L 9 U 3022/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 3254/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3022/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt mit seiner Berufung die Feststellung von Unfallfolgen sowie - erstmals - die Feststellung, dass durch den Unfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 10 v. H. eingetreten ist.

Der Kläger, der in einem weiteren beim Senat anhängigen Berufungsverfahren (L 9 U 2902/10) das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) der Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) erstrebt, erlitt am 27. September 2007 um 20:45 Uhr bei der Arbeit einen bei der Beklagten versicherten Unfall, als er beim Heraussteigen aus dem Gerippe eines Omnibusses, in welchem er Abdichtarbeiten verrichtete, nach hinten stürzte und mit dem Kopf anschlug (Durchgangsarztbericht [DAB] vom 27. September 2007 und Unfallanzeige vom 16. Oktober 2007). Einen Augenzeugen des Ereignisses gab es nicht.

Gemäß dem DAB der Chirurgischen Klinik der Universität U. vom 27. September 2007, in der der Kläger um 21:43 Uhr eintraf, bestand ein Druckschmerz occipital links. Es fanden sich kein Druckschmerz über den Dornfortsätzen der HWS, kein fokal neurologisches Defizit, keine Prellmarken kein occipitales Hämatom links, kein Erbrechen, keine Amnesie und keine Bewusstlosigkeit. Die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität waren allseits intakt und alle Extremitäten waren frei und schmerzlos beweglich. Die bildgebenden Untersuchungen ergaben nach einem CT von Schädel und HWS keine Fraktur im Bereich der HWS, aber - bei Ausschluss einer intracerebralen Blutung - eine nicht dislozierte occipitale Kalottenfraktur links. Von Arbeitsunfähigkeit bis 22. Oktober 2007 wurde ausgegangen. Bis 12. Oktober 2007 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung mit den Diagnosen, "Kalottenfraktur occipital nicht disloziert, SHT Grad I, Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel" (Bericht Prof. Dr. Dr. G. vom 12. Oktober 2007). Die konsiliarische HNO-ärztliche Untersuchung vom 1. Oktober 2007 ergab die Diagnosen "Ausschluss peripherer vestibulärer Störung, sensorineurale Schwerhörigkeit rechts ) links" (Bericht vom 1. Oktober 2007). Bei einer Untersuchung vom 5. Oktober 2007 stellte Prof. (damals PD) Dr. von A., Neurologische Universitätsklinik U., bei der der Kläger über Schwindel bei schnellen Bewegungen und Lageänderungen berichtete, gemäß ihrem Bericht vom 13. Dezember 2007 eine leichte Stand- und Gangataxie fest. Bei Lagerungsproben ergab sich ein rotatorischer Nystagmus nach unten bei Lagerung nach rechts, der nach zwei Lagerungen jedoch nicht mehr sicher nachvollziehbar war. Auf Grund dessen äußerte sie den V. a. benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel mit klinisch zusätzlicher cerebellärer Komponente bei diskretem linksbetontem cerebellärem Syndrom. Im Nachschaubericht vom 16. Oktober 2007 wiederholte Dr. F. die Diagnosen Z. n. occipitaler Schädelkontusion mit Kalottenfraktur, SHT Grad 1 sowie paroxysmaler Lagerungsschwindel und empfahl physikalische Maßnahmen, Aufklärung und Schonung. Vom 22. Oktober bis 24. November 2007 erfolgte eine stationäre neurologische Behandlung in der Reha-Klinik I., während der der Kläger u. a. über Schwindel insbesondere im Liegen, beim Drehen des Kopfes sowie beim Aufstehen klagte und weitere vielfältige Schmerzen angab (Bericht vom 28. November 2007). Ein von Prof. Dr. von A. nach der Untersuchung vom 5. Oktober 2007 und von Prof. Dr. G. im Bericht vom 12. Oktober 2007 für die weitere (in der Reha-Klinik I. durchgeführte) stationäre Weiterbehandlung empfohlenes Schwindeltraining erfolgte dort nicht.

Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse bei, wonach der Kläger u. a. wegen rezidivierender depressiver Störungen und Dysthymia vor dem Unfall arbeitsunfähig gewesen war.

