L 8 U 4907/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 176/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4907/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist vorliegend die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) und Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Verletztenrente und gegebenenfalls Übergangsleistungen) streitig.

Weiter ist beim erkennenden Senat eine Berufung des Klägers wegen eines Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Verletztenrente und gegebenenfalls Übergangsleistungen) wegen einer anerkannten Berufskrankheit (Lärmschwerhörigkeit) anhängig (L 8 U 294/12), über die ebenfalls mit Urteil des Senats vom 26.10.2012 entschieden wurde.

Der 1957 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.09.1972 bis 17.10.2003 mit Unterbrechungen bei (zahlreichen) verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt (Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 22.09.2009 und Angaben des Klägers vom 07.07.2009). Eigenen Angaben zufolge war er ab Oktober 1999 arbeitsunfähig erkrankt und Wiedereingliederungsversuche seien gescheitert. Seit 18.10.2003 ist der Kläger arbeitslos.

Der Kläger machte im Verlauf eines beim Sozialgericht Heilbronn (SG) anhängigen Rechtsstreites (S 11 U 3688/07) am 29.04.2009 wegen einer Wirbelsäulenerkrankung die Anerkennung einer BK bei der Beklagten geltend. Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren wegen des Vorliegens einer BK Nr. 2108 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) ein. Sie zog das Vorerkrankungsverzeichnis der I. B. und H. für die Zeit ab 1998 (Arbeitsunfähigkeit wegen akuter Lumboischialgie vom 29.07.1998 bis 31.07.1998, u.a. wegen Lumboischialgie vom 14.10.1999 bis 12.04.2001 und weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Kreuz- und Rückenschmerzen sowie Zervikalneuralgie) sowie den Untersuchungsbericht der BAZ H. vom 07.07.1999 bei, in dem Auffälligkeiten der Wirbelsäule des Klägers beschrieben werden (Form, Krümmung, Beweglichkeit der LWS, Palpation, Muskuläre Verhärtung im Bereich der LWS). Anfragen der Beklagten beim Klinikum am P. und Klinikum H. sowie Dr. T. blieben ergebnislos (Kläger nicht bekannt bzw. wegen einer Wirbelsäulenerkrankung nicht in Behandlung). Weiter zog die Beklagte den Bericht der F. Klinik Bad B. vom 26.04.2000 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 31.03.2000 bis 21.04.2000, in dem als Röntgenbefund ein geringe Spondylochondrose und Spondylarthrose praesacral der LWS bei normaler Höhe und Strukturdichte der Lumbalwirbel und glatten Konturen der Endplatten ohne Randleistenreaktion beschrieben wird sowie Röntgenbilder der F. Klinik bei. Anschließend holte die Beklagte die Stellungnahme des Arztes Dr. K. vom 02.06.2010 ein, der in Auswertung der Röntgenaufnahmen einen begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer BK Nr. 2108 der BKV verneinte.

Mit Bescheid vom 24.06.2010 lehnte die Beklagte eine BK Nr. 2108 der BKV (bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule) ab und teilte dem Kläger außerdem mit, dass Ansprüche auf Leistungen daher nicht bestünden. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass keine wesentlichen degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule bestünden, die bei einer beruflichen Verursachung zu erwarten seien. Darüber hinaus habe in den letzten Jahren keine Behandlungsbedürftigkeit bestanden.

Gegen den Bescheid vom 24.06.2010 legte der Kläger am 23.07.2010 Widerspruch ein, und beantragte neben der Anerkennung der BK Nr. 2108 der BKV Entschädigung in Form von Verletztenrente und gegebenenfalls Übergangsleistungen. Der Kläger rügte eine Verletzung des § 200 Abs. 2 SGB VII und machte ein rezidivierendes Überlastungssyndrom der LWS geltend. Eine Berechnung der Belastung nach dem MDD-Modell wie auch eine erforderliche Gutachterauswahl habe nicht stattgefunden. In dem Bericht der F. Klinik vom 26.04.2000 sei festgestellt worden, dass das Anforderungsprofil in dem Betrieb, in dem er zuletzt gearbeitet habe, nicht seinem Leistungsprofil entspreche. Ein Anspruch nach § 3 Abs. 2 BKV bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine BK Nr. 2108 der BKV liege schon aus medizinischen Gründen nicht vor. Gegen § 200 Abs. 2 SGB VII sei nicht verstoßen worden, da kein Gutachten eingeholt worden sei. Die Einholung eines Gutachtens sei auch nicht erforderlich.

