L 3 AL 4084/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 141/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4084/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 20. August 2012 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) streitig.

Der 1959 geborene Kläger nahm am 01.09.2010 eine bis zum 01.09.2011 befristete Beschäftigung bei der Firma M. L., Inhaber J. L., auf. Nachdem der Kläger gegen seinen Arbeitgeber Zahlungsklage zum Arbeitsgericht erhoben hatte, kündigte dieser das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 15.02.2011. In dem am 21.03.2011 vor dem Arbeitsgericht (6 Ca XX/11) geschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Arbeitgeber, dem Kläger die Vergütung für die Monate September 2010 bis Februar 2011 zu zahlen. Im Übrigen erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt.

Mit Beschluss vom 13.04.2011 bestellte das Amtsgericht (Az: 30 In XX/11) in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des J. L. Rechtsanwalt S. zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 01.06.2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet.

Mit Schreiben vom 18.04.2011 teilte RA S. dem Kläger mit, dass er als vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen des J. L. bestellt sei.

Mit Schreiben vom 27.04.2011 teilte der Bevollmächtigte des Klägers im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Rechtsanwalt K. (RA K.), dem Kläger u.a. mit, im Hinblick auf das Insolvenzverfahren sei ergänzend mitzuteilen, dass er sich an den Insolvenzverwalter wenden und ihm seine mittlerweile durch den abgeschlossenen Vergleich rechtskräftig titulierte Forderung mitteilen möge. Ferner sei ihm anzuraten, Insolvenzgeld zu beantragen. Entsprechende Anträge könnten beim zuständigen Arbeitsamt gestellt werden.

Am 22.06.2011 meldete RA K. die Forderung des Klägers im Insolvenzverfahren an und übersandte mit weiterem Schreiben vom 06.07.2011 eine korrigierte Forderungsaufstellung an den vorläufigen Insolvenzverwalter.

Mit Schreiben vom 16.08.2011 übersandte RA K. ein von ihm an den Insolvenzverwalter gerichtetes Schreiben vom gleichen Tag, in welchem um Prüfung der geltend gemachten Forderung gebeten wurde, an den Kläger zur Kenntnis.

Am 06.09.2011 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Insolvenzgeld. Hierbei gab er an, sein Arbeitsverhältnis sei durch Kündigung des Arbeitgebers zum 28.02.2011 beendet worden. Er habe durch das Schreiben von RA K. vom 19.08.2011 von dem Insolvenzereignis Kenntnis erlangt.

Mit Bescheid vom 20.09.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, der Antrag sei nicht innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Monaten gemäß § 324 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gestellt worden. Zur Begründung des hiergegen am 24.10.2011 erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, RA K., der ihn in der Arbeitsrechtssache gegen den Insolvenzschuldner vertreten habe, habe ihn nicht ordnungsgemäß über die Frist von 2 Monaten für die Beantragung von Insolvenzgeld aufgeklärt. Dieser hätte zudem im Rahmen des ihm erteilten Mandats dafür sorgen müssen, dass der Antrag auf Bewilligung von Insolvenzgeld fristgerecht eingereicht werde. Er habe deshalb die Versäumung der Antragsfrist nicht zu vertreten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Antrag sei außerhalb der Ausschlussfrist gestellt. Eine Nachfrist könne nicht eingeräumt werden, da der Kläger die Versäumung der zweimonatigen Ausschlussfrist zu vertreten habe. Er müsse sich auch das Verschulden seines Bevollmächtigten zurechnen lassen.

Hiergegen hat der Kläger am 09.01.2012 Klage zum SG erhoben und am 17.01.2012 die Bewilligung von PKH beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er sei der Auffassung, dass sein damaliger Bevollmächtigter allgemein mit der Verfolgung der Ansprüche beauftragt gewesen sei. Dieser vertrete demgegenüber die Auffassung, dass ihm kein Auftrag erteilt worden sei, Insolvenzgeld zu beantragen. Der Kläger hat hierzu ein Schreiben von RA K. vom 19.09.2011 an seinen jetzigen Bevollmächtigten vorgelegt. Darin wird ausgeführt, im April 2011 habe ihm der Kläger mitgeteilt, dass über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, er - der Kläger - sei vom Insolvenzverwalter bereits dahingehend informiert worden, dass er ggf. beim Arbeitsamt Insolvenzgeld beantragen könne. Entsprechendes sei dem Kläger nochmals mit Schreiben vom 27.04.2011 mitgeteilt worden. Dieser habe sich danach noch mehrmals fernmündlich und persönlich gemeldet und u.a. geäußert, er wolle das Geld nicht vom Staat, sondern von Herrn L ... Ein Auftrag, Insolvenzgeld zu beantragen, sei nicht erteilt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.08.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe nicht innerhalb der zweimonatigen Frist den Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Auch die Gewährung einer Nachfrist komme nicht in Betracht. Der Auftrag des Klägers an RA K. habe sich nicht auf die Verfolgung seiner arbeitsrechtlichen Ansprüchen beschränkt. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass der frühere Bevollmächtigte des Klägers dessen Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet sowie eine korrigierte Forderungsaufstellung an den Insolvenzverwalter übersandt habe. Neben dem objektiven Anschein habe auch der entsprechende Wille des Klägers vorgelegen, seinen früheren Bevollmächtigten mit der Verfolgung seiner Ansprüche im Insolvenzverfahren zu beauftragen. Das Verschulden seines früheren Bevollmächtigten müsse sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) anrechnen lassen.