Am 8. Januar 2008 erstattete Prof. Dr. S. auf Veranlassung der Beklagten zur ambulanten Heilverfahrenskontrolle einen neurologisch-psychiatrischen Befundbericht nach einer Untersuchung vom 11. Dezember 2007. Der Kläger gebe an, er sei beim Rückwärtsaussteigen aus dem Bus etwa 1,5 m nach hinten gestürzt und mit dem Kopf auf dem Betonboden aufgekommen und danach nicht bewusstlos gewesen. Prof. Dr. S. führte u. a. aus, der Kläger habe das Untersuchungszimmer zügigen Schrittes und sicher betreten, sei beim An- und Auskleiden in keiner Weise behindert gewesen und habe dabei auch auf einem Bein stehen können. In entkleidetem Zustand habe er dann bei der Untersuchung der Gang- und Standfähigkeit eine ungerichtete Unsicherheit mit breitbasigem Umhertaumeln im Untersuchungszimmer demonstriert. Bei Ablenkung habe er jedoch ohne Schwierigkeiten mit geschlossenen Füßen stehen und bei Druck mit dem Stethoskop gegen den Körper diesen Druck sofort korrigieren können. Den Einbeinstand habe er beidseits unter grotesken Korrekturbewegung mit den Armen vorgeführt und bei der Prüfung der raschen Folgebewegungen eine schwere Verlangsamung beidseits demonstriert, die zuvor beim An- und Auskleiden wie beim Hantieren mit Medikamenten nicht bestanden habe. Die Lagerungsproben hätten keine Auffälligkeiten ergeben, subjektiv keinen Schwindel, objektiv keine krankhaften Augenbewegungen. Die körperliche Befunderhebung sei durch offensichtlich demonstrative Tendenzen einigermaßen erschwert gewesen. Die dargebotenen Gleichgewichtsstörungen ließen sich keinem bekannten Krankheitsbild zuordnen und der psychiatrische Befund sei, abgesehen von augenfälligen Verdeutlichungstendenzen, unauffällig. Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet lägen nicht vor und hätten auch nicht vorgelegen. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe am 27. Oktober 2007 geendet. Die Dipl.-Psych. T. führte im psychologischen Befundbericht über die von Prof. Dr. S. veranlasste Untersuchung vom 11. Dezember 2007 aus, im Bereich der Merkfähigkeit lägen die Ergebnisse in sämtlichen Modalitäten weit unter dem Normbereich und auch im Bereich der psychophysischen Leistungstüchtigkeit lägen ebenfalls sämtliche Ergebnisse unterhalb des Altersstandards. Ein objektives Verfahren zur Kontrolle der Anstrengungsbereitschaft weise jedoch auf fehlende Leistungsmotivation hin, weswegen die Ergebnisse nicht als Abbild des tatsächlichen Leistungspotenzials interpretiert werden dürften. Der Kläger sei bei der Untersuchung nicht kooperativ gewesen.

Auf Grund einer Untersuchung vom 10. Dezember 2007 stellte Prof. Dr. O., Neurologische Universitätsklinik Ulm, die Diagnosen Z. n. SHT mit links-cerebellärer Blutauflagerung, jetzt V. a. phobische Entwicklung und V. a. epigastrische Auren (Bericht vom 22. Januar 2008). Bei der Untersuchung sei der Kläger bei der Prüfung der Koordination äußerst ängstlich gewesen, weswegen es am ehesten nach anfänglich somatischem cerebellärem Schwindel auf Grund der links cerebellären Läsion zu einer phobischen Entwicklung gekommen sei. Ein EEG vom 18. Dezember 2007 ergab gemäß dem Bericht von Prof. Dr. O. vom 1. Februar 2008 einen Normalbefund. Prof. Dr. Gebhard berichtete nach einer Untersuchung vom 4. Februar 2008, der Kläger habe sich nun mit persistierenden Kopfschmerzen und Tinnitus vorgestellt und angegeben, die Kopfschmerzen bestünden unverändert seit Monaten, der Tinnitus schon vor dem Unfallereignis. Er empfahl, die Behandlung abzuschließen. Arbeitsfähigkeit bestehe seit 2. Februar 2008 und eine MdE in rentenberechtigendem Grade sei nicht verblieben.

In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 31. März 2008 hielt Prof. Dr. S. nach Auswertung der weiteren Unterlagen an seiner Beurteilung fest. Bei der Untersuchung vom 11. Dezember 2007 habe er seitens des Gleichgewichtssystems keine krankhaften Befunde erheben können und auch die elektrophysiologischen Untersuchungen seien sämtlich unauffällig gewesen. Nach den klinischen Befunden habe vorübergehend ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel vorgelegen und habe sich zeitweilig entsprechend ein Lagerungsnystagmus ergeben. Diese Symptomatik sei jedoch durch eine Schädigung des Kleinhirns, wie anhand des NMR-Befundes vermutet werden könnte, nicht zu erklären. Läge eine Verletzung der linken Kleinhirnhemisphäre vor, wäre eine Ataxie der gleichseitigen Gliedmaßen zu erwarten. Ein derartiger Befund sei allerdings nie beschrieben. Wenn die Tiefenregionen der Kleinhirnhemisphären betroffen seien, könne es zu Tremor und Sprachstörungen kommen, was allerdings beim Kläger auch nie beschrieben worden sei. Bei den verschiedenen neurologischen Untersuchungen habe dieser zuletzt unterschiedliche inkonsistente und insgesamt nicht nachvollziehbare Beeinträchtigungen dargeboten, bei denen es sich um massive Ausgestaltungstendenzen gehandelt habe. Die anfangs beschriebene Symptomatik im Sinne eines benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels sei bei den zuletzt durchgeführten Untersuchungen, auch in der Universitätsklinik U. nicht mehr nachweisbar gewesen, sie sei ausgeheilt. Unfallfolgen auf neurologischem Gebiet seien nicht verblieben. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe am 27. Oktober 2007 geendet.

Mit Bescheid vom 28. März 2008 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom 27. September 2007 als Arbeitsunfall und als dessen Folgen "Knöchern fest verheilter Bruch der Schädelkalotte am Hinterhaupt." Keine Folgen des Arbeitsunfalles, weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung, seien wiederkehrende depressive Episoden, Bluthochdruck und Schwindel. Ein Anspruch auf Leistungen über den 27. Oktober 2007 hinaus bestehe nicht. Eine Hirnsubstanzverletzung sei nach Kernspin- und Computertomographie des Kopfes ausgeschlossen worden, eine Schädigung des Gleichgewichtsorgans durch die HNO-ärztliche Untersuchung. Auch die Kontrolluntersuchung bei Prof. Dr. S. habe keine Hinweise auf eine Schädigung des Gleichgewichtsorgans ergeben. Objektive Befunde auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet seien nicht zu erheben gewesen.

Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, der Befundbericht der Neurologischen Universitätsklinik Ulm vom 10. Dezember 2007 sei zu einem anderen Ergebnis als Prof. Dr. S. gelangt, dessen Stellungnahmen seien widersprüchlich und unstimmig, weswegen ihm nicht gefolgt werden könne, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2008 zurück. Der unfallbedingte Bruch der Schädelkalotte am Hinterhaupt sei knöchern fest verheilt und die noch geklagten Beschwerden seien nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den erlittenen Arbeitsunfall zurückzuführen, was sich aus der Gesamtsicht aller medizinischen Unterlagen ergebe. Ein Anspruch auf Leistungen über den 27. Oktober 2007 hinaus bestehe nicht.

Deswegen hat der Kläger am 16. September 2008 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, mit welcher er zuletzt noch beantragt hat, festzustellen, dass es sich bei der Schwindelsymptomatik um eine weitere Unfallfolge handelt.

Das SG hat ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten des Dr. W. vom 12. April 2009 eingeholt, gegenüber dem der Kläger angegeben hat, er habe schon vor dem Unfall Probleme mit der rechten Schulter, Schwierigkeiten mit der HWS, LWS (mit Einschlafen der Hände und des rechten Beins), Prostataprobleme, Leberprobleme sowie Schlafstörungen und Depressionen, derentwegen er von Dr. Rausch Antidepressiva erhalten habe, gehabt und habe auch seit ca. 2 Jahren Hörgeräte. Ferner hat der Kläger angegeben, er leide noch unter einem Dreh- und Schwankschwindel beim Aufstehen und bei ruckartigen Bewegungen, der jeden Tag vorhanden sei. Beim Aufstehen sei der Schwindel besonders stark. Er führe dann auch zur Übelkeit und gelegentlichem Erbrechen. Dr. W. ist zum Ergebnis gelangt, es sei insgesamt von einer erheblichen Verdeutlichungstendenz auszugehen. Er hat die Diagnosen abgeklungener benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel und Dysthymie gestellt. Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel sei unmittelbar nach dem Unfall aufgetreten und sei auch durch eine entsprechende neurologische Untersuchung objektivierbar gewesen sowie ohne vernünftigen Zweifel durch den Unfall verursacht worden. Die Dysthymie und die chronifizierte depressive Störung haten auch nach Angaben des Klägers bereits vor dem Unfall vorgelegen, eine richtunggebende Verschlimmerung sei nicht nachweisbar. Dass durch ein Trauma, wie dem des Klägers, ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel auftreten könne, sei häufig beschrieben. Unstrittig sei aber auch, dass ein solcher spontan, als auch bei jeder anderen Tätigkeit des täglichen Lebens auftreten könne. Bereits bei der Aufnahme in der Fachklinik I. sei kein Nystagmus mehr beschrieben worden. Zu diesem Zeitpunkt sei davon auszugehen, dass der Lagerungsschwindel bereits wieder abgeklungen gewesen sei. Spätestens nach der Entlassung aus der Fachklinik I. habe auch keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestanden. Er stimme mit der Einschätzung von Prof. Dr. S. überein und halte weitere Gutachten nicht für erforderlich.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG noch ein neurologisches Fachgutachten der Prof. Dr. von A. vom 30. Oktober 2009 eingeholt. Sie hat die Diagnosen "Schwindelsymptomatik (cerebelläre Ataxie)", "kognitive Einbußen und Verhaltensauffälligkeiten (Depression)" und "Hörstörung" gestellt. Die Schwindelkomponente mit initial deutlicher cerebellärer Ataxie, die sich im Verlauf der Reha bereits deutlich gebessert habe und aktuell nur noch bei Tätigkeiten wie z. B. Fahrradfahren klinisch relevant in Erscheinung trete, habe vor dem Unfall nicht bestanden und sei im Verlauf mit deutlicher Besserung auch in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfall zu bringen. Bezüglich der anderen Symptome wie kognitive Beeinträchtigung und Depression sei hier eine Gesundheitsstörung mit Wahrscheinlichkeit in wesentlicher Weise durch den Unfall nicht sicher einzuordnen, da diese, wie vom Kläger angegeben, schon vor dem Unfall bestanden hätten. Es lasse sich kein direkter zeitlicher Zusammenhang mit dem Unfall eruieren. Auch bezüglich der Hörschädigung sei ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Unfall nicht sicher herzustellen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten verwiesen.

Die Beklagte hat eingewandt, soweit Prof. Dr. von A. lediglich auf Grund des zeitlichen Zusammenhangs einen Ursachenzusammenhang zwischen der Schwindelsymptomatik des Klägers und dem Ereignis annehme, sei ihr nicht zu folgen. Sie selbst habe am Untersuchungstag keine Schwindelsymptomatik feststellen können. Ihre von ihr selbst erhobenen Befunde stützten diese Diagnose nicht. Für die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge, müsse sie voll nachgewiesen und ein ursächlicher Zusammenhang hinreichend wahrscheinlich sein.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2010 hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid in Ziffer 4 dahingehend abgeändert, dass ein Anspruch auf Leistungen erst über den 24. November 2007 hinaus nicht besteht.

Das SG hat die Klage, mit der der Kläger nur die Feststellung seiner Schwindelsymptomatik als Unfallfolge begehrt hat, mit Urteil vom 17. Mai 2010 abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Feststellung der Unfallfolge lägen nicht vor. Nach dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Dr. W. habe der geklagte Dreh- und Schwankungsschwindel nicht objektiviert werden können. Damit hätten sich die Ergebnisse im Verwaltungsverfahren, insbesondere des Prof. Dr. S. bestätigt. Auch Prof. Dr. von A. habe die geklagten Beschwerden nicht objektiviert, sondern lediglich die Schilderungen des Klägers zu Grunde gelegt und einen Ursachenzusammenhang angenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilgründe verwiesen.

Gegen das am 14. Juni 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Juni 2010 Berufung eingelegt, mit welcher er nun die Feststellung begehrt, dass die Schwindelsymptomatik weitere Unfallfolge ist sowie außerdem dass eine durch den Unfall bedingte MdE um 10 v. H. auf Dauer eingetreten ist.

Der Kläger verweist auf die in den Akten enthaltene Berichte, durch die die Schwindelproblematik belegt sei. Der Befundbericht von Prof. Dr. S. leide unter eklatanten Fehlern. Er unterstelle zu Unrecht eine Simulation. Seine Ausführungen enthielten eine Reihe von Unrichtigkeiten, insbesondere zur Frage, ob er Kinder habe und über gute Deutschkenntnisse verfüge. Wegen der Fehler habe die Beklagte Prof. Dr. S. auch noch auf die Ergebnisse der CT und des MRT vom 1. und 4. Oktober 2007 hingewiesen. Er habe keine Hinweise auf einen Lagerungsschwindel erkennen können, da er die MRT- und CT-Befunde nicht berücksichtigt habe. Auch Dr. W. habe diese Befunde nicht gewürdigt. Demgegenüber habe Prof. Dr. von A. alle Befunde und Untersuchungsergebnisse berücksichtigt. Ihre Einschätzung beruhe nicht auf seinen subjektiven Angaben, sondern auf den vorhandenen zahlreichen Berichten, die sich mit den subjektiven Angaben deckten. Unmittelbar nach dem Unfall seien mehrere Untersuchungen, die einen Lagerungsschwindel ergeben hätten, erfolgt. Damit lägen zahlreiche objektive Befunde im Nachweis eines Lagerungsschwindels vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. Mai 2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 28. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2008 abzuändern und festzustellen, dass es sich bei der Schwindelsymptomatik um eine weitere Unfallfolge handelt und durch den Unfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. auf Dauer eingetreten ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, auch wenn auf den MRT-Aufnahmen vom 10. April 2007 (richtig: 4. Oktober 2007) eine minimale Blutauflagerung occipital am Kleinhirn zu erkennen sei, lasse sich auf Grund der ansonsten jedoch sowohl von Prof. Dr. S. als auch Dr. W. auf neurologischem Gebiet erhobenen, völlig unauffälligen objektiven klinischen Befunde eine Hirnsubstanzschädigung nicht nachweisen. Ebenso könne der geltend gemachte Schwindel unter Berücksichtigung der objektivierbaren Befunde nicht nachgewiesen werden, insbesondere habe weder Prof. Dr. S. noch Dr. W. eine für einen Lagerungsschwindel typischen Nystagmus objektivieren können. Auch Prof. Dr. von A. habe anhand objektivierbarer Befunde keine Schwindelsymptomatik nachweisen können. Sie habe auf Grund der subjektiven Angaben des Klägers ausgeführt, es handle sich möglicherweise um das relativ seltene Krankheitsbild einer sogenannten superfiziellen Siderose. Dies genüge indes nicht den in der gesetzlichen Unfallversicherung zu Grunde zu legenden Kausalitätskriterien. Auch im neurologischen Befundbericht vom 13. Dezember 2007 sei unter Berücksichtigung der erhobenen objektivierbaren Befunde ein Lagerungsschwindel nicht nachgewiesen. Es sei zwar ausgeführt, dass zunächst ein rotatorischer Nystagmus nach unten bei Lagerung nach rechts festgestellt worden sei, der dann jedoch nach zwei Lagerungen nicht mehr sicher nachvollziehbar gewesen sei. Zusammenfassend sei auch nur ein Verdacht auf einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel geäußert worden. Der Befundbericht vom 22. Januar 2008 gebe lediglich die vom Kläger angegebenen Beschwerden wieder ohne Nachweis eines Lagerungsschwindels anhand objektivierbarer Befunde. Weder von Prof. Dr. S. und Dr. W., noch von Prof. Dr. von A. sei ein Lagerungsschwindel anhand objektivierbarer klinischer Befunde belegt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten "Schwindelsymptomatik" als weitere Unfallfolge noch auf Feststellung, dass durch den Unfall eine MdE um 10 v. H. auf Dauer eingetreten ist.

Das Begehren auf Feststellung von Unfallfolgen kann zulässig mit der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG verfolgt werden (vgl. BSG Urteil vom 15. Mai 2012, B 2 U 31/11 R, m.w.N. in Juris).

Nach § 102 SGB VII haben die Versicherten gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge (oder eines Versicherungsfalls), wenn ein Gesundheitsschaden durch den Gesundheitserstschaden eines Versicherungsfalls rechtlich wesentlich verursacht wird. Der Gesundheitsschaden muss sicher feststehen (Vollbeweis) und durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden (so auch BSG a.a.O.).

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls, der hier am 27. September 2007 eingetreten und von der Beklagten auch anerkannt ist, und auch ihrer Berücksichtigung bei der Gewährung von Leistungen ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein (Vollbeweis, siehe oben). Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17= BSGE 96, 196-209).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - aaO).

