Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 AS 1582/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 2293/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 03. September 2012 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der An¬trag¬stellerin mit Schreiben vom 09. August 2012 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 02. August 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27. August 2012 wird angeordnet. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen für den Monat September und – bei Fälligkeit – für den Monat Oktober iHv jeweils 694,00 EUR unter Anrechnung bereits gezahlter Leistungen zu zahlen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne laufende monatliche Teilanrechnung der an sie im Juli 2012 ausgezahlten Versicherungsleistung.
Die Antragstellerin bewohnte mit ihrem am 01. Juli 2012 verstorbenen Ehemann (die Eheschließung erfolgte am 13. Juni 2012) eine 3-Zimmer-Wohnung im Hause Fstraße in R. Mit Bescheid vom 10. Februar 2012 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin und ihrem Ehemann/Lebensgefährten im Leistungszeitraum vom 01. März bis 31. Oktober 2012 laufende Grundsicherungsleistungen unter Anrechnung der dem Ehemann seit dem 01. November 2011 gezahlten Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nachdem die Antragstellerin unter dem 05. Juli 2012 mitgeteilt hatte, dass ihr Ehemann verstorben war, bewilligte der Antragsgegner zunächst mit Änderungsbescheid vom 17. Juli 2012 der Antragstellerin für den Bewilligungszeitraum vom 01. Juli bis 31. Oktober 2012 Arbeitslosengeld II iHv monatlich 770,50 EUR (Regelbedarf iHv 374,00 EUR und Bedarf für Unterkunft iHv 396,50 EUR).
Auf Nachfrage des Antragsgegners teilte die Antragstellerin am 25. Juli 2012 in einer Nachlasserklärung mit, dass der Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung im Wert von 11.434,70 EUR bestehe. Die Beerdigungskosten bezifferte die Antragstellerin mit insgesamt 7.435,90 EUR. Weiter habe sie einen Betrag von 4.000,00 EUR am 12. Juli 2012 an Herrn J zur Tilgung einer Darlehensschuld, über die ein Schuldanerkenntnis vom 01. Juni 2012 abgegeben worden sei, gezahlt.
Mit Bescheid vom 02. August 2012 regelte der Antragsgegner den Leistungsanspruch der Antragstellerin ab dem 01. August 2012 dergestalt, dass er für die Monate August bis Oktober 2012 monatlich 135,70 EUR betrage und forderte die Antragstellerin auf, einen Betrag iHv 634,80 EUR zuviel gezahlter Leistungen für den Monat August 2012 zurückzuzahlen. Die Antragstellerin habe aus der Lebensversicherung einen Betrag von 11.434,70 EUR erhalten. Hiervon seien die Ausgaben für die Beerdigung, nicht aber die Schuldentilgung abzusetzen, so dass eine einmalige Einnahme iHv 3.998,80 EUR als Einkommen zu berücksichtigen sei. Die einmalige Einnahme sei auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen, so dass monatliche Teilbeträge iHv 664,80 EUR zu berücksichtigen seien.
Am 08. August 2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Neuruppin einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und die Auszahlung höhere Leistungen begehrt. Sie habe das Geld aus der Lebensversicherung ausgegeben und verfüge über keine finanziellen Rücklagen.
Mit Schreiben vom 09. August 2012 (eingegangen am 10. August 2012) hat die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 02. August 2012 eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist.
Die Antragstellerin hat zum 01. September 2012 eine kleinere Wohnung angemietet, für die sie monatlich 320,00 EUR (Nettokaltmiete: 210,00 EUR, Betriebskostenvorschuss: 50,00 EUR, Heizkostenvorschuss: 60,00 EUR) aufwenden muss.
Mit Änderungsbescheid vom 27. August 2012 hat der Antragsgegner die Leistung wegen der geringeren Wohnkosten ab dem 01. September 2012 auf 59,20 EUR abgesenkt (Berück¬sichtigung eines Gesamtbedarfs iHv 694,00 EUR unter Anrechnung von monatlichem Einkommen von 634,80 EUR (664,80 EUR abzüglich einer Versicherungspauschale iHv 30,00 EUR)). Auch hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist.
Mit Beschluss vom 03. September 2012 hat das SG Neuruppin den Antrag, den es als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 09. August 2012 gegen den Bescheid vom 02. August 2012 ausgelegt hat, zurückgewiesen. Der Antragstellerin stehe kein Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches zu, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung beständen. Mit dem nachträglichen Zufluss des Auszahlungsbetrages aus der Lebensversicherung hätten sich die Verhältnisse der Antragstellerin wesentlich verändert. Der Auszahlungsbetrag stelle eine so genannte einmalige Einnahme dar, die auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag als Einkommen zu berücksichtigen sei. Entsprechend mindere sich der (monatliche) Leistungsanspruch der Antragstellerin. Berechnung und Aufteilung des Auszahlungsbetrages seien nicht zu beanstanden. Von dem Auszahlungsbetrag iHv 11.434,70 EUR seien die mit der Bestattung verbundenen Ausgaben abgezogen worden, so dass ein Betrag iHv 3.998,80 EUR verbleibe, der auf einen Zeitraum von sechs Monaten zu verteilen sei. Der sich danach ergebende Betrag von monatlich 664,80 EUR sei jeweils um die Versicherungspauschale iHv 30,00 EUR zu bereinigen, so dass sich ein monatlicher Anrechnungsbetrag iHv 634,80 EUR ergebe. Soweit die Antragstellerin vortrage, dass sie Schulden iHv 4.000,00 EUR getilgt habe, führe dies zu keinen anderen Ergebnis, denn die Begleichung privater Schulden bleibe bei der Anrechnung von Einkommen jedenfalls dann ohne Berücksichtigung, wenn diese nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Erzielung von Einkommen stehe. Soweit die Antragstellerin vortrage, dass sie den Auszahlungsbetrag verbraucht habe, führe dies ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Der Verbrauch der einmaligen Einnahme stehe einer Anrechnung als Einkommen nicht entgegen.
Gegen den Beschluss des SG vom 03. September 2012 richtet sich die am 11. September 2012 erhobene Beschwerde. Die Antragstellerin macht geltend, sie habe keine finanziellen Mittel zur Verfügung. Das für die Pflege ihres Mannes nachgezahlte Pflegegeld habe sie für ihre Ausgaben (Miete und Lebenshaltungskosten) verwenden müssen. Sie verfüge über keinerlei Einkommen; sie wisse nicht, wie sie die Miete für September bezahlen solle. Ihr Vermieter habe für den Fall, dass auch die Miete für Oktober nicht gezahlt werden, mit der fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses gedroht.
Mit Bescheid vom 12. September 2012 hat der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin vom 09. September 2012 abgelehnt, ihr ein zinsloses Darlehen iHv 1,280,00 EUR (4x 320,00 EUR) zur Begleichung der Miete bis Januar 2013 zu gewähren. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch hat der Antragsgegner noch nicht entschieden.
II.
Die Beschwerde, mit der höhere laufende Leistungen für den Zeitraum vom 01. September bis 31. Oktober 2012 iHv monatlich 634,80 EUR geltend gemacht werden, ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass einstweiliger Rechtsschutz im vorliegenden Fall nur im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht kommt, da der erhobene Widerspruch gegen die mit dem angefochtenen Bescheid vom 02. August 2012 und den weiteren Bescheid vom 27. August 2012 mit Wirkung vom 01. August 2012 erfolgte (Teil-)Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II durch den Bescheid vom 17. Juli 2012, der den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 10. Februar 2012 vollständig ersetzt hat, gemäß § 39 Nr 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Das ist in entsprechender Anwendung des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 86a RdNr 27a).
Hier bestehen ernstliche Zweifel (iS dieser Vorschriften) an der Rechtmäßigkeit der (Teil-) Auf¬hebungsbescheide vom 02. August 2012 und 27. August 2012. Diese ergeben sich bereits aus den Regeln des Verfahrensrechts – dazu 1) – und zudem aus der Beurteilung der Hilfebedürftig¬keit der Antragstellerin – dazu 2).
1) Der Antragsgegner stützt seine Aufhebungsentscheidung auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X); es liege eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse durch Einkommenserzielung vor. Unterstellt, dass mit dem Zufluss der Versicherungsleistung eine wesentliche (rechtserhebliche) Änderung der Ver¬hältnisse eingetreten ist, ist dies nicht nach Erlass (= Bekanntgabe gegenüber der Antrag¬stellerin) der für die Zeit ab dem 01. August maßgebenden Bewilligungsentscheidung geschehen. Dies ist nämlich der im Bescheid vom 17. Juli 2012 verlautbarte Verwaltungsakt, mit dem der (Individual-) Anspruch der Antragstellerin neu geregelt worden ist. Die die Antrag¬stellerin betreffen¬den, unange¬fochten gebliebenen und damit bindend gewordenen Verfügungs¬sätze dieses Bescheides (der seinerseits auf § 48 SGB X beruhte) und bzgl dessen zeitnaher Bekanntgabe Bedenken nicht bestehen, waren ggfs bereits im Bekanntgabezeitpunkt rechts¬widrig, denn die an¬¬spruchs¬mindernden Einnahmen waren der Antragstellerin bereits am 09. Juli 2012 zuge¬flossen. Damit richtet sich die Aufhebbarkeit der nachgehenden Bewilligungsent¬scheidung nach § 45 SGB X, dessen Abs 3 für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (darum handelt es sich bei einer fortlaufenden Bewilligung) vorsieht, dass sie nur unter Er¬messens¬ausübung ("kann") zu¬rück¬genommen werden können, wobei zudem die Voraus¬setzungen nach § 45 Abs 2 SGB X, also insbesondere doloses Verhalten oder Bösgläubigkeit iSv § 45 Abs 2 Satz 3 Nrn 1 – 3, vor¬liegen müssen. Einer Aufhebungsentscheidung steht zunächst nicht ent¬gegen, dass der Antrags¬gegner seine Entscheidung auf § 48 SGB X und nicht auf § 45 SGB X gestützt hat, dies kann auch nachträglich geschehen (etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 21. Juni 2011 – B 4 AS 22/10 R juris RdNr 26). Die fehlende Ermessenausübung steht der Aufhebung dann nicht entgegen, wenn nach § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 2 Drittes Buch Sozial¬gesetzbuch (SGB III) Anwendung fin¬det, wonach bei Vorliegen der in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X ge¬nannten Voraussetzungen ein im Bereich der Grundsicherung ergangener rechts¬widriger Be¬scheid auch für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Der dem Wort "ist" zu entnehmende Verzicht auf eine Ermessens¬ausübung der Verwaltung gilt dabei dem Wortlaut der Vorschrift nach nur, soweit eine Rücknahme für die Vergangenheit – vorliegend wäre damit der wesent¬liche streitbefangene Zeit¬raum ab dem 01. September 2012 nicht umfasst – Gegen¬stand der Ent¬scheidung ist. Dies bedarf allerdings der Korrektur durch eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm, da nicht über¬zeugend begründbar ist, warum die Aufhebungs¬entscheidungen für die Vergangenheit, die durchweg höheren Anforderungen an zu gewähr¬leistenden Ver¬trauens¬schutz unterliegen als Aufhebungen für die Zukunft, im vorliegenden Zusammen¬hang einfacher möglich sein sollen (so im Ergebnis wohl nach dem Zusammenhang BSG, Urteil vom 16. Dezem¬ber 2008 – B 4 AS 48/07 R, zitiert nach juris; vgl auch Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 330 RdNr 14). Danach hängt die Recht¬mäßigkeit der Bescheide vom 02. und 27. August 2012, vorausgesetzt, dass ab dem Zufluss der Versicherungsleistungen ein Anspruch der Antragstellerin auf Arbeitslosengeld II nur noch unter Ein¬kommensanrechnung besteht, davon ab, ob die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nrn 1-3 SGB X vorliegen. Anhaltspunkte für eine Verwirklichung der in Nr 1 oder Nr 2 ent¬haltenen Tat¬bestände bestehen nicht. Die Antrag¬stellerin hat das Ableben ihres Ehemannes zeitnah mit¬geteilt und die Nachlasserklärung in angemessener Frist zutreffend abge¬geben. Ihr vorsätzliche Fehlinformation bzw Informa¬tionsverkürzungen vor¬zuwerfen, um ein bestimmtes Verwaltungs¬handeln zu erreichen (Abs 2 Satz 3 Nr 2), erscheint danach zu weit gehend, auch wenn sie ei¬gen¬initiatives Verhalten im Zusammenhang mit dem Zufluss der Versicherungsleistung unter¬lassen hat. Dass die Antrag¬stellerin eine Rechtswidrig¬keit der Bewilligungsentscheidung vom 17. Juli 2012 grob fahrlässig verkannt hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X) ist ebenfalls nicht anzunehmen. Dem Bescheid waren die wesentlichen nach dem Tod des Ehemannes zu erwartenden Konsequenzen (Ein¬stellung der Leistungen insoweit, Ansatz der gesamten Unterkunftskosten zugunsten der Antragstellerin) zu ent¬nehmen. Zu erkennen, dass bereits diese zeitnahe Änderungs¬ent¬scheidung nur bei Berück¬sichtigung des Vermögens¬zuflusses rechtmäßig sein konnte, erfordert indes Sachkenntnis und Reflektionsvermögen in erheblichem Umfang; die richtige Einschät¬zung zu verfehlen ist deshalb jedenfalls keine Fahrlässigkeit in gesteigerter (grober) Ausprägung.
2) Dass die Antragstellerin aufgrund des Zuflusses von Einkommen am 09. Juli 2012 im Monat August und darüber hinaus in den Monaten September und Oktober 2012 mangels Hilfebedürftigkeit nur noch Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II haben soll, begegnet weiteren erheblichen Bedenken.
Dem Bedarf im August 2012 iHv 770,50 EUR (Regelleistung: 374,00 EUR und Unterkunftsbedarf: 396,50 EUR) bzw ab September iHv 694,00 EUR (Regelleistung: 374,00 EUR und Unterkunftsbedarf: 320,00 EUR) ist das zugeflossene Einkommen gegenüberzustellen; verwertbares Vermögen ist nicht vorhanden. Der Antragstellerin ist nach Erhalt der Leistungen für den Monat Juli 2012 mit der Gutschrift der Versicherungsleistung am 09. Juli 2012 eine einmalige Einnahme iHv 11.434,70 EUR zugeflossen. Keinen Bedenken begegnet die Bewertung der Leistung als Einkommen dem Grunde nach. Eine einmalige Einnahme, die nach der Antragstellung zufließt, wird grundsätzlich als Einkommen nach § 11 Abs 3 SGB II bei der Berechnung der Arbeitslosengeld II-Leistung berücksichtigt (vgl zur Auszahlung einer Einkommensteuererstattung: BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R, zitiert nach juris RdNr 13).