Am 13.01.2011 erhob der Kläger beim SG Klage. Er wiederholte zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen und machte als Übergangsleistung einen Verdienstausfall für fünf Jahre ab Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten geltend.

Das SG holte von der I. c. H. die Mitgliedsbescheinigung des Klägers vom 27.05.2011 mit Aufstellung der Arbeitsunfähigkeitszeiten ein und befragte Dr. T. sowie das Klinikum am G. H. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. T. teilte in seiner Stellungnahme vom 01.06.2011 mit, der Kläger sei ausweislich der vorhandenen Karteikarte von 1999 wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden nicht in der Gemeinschaftspraxis gewesen. Die vorhandene Karteikarte beziehe sich ausschließlich auf Schulterbeschwerden. Das Klinikum am G. teilte in seiner Stellungnahme vom 17.06.2011 mit, der Kläger habe sich im Klinikum nicht wegen Beschwerden der Lendenwirbelsäule vorgestellt.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.09.2011 wies das SG die Klage ab. Es führte unter Bezug auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aus, die Voraussetzungen zur Feststellung der streitigen BK seien nicht erfüllt, da kein belastungskonformes Schadensbild vorliege. Die im Klageverfahren durchgeführten Ermittlungen hätten keine Hinweise auf die Erfüllung der medizinischen Voraussetzungen erbracht.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten am 10.11.2011 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung an seinem bisherigen Vorbringen festgehalten und beantragt, ein arbeitsmedizinisches und orthopädisches Sachverständigengutachten einzuholen. Der Kläger hat ergänzend vorgetragen, § 200 Abs. 2 SGB VII beziehe sich auch auf Beratungsärzte. Eine Auswertung von Röntgenbilder stelle eine Begutachtung dar.

Der Kläger beantragt - sachdienlich gefasst -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. September 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der BKV festzustellen sowie ihm Verletztenrente und gegebenenfalls Übergangsleistungen zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Entgegen dem Vorbringen des Klägers sei von ihren Beratungsarzt kein Gutachten eingeholt worden.

Die Beklagte hat auf Aufforderung des Senats mitgeteilt, dass mit Dr. K. eine Vereinbarung wegen beratungsärztlichen Tätigkeit getroffen worden ist und hat zum Inhalt der Vereinbarung weiter vorgetragen (Schriftsatz vom 17.02.2012).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die im Berufungsverfahren L 8 U 294/12 angefallenen Akten sowie einen Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, soweit die Verpflichtung zur Feststellung einer Berufskrankheit begehrt wird. In der Sache ist die Berufung insoweit jedoch nicht begründet.

Dagegen ist die Berufung bereits unzulässig, soweit Verletztenrente und Übergangsleistung begehrt werden, denn hierüber ist im angefochtenen Gerichtsbescheid des SG rechtlich zutreffend nicht entschieden worden. Eine Beschwer des Klägers liegt insoweit nicht vor. Vor dem SG war mit der Klageschrift vom 13.01.2011 beantragt worden, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der BKV anzuerkennen und zu entschädigen. Das Verpflichtungsbegehren auf "Entschädigung" war vom SG als mit umfasster Teil des Feststellungsbegehrens ausgelegt worden, denn die "Entschädigung" ist naturgemäß Rechtsfolge einer positiven BK-Feststellung. Dass die begehrte, nicht näher substantiierte Entschädigung, insoweit wäre ein entsprechender Leistungsantrag auch unzulässig gewesen, nach sinngemäßer Auslegung durch das SG in der im Tatbestand wiedergegebenen Antragstellung des Klägers nicht ausdrücklich aufgenommen worden ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Eine Klageänderung im Rahmen der zulässig erhobenen Berufung ist nach § 99 Abs. 1 und Abs. 2 SGG nicht zulässig, denn sie ist nicht sachdienlich, weil mangels anfechtbarer Ausgangsentscheidung der Beklagten nicht sachlich darüber entschieden werden könnte und die Beklagte sich hierauf auch nicht rügelos eingelassen hat. Die Beklagte hat die Zurückweisung der Berufung unter Hinweis auf den angefochtenen Gerichtsbescheid beantragt, ohne sich zu dem Leistungsbegehren des Klägers überhaupt zu äußern. Dem Leistungsbegehren des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente oder von Übergangsleistungen war daher schon aus formalen Gründen der Erfolg zu versagen.

