorschülerin in der Zeit vom 1. Oktober 1980 bis 30.September 1981 und als Krankenpflegeschülerin vom 1. Januar 1984 bis 31. März 1985 als so genannte Extrawache in der Station 61 gewesen zu sein, blieben ohne Erfolg. Unterlagen aus dieser Zeit lagen der C nicht mehr vor. Der Facharzt für Radiologie Dr. R erstattete im August 2011 ein Gutachten nach Aktenlage. Nach Auswertung der vorliegenden Aufnahmen bildgebender Verfahren gelangte er zu der Beurteilung, dass ab der Röntgenaufnahme der LWS vom 29. Juli 2003 eine Höhenminderung zweifelsfrei nachgewiesen ist in Form einer altersuntypischen Chondrose L 5/S 1.
Der Diplombiologe D erstattete im November 2011 ein arbeitstechnisches Gutachten nach Aktenlage. Dieses ergänzte er im Januar 2012, nachdem die Beklagte Einwendungen gegen sein Gutachten erhoben hatte. Er berechnete die berufliche Gesamtbelastungsdosis der Klägerin in seiner ergänzenden Stellungnahme nach den Kriterien des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) Aktenzeichen B 2 U 4/06 R mit 13,7 MNh und nach den Kriterien des Maiz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) mit 12,6 MNh.
Er erachtete die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2108 für die Klägerin gemäß den Anforderungen des BSG-Urteils mit Sicherheit als erfüllt. Auch hinsichtlich der Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen sei für die Klägerin ein Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen mit Sicherheit als erfüllt zu betrachten.
Prof. Dr. G , der in der orthopädischen Universitätsklinik des Universitätsklinikums M tätig und im Autorenverzeichnis der Konsensempfehlungen aufgeführt ist, erstattete im März 2012 ein Gutachten nach Aktenlage, das er im Mai 2012 ergänzte. Er erachtete ein lumbales Wurzelreizsyndrom auf der Grundlage der vorliegenden Befunde für zweifelsfrei nachgewiesen.
Die Beklagte gab keine Stellungnahmen ab nach Eingang der Ergänzung durch den SV Dund des medizinischen SVG von Prof. Dr. G und bat um eine gerichtliche Entscheidung in der Sache.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtmäßig. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung einer Bk nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV.
Die erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig.
Gegenstand des Verfahrens ist eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, mit der unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass die Erkrankungen der Klägerin eine BK darstellt. Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass eine bestimmte BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage infrage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage klären lassen ( BSG vom 15.09.2011- B 2 U 25/10 R unter Hinweis auf BSG Urteil vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45). Das Feststellungsinteresse der Klägerin folgt aus der vorliegenden Erkrankung ihrer Bandscheiben der LWS.
Die Klage ist auch begründet.
Sämtliche Voraussetzungen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind bei der Klägerin ab 2003 feststellbar.
BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge eines Versicherungsschutzes nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
In der BKV ist die BK 2108 definiert als "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können."
Die Tatbestandsvoraussetzungen einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind sämtlich erfüllt.
Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss der Versicherte auf Grund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG, Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 4/06R – Rdnr. 16 f.).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die der Senat in den Entscheidungen vom 09. Mai 2006 (- B 2 U 1/05 R, B 2 U 26/04 R – mwN) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach den Einwirkungen, Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung von individuellen Versicherten sind der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Zur Anerkennung einer BK muss ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bejaht werden. Die gesundheitsgefährdende schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und diese Einwirkung muss die als BK zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben.
Bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a. F.). Der ursächliche Zusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).
Das BSG hat ausgeführt, dass sich letztlich angesichts der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen, der Dauer der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines eindeutig abgrenzbaren Krankheitsbildes, das für Belastungen durch Heben und Tragen oder Arbeit in Rumpfbeugehaltung typisch sei, entscheidend nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der LWS-Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen stelle. Aus diesen Gründen sei auch der § 9 Abs. 3 SGB VII, unabhängig von seinem Inkrafttreten erst am 01. Januar 1997, bei der BK Nr. 2108 nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht anwendbar (Urteil vom 18. November 1997 – 2 RU 48/96 – SGb 1999, 39, B 2 U 13/05 R, zitiert nach juris).
