L 18 U 43/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 5015/03 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 43/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Beitragspflicht landwirtschaftlicher Unternehmen
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.03.2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Beitragspflicht der Klägerin zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung.

Die Klägerin hatte der Beklagten am 05.05.1978 mitgeteilt, Eigentümerin von 3,17 ha verpachteten landwirtschaftlichen Flächen und 1,30 ha forstwirtschaftlichen Flächen zu sein. Am 09.12.1986 teilte die Klägerin mit, die landwirtschaftlichen Flächen seien nicht mehr verpachtet und würden brachliegen. Flächen in einer Größenordnung von 1,80 ha (Grundstücke Flur-Nrn. 2900 und 3032) standen - wie sich aus den aktenkundigen Ermittlungsergebnissen der Beklagten ergibt - damals im Eigentum der Klägerin und wurden als Wiese bewirtschaftet. Die Klägerin ist bzw. war im streitigen Zeitraum weiterhin Eigentümerin der Grundstücke Flur-Nrn. 3256/4 (738 m²), 3373/7 (930 m²), 3375/6 (159 m²), 3326 (9081 m²) und 3347 (1550 m²) der Gemarkung A-Stadt. Bei den Grundstücken Flur-Nrn 3256/4 und 3373/7 handelt es sich um Wohngrundstücke, wobei auf dem Grundstück Flur-Nr. 3373/7 eine Pferdekoppel mit ca. 270 m² abgetrennt war. Das Grundstück Flur-Nr. 3375/6 ist mit einer Garage mit angebautem Schuppen nebst gepflastertem Vorplatz bebaut und enthält weiterhin einen kleinen Garten. Die Grundstücke Flur-Nrn. 3326 und 3347 sind mit Nadelwald bewachsen mit Ausnahme eines Streifens von 100 m Länge auf dem Grundstück Flur-Nr.3326. Seit dem 01.06.1997 stehen die Grundstücke Flur-Nrn 2900 und 3032 im Eigentum des K. A. (Sohn der Klägerin).

Die Beklagte erließ den Beitragsbescheid vom 08.08.1995 (Umlage 1993 und 1994 für 1,80 ha landwirtschaftliche und 1,30 ha forstwirtschaftliche Fläche; Beitragshöhe gesamt: 324,70 DM). Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin den Widerspruch vom 01.09.1995 ein. Weiter erging der Beitragsbescheid vom 20.03.1996 (Umlage 1995; Beitragshöhe 175,00 DM). Am 13.07.1999 führte die Beklagte eine Ortseinsicht durch. Unter dem 19.12.2002 erließ die Beklagte einen weiteren Beitragsbescheid für die Umlageforderungen der Jahre 1997 bis 2001 (1,06 ha forstwirtschaftliche Fläche, Beitragshöhe gesamt 230,61 EUR). Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 24.01.2003 Widerspruch. Für die Umlage 2002 erließ die Beklagte den Beitragsbescheid vom 17.02.2003 (Beitragshöhe 58,63 EUR). Gegen diesen Bescheid wurde am 13.03.2003 Widerspruch eingelegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2003 wies die Beklagte den Widerspruch gegen "die Bescheide vom 08.08.1995, 20.03.1996, 19.12.2002 und 17.02.2003" zurück mit dem Bemerken, die Bescheide vom 20.03.1996, 19.12.2002 und 17.02.2003 seien nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Die Klägerin habe am 28.04.1993 die Feststellungen der Beklagten bestätigt, wonach die Flächen Flur-Nrn. 2900 und 3032 mit 1,8039 ha von der Klägerin als Wiese bewirtschaftet worden seien. Durch die Besichtigung im Jahre 1999 sei festgestellt worden, dass durch die Klägerin nur noch die Waldflächen mit 1.0631 ha (1,30 ha abzüglich des unbewaldeten Streifens) bewirtschaftet würden. Die die Beitragspflicht auslösende Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Fläche bestehe so lange, solange nicht nachgewiesen worden sei, an wen die bewirtschafteten Flächen abgegeben worden seien.

Am 09.04.2003 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Sie habe bereits mit Schreiben vom 27.12.1993 der Beklagten mitgeteilt, dass sie die in Rede stehenden Flächen und Flächenanteile an ihren Sohn verpachtet habe. Mit Schriftsatz vom 23.04.2004 hat sie dem SG ein nicht unterzeichnetes und an die Beklagte gerichtetes Schreiben vom 27.12.1993 zugeleitet. Ferner hat sie mit Schriftsatz vom 21.06.2004 ein nicht unterzeichnetes Schreiben vom 16.10.1995 übermittelt, in dem die Klägerin ausführt, dass sie schon mündlich und schriftlich der Beklagten mitgeteilt habe, sie betreibe keine Land- und Forstwirtschaft und die Flächen würden von ihrem Sohn bewirtschaftet. Dieses Schreiben war an die Beklagte adressiert und trägt einen Posteingangsstempel mit Aufdruck "16. Okt.1995 Stadt A-Stadt".

Mit Urteil vom 04.03.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen. Die Klägerin trage auch die Beweislast für den Zugang einer Veränderungsanzeige, die nicht zu den Akten der Beklagten gelangt sei. Es könne offen bleiben, ob eine Veränderungsanzeige am 16.10.1995 bei der Stadt A-Stadt eingegangen sei. In der Rechtsbehelfsbelehrung hat das SG die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung als zulässigen Rechtsbehelf benannt.

Die Klägerin hat nach Durchführung eines Beschwerdeverfahrens (L 18 U 248/09 NZB) hiergegen Berufung eingelegt. Das SG habe es versäumt zu prüfen, ob eine Veränderungsanzeige bei der Stadt A-Stadt eingegangen sei. Schriftstücke könnten auch bei anderen inländischen Behörden abgegeben werden. Zudem sei sie keine landwirtschaftliche Unternehmerin.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.03.2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 08.08.1995, 20.03.1996, 19.12.2002 und 17.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.03.2009 zurückzuweisen.

Wer, wie die Klägerin, eine Flächenveränderungsmitteilung bei der unzuständigen Behörde einreiche, trage das Risiko für den Zugang bei der richtigen Behörde. Da das Schreiben vom 16.10.1995 erst am 13.12.2004 bei der Beklagten eingegangen sei, könnte es auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum keinen Einfluss haben. Auch sei die Klägerin ihrer Erkundigungspflicht nicht nachgekommen. Es sei nicht glaubhaft, dass die Flächen tatsächlich an den Sohn verpachtet worden seien.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige (§§ 66 Abs. 2 S. 1, 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid der Beklagten vom 08.08.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2003 sowie die Bescheide vom 19.12.2002 und vom 17.02.2003, ebenfalls in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2003. Ebenfalls Gegenstand des Verfahrens geworden ist der Bescheid vom 20.03.1996. Zwar änderte dieser den Bescheid vom 08.08.1995 nicht nach § 86 SGG ab (vgl. dazu BSG vom 05.07.2005, B 2 U 32/03) und wurde deshalb nicht kraft Gesetzes Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Allerdings ist aus den Gesamtumständen zu schließen, dass die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch erhoben hat. Dies entnimmt der Senat der Gesprächnotiz der Beklagten vom 10.04.1996, aus der sich ergibt, dass die Klägerin ihren gegen die früheren Beitragsbescheide erhobenen Widerspruch aufrecht erhält und sich die Gründe hierfür auch auf das folgende Beitragsjahr erstrecken. Dabei verkennt der Senat nicht, dass grundsätzlich eine telefonische Einlegung eines Widerspruchs nicht möglich ist. In Ausnahmefällen kann jedoch eine telefonische Einlegung zur Niederschrift genügen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 84 Rn 3a, 3b mwN). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Zum einen wurde ein Aktenvermerk gefertigt. Zum anderen sprechen die bereits dargestellten Gesamtumstände für den Willen der Klägerin zur Widerspruchseinlegung. Auch die Beklagte ist von einer Widerspruchseinlegung ausgegangen, da der Widerspruchsbescheid vom 26.03.2003 auch über den Bescheid vom 20.03.1996 mitentschieden hat.