Zu Recht hat das SG mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2010, mit dem die Anerkennung einer BK Nr. 2108 der BKV abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - SGB VII). Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund dieser Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der derzeit u.a. folgende als Berufskrankheit anerkannte Krankheit aufgeführt ist:

Nr. 2108 Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Zur Feststellung einer Berufskrankheit muss generell die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R -, veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Abweichend von der früheren Verwendung des Begriffs der haftungsbegründenden Kausalität ist auch im Berufskrankheiten-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität zu bezeichnen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009, a.a.O.). Erst die Verursachung einer Erkrankung oder ihre wesentliche Verschlimmerung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen - in nachgewiesener Dauer und Intensität - begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles. Der Versicherte muss im Fall einer BK Nr. 2108 der BKV zudem gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK Nr. 2108 der BKV nicht vor (ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Urteil vom 31.08.2012 - L 8 U 4407/11 -, m.w.N.).

Ob im vorliegenden Fall die Einwirkungskausalität der versicherten Tätigkeiten des Klägers für eine BK Nr. 2108 der BKV zu bejahen ist, kann offen bleiben. Denn beim Kläger ist die für diese BK erforderliche haftungsbegründende Kausalität nicht wahrscheinlich.

Unter bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule sind chronische oder chronisch wiederkehrende Beschwerden mit Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule zu verstehen, die ursächlich auf eine Bandscheibenschädigung zurückzuführen sind oder mit einer solchen in einer kausalen Wechselbeziehung stehen (vgl. BSG Urteil vom 31.05.2005, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2; ebenso ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 28.01.2011 - L 8 U 4946/08 -, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de; Brandenburg, BG 1993, 791/794). Den Tatbestand der BK nach Nr. 2108 erfüllen nur solche Schäden der Wirbelsäule, die sich als das Resultat einer langjährigen schädigenden Einwirkung auf die Lendenwirbelsäule darstellen. Ein morphologisch objektivierbares Schadenssubstrat ist daher zwingend erforderlich. Die ausgelösten degenerativen Prozesse - zu denen anlagebedingte Wirbelsäulenstörungen und Fehlhaltungen nicht gehören - finden sich in durch bildgebende Verfahren objektivierbaren Formen wieder, die auch gemeinsam auftreten können: Chondrose, Osteochondrose, Spondylose, Spondylarthrose, Bandscheibenprotrusion und Bandscheibenprolaps. In den am 04.08.2005 veröffentlichten Konsensempfehlungen der interdisziplinären Arbeitsgruppe "Medizinische Beurteilungskriterien bei den Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" (Trauma und Berufskrankheit 3, 2005, S. 211 ff.), die insoweit den derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft widerspiegeln und die der Senat daher in ständiger Spruchpraxis (Senatsurteil vom 28.01.2011, a.a.O.) seiner Entscheidung zugrundelegt, ist Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, die ihrer Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, bei ausreichender beruflicher Belastung mit plausibler zeitlicher Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (vgl. Konsensempfehlungen a.a.O., Nr. 1.4, S. 216). Danach spricht eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der Lendenwirbelsäule eher für einen Ursachenzusammenhang der beruflichen Belastung, während ein Befall der Halswirbelsäule und/oder der Brustwirbelsäule je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann. Für den Vergleich zwischen Lendenwirbelsäule und darüber gelegenen Wirbelsäulenabschnitten sind Chondrosen und Vorfälle maßgeblich (Konsensempfehlungen, a.a.O.).

Nach den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen ist bereits nicht ersichtlich, dass beim Kläger eine relevante Bandscheibenschädigung im Bereich der Lendenwirbelsäule vorliegt. Nach dem Bericht der F. Klinik Bad B. vom 28.04.2000 ergab eine radiologische Untersuchung der Lendenwirbelsäule des Klägers zwar eine geringe Spondylochondrose - mit dorsaler Bandscheibenverschmälerung ohne Störung des dorsalen Alignements - und Spondylarthrose praesacral. Ein nicht altersentsprechender, pathologischer Bandscheibenschaden der Lendenwirbelsäule lässt sich dieser Befundbeschreibung hingegen nicht entnehmen. Sonst zeigten sich eine normale Höhe der Strukturdichte der Lumbalwirbel, glatte Konturen der Endplatten und keine Randleistenreaktion. Auch die sonst zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen belegen eine pathologische Bandscheibenschädigung der Lendenwirbelsäule des Klägers nicht und wird im Übrigen vom Kläger auch nicht substantiiert dargetan.

