L 13 R 5773/11 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 188/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5773/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 1. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 1. Dezember 2011 hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juli 2011 – L 13 R 2186/11 B) fest, dass ein Ausschluss der Beschwerde weder mit einer unmittelbaren noch mit einer entsprechenden Anwendung des § 172 Abs. 2 SGG begründet werden kann. Nach der genannten Vorschrift können u. a. Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Sachverständige sind jedoch keine Gerichtspersonen. Auch eine analoge Anwendung des § 172 Abs. 2 SGG kommt mangels ausfüllungsbedürftiger Regelungslücke nicht in Betracht (ebenso Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, 10. Senat, Beschluss vom 18. Juli 2012 – L 10 R 2296/12 B – veröffentlicht in Juris; LSG Baden-Württemberg, 8. Senat, Beschluss vom 25. Juni 2012 – L 8 SB 1449/12 B; LSG Baden-Württemberg, 6. Senat, Beschluss vom 14. Februar 2011 – L 6 VG 5634/10 B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2011 - L 4 KR 324/10 B – veröffentlicht in Juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 118 Rdnr. 20 sowie Leitherer, a. a. O., § 172 Rdnr. 3 und 6; a.A. LSG Baden-Württemberg, 7. Senat, Beschluss vom 27. Januar 2010 – L 7 R 3206/09 B).

Die Beschwerde des Klägers hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger hat den Ablehnungsantrag zwar rechtzeitig gestellt. Der Ablehnungsantrag ist nach § 406 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO), der nach § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, vor der Vernehmung des Sachverständigen zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Dementsprechend ist die Rechtzeitigkeit des Ablehnungsantrages in Abhängigkeit von der Kenntnis des Ablehnungsgrundes zu beurteilen. Nach Kenntniserlangung ist der Ablehnungsgrund unverzüglich geltend zu machen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Die hierzu angemessene Frist ist nach der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. u.a. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. § 406 Rdnr. 23; Zöller, ZPO, 28. Aufl. § 406 Rdnr. 11 jeweils m.w.N.) längstens die Zweiwochenfrist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO. In der Rechtsprechung wird teilweise die Auffassung vertreten, es komme auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 15. März 2005 – VII ZB 74/04 – NJW 2005, 1869 m.w.N.); teilweise wird auch eine Frist von längstens einem Monat als regelmäßig angemessene Überlegungsfrist eingeräumt (LSG Baden-Württemberg, 8. Senat, a.a.O. m.w.N.).

Hier nimmt der Kläger zur Begründung seines Ablehnungsantrags auf eine im Nachgang zur Beweisanordnung des SG vom 9. November 2011 anlässlich der Terminvereinbarung für die Begutachtung getätigte Äußerung des vom SG ernannten Sachverständigen Bezug. Das Ablehnungsgesuch ist im unmittelbaren zeitlichen Anschluss am 22. November 2011 und damit – unabhängig von der Beantwortung der oben dargestellten Rechtsfrage - rechtzeitig beim SG eingegangen.

Der Ablehnungsantrag ist jedoch unbegründet; eine berechtigte Besorgnis der Befangenheit des vom SG ernannten und mit der Begutachtung des Klägers beauftragten Sachverständigen ist nicht gerechtfertigt. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit setzt - wie bei einem Richter - nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder sich selbst für befangen hält (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] BVerfGE 35, 171, 272). Ebenso wenig reicht es aus, dass der Beteiligte tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit hat (BSG in Breithaupt 1986, 446 f). Maßgebend ist vielmehr, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Sachverständigen zu zweifeln (BVerfGE 20,9, 14; 43, 126, 127). Ein Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens reichen für sich allein zur Ablehnung des Sachverständigen jedoch nicht aus. Denn es ist nicht Aufgabe des Ablehnungsverfahrens, sondern des Verfahrens in der Sache selbst, die inhaltliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines Gutachtens zu überprüfen, während das Ablehnungsverfahren im Falle der Sachverständigenablehnung allein dazu dient, die Beteiligten eines Rechtsstreits vor der Unsachlichkeit des als Gehilfe des Gerichts in das Verfahren eingebundenen Gutachters aus einem in seiner Person liegenden Grund zu bewahren. Es müssen daher besondere Umstände hinzutreten, die auf ein unsachliches oder willkürliches Verhalten des abgelehnten Sachverständigen schließen lassen (LSG Baden-Württemberg, 8. Senat, a.a.O. m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist ein Ablehnungsgrund nicht gegeben; besondere Umstände, die das Verhalten des abgelehnten Sachverständigen als unsachlich oder willkürlich erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Dass ein solcher Umstand vorliegend nicht in der Weigerung der Sachverständigen, die Begutachtung in Anwesenheit der Ehefrau des Klägers durchzuführen, erblickt werden kann, hat das SG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 17. Februar 2010 – L 31 R 1292/09 B – veröffentlicht in Juris), der sich auch der erkennende Senat anschließt, zutreffend dargelegt. Der Senat macht sich deshalb die Gründe des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses vollinhaltlich zu eigen, nimmt auf diese zur weiteren Begründung Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Lediglich ergänzend zum Vorbringen des Klägers zur Begründung der Beschwerde ist darauf hinzuweisen, dass die vom SG dargelegten Grundsätze hier auch zur vollen Überzeugung des Senats uneingeschränkt Anwendung finden, obwohl das Schwergewicht der das berufliche Leistungsvermögen beeinträchtigenden Erkrankungen – unter Zugrundelegung der bisherigen medizinischen Ermittlungsergebnisse – auf neurologischem und nicht auf rein psychiatrischem Fachgebiet liegen mag. Gerade bei Krankheitsbildern, die einer objektiven Befunderhebung nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind, gehört die Klärung der Frage, ob die geklagten Beschwerden auf organische oder ggf. auch psychisch bedingte Einschränkungen zurückzuführen sind, zu den wesentlichen Aufgaben des medizinischen Sachverständigen. Diese Frage ist auch im Fall des Klägers seitens der Beklagten wiederholt aufgeworfen worden (vgl. u. a. die Stellungnahmen von Nervenarzt Schönberger vom 15. Juni 2010 und vom 6. Oktober 2010), so dass diesem Gesichtspunkt vom SG im Rahmen der von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen Rechnung zu tragen war. Vor dem Hintergrund dieser Gegebenheiten erweist sich die Weigerung des Sachverständigen, den Kläger in Anwesenheit der Ehefrau zu begutachten, jedenfalls nicht als unsachlich oder willkürlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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