L 11 KR 2204/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 8098/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2204/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- (KV) und Pflegeversicherung (PV) aus einer Kapitalzahlung zur betrieblichen Altersversorgung.

Der 1940 geborene Kläger ist als Rentner seit dem 01.12.2004 bei der Beklagten zu 1) pflichtversichertes Mitglied. Er war in der Vergangenheit bei der damaligen W. Wü. V.-GmbH beschäftigt. Diese schloss als Versicherungsnehmerin für den Kläger als versicherte Person mit Wirkung zum 01.01.1979 bei der S.-Versicherung AG eine Kapitallebensversicherung als Direktversicherung ab (Nr 3668379). Als Vertragslaufzeit waren 27 Jahre vereinbart. Eine weitere Versicherung der genannten Art wurde zum 01.01.1981 mit einer Vertragsdauer von 25 Jahren ebenfalls bei der S.-Versicherung abgeschlossen (Nr ..., später Nr ...). Am 19.03.1983 unterzeichneten der Kläger und seine Arbeitgeberin eine gegenüber der S.-Versicherung abgegebene "Zusatzerklärung", wonach der Kläger aus den Versicherungen unwiderruflich bezugsberechtigt ist. Zum 01.01.1985 fusionierte die W. Wü. V.-GmbH mit der W. Wü. gGmbH. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Kläger bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg. versichert. Mit Schreiben vom 14.08.1984 informierte die Geschäftsleitung den Kläger über die mögliche private Weiterführung der Direktversicherung. Zum 01.10.1990 endete das Arbeitsverhältnis mit der W. Wü. gGmbH. Mit schriftlichen Erklärungen gegenüber der S.-Versicherung vom 07.06.1990 übertrug die W. Wü. gGmbH dem Kläger ab dem 01.10.1990 beide Versicherungen. Seit dem 01.07.1990 übernahm er selbst die Zahlung der Versicherungsbeiträge.

Mit Schreiben vom 24.11.2005 zeigte die S.-Versicherung der Beklagten zu 1) an, dass zum 31.12.2005 aus den Versicherungen ein einmaliger Kapitalbetrag aus betrieblicher Altersversorgung in Höhe von insgesamt 69.724,00 EUR an den Kläger ausbezahlt werde (40.625,00 EUR aus Nr ... und 29.072,00 EUR aus Nr ...). Mit Bescheid vom 10.01.2006 stellte die Beklagte zu 1) fest, dass die Kapitalleistung der Beitragspflicht in der KV und PV unterliege. Der Betrag werde auf zehn Jahre umgelegt. Der Zehnjahreszeitraum beginne am 01.01.2006. Der umgelegte Anteil betrage monatlich 581,03 EUR. Hieraus ergebe sich ein monatlicher Beitrag zur KV in Höhe von 79,60 EUR und zur PV in Höhe von 9,88 EUR. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2008 zurückgewiesen wurde.