Den vorliegenden medizinischen Unterlagen sowie den von der Beklagten und dem SG durchgeführten Ermittlungen lässt sich eine (klinisch bestehende) bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers nicht entnehmen. Behandlungsbedürftige Beschwerden eines Bandscheibenschadens sind nicht nachgewiesen. Befunde im Sinne von neurologischen Ausfallerscheinungen als Beschwerdebild einer bandscheibenbedingten Erkrankung sind nicht erhoben worden. So waren nach dem Bericht der F. Klinik Bad B. die Muskeleigenreflexe des Klägers seitengleich auslösbar, Lasègue beidseits negativ und es bestanden keine Sensibilitätsstörungen. Der den Kläger (nach seinen Angaben behandelnde Arzt) Dr. T. sowie das Klinikum am G. H. haben zudem in ihren schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen an das SG eine Behandlung des Klägers (Dr. T. seit 1999) wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden verneint. Dem entsprechen auch die Angaben des Klägers in seiner unter dem 10.02.2011 abgegebenen Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht an das SG, in der er eine Behandlung wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden nicht genannt hat. Seine Angaben beziehen sich hinsichtlich der Wirbelsäule vielmehr ausschließlich auf die Halswirbelsäule. Die nach Auskunft der Krankenkasse des Klägers (Fax an die Beklagte vom 16.03.2003) von Dr. T. bescheinigten, teilweise sich überschneidenden Arbeitsunfähigkeitszeiten zwischen 1998 und 2002 mit den dort angeführten Diagnosen belegen daher keine behandlungsbedürftigen Bandscheibenbeschwerden der Lendenwirbelsäule. Die ab 14.10.1999 eingetretene Arbeitsunfähigkeit beruhte überdies auf der vom Kläger geltend gemachten Sehnenverletzung der rechten Schulter, wie er im Rechtsstreit S 11 U 3688/07 vor dem SG (vergleiche den damaligen Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 12.02.2009, auf den hinsichtlich der Antragstellung bei der Beklagten im vorliegenden Verfahren auch Bezug genommen worden ist) noch selbst ausgeführt hatte. Eine Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers ist damit weder nachgewiesen noch substantiiert dargetan.

Zudem steht für den Senat auch fest, dass der Kläger nicht gezwungen gewesen ist, wegen einer Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Zwar wurde der Kläger nach dem Bericht der F. Klinik Bad B. aus einer stationären Behandlung vom 31.03.2000 bis 21.04.2000 als arbeitsunfähig entlassen, wobei nach dem Bericht davon ausgegangen wurde, das der Kläger dem Anforderungsprofil seiner Tätigkeit im letzten Betrieb nicht mehr gerecht wird. Dem Bericht lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass für diese Einschätzung der Arbeitsfähigkeit des Klägers eine Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers bedeutsam war. Hiergegen spricht auch, dass sich der Kläger nach den Angaben von Dr. T. an das SG wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden jedenfalls seit 1999 nicht in Behandlung begeben musste. Auch nach den Angaben der Krankenversicherung des Klägers (I. c. ) bestand beim Kläger lediglich eine dokumentierte Arbeitsunfähigkeitszeit vom 29.07.1998 bis 31.07.1998 wegen einer akuten Lumboischialgie. Eine lediglich 3 Tage andauernde Arbeitsunfähigkeit spricht ebenfalls gegen einen Unterlassungszwang. Sonstige von der Krankenkasse des Klägers bescheinigte Arbeitsunfähigkeitszeiten betreffend der Wirbelsäule bzw. des Rückens (Kreuz- bzw. Rückenschmerzen) sind nicht weiter verifizierbar und können mangels Behandlung wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden auch nicht mit einer Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers in Verbindung gebracht werden. Dies gilt insbesondere für die bescheinigte Arbeitsunfähigkeitszeit vom 14.10.1999 bis 12.04.2001.

Danach steht für den Senat fest, dass beim Kläger eine BK Nr. 2108 der BKV nicht vorliegt. Dies gilt unabhängig von der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des Dr. K. vom 02.06.2010. Es kann deshalb offen bleiben, ob dem Einwand des Klägers zu folgen ist, die Beklagte habe mit der Einholung der Stellungnahme des Dr. K. § 200 Abs. 2 SGB VII verletzt.

Dem Kläger stünde ein Anspruch auf Entschädigung (Verletztenrente und gegebenenfalls Übergangsleistungen) schon deshalb - auch bei unterstellter Zulässigkeit der Klage - nicht zu.

Zu weiteren Ermittlungen sieht sich der Senat nicht gedrängt. Der Sachverhalt ist durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG durchgeführten Ermittlungen geklärt. Gesichtspunkte, die dem Senat Anlass zu weiteren Ermittlungen insbesondere durch Einholung eines vom Kläger beantragten Gutachtens - geben, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved