S 22 AL 35/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 22 AL 35/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 (1) AL33/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 16/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 18.02.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2008 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab dem 05.12.2007 für sechs Monate Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Der Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der am 00.00.0000 geborene Kläger einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben hat.

Dieser bezog zunächst vom 01.08.2002 bis 31.07.2004 Arbeitslosengeld, das ihm für 780 Tage bewilligt worden war. Ausweislich eines Arbeitsvertrages vom 01.08.2004 trat er am selben Tage eine Beschäftigung als Angesteller der H GmbH und Co. KG in H an.

Am 13.10.2005 meldete er sich erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Im Antrag gab er u.a. an, er sei bis zum 30.09.2005 beschäftigt worden. Das Arbeitsverhältnis sei noch nicht gekündigt. Dem gegenüber bescheinigte die Steuerberatungs GmbH Q im Auftrag der Arbeitgeberin unter dem 02.11.2005 lediglich ein Arbeitsverhältnis bis zum 30.09.2005, das zu diesem Zeitpunkt durch den Arbeitgeber wegen Betriebsaufgabe gekündigt worden sei. Mit Bescheid vom 09.11.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 13.10.2005 erneut Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung eines verbliebenen Restanspruches von 49 Tagen für insgesamt 329 Tage, das der Kläger auch bis einschließlich 29.05.2006 bezog.

Zwischenzeitlich erwirkte der Kläger bei dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen unter dem Aktenzeichen 1 Ca 138/06 am 24.05.2006 gegen die Arbeitgeberin, die am 19.05.2006 ihren Sitz nach Pfaffenhofen verlegt hatte, ein Versäumnisurteil, wonach die Arbeitgeberin die Arbeitsentgelte des Klägers seit dem 01.11.2005 und laufend weiter zu zahlen habe. Mit weiterem Urteil vom 12.10.2006 verwarf das Arbeitsgericht Gelsenkirchen einen Einspruch der Arbeitgeberin vom 06.06.2006 als unzulässig. Auf die Berufung der Arbeitgeberin und Anschlussberufung des Klägers gegen diese Entscheidung wies das Landesarbeitsgericht Hamm durch Versäumnisurteil vom 25.05.2007 zum Az.: 4 Sa 1842/06 die Berufung gegen dieses Urteil zurück. Es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch einvernehmliche mündliche Vereinbarung mit Wirkung zum 30.09.2005 aufgehoben wurde, sondern unverändert fortbesteht und verurteilte die Arbeitgeberin zur weiteren Zahlung von Arbeitsentgelten.

Nachdem das Amtsgericht Ingolstandt unter dem Az.: IN 388/06 durch Beschluss vom 06.02.2007 den Antrag der Arbeitgeberin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgewiesen hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 13.10.2006 mit Bescheid vom 26.07.2007 für die Zeit vom 06.11.2006 bis 05.02.2007 Insolvenzgeld i.H.v. ingesamt 5.982,98 EUR.

Bereits zuvor hatte der Kläger sich am 05.12.2006 erneut arbeitslos gemeldet. Nach zwischenzeitlichem Rechtsstreit, der vor dem erkennenden Gericht unter dem Az.: S 4 (11) AL 9/07 geführt worden war, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 08.01.2008 ab dem 06.02.2007 erneut Arbeitslosengeld für 180 Tage, das dem Kläger für die Zeit bis einschließlich 07.08.2007 ausgezahlt wurde.

Am 30.11.2007 beantragte der Kläger unter Abeitslosmeldung mit Wirkung vom selben Tage erneut die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 18.02.2008 lehnte die Beklagte die Bewilligung dieser Leistung mit der Begründung ab, der Kläger habe bis zum 07.07.2007 zuletzt Arbeitslosengeld bezogen. Danach habe er nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher keine neue Anwartschaft erworben. Es bestehe auch kein Restanspruch aus der früheren Anwartschaft mehr.

Dagegen legte der Kläger am 03.03.2008 Widerspruch ein. Er verwies darauf, dass das Arbeitsverhältnis und damit auch ein Versicherungspflichtverhältnis weiterhin fortbestehe.

Mit Bescheid vom 01.04.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der am 29.04.2008 erhobenen Klage. Er vertritt weiterhin die Auffassung, auf Grund der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses, das im Übrigen erst am 31.07.2009 gekündigt worden sei, sei eine weitere Anwartschaftszeit auf Arbeitslosengeld erfüllt worden. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Arbeitgeberin zwischenzeitlich im Handelsregister gelöscht worden sei. Das Arbeitsverhältnis bestehe auch über den Löschungszeitpunkt hinaus.

Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 18.02.2008 in der Fassung des Widerspruchsbscheides vom 01.04.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab 05.12.2007 Arbeitslosengeld für sechs Monate nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie zunächst auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid und macht geltend, die arbeitsgerichtlich festgestellte Verlängerung des Arbeitsverhältnisses führe zu keinem Neuanspruch auf Arbeitslosengeld. Ein Versicherungspflichtverhältnis habe nicht mehr bestanden, nachdem die Arbeitgeberin kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt habe.

In einer vom Gericht eingeholten Auskunft des ehemaligen Geschäftsführers der H GmbH & Co. KG,I , vom 06.07.2009 ergibt sich, dass eine ausdrückliche Kündigung des Klägers vor der von dem Kläger vorgelegten Kündigung vom 31.07.2009 nicht erfolgt ist. Herr I weist lediglich darauf hin, dass auch dem Kläger bereits vor dem 30.09.2005 bewusst gewesen sein müsste, dass mit dem 30.09.2006 der Geschäftszweck der Arbeitgeberin entfallen sei und der Betrieb nicht weiter geführt werden könne. Einer weiterem von dem Amtsgerichts Ingolstadt eingeholten Auskunft zu Folge ist auf Grund einer Meldung der Arbeitgeberin, wonach am die Firma 01.06.2007 erloschen sei, die H GmbH & Co. KG am 20.12.2007 im Handelsregister gelöst worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Leistungsakten sowie die Insolvenzgeldakten der Beklagten und die ebenfalls beigezogenen arbeitsgerichtlichen Akten und die Akten des Insolvenzgerichts Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig.

Sie ist auch begründet, denn der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, weil dieser rechtswidrig ist. Der Kläger hat ab dem 12.02.2007 erneut Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben gemäß § 118 Abs. 1 SGB III Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Dass die Voraussetzungen zu Nr. 1 und 2 erfüllt sind, liegt auf der Hand und wird auch von der Beklagten nicht bestritten. Es bedarf dazu daher keiner weiteren Ausführungen.

Zur Überzeugung des Gerichts besteht aber auch eine neue Anwartschaft auf die neue Leistung. Gemäß § 123 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Zeiten, die vor dem Tag liegen, an dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen des Eintritts einer Sperrzeit erloschen ist, dienen nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit. Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 124 Abs. 1 SGB III). Sie reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§ 124 Abs. 2 SGB III). In dem hier zu beurteilenden Fall hatte der Kläger am 05.12.2006 eine Anwartschaftszeit erfüllt und damit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 05.12.2006 erworben. Dem Anspruch auf Arbeitslosengeld stand auch nicht § 143 Abs. 1 SGG entgegen. Danach ruht zwar der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt behält oder zu beanspruchen hat. Das Arbeitslosengeld wird nämlich auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, soweit der Arbeitslose wie in Abs. 1 genannte Leistung (Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 des Zehnten Buches) tatsächlich nicht erhält. Dem hat die Beklage auch Rechnung getragen, indem sie ihm mit Bescheid vom 08.01.2008 ab dem 06.02.2007 Arbeitslosengeld bewilligt hat. Eine Bewilligung in der Zeit vom 05.12.2006 bis 05.02.2007 erfolgte lediglich deshalb nicht, weil die Beklagte für diese Zeit bereits Insolvenzgeld für den Ausfall des Arbeitsentgelts aus dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis erbracht hat.

In der Zeit vom 06.12.2007 bis 05.12.2008 stand der Kläger auch weiterhin in einem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, da das Arbeitsverhältnis mangels zuvor ausgesprochener Kündigung weiter Fortbestand hatte. Dass der Kläger in derselben Zeit Arbeitslosengeld bezogen hat, steht der gleichzeitigen Zurücklegung einer die Beitragspflicht begründende Beschäftigung nicht entgegen. Die Zahlung von Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III setzt im Gegenteil voraus, dass das Arbeitsverhältnis und somit auch der Anspruch auf Arbeitsentgelt weiter bestand. Auf die tatsächliche Zahlung von Arbeitsentgelt kommt es daher gerade nicht an.

Ausgehend von dem Beginn der Rahmenfrist am 05.12.2006 hatte der Kläger daher vor dem 05.12.2007 auch zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Insoweit ist der Beklagten zwar zuzugestehen, dass der Kläger nicht bereits bei Antragstellung am 30.11.2007 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben hatte. Der Antrag wirkte jedoch über diesen Tag hinaus, zumal die Beklagte diesen nicht bereits vor dem 05.12.2007 rechtskräftig abgelehnt hatte. Somit ist ab diesem Datum mit Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen auch Arbeitslosengeld erneut nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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