Von diesen rechtlichen Voraussetzungen ausgehend ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 SGG) zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass sämtliche Voraussetzungen der BK Nr. 2108 erfüllt sind.
Die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankungen, für die eine Rente beansprucht wird, sind zweifelsfrei nachgewiesen. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, Anm. 5 zu § 118 m. w.N.) Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128).
Die Klägerin war als Versicherte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bei ihrer im Tatbestand des Urteils genannten beruflichen Tätigkeiten Einwirkungen durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten und Arbeit in extremer Rumpfbeugehaltung mit einer Gesamtbelastungsdosis von 13,7 MNh hinreichend ausgesetzt. Die Einwirkungen waren mit Wahrscheinlichkeit wesentliche (Mit-)Ursache für die bandscheibenbedingte Erkrankung der Klägerin, so dass sie infolge ihrer den Versicherungsschutz nach § 2 SGB VII begründeten Tätigkeit eine bandscheibenbedingte Erkrankung ihrer LWS erlitten hat und dadurch gezwungen war, diese Tätigkeit aufzugeben.
Der Senat legt 13,7 MNh als berufliche Gesamtbelastungsdosis zugrunde. Denn der Diplombiologe D berechnete die berufliche Gesamtbelastungsdosis der Klägerin in seiner ergänzenden Stellungnahme nach den Kriterien des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) Aktenzeichen B 2 U 4/06 R mit 13,7 MNh bzw. nach den Kriterien des MDD mit 12,6 MNh. Der Senat folgt dem Gutachter. Seine Beurteilung entspricht auch im Wesentlichen der Stellungnahme der Arbeitsplatzexposition der Abteilung Prävention vom 24. August 2010. Aus den vom Arbeitgeber bestätigten Erhebungsdaten wurde dort nach dem MDD eine berufliche Gesamtdosis der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Oktober 1981 bis 14. April 2003 in Höhe von 12,6 x 106 Nh berechnet. Bei Einbeziehung noch unbestätigter Angaben der Klägerin ergab sich eine Gesamtdosis von 15,4 x 106 Nh.
Auch nach den weiteren im BSG-Urteil genannten Kriterien bieten die Berechnungen des Sachverständigen D keinen Anlass für Beanstandungen. Die tatsächlichen Grundlagen der Berechnungen orientieren sich an den Angaben des Arbeitgebers der Klägerin zur Art und Dauer ihrer Wirbelsäulen belastenden Tätigkeiten gemäß der BK 2108 und hinsichtlich der Bandscheibendruckkraft am MDD. Selbst die Beklagte hat nach Eingang der korrigierten Berechnung des Sachverständigen keine Einwendungen erhoben.
Damit hat die Klägerin die für die Krankheitsverursachung im Sinne der Bk 2108 erforderliche Belastungsdosis erreicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird der Wert von 8,5 x 106 Nh für ausreichend erachtet, da die Richtwerte des MDD (für Frauen 17 MNh) nach dieser Rechtsprechung für die Gesamtbelastungsdosis zu halbieren sind (BSG Urteil vom 30. Oktober 2007, B 2 U 4/06 R). Das BSG hat Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet.
Auch ist bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS zweifelsfrei feststellbar.
Der Senat orientiert sich bei der Frage, ob eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nachgewiesen ist, an den "Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule", den Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe (veröffentlicht in Trauma und Berufskrankheit, Heft 3 und 4/2500, Springer Medizinverlag, Seite 211 ff. – nachfolgend Konsensempfehlungen genannt).
Die Konsensempfehlungen entsprechen dem aktuellen wissenschaftlichen medizinischen Erkenntnisstand, wie der Sachverständige bestätigt hat. Als aktueller wissenschaftlicher medizinischen Erkenntnisstand, sind die durch Forschung und praktische Erfahrungen gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt wurden, über die von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallende Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (Urteil des BSG vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R).