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung, dass die von ihm geltend gemachte "Schwindelsymptomatik" Folge des Arbeitsunfalles vom 27. September 2007 ist. Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger nach dem Unfall das Bestehen eines Schwindels angegeben hat und dann der Verdacht auf Vorliegen eines benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels geäußert wurde (Bericht der Prof. Dr. von A. vom 13. Dezember 2007 auf Grund einer Untersuchung vom 5. Oktober 2007). Auch im Bericht vom 10. Oktober 2007 der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums U. ist ein Schwindel vermerkt, weswegen gemäß dem Bericht von Dr. B. vom 12. Oktober 2007 zur Abklärung eine stationäre Maßnahme angeregt wurde, die schließlich in der Fachklinik I. in der Zeit vom 22. Oktober bis 24. November 2007 erfolgt ist. Auf HNO-ärztlichem Gebiet konnte bereits gemäß dem Bericht des Dr. L. von der HNO-Klinik der Universität U. vom 1. Oktober 2007 eine vestibuläre bzw. periphere Störung ausgeschlossen werden. Das Kernspintomogramm des Schädels vom 4. Oktober 2007 beschrieb zwar eine linkscerebelläre Blutauflagerung occipital am Kleinhirn, nachdem noch in den Kernspintomographien vom 1. Oktober 2007 keine Hirnverletzungen erkennbar gewesen waren. Allerdings war später weder bei der Untersuchung in der Neurologischen Universitätsklinik in U. vom 10. Dezember 2007 noch bei der am Folgetag bei der Prof. Dr. S. durchgeführten Untersuchung ein krankhafter Befund am Gleichgewichtssystem zu erheben, insbesondere waren die Lagerungsproben unauffällig. Vielmehr demonstrierte der Kläger sowohl bei Prof. Dr. S. als auch schon in der Universitätsklinik Ulm ein grobes Schwanken, das auch dort als nicht authentisch bewertet wurde und den Verdacht auf eine "phobische Entwicklung mit epigastrischen Auren" begründete. Angesichts dessen ist festzustellen, dass nach der stationären Behandlung in der Klinik I. jedenfalls weder ein Nystagmus, noch ein Schwindel festgestellt wurde bzw. objektiviert werden konnte. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und überzeugend aus den Ausführungen von Prof. Dr. S., der den Kläger selbst am 11. Dezember 2007 untersuchte und eine psychologische Zusatzuntersuchung veranlasst hat, nach deren Ergebnis der Kläger eine weit unter dem Normbereich liegende Leistungsfähigkeit demonstrierte, was allerdings auf eine fehlende Leistungsbereitschaft zurückgeführt wurde und weswegen die Ergebnisse nicht als den tatsächlichen Leistungsbild entsprechend zu Grunde gelegt werden konnten (Bericht über die psychologische Zusatzuntersuchung vom 11. Dezember 2011). Bei der Untersuchung bei Prof. Dr. S. konnte der Kläger das Untersuchungszimmer zunächst zügig und sicher betreten und war auch in keiner Weise beim An- und Auskleiden behindert, wobei er auch auf einem Bein zu stehen vermochte. Im entkleideten Zustand demonstrierte er dann bei der Untersuchung der Gang- und Standfähigkeit eine ungerichtete Unsicherheit mit breitbasigem Umhertaumeln im Untersuchungszimmer, konnte aber bei Ablenkung ohne Schwierigkeiten mit geschlossenen Füßen stehen und auf Druck mit dem Stethoskop gegen den Körper sofort die Haltung korrigieren. Bei den Lagerungsproben zeigten sich keine Auffälligkeiten, subjektiv auch kein Schwindel und objektiv keine krankhaften Augenbewegungen. Angesichts dessen ist festzustellen, dass auch bei dieser Untersuchung eine relevante Schwindelsymptomatik nicht nachgewiesen werden konnte. Soweit der Kläger gegen das Gutachten von Prof. Dr. S. eingewandt hat, diesem hätten die MRT- und CT-Aufnahmen vom 4. und 10. Oktober 2007 sowie der Bericht über die neurologische Untersuchung vom 10. Dezember 2007, in dem eine cerebelläre Blutauflagerung beschrieben sei, nicht vorgelegen, ist festzustellen, dass Prof. Dr. S., nachdem er die Unterlagen von der Beklagten erhalten hatte, hierzu ergänzend Stellung genommen hat und mit ausführlicher Begründung an seiner Beurteilung festgehalten hat. Zu Recht und überzeugend hat er darauf hingewiesen, dass auch bei der Untersuchung vom 10. Dezember 2007 in der Neurologischen Klinik der Universität Ulm ein krankhafter Befund im Gleichgewichtssystem nicht erhoben wurde und die Lagerungsproben unauffällig waren. Hieran hat Prof. Dr. S. auch in einer weiteren Stellungnahme nach Zusendung des EEG (Untersuchung vom 18. Dezember 2007), das keine Auffälligkeiten ergeben hat, festgehalten. Soweit der Kläger im Übrigen bemängelt, Prof. Dr. S. habe die Zahl seiner Kinder widersprüchlich bzw. falsch wiedergegeben und widersprüchliche Angaben bzw. Ausführungen zu seinem Sprachverständnis gemacht, ist festzustellen, dass Prof. Dr. S. hier nur die Angaben, die in der Untersuchungssituation vom Kläger selbst gemacht wurden, wiedergegeben hat. Im Übrigen hat auch Dr. W., der bei seiner Untersuchung eine dolmetschende Arzthelferin zugezogen