Am 04.12.2008 hat der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, die den Beitragsforderungen zugrundeliegenden Normen verstießen gegen Treu und Glauben. Im Zeitpunkt der Versorgungszusage habe eine Beitragspflicht nicht bestanden. Gegenleistung für die Beitragsfreiheit sei die zusätzliche freiwillige Altersvorsorge. Es müssten diejenigen Normen gelten, die bei Vertragsbeginn gegolten hätten. Ein Vorbehalt der späteren Unterwerfung unter die Beitragsplicht habe es nicht gegeben. Damit habe auch nicht gerechnet werden müssen. Eine rückwirkende Änderung sei nicht zulässig. Er berufe sich auf Vertrauensschutz und verweise auf die Unverhältnismäßigkeit der Verbeitragung der Altverträge und Abwägungsdefizite. Es fehle außerdem ein wirtschaftliches Interesse an der Verbeitragung. Die rückwirkende Aufhebung der Wahlfreiheit zwischen Kapital- und Rentenversicherung sei ebenso wenig gerechtfertigt wie die Umgehung der Beitragsbemessungsgrenze. Darüber hinaus werde gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Es liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der vor dem 01.01.2004 ausgelaufenen Direktversicherungen gegenüber den danach endenden Verträgen vor. Bei den Ablaufsummen handele es sich nicht um Versorgungsbezüge. Das Recht auf die Versicherungsleistungen gehöre schon seit dem 19.03.1983 zum Vermögen des Klägers. Unter diesem Datum habe er die Zusatzerklärung zu den Versicherungsverträgen unterzeichnet, wonach er als unwiderruflicher Bezugsberechtigter das Recht auf die Versicherungsleistungen sofort und nicht erst mit Eintritt des Versicherungsfalls erworben habe. Jedenfalls müsse der Teil der Ablaufsumme, der auf Eigenbeiträge zurückzuführen sei, bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt bleiben.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.09.2010 (1 BvR 739/08) hat die S.versicherung eine Neuberechnung des beitragspflichtigen Teils der Kapitalleistungen vorgenommen. Auf Grundlage der vom 01.01.1979 bzw 01.01.1981 bis 30.06.1990 von der Arbeitgeberin des Klägers gezahlten Versicherungsbeiträge errechnete die Versicherung einen Gesamtbetrag in Höhe von 28.362,10 EUR. Mit Bescheid vom 07.06.2011 hat die Beklagte zu 1) den monatlichen Beitrag ab dem 01.07.2011 auf 41,24 EUR festgesetzt und einen Betrag in Höhe von 3.751,47 EUR erstattet. Mit weiterem Bescheid vom 25.08.2011 hat die Beklagte zu 1) auf die Erstattungssumme Zinsen in Höhe von 419,12 EUR gewährt. Der Kläger hat daraufhin seine Klage in Höhe dieser Beträge für erledigt erklärt.

In der mündlichen Verhandlung hat sich die Beklagte zu 1) verpflichtet, über die Höhe der Zinsen erneut zu entscheiden. Der Kläger hat sodann beantragt, den Bescheid vom 10.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 07.06.2011 aufzuheben.

Mit Urteil vom 11.05.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und der Beklagten zu 1) die Hälfte der außergerichtlichen Kosten Klägers auferlegt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Kapitalleistungen aus den Direktversicherungen seien als Versorgungsbezüge beitragspflichtig. Dies ergebe sich aus dem Gesetz. Die beitragspflichtige Berücksichtigung von Versorgungsbezügen verstoße nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des BVerfG nicht gegen das Grundgesetz. Die Kammer schließe sich dieser Rechtsprechung (unter Zitierung im Einzelnen) an. Soweit das BVerfG die Grenzen zulässiger Typisierungen bei einem Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers sehe, sei dem mit Erlass des Änderungsbescheids vom 07.06.2011 entsprochen worden.

Am 25.05.2012 hat der Kläger beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung auf seinen erstinstanzlichen Vortrag verwiesen. Ergänzend hat er ausgeführt, bei den Ablaufsummen handele es sich nicht um Einnahmen. Der Eigentumsübergang an den Versicherungen habe bereits mit der Übertragung des unwiderruflichen Bezugsrechts am 19.03.1983 und hinsichtlich der weiteren Prämienzahlungen bis 30.09.1990 zu den jeweiligen Prämienzahlungszeitpunkten stattgefunden. Im Zusammenhang mit der Fälligkeit der Ablaufsummen habe kein Eigentumsübergang stattgefunden. Einkünfte hätten nur bis zum 30.09.1990 stattgefunden. Sollten daraus Beitragsansprüche entstanden sein, seien diese jedenfalls verjährt. Eigentumsübergänge bis zum 31.12.2003 blieben nach dem GKV-Modernisierungsgesetz 2003 beitragsfrei, also auch Eigentumsübergänge in den 1980er Jahren. Eine Verlagerung der Eigentumsübergänge in den Jahren 1983 bis 1990 auf das Jahr 2005 scheide aus. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des BSG vom 13.09.2006 (B 12 KR 5/06 R).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 10.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 07.06.2011 aufzuheben, und die Beklagten zu verurteilen, die auf Grundlage dieser Bescheide entrichteten und bislang nicht erstatteten Beiträge dem Kläger zzgl Zinsen zurückzuzahlen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Erörterungstermin vom 14.09.2012 hat das LSG die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben keine Einwände gegen die beabsichtigte Vorgehensweise erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss entscheiden, da die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet erachten und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Verfahrensweise gehört worden.