Mit Beschluss gleichfalls vom 20.08.2012 hat das SG den Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt mit der Begründung, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Gegen den am 23.08.2012 zugestellten Beschluss hat der Kläger am Montag, den 24.09.2012 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe sich nach Erhalt des Schreibens seines früheren Bevollmächtigten vom 27.04.2011 mit diesem in Verbindung gesetzt und diesem den Auftrag erteilt, die notwendigen Schritte im Hinblick auf das Insolvenzverfahren in die Wege zu leiten. Insbesondere weil dieser auch die im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltend gemachten Vergütungsansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht habe, sei er davon ausgegangen, dass die notwendigen Schritte in Bezug auf das Insolvenzverfahren eingeleitet würden. Eine entsprechende Beauftragung werde vom früheren Bevollmächtigten jedoch bestritten. Es sei deshalb noch nicht hinreichend geklärt, ob diesen ein Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist treffe. Es sei bisher noch nicht umfassend genug geprüft worden, ob der frühere Bevollmächtigte die Versäumung der Antragsfrist zu vertreten habe.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (vgl. §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig; sie ist insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, da das SG die begehrte Bewilligung von PKH nicht wegen der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers, sondern wegen nicht hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt hat. Der Beschwerde steht auch nicht entgegen, dass das erstinstanzliche Verfahren, für das PKH beantragt wird, zwischenzeitlich abgeschlossen ist, da der Kläger noch während des Verfahrens PKH beantragt und die Unterlagen über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse vorgelegt hat.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Denn die Klage hatte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Gem. § 324 Abs. 3 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung ist Insolvenzgeld abweichend von Absatz 1 Satz 1 innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Hat der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, so wird Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird. Der Arbeitnehmer hat die Versäumung der Frist zu vertreten, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat.

Maßgebliches Insolvenzereignis war die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.06.2011 (§ 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F.). Die Ausschlußfrist begann damit am 02.06.2011 und endete am 01.08.2011. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger keinen Insolvenzgeldantrag gestellt.

Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger die Fristversäumnis nicht zu vertreten hat und dass ihm deshalb die Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III zu gewähren ist.

Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger seinen früheren Bevollmächtigten auch mit der Geltendmachung von Insolvenzgeld beauftragt hat. Wird dies bejaht, wovon das SG in der angefochtenen Entscheidung ausgegangen ist, so ist das Verschulden von RA K. dem Kläger zuzurechnen.

Aber auch dann, wenn die Beauftragung des früheren Bevollmächtigten nicht die Beantragung von Insolvenzgeld umfasst hat, ist die Fristversäumung vom Kläger selbst zu vertreten. Maßgeblich ist insoweit nämlich allein, dass der Kläger spätestens aufgrund des Schreibens seines früheren Bevollmächtigten vom 27.04.2011 Kenntnis vom Insolvenzverfahren über das Vermögen seines früheren Arbeitgebers hatte und wusste, dass entsprechende Anträge bei der zuständigen Agentur für Arbeit zu stellen sind.

Darauf, ob der frühere Bevollmächtigte auch zur Stellung des Insolvenzgeldantrags beauftragt war, käme es mithin nur dann an, wenn der Kläger innerhalb der Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III keine Kenntnis vom Insolvenzereignis gehabt hätte. Denn die Nachfrist beginnt, sobald der Arbeitnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis von dem Insolvenzereignis hätte haben können. Bloße Rechtsunkenntnis genügt nicht (Leitherer in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 324 Rn. 52 m.w.N. ). Dagegen vermag allein ein Irrtum über den Umfang einer Bevollmächtigung, wie ihn der Kläger vorträgt, die Gewährung einer Nachfrist nicht zu begründen. Denn die Unklarheit über den Umfang einer Beauftragung ist vom Kläger zu vertreten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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