hat, durchaus ein vorhandenes Sprachverständnis des Klägers festgestellt. Dass die von Prof. Dr. S. veranlasste psychologische Untersuchung nicht durch schriftliche Beantwortung schriftlicher Fragen, sondern auf Grund einer mündlichen Befragung erfolgt ist, entwertet die Beurteilung von Prof. Dr. S. nicht. Nach dessen Untersuchung ist schließlich die Untersuchung bei Prof. Dr. Gebhard vom 4. Februar 2008 erfolgt. Auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet wurden nach verheilter occipitaler nichtdislozierter Kalottenfraktur keine Beschwerden mehr beklagt oder bei der Untersuchung festgestellt. Prof. Dr. Gebhard ging insoweit auch nachvollziehbar von keiner MdE in rentenberechtigendem Grad aus. Hier hat sich der Kläger allerdings mit persistierenden Kopfschmerzen und Tinnitus vorgestellt. Eine Schwindelsymptomatik wurde - wenngleich im Diagnoseteil ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (ohne Angabe eines entsprechenden aktuellen Untersuchungsbefundes) weiter erwähnt worden ist - nicht beklagt. Prof. Dr. G. hat dann die Behandlung auch abgeschlossen. Bei der im Klageverfahren bei dem Sachverständigen Dr. W. am 25. März 2009 mit einer dolmetschenden Arzthelferin durchgeführten Untersuchung hat der Kläger zwar angegeben, immer noch einen Dreh- und Schwankschwindel beim Aufstehen und bei ruckartigen Bewegungen zu haben, der jeden Tag vorhanden sei. Indes haben die weiteren Untersuchungen keinen Nystagmus ergeben, weswegen auch Dr. W. von einem abgeklungenen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel ausgegangen ist, der schon während der stationären Behandlung im Krankenhaus I. abgeklungen gewesen sei. Den Verdacht einer cerebellären Komponente, wie sie Prof. Dr. von A. angenommen hat, ist unter Berücksichtigung der Kernspintomographie nicht bestätigt (so Dr. W.). Auch bei Dr. W. hat der Kläger deutliche Aggravations- bzw. Verdeutlichungstendenzen gezeigt. Im Ergebnis hat dann Dr. W. für den Senat schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass Funktionsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht objektivierbar sind. Daraus ergibt sich für den Senat, dass zwar kurzzeitig ein benigner paroxysmaler Schwindel vorgelegen hat, der auch in zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall aufgetreten und auf diesen zurückführbar gewesen ist, dass jedoch die nach der stationären Behandlung im Krankenhaus I. beklagte Schwindelsymptomatik weder belegt und nachgewiesen, noch mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten der Prof. Dr. von A ... Diese hat zur Überzeugung des Senats eine Schwindelsymptomatik nicht zu belegen vermocht. Insbesondere ist eine Schwindelsymptomatik auch bei den Untersuchungen von Prof. Dr. S. und Dr. W. nicht objektiv nachgewiesen wurden. Der von Prof. Dr. von A. anlässlich der Begutachtung am 18. August 2009 erhobene neurologische und in ihrem Gutachten beschriebene objektive Befund beweist das Vorliegen von Schwindelerscheinungen nicht, zumal sie sich im Wesentlichen auf Angaben des Klägers stützt, wonach die (angegebenen) Erscheinungen nur z. B. beim Fahrradfahren aufträten. Im Übrigen hat Prof. Dr. von A. ausgeführt, dass sich eine von ihr angenommene cerebelläre Symptomatik (Blutung linkscerebellär mit Blutauflagerung im Kleinhirn) im Verlauf deutlich gebessert hat und selbst nach ihrer Einschätzung nur noch geringe Gleichgewichtsstörungen vorliegen. Sie stützt sich im Wesentlichen auf den Befund vom 4. Oktober 2007 und schließt aus diesem letztlich auf das Vorliegen von Schwindelerscheinungen, die indes ansonsten so jedenfalls nach der Behandlung im Krankenhaus I. nicht dokumentiert sind. Andereseits hat Prof. Dr. S. die Aufnahmen vim 4. und 10. Oktober 2007 ebenfalls ausgewertet und dargelegt, dass sich der initial festgestellte Lagerungsschwindel und der Nystagmus, die sich im weiteren nicht mehr feststellen ließen, mit diesem Befund nicht erklären lassen. Bei einer Verletzung der Kleinhirnhemisphäre wäre - so Prof. Dr. S. - eine Ataxie der gleichseitigen Gliedmaßen zu erwarten. Ein derartiger Befund wurde allerdings nie beschrieben. Wenn die Tiefenregionen der Kleinhirnhemisphären betroffen wären, könnte es zu Tremor und Sprachstörungen kommen, was allerdings beim Kläger auch nie beschrieben wurde. Damit verbleiben für den Senat weiterhin erhebliche Zweifel am Vorliegen der vom Kläger geltend gemachten Schwindelsymptomatik. Im Übrigen hat Prof. Dr. von A. ausgeführt, ein Zusammenhang der von ihr angenommenen Schwindelsymptomatik mit dem Unfall sei durchaus "möglich". Ferner hat auch sie eingeräumt, dass sich die Symptomatik, auf Grund der der Verdacht eines benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels geäußert worden war, bereits im Rahmen der Untersuchung mit mehrfacher Lagerung gebessert habe und die geltend gemachte bestehende Schwindelsymptomatik nicht erklären könne.

Somit ist zur Überzeugung des Senats weder nachgewiesen, dass die vom Kläger geltend gemachte Schwindelsymptomatik besteht, noch, dass diese mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung, dass durch die Folgen des Unfalles vom 27. September 2007 eine MdE um 10 v. H. bedingt ist.

Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich der Frage, ob die Unfallfolgen eine MdE bedingen, mit dem Verfügungssatz Nr. 4 des angefochtenen Bescheids "Ein Anspruch auf Leistungen über den 27.10.2007 (geändert durch Erklärung vom 17. Mai 2010: 24.11.2007) hinaus wird abgelehnt." überhaupt eine mit der Klage zulässig anfechtbare Verwaltungsentscheidung vorliegt, denn der Kläger hat im Klageverfahren weder die Gewährung von Leistungen wegen einer unfallbedingten MdE, noch die Feststellung einer durch Unfallfolgen bedingten MdE beantragt, so dass hierüber das SG auch nicht entschieden hat. Damit wäre - wenn eine Entscheidung der Beklagten über das Vorliegen einer MdE anzunehmen wäre - der Bescheid vom 27. September 2007 bindend geworden.

Im Übrigen ist das Begehren auf Feststellung einer unfallbedingten MdE auch als Klageänderung nach § 99 SGG nicht zulässig, da die Beklagte dem nicht zugestimmt und sich auch hierauf nicht eingelassen hat (eine Äußerung zur MdE ist nicht erfolgt) und die Klageänderung nicht sachdienlich ist, zumal das Berufungsgericht insoweit für eine Klage erstinstanzlich nicht zuständig wäre.

Darüber hinaus bedingen die Unfallfolgen des Klägers - unabhängig davon, dass auch die isolierte Feststellung einer MdE von unter 20 v. H. in der Regel unzulässig ist (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 36/03 R, m. w. N. in Juris) - keine MdE um wenigstens 10 v. H.

Die MdE - u. a. als Grundlage für die Gewährung von Leistungen der gesetzliche Unfallversicherung - richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Die beim Kläger anerkannten und über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus vorliegenden Unfallfolgen bedingen und bedingten keine MdE um wenigstens 10 v. H. Unfallfolgen sind - wie von der Beklagten anerkannt - ein knöchern festverheilter Bruch der Schädelkalotte am Hinterhaupt. Funktionelle Einschränkungen ergeben sich aus diesem Befund nicht und sind auch von ärztlicher Seite nicht beschrieben. Damit resultiert hieraus keine MdE um wenigstens 10 v. H., was sich aus den Ausführungen von Prof. Dr. G. und aus der Gesamtschau aller ärztlichen Äußerungen ergibt. Vom Kläger wird dies im Übrigen auch nicht geltend gemacht.

Da die diagnostizierten depressive Episoden sowie der Bluthochdruck und - aus den oben dargelegten Gründen - die geltend gemachten Schwindelerscheinungen nicht Folge des Arbeitsunfalles, weder im Sinne der Entstehung, noch im Sinne der Verschlimmerung, sind und auch ansonsten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet keine Unfallfolgen vorliegen (Stellungnahmen Prof. Dr. S., Gutachten Dr.W.), ist auch insofern keine MdE feststellbar.

Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer MdE um 10 v. H.

Da die Berufung des Klägers unbegründet ist, weist sie der Senat zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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