Nach den Konsensempfehlungen leitet sich die Klassifikation der Bk-relevaten Bandscheibenschäden als Basis einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne der BK 2108 ab aus Kriterien bildgebender Verfahren über morphologische Veränderungen, klinischen Kriterien des Wirkungsgrades morphologischer Schäden auf Funktionen der betroffenen Bewegungssegmente sowie topographisch zuzuordnender Nervenwurzeln und der damit zu erklärenden Schmerzausprägung. Damit ist der bildgebende Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens (Höhenminderung und/oder Vorfall) unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis eines Bandscheibenschadens. Hinzukommen muss eine korrelierende klinische Symptomatik.
Sämtliche Voraussetzungen sind hier feststellbar.
Ein lumbales Wurzelsyndrom im Sinne der Konsensempfehlungen ist zweifelsfrei nachgewiesen. Hierfür sollen nach den Konsensempfehlungen als Kriterien erfüllt sein:
- Radiologie: Vorfall oder Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung mit Nervenwurzelbedrängung , ggf. i. V. m. Retrospondylose, Spondylarthrose, Foramenstenose, Recessusstenose und/oder Spinalkanalstenose, im Ausnahmefall bei engem Spinalkanal nach Protrusion - Neurologie: Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzel (n)
Die radiologischen Voraussetzungen sind erfüllt durch den bildgebenden Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens mit einer Höhenminderung (Chondrose) Grad I in L5/S1. Bei Erstellung des MRT vom 08. Mai 2003 war die Klägerin erst 39 Jahre alt. Damit ist nach den Konsensempfehlungen der Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens erbracht. Dies hat Dr. R nach Auswertung der Aufnahmen bildgebender Diagnostik überzeugend dargestellt. Der Senat folgt seiner Beurteilung. Er hat die Aufnahmen gemäß den Vorgaben der Konsensempfehlungen ausgemessen und nachvollziehbar den Kriterien der Konsensempfehlungen untergeordnet. Die Konsensempfehlungen beurteilen eine Höhenminderung Grad I größer 1/5 -1/3 im Alter unter 50 Jahren als altersuntypisch. Die Beurteilung von Dr. steht hiermit in Übereinstimmung.
Auch ein Bandscheibenprolaps lag bei der Klägerin vor. Der Bericht von Dr. U beschreibt unter dem 25. August 2003 mikroneurochirurgische Entfernung eines subligamentär sequestrierten Bandscheibenprolapses L5/S1 links, worauf Prof. Drhingewiesen hat.
Prof. Dr. G hat auch das erforderliche radiologische Kriterium mit Nervenwurzelbedrängung, ggf. i. V. m. Recessusstenose für erfüllt erachtet.
Soweit Dr. R hat in seinem radiologischen Gutachten eine Nervenwurzelbedrängung nicht festgestellt hat, steht dies der Beurteilung von Prof. Dr. G nicht entgegen Prof. Dr. G hat diese Voraussetzung den aktenkundigen Befunden außerhalb des Aufgabenbereichs von Dr. R entnommen. Der Senat folgt seiner Beurteilung.
Prof. Dr. Ghat in seiner ergänzenden Stellungnahme ausführlich begründet, dass in Zusammenschau aller Befunde eine Wurzelbedrängung der S1-Wurzel links als gesichert anzunehmen ist. Er hat hierzu ausgeführt:
In diesem Zusammenhang zitierte ich nochmals die Befunde des MRT’s der LWS vom 17.07.03 und des Berichtes von Dr. Th. B vom 03.09.03. Das MRT vom 17.07.03 beschreibt eine kräftige Bandscheibenprotrusion an der Grenze zum subligamentären Vorfall bei L5/S1 mit minimaler Impression des Duraschlauches und Tangierung beider S1-Wurzeln. Weiterhin ist vermerkt, dass aus dem Bildaspekt eine Wurzelirritation abzuleiten ist. 1. Der Bericht von Dr. U beschreibt unter dem 25.08.03 mikroneurochirurgische Entfernung eines subligamentär sequestrierten Bandscheibenprolapses L5/S1 links bei einer erweiterten Fensterung links mit Dekompression des Duralsackes und der S1-Wurzel links sowie Ausräumung des Zwischenwirbelraumes L 5/S1 von links. Auch Dr. Rbeschreibt in seinem Gutachten, dass eine geringe Rezessusstenose bei L5/S1 besteht, wodurch eine Wurzelreizung S1 erklärbar wäre. Demzufolge wird Ihre erste Frage dahingehend beantwortet, dass die klinischen Kriterien eines Wurzelreizsyndroms zweifelsfrei erfüllt sind mit positivem Lasegue’schen Zeichen, ausgefallenen Achillessehnenreflex links, dezenter Fußsenkerparese links und im EMG V. a. akute Wurzelschädigung S 1 links. In den radiologischen Berichten findet sich kein Hinweis auf eine direkte Wurzelkompression, jedoch kann aus den Befundberichten des MRT’s vom 17.07.03 auf eine Wurzelirritation durch knöcherne Einengung im Rezessus ausgegangen werden. Das wird auch dadurch erhärtet, dass während des operativen Eingriffes am 25.08.03 eine Dekompression der Wurzel S 1 vorgenommen wurde.
In Zusammenschau aller Befunde ist eine Wurzelbedrängung der S1-Wurzel links als gesichert anzunehmen. Wenn keine Nervenwurzelbedrängung nachweisbar ist, wären die radiologischen Kriterien nicht erfüllt. Wie bereits ausgeführt und auch in den Konsensempfehlungen formuliert, kann eine Nervenwurzelbedrängung auch durch eine Rezessusstenose möglich sein. Dieses wird in dem beschriebenen MRT-Befund für wahrscheinlich gehalten.
Mit dem Hinweis auf die Rezessusstenose sollte das radiologische Korrelat einer Wurzelbedrängung dargestellt werden. Die neurologischen Zeichen eines lumbalen Wurzelreizsyndroms sind auf Grund der vorliegenden Befunde eindeutig erfüllt. Eine Rezessusstenose ist die Einengung des äußeren Bereiches des Wirbelkanals durch Vergrößerung der oberen Wirbelgelenksfortsätze, wodurch die austretende Wurzel komprimiert wird.
Auch die nach den Konsensempfehlungen erforderlichen neurologischen Zeichen sind nachgewiesen. Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzel (n) sind durch Befunde gesichert. Prof. Dr. G hat ausgeführt es seien neurologische Zeichen einer Nervenwurzelschädigung S 1 aufgrund eines EMG-Befundes vom 05. August 2003 zweifelsfrei nachgewiesen. Im einzelnen berichtete er:
Im Befund vom 19.08.2003 ist ein positiver Lasègue links bei 45°, ein ausgefallener Achillessehnenreflex links und eine dezente Fußsenkerlähmung links beschrieben. Erhärtet wird die Wurzelreizung S 1 durch eine EMG-Untersuchung vom 05.08.2003 mit V. a. akute Nervenwurzelschädigung S 1 links. Die von Dr. R beschriebenen MRT-Befunde lassen zwar keine direkte Nervenwurzelkompression im Segment L5/S 1 erkennen, jedoch werden Rezessusstenosen beschrieben, die eine Wurzelreizung S 1 bds. erklären könnten. 396 ga Eine Nervenwurzelschädigung lässt sich durch klinische und elektrophysiologische Untersuchungen feststellen. Klinische Zeichen der Nervenwurzelschädigung sind der ausgefallene ASR, dezente Fußsenkerschwäche und der im EMG beschriebene V.a. Läsion der Wurzel S 1.
Weiterhin ist vermerkt, dass aus dem Bildaspekt eine Wurzelirritation abzuleiten ist. 1. Der Bericht von Dr. U beschreibt unter dem 25.08.03 mikroneurochirurgische Entfernung eines subligamentär sequestrierten Bandscheibenprolapses L5/S1 links bei einer erweiterten Fensterung links mit Dekompression des Duralsackes und der S1-Wurzel links sowie Ausräumung des Zwischenwirbelraumes L 5/S1 von links. Auch Dr. Rbeschreibt in seinem Gutachten, dass eine geringe Rezessusstenose bei L5/S1 besteht, wodurch eine Wurzelreizung S1 erklärbar wäre. Demzufolge wird Ihre erste Frage dahingehend beantwortet, dass die klinischen Kriterien eines Wurzelreizsyndroms zweifelsfrei erfüllt sind mit positivem Lasegue’schen Zeichen, ausgefallenen Achillessehnenreflex links, dezenter Fußsenkerparese links und im EMG V. a. akute Wurzelschädigung S 1 links. In den radiologischen Berichten findet sich kein Hinweis auf eine direkte Wurzelkompression, jedoch kann aus den Befundberichten des MRT’s vom 17.07.03 auf eine Wurzelirritation durch knöcherne Einengung im Rezessus ausgegangen werden. Das wird auch dadurch erhärtet, dass während des operativen Eingriffes am 25.08.03 eine Dekompression der Wurzel S 1 vorgenommen wurde.
Damit liegen sowohl die radiologischen als auch die klinischen Voraussetzungen vor, die das Krankheitsbild eines nach Prof. Dr. G Typ 2 der Konsensempfehlungen begründen. Die Beurteilung des Sachverständigen ist überzeugend. Seine Beurteilung steht in Übereinstimung mit Befunden der Aktenlage, die er zutreffend wiedergegeben hat. Die Beklagte ist seiner Beurteilung nicht entgegengetreten.
Die Beurteilung von Dr. W steht dem nicht entgegen. Er hat die Voraussetzungen der Typen 1 und 2 nicht nachvollziehbar überprüft.
Die festgestellte bandscheibenbedingte Erkrankung ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nach den vorgenannten Maßstäben auf die berufliche Tätigkeit als wesentliche (Mit-)Ursache zurückzuführen. Andere Ursachen von überragender Bedeutung sind nicht feststellbar. Bereits für die Zeit der Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit im Jahr 2003 lassen sich die klinischen und radiologischen Kriterien feststellen.
Die bandscheibenbedingte Erkrankung der Klägerin i. S. der Konsensempfehlungen ist entsprechend der Einordnung in die Konstellation B 2 auf die schädigenden Einwirkungen bei versicherter Tätigkeit als wesentliche (Mit-)Ursache mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zurückzuführen.
Die Konstellation B 2 besagt:
- Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren erkennbar: nein - Begleitspondylose: nein.
Zusätzlich mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt:
- Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben – bei monosegmenater/m Chondrose/Vorfall in L 5/S 1 oder L4/L 5 "black disc" im Magnetresonanztomogramm in mindestens 2 angrenzenden Segmenten (Hinweis: ggf. Magnetresonanztomogramm der Lendenwirbelsäule im Rahmen der Begutachtung veranlassen)
- Besonders intensive Belastung; Anhaltpunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren.
- Besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen; Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 ½ kN; Männer ab 6 kN).
Beurteilung: Zusammenhang wahrscheinlich.
Im Fall der Klägerin fehlt eine Begleitspondylose.
Als solche ist definiert eine Spondylose
a) in /im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) sowie b) in /im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) die nachgewiesenermaßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines Vorfalls aufgetreten ist.
Nach dem Gutachten von Dr. ist eine Begleitspondylose bei der Klägerin nicht feststellbar.
Die Frage, ob Begleitspondylosen erforderlich sind, ist in der Wissenschaft umstritten (Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen, Anhänge 1 und 2 der Konsensempfehlungen). Allerdings ist der Streit im vorliegenden Verfahren aufgrund der weiteren Kriterien der B 2 unerheblich.
Denn im Fall der Klägerin ist das 3. Zusatzkriterium der Konstellation B 2 feststellbar: "Besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen".
Der Sachverständige D erachtete diese Voraussetzung für eindeutig erfüllt. Der Senat folgt seiner Beurteilung auch insoweit. Er stellte in der Anlage die Tätigkeiten der Klägerin dar, bei denen das Kriterium der "hohen Belastungsspitzen" durch eine resultierende Bandscheibendruckkraft ab 4 ½ kN erfüllt ist, sowie die aus den entsprechenden Druckkräften für jedes Tätigkeitsmodul (Arbeitsschicht) errechneten Tagesdosen, deren Wert mindestens den hälftigen MDD-Tagesdosis-Richtwert für Frauen von 1,75 kNh (50 % von 3,5 kNh) erreicht.
Danach waren die genannten Bedingungen für die Klägerin nach Aktenlage an insgesamt 1.848 Arbeitsschichten erfüllt, wobei hier die entsprechenden Fehlzeiten bereits berücksichtigt sind. Ausgehend von durchschnittlich 220 Arbeitstagen pro Jahr entspricht dies einer Dauer von 8,4 Arbeitsjahren. Damit ist das Kriterium der "besonderen Gefährdung durch hohe Belastungsspitzen" für die Klägerin eindeutig erfüllt.
Die Konsensempfehlungen enthalten für das 3. Zusatzkriterium keine Mindestvoraussetzungen. Im Text wird keine Mindestanzahl von Arbeitsschichten o. ä. für die Erfüllung des Kriteriums erwähnt. Selbst wenn dieses Zusatzkriteriums dahingehend ausgelegt würde, dass ein wiederkehrendes Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen erforderlich ist, was im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. August 2009 - L 3 U 202/04 - zum Ausdruck gekommen sein könnte, hätte die Klägerin diese Voraussetzung erfüllt. Die 1.848 relevanten Arbeitsschichten der Klägerin sind sicherlich als "wiederkehrende" Belastung anzusehen, wie der Sachverständige D dargelegt hat.
Die Beklagte hat gegen seine Bewertung keine Einwendungen erhoben. Bereits in der Stellungnahme vom 24. August 2010 ihrer Abteilung Prävention hatte diese mitgeteilt: • "3. Zusatzkriterium" Besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen. Bei der Versicherten ist das 3. Zusatzkriterium gemäß den Konsensempfehlungen zur Berufskrankheit Nr. 2108 erfüllt.
In ihrem Schriftsatz vom 30. August 2010 führte die Beklagte dazu aus, dass ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen in einigen Berichten habe ermittelt werden können.
Soweit die Beklagte darauf hinwies, ihr stehe kein Programm zur Verfügung, das die Fehlzeiten der Klägerin berücksichtige, ist dies durch das Gutachten des Sachverständigen D nachgebessert worden. Er hat die Fehlzeiten berücksichtigt.
Der Senat hat keinen Anlass an seiner Beurteilung zu zweifeln, zumal die Beklagte, die hierfür qualifiziert wäre, keine Einwendungen dagegen erhoben hat.
Das 2.Zusatzkriterium "Besonders intensive Belastung; Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren" ist nach den Kriterien des BSG- Urteils - B 2 U 4/06 R- erfüllt in den Jahren 1989 bis 1992 jeweils für die zurückliegende Dekade, wie der Sachverständige ausgeführt hat. Denn die 10-Jahresdosis- Summe erreicht hier jeweils Werte von mindestens 8,5 MNh.
Indizien, die nach den Konsensempfehlungen gegen einen Zusammenhang sprechen könnten, sind von nicht festgestellt worden. Insbesondere
- die gleichmäßige Ausbreitung von Schmerzen über weite Bereiche des Rückens mehrere Segmente vom bildgebend dargestellten Bandscheibenschaden entfernt - die Schilderung von Schmerzen, die sich zugleich über die Gelenke ausbreiten (Seite 216 der Konsensempfehlungen)
sind nicht feststellbar. Prof. Dr. G hat dies in Übereinstimmung mit der Aktenlage überzeugend dargelegt Auch sind konkurrierende Erkrankungen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht feststellbar.
Aus der bandscheibenbedingten Erkrankung hat sich ein chronisches Schmerzsyndrom im Sinne eines Postdiskotomiesyndroms entwickelt (Gutachten von Prof. Dr. G) und hat auch zu chronisch rezidivierende LWS-Beschwerden mit Funktionsstörungen wie verminderter Bewegungsfähigkeit der LWS geführt.
Die Unterlassung der wirbelsäulenbelastenden beruflichen Tätigkeit wurde wesentlich verursacht durch die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS und ist medizinisch geboten gewesen. Auch dies hat überzeugend dargelegt. Der Senat schließt sich seiner Beurteilung auch insoweit an.
Die Stellungnahme von Frau steht der Beurteilung der Erkrankung als BK nicht entgegen. Sie orientierte sich nicht an den Konsensempfehlungen und entspricht hinsichtlich der Beurteilung der Erkrankung als BK damit nicht dem aktuellen Stand.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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