S 2 KA 56/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 56/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig sind sachlich-rechnerische Berichtigungen.

Die Klägerin ist eine zur vertragsärztlichen Versorgung in E zugelassene Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), der mit B T ein an der hausärztlichen Versorgung teilnehmender Facharzt für Innere Medizin angehört. Mit Beschluss vom 14.12.2006 erteilte ihm der Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf gemäß § 73 Abs. 1a Satz 3 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) die Genehmigung zur Abrechnung der Leistung nach der Gebührenordnungsposition (GOP) 13400 EBM, befristet bis zum 31.12.2010. Unter dem 03.05.2011 beantragte T die Verlängerung dieser Ausnahmegenehmigung aus Sicherstellungsgründen. Dabei wies er darauf hin, dass er diese Genehmigung seit seiner Niederlassung 1992 innehabe und durch einen Übertragungsfehler das Auslaufen der Genehmigung zum Ende des Jahres 2010 zu spät registriert habe. Auch im 1. und 2. Quartal 2011 habe er Magenspiegelungen durchgeführt. Er beantrage die lückenlose Fortsetzung der Ausnahmegenehmigung rückwirkend ab dem 1. Quartal 2011. Mit Bescheid vom 21.07.2011 gab der Zulassungsausschuss seinem Antrag auf Ausnahmeregelung bezüglich der GOP 13400 EBM - befristet bis zum 31.12.2014 - statt.

Gegen den Abrechnungsbescheid vom 26.07.2011 für das Quartal 1/2011 legte die BAG Widerspruch ein: Mit Bescheid des Zulassungsausschusses vom 21.07.2011 sei dem Antrag des T vom 03.05.2011, gerichtet auf Verlängerung der Ausnahmeregelung bzgl. der GOP 13400 EBM, ohne Einschränkung stattgegeben worden. Gleichwohl sei in dem Abrechnungsbescheid diese GOP nicht berücksichtigt, also nicht abgerechnet worden. Möglicherweise habe hier eine zeitliche Überschneidung vorgelegen. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Durchführung und Abrechnung der GOP 13400 EBM setze die vorherige Erteilung einer Genehmigung gemäß § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V voraus. Zum Zeitpunkt der Abrechnung dieser GOP habe die Genehmigung nicht vorgelegen. Die Leistung nach GOP 13400 EBM seit erst ab dem 2. Quartal 2011 wieder abrechnungsfähig. Ausweislich einer Übersicht in den Verwaltungsakten der Beklagten ist die Leistung nach GOP 13400 EBM im Quartal 1/2011 91-mal abgesetzt worden.

Hiergegen richtet sich die am 14.02.2012 erhobene Klage.

Die Klägerin ist der Ansicht, es könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte unter Vertrauensgesichtspunkten auch dann verpflichtet wäre, die von T im 1. Quartal 2011 erbrachten Leistungen nach GOP 13400 EBM zu vergüten, wenn seinem Antrag nicht (rückwirkend) entsprochen worden wäre. T habe mit dem Verlängerungsantrag ausdrücklich eine "lückenlose Fortsetzung der Ausnahmegenehmigung (also auch rückwirkend ab dem 1. Quartal 2011)" beantragt. Dem Antrag sei in vollem Umfang und ohne Einschränkungen entsprochen worden. Damit sei es der Beklagten verwehrt, sich im Rahmen der Abrechnung darauf zu berufen, dass die befristete Ausnahmegenehmigung zum Ende des Jahres 2010 ausgelaufen gewesen sei und (zunächst) für das 1. Quartal 2011 keine Genehmigung bestanden habe. Die Beklagte sei an ihren eigenen Bescheid gebunden. Dementsprechend sei sie auch verpflichtet, die Position 13400 EBM bei der Abrechnung zu berücksichtigen und zu vergüten.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.02.2010 - B 6 KA 20/09 B - sei insoweit nicht einschlägig, da es vorliegend nicht darum gehe, dass der Antrag auf rückwirkende Erteilung der Ausnahmegenehmigung bzgl. der Nr. 13400 EBM abgewiesen worden sei. Vorliegend sei der Antrag indes ohne Einschränkungen positiv beschieden worden. Ob dies hätte geschehen dürfen oder nicht, sei mit Blick jedenfalls auf den Vertrauensschutz nicht erheblich. Dass es sich bei dem Zulassungsausschuss um ein "von der Beklagten unabhängiges Gremium" gehandelt habe, vermöge in diesem Zusammenhang den Vertrauensschutz nicht zu beseitigen.

Die Klägerin beantragt:

1. Der Abrechnungsbescheid vom 26.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2011 wird aufgehoben; die Beklagte wird verpflichtet, den Abrechnungsbescheid mit der Maßgabe neu zu erlassen, dass die GOP 13400 EBM in der Abrechnung 1/2011 anerkannt und durch Zahlung des sich hieraus ergebenden Betrages berücksichtigt wird.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG wirkten Genehmigungen immer nur ex nunc. Die Streichung der Leistungen nach der GOP 13400 EBM in der Quartalsabrechnung 1/2011 sei zu Recht erfolgt, da eine Ausnahmegenehmigung zur Durchführung und Abrechnung dieser Leistung im streitigen Zeitraum nicht vorgelegen habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Die Kammer hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sie durch Gerichtsbescheid zu entscheiden beabsichtige. Die Beklagte hat hierzu ihr Einverständnis erteilt.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind zuvor gehört worden.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da diese nicht rechtswidrig sind.