Das SG hat die Klage gegen die Bescheide vom 08.08.1995, 20.03.1996, 19.12.2002 und 17.02.2003, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2003 zu Recht abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Die Klägerin war als landwirtschaftliche Unternehmerin zu Beiträgen heranzuziehen, da sie in den Jahren 1993, 1994 und 1995 die Grundstücke Flur-Nrn. 2900 und 3032 mit einer Fläche von 1,80 ha als Grünland bewirtschaftete und zudem zwischen 1993 und 2002 die Grundstücke Flur-Nrn. 3326 und 3347 als Waldgrundstücke. Insoweit nimmt der Senat auf die Begründung des angefochtenen Urteils vom 04.03.2009 Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend wird auf Folgendes verwiesen:
Nach § 38 der Satzung der Beklagten hat der Unternehmer der Beklagten Änderungen, die für die Beitragsfestsetzung von Bedeutung sind, binnen vier Wochen mitzuteilen. Tritt infolge der Änderung ein Wegfall der Beitragspflicht ein, dann hat der Unternehmer, der die Änderung zu spät mitteilte, keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Anzeige für den Zeitraum vor Erstattung der Anzeige. Das Risiko der Verzögerung der Mitteilung erheblicher Änderungen liegt nach dieser Satzungsbestimmung, an deren Rechtmäßigkeit der Senat nicht zweifelt, beim Unternehmer, was auch als sachgerecht erscheint, weil er allein in der Lage ist, die entsprechenden Anzeigen zeitgerecht zu erstellen. Die Klägerin hat der Beklagten erst im Jahre 2004 und damit nach der hier streitgegenständlichen Beitragsperiode mitgeteilt, dass nicht mehr sie die fraglichen Waldgrundstücke Flur-Nrn. 3326 und 3347 bewirtschafte, sondern ihr Sohn. Durch die Bestätigung der Stadt A-Stadt vom 27.06.2011 ist zwar davon auszugehen, dass die Klägerin das Schriftstück vom 16.10.1995 bei der Stadt A-Stadt am 16.10.1995 zur Weiterleitung an die Beklagte eingereicht hat. Hierdurch konnte die Beitragspflicht ab diesem Zeitpunkt allerdings nicht entfallen, da die Veränderungsanzeige bei der Beklagten nicht eingegangen ist und damit die Voraussetzungen des § 38 der Satzung der Beklagten nicht eingehalten sind. Hinsichtlich des Zugangs der Veränderungsanzeige hätte die Klägerin eine Erkundigungspflicht getroffen (BSG vom 06.02.2001, B 10 LW 15/99 R), zumal für die Klägerin durch ein Schreiben der Beklagten vom 05.01.1996 und den Bescheid vom 20.03.1996 erkennbar war, dass das Schreiben vom 16.10.1995 dort nicht angekommen war. Die Klägerin hat auf das Schreiben vom 16.10.1995 aber erst im Klageverfahren am 23.04.2004 hingewiesen, so dass die Änderung von der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht berücksichtigt werden musste.

Der Bescheid vom 19.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2003 erweist sich auch als rechtmäßig, soweit er Beiträge für die Jahre 1997 festsetzt, weil die Beitragsforderungen insoweit bei Erlass des Bescheides noch nicht verjährt waren. Beiträge in der gesetzlichen Unfallversicherung werden durch Verwaltungsakt (§ 23 Abs. 3 SGB IV; § 168 SGB VII) festgesetzt. Die Verjährung nach § 25 SGB IV tritt gleichwohl auch ohne festgesetzte Beitragspflicht nach vier Jahren ein, gerechnet von dem Zeitpunkt, in dem der Beitrag vom Unfallversicherungsträger hätte errechnet werden können (Seewald in Kassler Kommentar, Rdnr. 4 zu § 25 SGB IV). Da die Beiträge für das Kalenderjahr 1997 im Jahr 1998 hätten berechnet werden können, wäre Verjährung analog § 25 Abs. 1 SGB IV erst mit Ablauf des Jahres 2002 eingetreten, so dass der Bescheid vom 19.12.2002 noch vor Eintritt der Verjährung erging.

Die Kostenfolge beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrem inhaltlichen Begehren in vollem Umfang unterlegen ist.

Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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