Die nach den §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 07.06.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das Passivrubrum war dahin zu berichtigen, dass nicht nur die Beklagte zu 1), sondern auch die Beklagte zu 2) Beteiligte des Rechtsstreits ist (§ 69 Nr 2 SGG). Denn der Kläger hat sich sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren gegen die Beitragspflicht zur KV und zur PV gewandt. Sowohl im Widerspruchsbescheid als auch im Änderungsbescheid vom 07.06.2011 hat die Beklagte zu 1) zudem zum Ausdruck gebracht, auch im Namen der Pflegekasse zu handeln (zur Zulässigkeit vgl § 46 Abs 2 Satz 4 SGB XI).

Der Kläger ist als Rentner nach § 5 Abs 1 Nr 11 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) versicherungspflichtig in der gesetzlichen KV und in der sozialen PV (§ 20 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, (SGB XI)). Er unterliegt damit sowohl in der KV (§ 223 SGB V) als auch in der PV (§ 54 SGB XI) der Beitragspflicht. Bei versicherungspflichtigen Rentnern werden der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und das Arbeitseinkommen zugrunde gelegt (§ 237 Satz 1 SGB V). § 226 Abs. 2 und die §§ 228, 229 und 231 SGB V gelten entsprechend (§ 237 Satz 2 SGB V). Dadurch, dass § 237 Satz 2 SGB V die Regelung des § 229 SGB V für entsprechend anwendbar erklärt, unterliegen auch die dort genannten Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht selbst dann, wenn diese neben einer Rente iSd § 237 Satz 1 SGB V geleistet werden. Als Versorgungsbezüge gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, Renten der betrieblichen Altersversorgung (vgl § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V). Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein Hundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs 1 Satz 3 SGB V).

Der Kläger hat von der S.versicherung Kapitalzahlungen erhalten. Bei diesen Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen handelt es sich um Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V. Zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung gehören auch Renten, die – wie hier – aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung im Sinne des § 1 Abs 2 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) in der hier gültigen Fassung vom 19.12.1974 gezahlt werden. Um eine Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Sie ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll. Dieser Versorgungszweck kann sich – wie vorliegend – aus der vereinbarten Laufzeit ergeben (hier 25 bzw 27 Jahre). Unerheblich ist, ob der Abschluss nach Auffassung aller Beteiligten allein zur Ausnutzung der steuerlich anerkannten und begünstigten Gestaltungsmöglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung erfolgt. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistungen aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist bei einer solchen für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart der Direktversicherung gegeben (BSG 13.09.2006, B 12 KR 5/06 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 4; B 12 KR 1/06 R und B 12 KR 17/06 R; weiterführend BSG 12.11.2008, B 12 KR 9/08 R, B 12 KR 9/08 R und 10/08 R; zuletzt BSG 30.03.2011, B 12 KR 24/09 R und 16/10 R; jeweils bei juris).

Die Verbeitragung von Kapitalzahlungen der betrieblichen Altersversorgung (einmaliger Versorgungsbezug) verstößt nach Ansicht des erkennenden Senats nicht gegen Verfassungsrecht (vgl zuletzt Urteile vom 01.03.2011, L 11 KR 2421/09, juris, und vom 29.09.2011, L 11 KR 2026/10). Der Senat schließt sich insofern nach eigener Prüfung der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 12.11.2008, B 12 KR 6/08 R, B 12 KR 9/08 R und B 12 KR 10/08 R, jeweils mwN; zuletzt Urteile vom 30.03.2011, B 12 KR 24/09 R und 16/10 R, und vom 25.04.2012, B 12 KR 26/10 R, juris) und den Entscheidungen des BVerfG (Beschlüsse vom 04.04.2008, 1 BvR 1924/07 und vom 06.09.2010, 1 BvR 739/08, juris) an. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung des Klägers liegt nicht vor. Die vom BSG vorgenommene Typisierung, wonach auch die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses teilweise arbeitnehmerfinanzierte Direktversicherung, bei welcher der Arbeitgeber Versicherungsnehmer ist, einen Versorgungsbezug im Sinne des § 229 SGB V bildet, ist mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar (BVerfG 06.09.2010, 1 BvR 739/08, juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des BVerfG vom 28.09.2010 (1 BvR 1660/08, juris). Das BVerfG hat in diesem Beschluss (ebenso wie im Beschluss vom 06.09.2010, 1 BvR 739/08, juris) noch einmal bestätigt, dass die Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V grundsätzlich weder gegen die wirtschaftliche Handlungsfreiheit iVm dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes noch gegen Art 14, 2 Abs 1 und 3 Abs 1 GG verstößt. Einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG sieht das BVerfG nur dann, wenn auch diejenigen Kapitalleistungen der Beitragspflicht unterworfen werden, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat (Beschluss vom 28.09.2010, 1 BvR 1660/08, juris). Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des BVerfG danach nicht nur, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Versicherungsbeiträge selbst getragen hat, sondern vielmehr, dass das Versicherungsverhältnis vollständig aus dem betrieblichen Bezug gelöst worden ist. Dass bei einer später vom Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer fortgeführten früheren Direktlebensversicherung jedenfalls auf den Teil der Versicherungssumme, der auf betrieblicher Altersversorgung mit dem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer beruht, Krankenversicherungsbeiträge zu erheben sind, ist weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich zu beanstanden (vgl BVerfG 28.9.2010, 1 BvR 1660/08, juris; BSG 30.03.2011, B 12 KR 16/10 R, BSGE 108, 63; BSG 25.04.2012, B 12 KR 26/10 R, juris).

Die Beklagte hat diesen Vorgaben durch Erlass des Änderungsbescheids vom 07.06.2011 entsprochen. Der Beitragsbemessung legte die Beklagte die Kapitalzahlung von 28.362,10 EUR zugrunde, die nach den Berechnungen der S.-Versicherung auf den bis zum 30.06.1990 von der Arbeitgeberin des Klägers geleisteten Versicherungsbeiträgen beruht. Abweichungen von den Vorgaben des BVerfG zuungunsten des Klägers sind nicht ersichtlich. Eine Lösung des Berufsbezugs vor dem 01.07.1990 ist nicht nachgewiesen. Zwar kann dem Schreiben der Geschäftsführung der damaligen Arbeitgeberin des Klägers vom 14.08.1984 entnommen werden, dass schon zum 01.01.1985 die private Weiterführung der Direktversicherung im Raum stand. Tatsächlich wurden die Versicherungen aber erst mit schriftlichen Erklärungen gegenüber der S.-Versicherung vom 07.06.1990 von der W. Wü. gGmbH auf den Kläger übertragen. Erst seit dem 01.07.1990 übernahm er selbst die Zahlung der Versicherungsbeiträge.

Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Rückwirkung bestehen nicht deshalb, weil die Direktversicherungsverträge bereits in den Jahren 1979 und 1981 und damit vor dem 01.01.2004 abgeschlossen wurden. Auch dies hat das BSG bereits entschieden (12.11.2008, B 12 KR 10/08 R, juris). Es hat diesbezüglich ausgeführt, dass es verfassungsrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden sei, wenn der Gesetzgeber nunmehr zum 01.01.2004 nach einer über 20-jährigen Beobachtungsphase in Wahrnehmung seines Spielraums auch im Hinblick auf Umgehungsmöglichkeiten Versorgungsbezüge in Form einmaliger Kapitalzahlungen mit regelmäßig wiederkehrend bezahlten Versorgungsbezügen gleichstellt und damit bei gleichartiger Verwurzelung in der früheren Erwerbstätigkeit eine Gleichbehandlung ohne Berücksichtigung der Zahlungsmodalitäten schaffe. Damit habe der Gesetzgeber im Wege einer sog unechten Rückwirkung auch an in der Vergangenheit begründete Rechtsverhältnisse anknüpfen dürfen. Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an (vgl hierzu Urteile des erkennenden Senats vom 01.03.2011, L 11 KR 2421/09, juris und vom 29.09.2011, L 11 KR 2026/10).

Hieran ändert die unter dem 19.03.1983 unterzeichnete "Zusatzerklärung" zu den Versicherungsverträgen, wonach der Kläger unwiderruflich bezugsberechtigt war, nichts. Die Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts des Klägers ergab sich unter den Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BetrAVG (in der Fassung vom 19.12.1974) bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon aus dem Gesetz. Bei Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft war der Arbeitgeber verpflichtet, wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Bezugsrecht nicht mehr zu widerrufen (§ 1 Abs 2 Satz 1 BetrAVG aF). Seit dem 01.07.2002 sieht das Gesetz die zwingende Einräumung eines (von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängigen) unwiderruflichen Bezugsrechts vor (§ 1b Abs 5 Satz 2 BetrAVG). Die Unverfallbarkeit führt zu einem Erhalt der Anwartschaft im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und schützt die versicherte Person bei Insolvenz des Arbeitgebers vor dem Zugriff der Gläubiger (vgl BSG 25.04.2012, B 12 KR 19/10 R, juris mit Verweisen auf die Rechtsprechung des BAG). Die Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts – sei es durch Gesetz oder Vertrag – hat dagegen nicht zur Folge, dass die nach dem 01.01.2004 erfolgte Kapitalzahlung nicht der Beitragspflicht unterliegt. Für die Frage, ob § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V in der ab dem 01.01.2004 gültigen Fassung zur Anwendung kommt, ist allein entscheidend, ob der Versicherungsfall nach dem 31.12.2003 liegt und der Anspruch auf eine bereits ursprünglich oder vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbarte nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung mit diesem Zeitpunkt entsteht (BSG 13.09.2006, B 12 KR 5/06 R, juris-RdNr 15). Mit dem – hier nach dem 31.12.2003 eingetretenen – Versicherungsfall entstand der Anspruch des Klägers gegen die Versicherungsgesellschaft auf Auszahlung der vereinbarten Leistung. Erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls wurde die Leistung fällig. Die schon zuvor gegenüber seiner damaligen Arbeitgeberin erlangte unverfallbare Anwartschaft ändert hieran nichts.

Einwände gegen die Berechnung der Beiträge werden nicht erhoben. Die Beklagte hat den von der S.-Versicherung errechneten Betrag in Höhe von 28.362,10 EUR zugrundegelegt. Fehler bei der Berechnung dieses Betrags werden nicht geltend gemacht und können den vorgelegten übersichtlichen und nachvollziehbaren Berechnungsbögen nicht entnommen werden. Ein Hundertzwanzigstel dieser Kapitalleistung sind 236,25 EUR. Damit wird der Grenzbetrag des § 226 Abs 2 SGB V iVm § 237 Satz 2 SGB V (ein Zwanzigstel der jeweiligen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV) überschritten. Unter Ansatz der jeweiligen Beitragssätze (§ 241 SGB V, § 55 SGB XI) errechnen sich die vom Kläger zu zahlenden Beiträge zur KV und PV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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