Nach § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest. Gegenstand des Richtigstellungsverfahrens ist, die Abrechnung des Vertragsarztes auf ihre Übereinstimmung mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - zu überprüfen. Auf der Grundlage dieses Prüfungs- und Richtigstellungsrechts klärt die Kassenärztliche Vereinigung die Übereinstimmung der vertragsärztlichen Abrechnung mit allen maßgeblichen Vorschriften, also nicht nur mit den Leistungstatbeständen der vertragsärztlichen Gebührenordnungen, sondern prüft etwa auch die Beachtung der Fachgebietsgrenzen bei vertragsärztlichen Leistungen, das Vorliegen von Genehmigungserfordernissen und die Erfüllung von Qualitätsvorgaben (BSG, Urteil vom 23.06.2010 - B 6 KA 12/09 R - m.w.N.).

Danach durfte die Beklagte die für das Quartal 1/2011 zur Abrechnung gestellten Leistungen nach GOP 13400 EBM von der Honorierung ausschließen.

Bei der "Zusatzpauschale Ösophago-Gastroduodenoskopie" handelt sich um Leistungen, die dem fachärztlichen Versorgungsbereich zugeordnet sind. Gemäß Ziffer 1. der Präambel zu Kapitel 13.1 EBM können die in diesem Kapitel aufgeführten GOP ausschließlich von Fachärzten für Innere Medizin, die nicht an der hausärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs. 1a SGB V teilnehmen, berechnet werden. T ist Internist ohne Schwerpunktbezeichnung und nimmt gemäß § 73 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 SGB V an der hausärztlichen Versorgung teil. Damit ist für ihn die Leistung nach GOP 13400 EBM grundsätzlich nicht berechnungsfähig (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2011 - B 6 KA 31/10 R -).

Gemäß § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V kann jedoch der Zulassungsausschuss für Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine hiervon abweichende befristete Regelung treffen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2007 - B 6 KA 24/06 R -). Das ist hier durch Bescheid des Zulassungsausschusses vom 21.07.2011 geschehen. Dabei hat der Zulassungsausschuss das Ende der Genehmigung durch Befristung bis zum 31.12.2014 ausdrücklich bestimmt, aber keine Bestimmung über den Beginn der Genehmigung getroffen. Insbesondere hat er seinem Bescheid nicht ausdrücklich eine Rückwirkung ab dem 01.01.2011 beigegeben, wie von T beantragt. Entsprechend allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen beginnt die Wirkung des Bescheides daher mit seiner Bekanntgabe (nicht allerdings erst mit seiner Bestandskraft; vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 6 KA 15/08 R -).

Eine Rückwirkung dieser Genehmigung ab dem 01.01.2011 und damit eine lückenlose Fortsetzung der Ausnahmegenehmigung zur Erbringung ösophago-gastroduodenoskopischer Leistungen kommt auch aus Rechtsgründen nicht in Betracht.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht rückwirkend zuerkannt werden. Auch weitere - nicht auf der Ebene des Status angesiedelte - Genehmigungen, die z.B. an persönliche Qualifikationen anknüpfen und damit einhergehend zur Erbringung bestimmter Leistungen berechtigen, können nicht rückwirkend erteilt werden (z.B. BSG, Beschluss vom 03.02.2010 - B 6 KA 20/09 B - m.w.N.). Dazu gehört auch eine Genehmigung zur Abrechnung bestimmter EBM-Ziffern. Denn zum Schutz aller zur Leistungserbringung Berechtigter und aus ihr Verpflichteter und insbesondere zum Schutz der Versicherten muss zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung feststehen, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind. Nur dann hat insbesondere der einzelne Versicherte die Gewähr, dass er bei Inanspruchnahme eines bestimmten Leistungserbringers auch wirklich den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung erhält und nicht dessen individuellen Zahlungsansprüchen aus einem privatrechtlichen Schuldverhältnis ausgesetzt ist (vgl. zu weiteren Gesichtspunkten BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 6 KA 15/08 R - m.w.N.).

Vertrauensschutzgesichtspunkte greifen vorliegend nicht deshalb ein, weil der Kläger mit seinem Verlängerungsantrag ausdrücklich eine lückenlose Fortsetzung der Ausnahmegenehmigung beantragt hatte. Abgesehen davon, dass diesem Antrag so nicht entsprochen worden ist, ist der Genehmigungsbescheid nicht von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, sondern von dem Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf als einem von der Beklagten unabhängigen Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung erteilt worden. Eine Bindung der Beklagten "an ihren eigenen Bescheid" scheidet damit aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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