Ob der Antragsgegner die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens zutreffend bestimmt hat, ist hingegen zweifelhaft. Der Antragsgegner hat die im Juli zugeflossene Versicherungsleistung zunächst um die im Juli von der Antragstellerin bezahlten Beerdigungskosten iHv 7.435,90 EUR bereinigt. Eine weitere Absetzung im Hinblick auf das Schuldanerkenntnis des Erblassers und der Antragstellerin vom 01. Juni 2012, welches die Antragstellerin durch Überweisung eines Betrages iHv 4.000,00 EUR am 11. Juli 2012 erfüllt hat, hat der Antragsgegner dagegen nicht vorgenommen. Zwar ist der Antragsgegner und ihm folgend das SG zu Recht davon ausgegangen, dass vorhandene Schulden nicht vom Einkommen abzusetzen sind (vgl BSG, Urteil vom 30. September 2008, aaO, Rdnr 19). Hingegen ist zweifelhaft, ob der Antragsgegner die im Monat Juli 2012 zugeflossene einmalige (bereinigte) Einnahme iHv 3.998,80 EUR nach § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II als Einkommen in den Monaten August 2012 bis Januar 2013 behandeln durfte, obschon die Antragstellerin das Einkommen zu diesem Zeitpunkt bereits verbraucht hatte (dies hat sie mit Kontoauszügen glaubhaft gemacht) und kein weiteres anrechenbaren Einkommen festzustellen ist. Für die Frage, ob ein Antragsteller hilfebedürftig ist, kann im Bereich existenzsichernder Leistungen letztlich nur ausschlaggebend sein, ob der Hilfeempfänger tatsächlich über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um seinen Bedarf zu decken. Die Berücksichtigung von Einnahmen, die lediglich aufgrund der gesetzlichen Bestimmung in § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II als zugeflossen gelten, dh "normativ" zufließen, kommt dies nicht mehr in Betracht, wenn Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts tatsächlich nicht mehr zur Verfügung stehen. Die vom SG in Bezug genommene Entscheidung des BSG vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R verhält sich zwar zu der Frage der Verwendung von Einkommen (RdNr 19: "Einer bedarfsmindernden Berücksichtigung der Einkommensteuererstattung steht nicht entgegen, dass die Kläger die Steuererstattung zur Schuldentilgung verwendet haben"), enthält aber keine Ausführungen für den Fall, dass im Bedarfszeitraum keine bereiten Mittel zur Bedarfsdeckung mehr vorhanden sind. Genau diesem Umstand widmet sich die spätere Entscheidung des BSG vom 21. Juni 2011 - B 4 AS 21/10 R (zitiert nach juris), die bei der Frage der Hilfebedürftigkeit darauf abstellt, dass auch tatsächlich ausreichend Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (juris RdNr 30, vgl auch zum Verbrauch einer Abfindung: Beschluss des Senats vom 19. November 2007 – L 10 B 1845/07 AS ER, aA wohl Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Januar 2012 – L 12 AS 1978/10, juris RdNr 32 mit dem Hinweis, dass der faktisch Hilfebedürftige zur Bedarfsdeckung ein Anspruch auf ergänzendes Darlehen habe). Die Berechtigung, einen Hilfebedürftigen zur Deckung seines Bedarfes auf Einkommen zu verweisen, das ihm im Bedarfszeitraum als zugeflossen zugerechnet wird, endet mit dem Verbrauch der Mittel. So liegt der Fall hier. Bereits am 11. Juli 2012 hat die Antragstellerin einen Betrag iHv 4.000,00 EUR an Herrn J überwiesen. Am 13. Juli 2012 bzw 23. Juli 2012 hat sie die Beerdigungskosten (2.998,53 EUR + 532,00 EUR +3.905,37 EUR) beglichen. Im Monat August 2012 hatte die Antragstellerin die Versicherungsleistung verbraucht. Weiteres anrechenbares Einkommen ist nicht festzustellen. Die Gutschrift iHv 614,00 EUR betrifft die über das Konto der Antragstellerin ausbezahlten Leistungsansprüche ihres Bruders L (Bestätigung des Bruders vom 14. August 2012, Bl 15 dA). Bei der Gutschrift der IKK Brandenburg auf dem Konto des Verstorbenen iHv 940,00 EUR am 30. Juli 2012 dürfte es sich um so genanntes "weitergegebenes Pflegegeld" für die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung handeln, welches nach § 1 Abs 1 Nr 4 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist und mittlerweile verbraucht ist.
Ob sich die Antragstellerin durch den Verbrauch der im Juli 2012 zugeflossenen Geldmittel selbst bedürftig gemacht hat, ob daraus ein Ersatzanspruch des Antragsgegners nach § 34 Abs. 1 SGB II erwächst bzw eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs 2 Nr 1 SGB II vorliegt und ob und in welcher Höhe der Antragsgegner diese Ansprüche gegenüber der Antragstellerin geltend machen könnte, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu klären, da der Antragsgegner entsprechende Verwaltungsentscheidungen nicht getroffen hat.
Im Wege des Vollzugsfolgenbeseitigung (§ 86b Abs 1 Satz 2 SGG) war dem Antragsgegner aufzugeben, die mit Bescheid vom 10. Februar 2012 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 17. Juli 2012 bewilligten Leistungen für September nachzuzahlen bzw für Oktober 2012 bei Fälligkeit mit der Maßgabe zuzahlen sind, dass ab 01. September 2012 wegen des Umzugs der Antragstellerin nur noch von einem Gesamtbedarf von 694,00 EUR auszugehen ist und hierauf bereits geleistete Zahlungen anzurechnen sind. Die Leistungen für den Monat August sind der Antragstellerin zugeflossen. Der Widerspruch gegen den im Bescheid vom 02. August 2012 enthaltenen Erstattungsbescheid wegen der vom Antragsgegner angenommenen Überzahlung für den Monat August 2012 hat aufschiebende Wirkung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne laufende monatliche Teilanrechnung der an sie im Juli 2012 ausgezahlten Versicherungsleistung.
Die Antragstellerin bewohnte mit ihrem am 01. Juli 2012 verstorbenen Ehemann (die Eheschließung erfolgte am 13. Juni 2012) eine 3-Zimmer-Wohnung im Hause Fstraße in R. Mit Bescheid vom 10. Februar 2012 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin und ihrem Ehemann/Lebensgefährten im Leistungszeitraum vom 01. März bis 31. Oktober 2012 laufende Grundsicherungsleistungen unter Anrechnung der dem Ehemann seit dem 01. November 2011 gezahlten Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nachdem die Antragstellerin unter dem 05. Juli 2012 mitgeteilt hatte, dass ihr Ehemann verstorben war, bewilligte der Antragsgegner zunächst mit Änderungsbescheid vom 17. Juli 2012 der Antragstellerin für den Bewilligungszeitraum vom 01. Juli bis 31. Oktober 2012 Arbeitslosengeld II iHv monatlich 770,50 EUR (Regelbedarf iHv 374,00 EUR und Bedarf für Unterkunft iHv 396,50 EUR).
Auf Nachfrage des Antragsgegners teilte die Antragstellerin am 25. Juli 2012 in einer Nachlasserklärung mit, dass der Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung im Wert von 11.434,70 EUR bestehe. Die Beerdigungskosten bezifferte die Antragstellerin mit insgesamt 7.435,90 EUR. Weiter habe sie einen Betrag von 4.000,00 EUR am 12. Juli 2012 an Herrn J zur Tilgung einer Darlehensschuld, über die ein Schuldanerkenntnis vom 01. Juni 2012 abgegeben worden sei, gezahlt.
Mit Bescheid vom 02. August 2012 regelte der Antragsgegner den Leistungsanspruch der Antragstellerin ab dem 01. August 2012 dergestalt, dass er für die Monate August bis Oktober 2012 monatlich 135,70 EUR betrage und forderte die Antragstellerin auf, einen Betrag iHv 634,80 EUR zuviel gezahlter Leistungen für den Monat August 2012 zurückzuzahlen. Die Antragstellerin habe aus der Lebensversicherung einen Betrag von 11.434,70 EUR erhalten. Hiervon seien die Ausgaben für die Beerdigung, nicht aber die Schuldentilgung abzusetzen, so dass eine einmalige Einnahme iHv 3.998,80 EUR als Einkommen zu berücksichtigen sei. Die einmalige Einnahme sei auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen, so dass monatliche Teilbeträge iHv 664,80 EUR zu berücksichtigen seien.
Am 08. August 2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Neuruppin einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und die Auszahlung höhere Leistungen begehrt. Sie habe das Geld aus der Lebensversicherung ausgegeben und verfüge über keine finanziellen Rücklagen.
Mit Schreiben vom 09. August 2012 (eingegangen am 10. August 2012) hat die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 02. August 2012 eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist.
Die Antragstellerin hat zum 01. September 2012 eine kleinere Wohnung angemietet, für die sie monatlich 320,00 EUR (Nettokaltmiete: 210,00 EUR, Betriebskostenvorschuss: 50,00 EUR, Heizkostenvorschuss: 60,00 EUR) aufwenden muss.
Mit Änderungsbescheid vom 27. August 2012 hat der Antragsgegner die Leistung wegen der geringeren Wohnkosten ab dem 01. September 2012 auf 59,20 EUR abgesenkt (Berück¬sichtigung eines Gesamtbedarfs iHv 694,00 EUR unter Anrechnung von monatlichem Einkommen von 634,80 EUR (664,80 EUR abzüglich einer Versicherungspauschale iHv 30,00 EUR)). Auch hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist.
Mit Beschluss vom 03. September 2012 hat das SG Neuruppin den Antrag, den es als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 09. August 2012 gegen den Bescheid vom 02. August 2012 ausgelegt hat, zurückgewiesen. Der Antragstellerin stehe kein Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches zu, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung beständen. Mit dem nachträglichen Zufluss des Auszahlungsbetrages aus der Lebensversicherung hätten sich die Verhältnisse der Antragstellerin wesentlich verändert. Der Auszahlungsbetrag stelle eine so genannte einmalige Einnahme dar, die auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag als Einkommen zu berücksichtigen sei. Entsprechend mindere sich der (monatliche) Leistungsanspruch der Antragstellerin. Berechnung und Aufteilung des Auszahlungsbetrages seien nicht zu beanstanden. Von dem Auszahlungsbetrag iHv 11.434,70 EUR seien die mit der Bestattung verbundenen Ausgaben abgezogen worden, so dass ein Betrag iHv 3.998,80 EUR verbleibe, der auf einen Zeitraum von sechs Monaten zu verteilen sei. Der sich danach ergebende Betrag von monatlich 664,80 EUR sei jeweils um die Versicherungspauschale iHv 30,00 EUR zu bereinigen, so dass sich ein monatlicher Anrechnungsbetrag iHv 634,80 EUR ergebe. Soweit die Antragstellerin vortrage, dass sie Schulden iHv 4.000,00 EUR getilgt habe, führe dies zu keinen anderen Ergebnis, denn die Begleichung privater Schulden bleibe bei der Anrechnung von Einkommen jedenfalls dann ohne Berücksichtigung, wenn diese nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Erzielung von Einkommen stehe. Soweit die Antragstellerin vortrage, dass sie den Auszahlungsbetrag verbraucht habe, führe dies ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Der Verbrauch der einmaligen Einnahme stehe einer Anrechnung als Einkommen nicht entgegen.
Gegen den Beschluss des SG vom 03. September 2012 richtet sich die am 11. September 2012 erhobene Beschwerde. Die Antragstellerin macht geltend, sie habe keine finanziellen Mittel zur Verfügung. Das für die Pflege ihres Mannes nachgezahlte Pflegegeld habe sie für ihre Ausgaben (Miete und Lebenshaltungskosten) verwenden müssen. Sie verfüge über keinerlei Einkommen; sie wisse nicht, wie sie die Miete für September bezahlen solle. Ihr Vermieter habe für den Fall, dass auch die Miete für Oktober nicht gezahlt werden, mit der fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses gedroht.
Mit Bescheid vom 12. September 2012 hat der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin vom 09. September 2012 abgelehnt, ihr ein zinsloses Darlehen iHv 1,280,00 EUR (4x 320,00 EUR) zur Begleichung der Miete bis Januar 2013 zu gewähren. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch hat der Antragsgegner noch nicht entschieden.
II.
Die Beschwerde, mit der höhere laufende Leistungen für den Zeitraum vom 01. September bis 31. Oktober 2012 iHv monatlich 634,80 EUR geltend gemacht werden, ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass einstweiliger Rechtsschutz im vorliegenden Fall nur im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht kommt, da der erhobene Widerspruch gegen die mit dem angefochtenen Bescheid vom 02. August 2012 und den weiteren Bescheid vom 27. August 2012 mit Wirkung vom 01. August 2012 erfolgte (Teil-)Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II durch den Bescheid vom 17. Juli 2012, der den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 10. Februar 2012 vollständig ersetzt hat, gemäß § 39 Nr 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Das ist in entsprechender Anwendung des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 86a RdNr 27a).
Hier bestehen ernstliche Zweifel (iS dieser Vorschriften) an der Rechtmäßigkeit der (Teil-) Auf¬hebungsbescheide vom 02. August 2012 und 27. August 2012. Diese ergeben sich bereits aus den Regeln des Verfahrensrechts – dazu 1) – und zudem aus der Beurteilung der Hilfebedürftig¬keit der Antragstellerin – dazu 2).
1) Der Antragsgegner stützt seine Aufhebungsentscheidung auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X); es liege eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse durch Einkommenserzielung vor. Unterstellt, dass mit dem Zufluss der Versicherungsleistung eine wesentliche (rechtserhebliche) Änderung der Ver¬hältnisse eingetreten ist, ist dies nicht nach Erlass (= Bekanntgabe gegenüber der Antrag¬stellerin) der für die Zeit ab dem 01. August maßgebenden Bewilligungsentscheidung geschehen. Dies ist nämlich der im Bescheid vom 17. Juli 2012 verlautbarte Verwaltungsakt, mit dem der (Individual-) Anspruch der Antragstellerin neu geregelt worden ist. Die die Antrag¬stellerin betreffen¬den, unange¬fochten gebliebenen und damit bindend gewordenen Verfügungs¬sätze dieses Bescheides (der seinerseits auf § 48 SGB X beruhte) und bzgl dessen zeitnaher Bekanntgabe Bedenken nicht bestehen, waren ggfs bereits im Bekanntgabezeitpunkt rechts¬widrig, denn die an¬¬spruchs¬mindernden Einnahmen waren der Antragstellerin bereits am 09. Juli 2012 zuge¬flossen. Damit richtet sich die Aufhebbarkeit der nachgehenden Bewilligungsent¬scheidung nach § 45 SGB X, dessen Abs 3 für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (darum handelt es sich bei einer fortlaufenden Bewilligung) vorsieht, dass sie nur unter Er¬messens¬ausübung ("kann") zu¬rück¬genommen werden können, wobei zudem die Voraus¬setzungen nach § 45 Abs 2 SGB X, also insbesondere doloses Verhalten oder Bösgläubigkeit iSv § 45 Abs 2 Satz 3 Nrn 1 – 3, vor¬liegen müssen. Einer Aufhebungsentscheidung steht zunächst nicht ent¬gegen, dass der Antrags¬gegner seine Entscheidung auf § 48 SGB X und nicht auf § 45 SGB X gestützt hat, dies kann auch nachträglich geschehen (etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 21. Juni 2011 – B 4 AS 22/10 R juris RdNr 26). Die fehlende Ermessenausübung steht der Aufhebung dann nicht entgegen, wenn nach § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 2 Drittes Buch Sozial¬gesetzbuch (SGB III) Anwendung fin¬det, wonach bei Vorliegen der in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X ge¬nannten Voraussetzungen ein im Bereich der Grundsicherung ergangener rechts¬widriger Be¬scheid auch für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Der dem Wort "ist" zu entnehmende Verzicht auf eine Ermessens¬ausübung der Verwaltung gilt dabei dem Wortlaut der Vorschrift nach nur, soweit eine Rücknahme für die Vergangenheit – vorliegend wäre damit der wesent¬liche streitbefangene Zeit¬raum ab dem 01. September 2012 nicht umfasst – Gegen¬stand der Ent¬scheidung ist. Dies bedarf allerdings der Korrektur durch eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm, da nicht über¬zeugend begründbar ist, warum die Aufhebungs¬entscheidungen für die Vergangenheit, die durchweg höheren Anforderungen an zu gewähr¬leistenden Ver¬trauens¬schutz unterliegen als Aufhebungen für die Zukunft, im vorliegenden Zusammen¬hang einfacher möglich sein sollen (so im Ergebnis wohl nach dem Zusammenhang BSG, Urteil vom 16. Dezem¬ber 2008 – B 4 AS 48/07 R, zitiert nach juris; vgl auch Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 330 RdNr 14). Danach hängt die Recht¬mäßigkeit der Bescheide vom 02. und 27. August 2012, vorausgesetzt, dass ab dem Zufluss der Versicherungsleistungen ein Anspruch der Antragstellerin auf Arbeitslosengeld II nur noch unter Ein¬kommensanrechnung besteht, davon ab, ob die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nrn 1-3 SGB X vorliegen. Anhaltspunkte für eine Verwirklichung der in Nr 1 oder Nr 2 ent¬haltenen Tat¬bestände bestehen nicht. Die Antrag¬stellerin hat das Ableben ihres Ehemannes zeitnah mit¬geteilt und die Nachlasserklärung in angemessener Frist zutreffend abge¬geben. Ihr vorsätzliche Fehlinformation bzw Informa¬tionsverkürzungen vor¬zuwerfen, um ein bestimmtes Verwaltungs¬handeln zu erreichen (Abs 2 Satz 3 Nr 2), erscheint danach zu weit gehend, auch wenn sie ei¬gen¬initiatives Verhalten im Zusammenhang mit dem Zufluss der Versicherungsleistung unter¬lassen hat. Dass die Antrag¬stellerin eine Rechtswidrig¬keit der Bewilligungsentscheidung vom 17. Juli 2012 grob fahrlässig verkannt hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X) ist ebenfalls nicht anzunehmen. Dem Bescheid waren die wesentlichen nach dem Tod des Ehemannes zu erwartenden Konsequenzen (Ein¬stellung der Leistungen insoweit, Ansatz der gesamten Unterkunftskosten zugunsten der Antragstellerin) zu ent¬nehmen. Zu erkennen, dass bereits diese zeitnahe Änderungs¬ent¬scheidung nur bei Berück¬sichtigung des Vermögens¬zuflusses rechtmäßig sein konnte, erfordert indes Sachkenntnis und Reflektionsvermögen in erheblichem Umfang; die richtige Einschät¬zung zu verfehlen ist deshalb jedenfalls keine Fahrlässigkeit in gesteigerter (grober) Ausprägung.
2) Dass die Antragstellerin aufgrund des Zuflusses von Einkommen am 09. Juli 2012 im Monat August und darüber hinaus in den Monaten September und Oktober 2012 mangels Hilfebedürftigkeit nur noch Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II haben soll, begegnet weiteren erheblichen Bedenken.
Dem Bedarf im August 2012 iHv 770,50 EUR (Regelleistung: 374,00 EUR und Unterkunftsbedarf: 396,50 EUR) bzw ab September iHv 694,00 EUR (Regelleistung: 374,00 EUR und Unterkunftsbedarf: 320,00 EUR) ist das zugeflossene Einkommen gegenüberzustellen; verwertbares Vermögen ist nicht vorhanden. Der Antragstellerin ist nach Erhalt der Leistungen für den Monat Juli 2012 mit der Gutschrift der Versicherungsleistung am 09. Juli 2012 eine einmalige Einnahme iHv 11.434,70 EUR zugeflossen. Keinen Bedenken begegnet die Bewertung der Leistung als Einkommen dem Grunde nach. Eine einmalige Einnahme, die nach der Antragstellung zufließt, wird grundsätzlich als Einkommen nach § 11 Abs 3 SGB II bei der Berechnung der Arbeitslosengeld II-Leistung berücksichtigt (vgl zur Auszahlung einer Einkommensteuererstattung: BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R, zitiert nach juris RdNr 13).
Ob der Antragsgegner die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens zutreffend bestimmt hat, ist hingegen zweifelhaft. Der Antragsgegner hat die im Juli zugeflossene Versicherungsleistung zunächst um die im Juli von der Antragstellerin bezahlten Beerdigungskosten iHv 7.435,90 EUR bereinigt. Eine weitere Absetzung im Hinblick auf das Schuldanerkenntnis des Erblassers und der Antragstellerin vom 01. Juni 2012, welches die Antragstellerin durch Überweisung eines Betrages iHv 4.000,00 EUR am 11. Juli 2012 erfüllt hat, hat der Antragsgegner dagegen nicht vorgenommen. Zwar ist der Antragsgegner und ihm folgend das SG zu Recht davon ausgegangen, dass vorhandene Schulden nicht vom Einkommen abzusetzen sind (vgl BSG, Urteil vom 30. September 2008, aaO, Rdnr 19). Hingegen ist zweifelhaft, ob der Antragsgegner die im Monat Juli 2012 zugeflossene einmalige (bereinigte) Einnahme iHv 3.998,80 EUR nach § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II als Einkommen in den Monaten August 2012 bis Januar 2013 behandeln durfte, obschon die Antragstellerin das Einkommen zu diesem Zeitpunkt bereits verbraucht hatte (dies hat sie mit Kontoauszügen glaubhaft gemacht) und kein weiteres anrechenbaren Einkommen festzustellen ist. Für die Frage, ob ein Antragsteller hilfebedürftig ist, kann im Bereich existenzsichernder Leistungen letztlich nur ausschlaggebend sein, ob der Hilfeempfänger tatsächlich über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um seinen Bedarf zu decken. Die Berücksichtigung von Einnahmen, die lediglich aufgrund der gesetzlichen Bestimmung in § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II als zugeflossen gelten, dh "normativ" zufließen, kommt dies nicht mehr in Betracht, wenn Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts tatsächlich nicht mehr zur Verfügung stehen. Die vom SG in Bezug genommene Entscheidung des BSG vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R verhält sich zwar zu der Frage der Verwendung von Einkommen (RdNr 19: "Einer bedarfsmindernden Berücksichtigung der Einkommensteuererstattung steht nicht entgegen, dass die Kläger die Steuererstattung zur Schuldentilgung verwendet haben"), enthält aber keine Ausführungen für den Fall, dass im Bedarfszeitraum keine bereiten Mittel zur Bedarfsdeckung mehr vorhanden sind. Genau diesem Umstand widmet sich die spätere Entscheidung des BSG vom 21. Juni 2011 - B 4 AS 21/10 R (zitiert nach juris), die bei der Frage der Hilfebedürftigkeit darauf abstellt, dass auch tatsächlich ausreichend Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (juris RdNr 30, vgl auch zum Verbrauch einer Abfindung: Beschluss des Senats vom 19. November 2007 – L 10 B 1845/07 AS ER, aA wohl Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Januar 2012 – L 12 AS 1978/10, juris RdNr 32 mit dem Hinweis, dass der faktisch Hilfebedürftige zur Bedarfsdeckung ein Anspruch auf ergänzendes Darlehen habe). Die Berechtigung, einen Hilfebedürftigen zur Deckung seines Bedarfes auf Einkommen zu verweisen, das ihm im Bedarfszeitraum als zugeflossen zugerechnet wird, endet mit dem Verbrauch der Mittel. So liegt der Fall hier. Bereits am 11. Juli 2012 hat die Antragstellerin einen Betrag iHv 4.000,00 EUR an Herrn J überwiesen. Am 13. Juli 2012 bzw 23. Juli 2012 hat sie die Beerdigungskosten (2.998,53 EUR + 532,00 EUR +3.905,37 EUR) beglichen. Im Monat August 2012 hatte die Antragstellerin die Versicherungsleistung verbraucht. Weiteres anrechenbares Einkommen ist nicht festzustellen. Die Gutschrift iHv 614,00 EUR betrifft die über das Konto der Antragstellerin ausbezahlten Leistungsansprüche ihres Bruders L (Bestätigung des Bruders vom 14. August 2012, Bl 15 dA). Bei der Gutschrift der IKK Brandenburg auf dem Konto des Verstorbenen iHv 940,00 EUR am 30. Juli 2012 dürfte es sich um so genanntes "weitergegebenes Pflegegeld" für die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung handeln, welches nach § 1 Abs 1 Nr 4 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist und mittlerweile verbraucht ist.
Ob sich die Antragstellerin durch den Verbrauch der im Juli 2012 zugeflossenen Geldmittel selbst bedürftig gemacht hat, ob daraus ein Ersatzanspruch des Antragsgegners nach § 34 Abs. 1 SGB II erwächst bzw eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs 2 Nr 1 SGB II vorliegt und ob und in welcher Höhe der Antragsgegner diese Ansprüche gegenüber der Antragstellerin geltend machen könnte, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu klären, da der Antragsgegner entsprechende Verwaltungsentscheidungen nicht getroffen hat.
Im Wege des Vollzugsfolgenbeseitigung (§ 86b Abs 1 Satz 2 SGG) war dem Antragsgegner aufzugeben, die mit Bescheid vom 10. Februar 2012 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 17. Juli 2012 bewilligten Leistungen für September nachzuzahlen bzw für Oktober 2012 bei Fälligkeit mit der Maßgabe zuzahlen sind, dass ab 01. September 2012 wegen des Umzugs der Antragstellerin nur noch von einem Gesamtbedarf von 694,00 EUR auszugehen ist und hierauf bereits geleistete Zahlungen anzurechnen sind. Die Leistungen für den Monat August sind der Antragstellerin zugeflossen. Der Widerspruch gegen den im Bescheid vom 02. August 2012 enthaltenen Erstattungsbescheid wegen der vom Antragsgegner angenommenen Überzahlung für den Monat August 2012 hat aufschiebende Wirkung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved