L 3 R 404/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 9 R 191/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 404/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.

Die am 1962 geborene Klägerin durchlief nach dem Abschluss der 10. Schulklasse vom 1. September 1980 bis zum 15. Juli 1982 erfolgreich eine Ausbildung zum Facharbeiter für Holztechnik. In diesem Beruf war sie bis Dezember 1984 und dann ab Januar 1985 und zuletzt vom 19. Februar 1990 bis zum 31. Dezember 1990 als Lagerarbeiter bei den M.werken M. versicherungspflichtig tätig. Die Klägerin bezog dann vom 1. Januar 1991 bis zum 14. April 1993 Arbeitslosengeld und war - ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 3. Januar 2005 - bis zum 10. Juli 1997 weiterhin arbeitslos ohne Leistungsbezug. Vom 3. Mai 1996 bis zum 2. Mai 1997 nahm sie an einer Anpassungsqualifizierung "Verkaufshilfe/Raum-, Farb- und Textilgestaltung" an den Euro-Schulen M. teil. Ausweislich des Schreibens der Schulleiterin der Euro-Schulen M. G. vom 2. Mai 1997 sei die Klägerin eine interessierte Kursteilnehmerin gewesen, die selbstständig und kritisch an die ihr übertragenen Arbeitsaufträge herangegangen sei. Hervorzuheben seien ihre Leistungen im handwerklich-kreativen Bereich. Vom 1. Oktober 1997 bis zum 31. August 1998 arbeitete die Klägerin bei dem S.-Überwachungsdienst. Vom 1. September bis zum 31. Oktober 1998 bezog sie Sozialleistungen, vom 1. November 1998 bis zum 29. April 1999 Leistungen der Arbeitsverwaltung. Vom 30. April 1999 bis zum 4. Januar 2000 war sie arbeitslos ohne Leistungsbezug. Seit dem 5. Januar 2000 hat sich die Klägerin nicht mehr bei der Arbeitsverwaltung gemeldet.

Sie beantragte am 25. Februar 2004 bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen-Anhalt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung und machte geltend, seit 1991 wegen Angstzuständen, Depressionen, Asthma, eines Bluthochdrucks und eines Herzleidens keine Tätigkeiten mehr verrichten zu können.

Die LVA holte einen Befundbericht von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. M. vom 1. März 2004 ein, die als Diagnosen eine Angstpsychose, ein exogen-allergisches Asthma bronchiale, eine Struma, eine Mittelklappeninsuffizienz, eine Hypertonie und eine Arteriosklerose der Aorta benannte und eine zunehmende Verschlechterung mitteilte. Die Psychologische Psychotherapeutin und Verhaltenstherapeutin Dr. phil. Dipl.-Med. B. berichtete in dem auf Anforderung der LVA erstellten Befundbericht vom 9. Juli 2004, die Klägerin befinde sich seit dem 22. Oktober 2003 wegen einer generalisierten Angststörung mit Panikattacken bei ängstlich vermeidender Persönlichkeitsstörung in psychotherapeutischer Behandlung. Seit der Kindheit bestünden Ängste und daraus resultierende, immer wieder auftretende gesundheitliche Störungen. Infolge starker familiärer Konflikte in der Kindheit habe sie kein adäquates Verhalten zum Abbau von Ängsten und zur Lösung von Konflikten erwerben können. Ihre Kinderlosigkeit habe sie innerlich nach zwei Fehlgeburten nicht verarbeiten können. Durch den gesellschaftlichen Umbruch 1989 bis 1990 hätten sich ihre Unsicherheit und Angst verstärkt. Der Druck auf dem Arbeitsmarkt und die tatsächlich erfahrene Arbeitslosigkeit hätten sie 1991 erstmals in großem Ausmaß erkranken lassen. Es seien immer wieder Phasen mit einer starken Angstsymptomatik zu verzeichnen gewesen; die Klägerin sei seit dieser Zeit nicht wieder gesund geworden. Eine Chronifizierung der Angstsymptomatik sei eingetreten. Eine stationäre und eine tagesklinische Behandlung sowie mehrere ambulante psychotherapeutische Behandlungen seien ohne Erfolg geblieben. Die Klägerin habe zwei Arbeitsstellen durch die Angsterkrankung verloren, da sie häufig über längere Phasen am Arbeitsplatz ausgefallen sei. Auf Anraten ihres Arztes und ihres Ehemannes habe sie im Jahr 2000 ihre Arbeitsversuche aufgegeben und sei seitdem zu Hause. Seit 1991 habe sie weder an Urlaubsreisen noch längeren Autofahrten teilgenommen. Die Klägerin sei sozial isoliert und selbstunsicher. Sie verlasse das Haus kaum allein und könne ihren Alltag außerhalb der Wohnung (z.B. Einkaufen, Arztbesuche) nicht selbstständig bewältigen. Der psychische Zustand sei derzeit sehr instabil, die körperlichen Beschwerden seien umfangreich, so dass Arbeitsfähigkeit auf lange Sicht nicht gegeben sei.

Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. S. benannte in ihrem Befundbericht vom 30. September 2004 als Diagnosen eine generalisierte Angststörung mit Panikattacken. Die Klägerin sei mit Unterbrechungen seit 1991 in ihrer ambulanten Behandlung. Trotz vielfältiger Therapieversuche sei eine andauernde Besserung nicht erreicht worden. In der von Dipl.-Med. S. im Nachgang übersandten Epikrise vom 7. Januar 1992 der Medizinischen Akademie M., Klinik für Neurologie und Psychiatrie, über die tagesklinische Behandlung vom 25. bis zum 26. September 1991 wurden als Diagnosen eine Angstsymptomatik und funktionelle Herzbeschwerden im Rahmen einer neurotischen Fehlentwicklung bei ambivalenter Partnerbeziehung und einer depressiv-hysteroid strukturierten Persönlichkeit angegeben. Nach der Aufnahme habe die Klägerin mitgeteilt, ihr sei im Zuge des Aufnahmegesprächs klar geworden, dass sie fest entschlossen sei, ihren Partner in Kürze zu heiraten. Sie sehe jetzt für sich die Möglichkeit, allein mit ihren Beschwerden fertig zu werden. Sie wurde arbeitsfähig entlassen. Ausweislich der ebenfalls über-sandten Epikrise des Landeskrankenhauses H. vom 11. November 1992 über die stationäre Psychotherapie vom 31. August bis zum 4. September 1992 sei die Aufnahme der Klägerin zur Psychotherapie wegen eines Angstsyndroms erfolgt. Nach den Angaben der Klägerin bestünden die Beschwerden seit Mai 1991 und stünden im Zusammenhang mit der bevorstehenden Kündigung ihrer Arbeitsstelle. Sie habe sich abgeschoben und ungerecht behandelt gefühlt. Bereits beim Aufnahmegespräch hätten sich eine stark schwankende Therapiemotivation der Klägerin und Zweifel an dem Erfolg der stationären Behandlung gezeigt. Nach drei Tagen habe die Klägerin auf ihre Entlassung wegen starken Heimwehs und des nicht erträglichen Anblicks der kranken Patienten im Gelände bestanden. Als Diagnosen sind eine Neurose bei hysterischer Persönlichkeit benannt.

Die LVA ließ die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F. das Gutachten vom 19. November 2004 erstatten. Dort habe die Klägerin bei der ambulanten Untersuchung am 11. November 2004 angegeben, trotz der in sehr unregelmäßigen Abständen auftretenden Panikattacken fahre sie zur Bezwingung ihrer Ängste immer wieder alleine mit der Straßenbahn und lasse sich auf Ausflüge in die nähere Umgebung ein. Meist bewältige sie die Tagesausflüge relativ gut. Es komme aber gelegentlich vor, dass ihr Ehemann sie wieder zurückfahren müsse. Die Panikattacken würden mit Herzrasen, Zittern und Schweißausbrüchen beginnen, gefolgt von einem starken Schwindelgefühl bis hin zum Umfallen. Zu den Aktivitäten und zur Freizeitgestaltung befragt, habe die Klägerin mitgeteilt, wenn ihr Ehemann morgens das Haus verlassen habe, erledige sie die Hausarbeiten. Vormittags müsse sie oft Arztbesuche absolvieren, sie fahre dann mit der Straßenbahn. Regelmäßig gehe sie mit ihrem Hund spazieren. Außerdem kümmere sie sich um eine 79jährige Tante. Sie putze für diese die Fenster und erledige schwere Hausarbeiten. Abends löse sie Rätsel und lese; sie schaue nur selten fern. Es bestünden gute Kontakte zu Familienangehörigen und Freunden. Dipl.-Med. F. benannte als Diagnosen eine Panikstörung, eine Persönlichkeitsstörung mit abhängigen und histrionischen Anteilen, ein exogen-allergisches Asthma bronchiale und einen Bluthochdruck. Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Gedächtnisleistungen hätten sich ungestört gezeigt. Die Klägerin sei in der Lage, mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Wegen der unzureichend behandelten Panikstörung seien besonderer Zeitdruck, häufiger Publikumsverkehr, ständig wechselnde Anforderungen sowie Wechselschichten, wegen internistischer Begleiterkrankungen Zugluft, extrem schwankende Temperaturen und inhalative Belastungen auszuschließen.

Mit Bescheid vom 23. April 2004 lehnte die LVA den Rentenantrag ab. Im maßgeblichen Zeitraum vom 1. Mai 1998 bis zum 24. Februar 2004 sei nur ein Jahr mit Pflichtbeiträgen belegt. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen der §§ 241 Abs. 2 und 53, 245 SGB VI nicht vor. Hiergegen erhob die Klägerin am 30. April 2004 persönlich bei der LVA Widerspruch und bat um Prüfung, ab welchem Zeitpunkt Erwerbsminderung vorliege.

Mit Bescheid vom 3. Januar 2005 erkannte die LVA weitere Zeiten an und wies dann mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2005 den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Erwerbsminderung der Klägerin liege nicht vor, da ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für mittelschwere Arbeiten ohne starken Zeitdruck (z.B. Akkord), Wechsel- und Nachtschicht, häufigen Publikumsverkehr sowie nur in Wohnortnähe unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bestehe. Die Prüfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen habe daher zum Rentenantrag am 25. Februar 2004 zu erfolgen. Die Klägerin habe zwar die allgemeine Wartezeit vor der Antragstellung erfüllt. Im maßgebenden Zeitraum von fünf Jahren vom 25. Februar 1999 bis zum 24. Februar 2004 seien jedoch nur drei Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt. Der letzte Pflichtbeitrag sei von der Klägerin im April 1999 gezahlt worden. Auch in dem nach § 43 Abs. 4 SGB VI verlängerten Fünfjahreszeitraum vom 1. Mai 1998 bis zum 24. Februar 2004 seien nur zwölf Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten vorhanden. Zudem liege weder ein Tatbestand im Sinne des § 53 SGB VI vor noch seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 241 Abs. 2 SGB VI erfüllt.

Mit ihrer am 14. März 2005 bei dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin den Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt. Von dem Datum der Antragstellung sei nicht als Stichtag für die Berechnung der versicherungsrechtlichen Zeiten auszugehen. Vielmehr sei sie bereits seit 1991 aufgrund ihrer Erkrankungen nicht mehr in der Lage gewesen, täglich mehr als drei Stunden einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ihr dürfe nicht zum Nachteil gereichen, dass sie sich seit 1991, wenn auch erfolglos, um die Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit bemüht habe. Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Der Facharzt für Innere Medizin Dipl. med. S. hat unter dem 1. März 2006 als Diagnosen eine nichttoxische Struma, eine essentielle Hypertonie, eine Mitralklappeninsuffizienz, eine Arteriosklerose der Aorta, ein Asthma bronchiale und eine Leberverfettung angegeben. Die erstmalige Behandlung der Klägerin am 15. September 1999 sei wegen eines Herzrasens und einer Hypertonie erfolgt; mit einer entsprechenden Medikation habe ein befriedigender Zustand erzielt werden können. Körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel mit Ruhephasen, wie Schreibtischtätigkeiten, seien aus seiner Sicht, auch im Zweischichtsystem, ohne regelmäßige und anhaltende Zwangshaltungen sowie ohne Kälte, Hitze, Nässe und stark schwankende Temperaturschwankungen vollschichtig möglich. Dipl.-Med. S. hat unter dem 13. März 2006 von einer Behandlung der Klägerin vom 7. August 1991 bis 1995 und dann ab dem 20. September 2004 bis zuletzt am 28. Februar 2006 berichtet. Die Klägerin habe in der Zeit zwischen 1995 und 2001 immer wieder versucht, zu arbeiten, was auf Grund der Panikattacken nur eine begrenzte Zeit möglich gewesen. Seit der erneuten Behandlung ab 2004 sei eine Verschlechterung der Symptomatik zu verzeichnen, speziell seit Mitte 2005. Die Klägerin könne nach ihren Angaben allein nicht die Wohnung verlassen. Aufgrund der ungeplant auftretenden Panikattacken könne sie keiner geregelten Tätigkeit nachgehen. An Tagen mit Panikattacken könne die Klägerin nicht einmal eine Stunde tätig sein, in Phasen der Symptomarmut schaffe sie die Versorgung ihres Haushaltes; sie leide dann "lediglich unter Angst". Diese Minderung der Leistungsfähigkeit könne sie - Dipl.-Med. S. - nur ab dem 20. September 2004 attestieren, da die Klägerin von 1995 bis zum 19. September 2004 nicht in ihrer Behandlung gewesen sei. Die Fachärztin für Innere Medizin/Pulmologie/Allergologie Dr. W. hat in ihrem Befundbericht vom 15. März 2006 bei einer erstmaligen Behandlung der Klägerin am 4. August 2002 unter Berücksichtigung der Diagnosen einer Tierhaarallergie, einer Pollinose und einer Mischform des Asthma bronchiale insgesamt eine Besserung des Gesundheitszustandes unter laufender Therapie mitgeteilt. Aus pulmonaler Sicht sei eine vollschichtige Erwerbstätigkeit möglich. Dr. M. hat unter dem 23. März 2006 eine erstmalige Behandlung der Klägerin am 19. September 1999 angegeben und mitgeteilt, diese fühle sich nicht in der Lage, noch mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten; die Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe sei ca. fünf bis sechs Jahren. Dr. phil. Dipl.-Psych. K. hat unter dem 2. Juni 2006 dargestellt, die Klägerin zeige eine umfangreiche Angststörung, die bereits Anfang der 90iger Jahre aufgetreten sei und zu mehreren psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungen geführt habe. In Anbetracht der Häufigkeit und Intensität der Angststörung und Panikattacken sei eine erhebliche Verschlechterung zu verzeichnen. Der zu Beginn der Behandlung eingetretene leichte Besserungseffekt habe nicht angehalten; seit 2004 seien wieder starke Symptomschübe zu verzeichnen. Die Klägerin könne keiner mindestens sechsstündigen Tätigkeit nachgehen. In Anbetracht der hohen Frequenz der auftretenden Angststörungen ("oft in wenigen Tagen mehrmals") und den damit verbundenen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen sei eine Arbeitstätigkeit auszuschließen. Die Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe seit 2004 anhaltend.

Das Sozialgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 20. Oktober 2008 die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung stehe der Klägerin nicht zu. Zumindest bis November 2004 sei sie in der Lage gewesen, vollschichtig (acht Stunden täglich) einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dies ergebe sich aus den überzeugenden Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen im Gutachten von November 2004. Sollte das Leistungsvermögen bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Jahr 2004 oder nach November 2004 auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken sein, stünde der Klägerin dennoch kein Rentenanspruch zu, da sie ab 2004 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt habe. Darüber hinaus habe am 31. Dezember 2000 auch kein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem bis Ende 2000 geltenden Recht bestanden, da zum maßgeblichen Zeitpunkt weder Berufsunfähigkeit noch Erwerbsunfähigkeit vorgelegen habe.

Gegen das ihr am 24. November 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. Dezember 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und geltend gemacht, ihre Erkrankungen bestünden bereits seit 1991 und seit dieser Zeit liege die Erwerbsminderung vor. Sie hat Bezug genommen auf die dem Senat vorgelegte ärztliche Bescheinigung von Dr. W. vom 23. Oktober 2008, wonach seit Beginn der Behandlung wegen eines mischförmigen Asthma bronchiale im August 1992 gehäufte Infektexacerbationen nachweisbar seien. Funktionell bestehe eine leichte Einschränkung durch eine obstruktive Atemwegsveränderung. Die Klägerin hat ferner vorgetragen, ihre Arbeitsleistungen sowohl bei der M.- und T. GmbH als auch im Rahmen der Qualifizierungsmaßnahme bei den Euro-Schulen M. seien nicht Ausdruck eines echten Leistungsvermögens gewesen. Sie habe unter einer unzumutbaren Willensanstrengung gearbeitet und sei häufig arbeitsunfähig mit entsprechenden Fehlzeiten gewesen. Auch die Tätigkeit bei einem Bewachungsdienst sei wegen häufiger Krankschreibungen seitens des Arbeitgebers gekündigt worden. Sie nehme Bezug auf ein Schreiben von Dipl.-Med. S. vom 26. Juli 2009, wonach sie bereits seit 1991 nicht mehr in der Lage sei, eine regelmäßige Erwerbstätigkeit von mindestens drei Stunden täglich auszuüben. Zudem ergebe sich aus dem Schreiben von Dr. phil. Dipl.-Psych K. vom 15. Juli 2009, dass die Angststörung von besonderer Schwere und über Jahre (seit 1991) chronifiziert sei; seit 2003 bestehe eine klare Befundlage bezüglich der schweren, unheilbaren Angststörung. Eine Arbeitsfähigkeit bestehe nicht.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Oktober 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 23. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Februar 2004 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des Sozialgerichts und ihren Bescheid für zutreffend.

Auf Anfrage des Senats hat Dipl.-Med. S. mit Schreiben vom 5. Januar 2009 berichtet, sie vermute, die Klägerin habe nach der engmaschigen Behandlung bei ihr bis 1995 und zwei kurzzeitigen stationären Psychotherapieversuchen resigniert, weil sich die Symptomatik nicht stabil verbessert habe, und die Behandlung nicht weitergeführt. Man könne nicht zwingend davon ausgehen, dass die Klägerin in der Zeit zwischen den Behandlungen wieder vollschichtig habe tätig sein können. Seit Mitte 2005 habe sich der Gesundheitszustand wegen der Häufigkeit und Intensität der Panikanfälle verschlechtert.

Auf Antrag der Klägerin hat der leitende Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums M. Dr. M. das psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten vom 26. April 2011 erstattet. Bei der ambulanten Untersuchung am 20. Januar 2011 habe die Klägerin berichtet, selbst im Haushalt gelinge ihr eine kontinuierliche Tätigkeit nicht; am Wochenende werde sie von ihrem Mann unterstützt. Nähen oder Malen als Hobby ginge nicht mehr. Wenn es ihr schlecht gehe, lege sie sich hin und schlafe drei Stunden und raffe sich dann wieder hoch. Seit dem 18. Lebensjahr stehe sie unter einem Waschzwang, habe jedoch mit Eigenbemü-hungen das Ausmaß reduzieren können. 1990 und 1991 habe sie zwei Kinder nach der 8. und 12. Schwangerschaftswoche verloren, 1993 habe sie ohne Erfolg zwei künstliche Befruchtungen durchführen lassen. Für ein Pflegekind seien sie und ihr zehn Jahre älterer Mann inzwischen zu alt, folglich sei eine Adoption auch nicht mehr in Betracht gekommen. Nach der Tätigkeit in den M. M.werken sei sie fünf Jahre lang arbeitslos gewesen, habe auch Arbeitslosengeld bezogen und nebenbei als Reinigungskraft gearbeitet. Sie sei damals schon krank gewesen und habe im Rahmen einer Vermittlungsmaßnahme ein Jahr lang einen Lehrkurs für den Beruf der Verkäuferin, der Raumausstatterin und Dekorateurin auf den Euro-Schulen besucht. Ihr sei bereits während der Ausbildung klar gewesen, dass sie keine Bewerbungschance gehabt habe. Den ersten Panikanfall habe sie in der Mühle erlitten. 1991 habe sie sich zu Dipl.-Med. S. in Behandlung begeben und zusätzlich fünf Jahre lang zu dem Psychotherapeuten J., anfangs wöchentlich und regelmäßig, in den letzten Jahren hätten sich die Intervalle dann deutlich verlängert. Nach der Schließung der Praxis habe sie ein Jahr lang einen Psychotherapeuten namens Richter aufgesucht. Da ihr niemand habe helfen können, sei sie bis 2001 nicht mehr in ärztlicher Behandlung gewesen und habe sich völlig zurückgezogen. Bei dem Sicherheitsdienst habe sie 1997 ein Jahr lang gearbeitet und dort zwölf Stunden lang Wache geschoben; sie sei dann aber sechs Wochen am Stück krank geschrieben gewesen und habe deswegen die Stelle verloren. Nachdem sie 2001 eine suizidale Krise erlitten habe, habe sie die Behandlung bei Ärzten und Therapeuten wieder aufgenommen. Im Moment sei eine Akne inversa, vorwiegend im Leistenbereich, besonders belastend, weswegen sie im letzten Jahr zehn Operationen habe über sich ergehen lassen müssen.

Bei der Klägerin habe auch in der Zeit vor 1991 bis zum Tage der Untersuchung eine chronifizierte Zwangsstörung vorgelegen. Der Zeitraum von 1991 bis 2001 werde symptomatisch beherrscht von einer Angst- und Paniksymptomatik, die aber rückblickend nach heutigem Verständnis als Syndromshift auf dem Boden einer chronifizierten Zwangserkrankung zu sehen sei. Anhaltspunkte für eine Persönlichkeitsstörung bestünden nicht. Die Klägerin habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits ab 1991 keine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert in der damit geforderten Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit ausüben können. Die Häufigkeit der Panikattacken, verbunden mit der Angstsymptomatik, sei damals - wie heute auch - für die Klägerin nicht vorhersehbar gewesen. Eine Symptomkontrolle sei zu keinem Zeitpunkt erreicht worden. Aller rückschauenden Erkenntnis nach sei die Erwerbstätigkeit (muss Erwerbsfähigkeit heißen) der Klägerin vermutlich bereits ab Erreichen der Volljährigkeit eingeschränkt gewesen. Inwieweit diese Einschränkung quantifizierbar sei, sei in der Rückschau nach so vielen Jahren kaum noch anzugeben. Ab dem Jahr 1989 bis 1991 seien mehrere Stressoren dazugekommen, die eine Veränderung der Symptomatik in Richtung einer Angst- und Paniksymptomatik bewirkt hätten, die dann zum Verlust der Erwerbsfähigkeit, wie oben beschrieben, geführt haben dürften. Die sozialmedizinische Beurteilung von Dipl.-Med. F. könne in keinster Weise geteilt werden, da viele Teilaspekte der Störungen der Klägerin in dem Gutachten nicht zur Sprache kämen und in der schlussendlichen Bewertung des Krankheitsgeschehens logische Brüche und Unverständlichkeiten auftauchten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung zusteht. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem ab dem 1. Januar 2001 geltenden Recht liegen nicht vor. Nach der Übergangsvorschrift des § 300 Abs. 1 SGB VI ist neues Recht von dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Da die Klägerin die Rente bis zum Ablauf des Monats März 2001 nicht beantragt hat, sind die Voraussetzungen des § 300 Abs. 2 SGB VI für eine - aus-nahmsweise - Anwendung alten Rechts jedoch nicht erfüllt. § 302b Abs. 1 SGB VI ist ebenfalls nicht einschlägig, da nach dem Wortlaut nur die Zahlung einer vor der Rechtsänderung beantragten oder die Fortzahlung einer bereits bewilligten Rente gewährleistet sein soll (vgl. Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 29. November 2007 - B 13 R 18/07 R - SozR 4-2600 § 300 Nr. 2).

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Zur Überzeugung des Senats ist der Eintritt des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung bei der Klägerin im Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. M. am 20. Januar 2011 nachgewiesen. Für die Zeit davor fehlt es ist zur Überzeugung des Senats an dem Nachweis der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Bei der Klägerin besteht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine inzwischen chronifizierte Zwangsstörung, verbunden mit unvorhersehbar auftretenden Panikattacken. Eine deutliche Reduktion der Alltagsaktivitäten und ein soziales Rückzugsverhalten der Klägerin sind bei der Begutachtung durch Dr. M. festzustellen gewesen.

Ausgehend von dem Eintritt des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung am 20. Januar 2011 hat die Klägerin in dem gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 SGB VI maßgebenden Fünfjahreszeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 19. Januar 2011 keinen Monat mit Pflichtbeiträgen belegt (zur Berechnung des Fünfjahreszeitraums, soweit der Leistungsfall nicht auf den Monatsletzten fällt: Kamprad in Hauck/Noftz, Loseblattkommentar zum SGB, § 43 - Rente wegen Erwerbsminderung - Rdnr. 51). Den letzten Pflichtbeitrag hat die Klägerin im April 1999 gezahlt. Auch die Vorausset-zungen der §§ 43 Abs. 5, 53 SGB VI - Eintritt der Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist - liegen nicht vor. Zudem sind auch die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 SGB VI nicht erfüllt, da die Klägerin die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren vor dem 1. Januar 1984 nicht erfüllt hat. Vor dem 1. Januar 1984 sind nur 40 Kalendermonate mit Beitragszeiten belegt.

Der Eintritt des Leistungsfalls der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung zu einem Zeitpunkt vor dem 20. Januar 2011 ist nicht nachgewiesen. Das Gericht muss sich grundsätzlich die volle Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen verschaffen. Ausreichend ist insoweit eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 24. November 2010, - B 11 AL 35/09 - juris). Im sozialgerichtlichen Verfahren trägt derjenige die objektive Beweislast für die einen Anspruch begründenden Tatsachen, der den Anspruch geltend macht. Der Grundsatz der objektiven Beweislast kommt immer dann zum Tragen, wenn trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung der Sachverhalt nicht mehr vollständig aufklärbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 118 Rdnr. 6). Anhand der dem Senat vorliegenden medizinischen Unterlagen lässt sich nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit im Nachhinein feststellen, ob der Leistungsfall der Erwerbsminderung vor dem 20. Januar 2011 eingetreten ist.

Die Klägerin konnte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bis zum 19. Januar 2011 mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Die Klägerin konnte körperlich mittelschwere Tätigkeiten ohne Wechsel- und Nachtschicht mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Arbeiten mit regelmäßigen und lang andauenden Zwangshaltungen, Exposition von Kälte, Hitze, Nässe, Zugluft und starken Temperaturschwankungen, besonderem Zeitdruck, häufigem Publikumsverkehr und inhalativen Belastungen waren ausgeschlossen. Arbeiten mit ständig wechselnden Anforderungen konnte die Klägerin nicht bewältigen. Die Klägerin war Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie an geistige und mnestische Fähigkeiten gewachsen. Es bestand eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände.

Sofern die Klägerin behauptet, bereits ab 1991 nicht mehr für drei Stunden täglich arbeitsfähig gewesen zu sein, hat sie diesen Umstand nicht nachweisen können. Zwar litt sie bereits ab 1991 an einer Angst- und Panikstörung, die sich infolge der politischen Wende und der beiden Fehlgeburten 1990 und 1991 entwickelt hat. Aus den dem Senat vorliegenden Unterlagen lässt sich jedoch ab 1991 noch kein so erhebliches Ausmaß der Zwangsstörung und der Angsterkrankung entnehmen, dass daraus eine andauernde quantitative Leistungsminderung resultierte. Aus den einzigen aus dem Zeitraum von 1991 bis Dezember 2001 stammenden Epikrisen vom 7. Januar und 11. November 1992 ergibt sich keine rentenrelevante Leistungseinschränkung. Bei der Behandlung der Klägerin in der Medizinischen Akademie M. vom 25. bis zum 26. September 1991 stand die Ängstlichkeit der Klägerin in Bezug auf eine anstehende Eheschließung im Vordergrund. Als Ursache für die seit November 1990 bestehenden Beschwerden der Klägerin in Form von anfallsweisem Herzjagen, Angstzuständen sowie phobische Gedanken wurde die neurotische Fehlentwicklung bei ambivalenter Partnerbeziehung und einer depressiv-hysteriod strukturierten Persönlichkeit gesehen. Die Diagnosen einer Zwangsstörung sowie einer Angsterkrankung sind seinerzeit nicht gestellt worden. Gründe für eine Arbeitsunfähigkeit bei Entlassung waren für die Klinik offensichtlich nicht gegeben, nachdem die Klägerin den Entschluss, erneut zu heiraten, gefasst hatte. Während des stationären Aufenthaltes vom 31. August bis zum 4. September 1992 zeigten sich eine leichte dysphorische Verstimmbarkeit, schnelle Reizbarkeit und anklagende fordernde Grundhaltung sowie Affektlabilität ohne Störungen von Konzentration, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung bei einer schwankenden Therapiemotivation. Die Entlassung erfolgte gegen ärztlichen Rat bereits nach vier Tagen. Die Ergebnisse der durchgeführten Testverfahren objektivierten eine Neurose sowie eine psychosomatische Gestörtheit und Verschlossenheit. Die Diagnosen einer Zwangsstörung sowie einer Angsterkrankung sind auch im Rahmen dieser Behandlung nicht gestellt worden. Anhaltspunkte für ein damals quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen der Klägerin ergeben sich auch hieraus nicht.

Dem Senat liegen von 1991 bis Oktober 2003 keine Befund- oder Behandlungsberichte vor. Die retrospektiv getroffene Einschätzung von Dipl.-Med. S. in ihrem Schreiben vom 26. Juli 2009 dahingehend, dass die Klägerin bereits seit 1991 nur noch unter drei Stunden erwerbstätig sein konnte, überzeugt den Senat nicht. Dipl.-Med. S. hat in ihrem Befundbericht vom 13. März 2006 zunächst selbst eingeräumt, eine Minderung der Leistungsfähigkeit nur ab dem 20. September 2004 attestieren zu können, da die Klägerin von 1995 bis zum 19. September 2004 nicht in ihrer Behandlung gewesen sei. Ihre Ausführungen vom 5. Januar 2009, dass die Angstsymptomatik in der Behandlungspause von 1995 bis 2003 erheblich geschwankt habe und nicht davon zwingend ausgegangen werden könne, dass die Klägerin in dieser Zeit habe vollschichtig arbeiten können, stellen reine Vermutungen dar.

Der Einschätzung von Dr. M. in seinem Gutachten vom 26. April 2011 hinsichtlich eines aufgehobenen Leistungsvermögens der Klägerin bereits seit 1991 schließt sich der Senat nicht an. Der Gutachter stellt zwar nachvollziehbar die Ursache und die Entwicklung der Zwangsstörung der Klägerin dar. Unklar bleibt aber das Ausmaß der Erkrankung, die Häufigkeit der Angst- und Panikattacken und der Umfang der daraus resultieren Einschränkungen. Nicht nachvollziehbar ist, dass er retrospektiv ab 1991 eine regelmäßige Erwerbstätigkeit der Klägerin verneint, für die Zeit ab Erreichen der Volljährigkeit bis dahin aber einräumt, in der Rückschau nach so vielen Jahren sei die Einschränkung der Erwerbstätigkeit nicht mehr quantifizierbar.

Das bei der Klägerin darüber hinaus auf pulmologischem Gebiet bestehende Asthma bronchiale stand einer mindestens sechsstündigen Tätigkeit seit 1991 nicht entgegen. Dr. W., bei der die Klägerin seit 4. August 1992 in Behandlung ist, hat in ihrem Befundbericht vom 15. März 2006 eine vollschichtige Leistungsfähigkeit in einem allergie- und reizgasarmen Milieu attestiert.

Die Klägerin litt ferner bereits seit der ersten Behandlung bei Dipl.-Med. S. am 15. September 1999 an Herzrasen und einer Hypertonie. Die Tatsache, dass im Zusammenhang mit diesen Erkrankungen eine Angst- bzw. Panikstörung in dem Befundbericht vom 1. März 2006 überhaupt keine Erwähnung findet, lässt gerade nicht auf das Vorliegen einer ausgeprägten Angst- bzw. Paniksymptomatik schließen. Die internistischen Erkrankungen sind seit 1999 ausreichend medikamentös therapiert und führen nicht zu rentenrelevanten Einschränkungen

Dem Schreiben der Schulleiterin der Euro-Schulen M. G. vom 2. Mai 1997, die die Klägerin während der Anpassungsqualifizierung vom 3. Mai 1996 bis zum 2. Mai 1997 als interessierte, selbständig agierende und motivierte Kursteilnehmerin beschrieben hat, sind keine Anhaltspunkte für eine schwere Angstsymptomatik mit erheblichen Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit entnehmen. Zudem steht die Tatsache, dass die Klägerin vom 1. Oktober 1997 bis zum 31. August 1998 bei dem S.-Überwachungsdienst mit einem monatlichen Verdienst von ca. 2000,- DM beschäftigt war und Schichten im Umfang von täglich zwölf Stunden bewältigt hat, dem Vorliegen einer schweren Angst- und Paniksymptomatik entgegen. Ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 3. Januar 2005 hat die Klägerin erst ab dem 1. September 1998 Sozialleistungen bezogen, so dass ein aufgehobenes Leistungsvermögen wegen einer mehr als sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit während der Tätigkeit bei dem SIBA-Überwachungsdienst nicht vorgelegen hat.

Ferner sieht der Senat ein bereits 2004 aufgehobenes Leistungsvermögen der Klägerin, wie dies Dipl.-Med. S. und Dr. phil. Dipl.-Psych. K. in ihren Befundberichten vom 13. März 2006 bzw. 2. Juni 2006 beschrieben haben, als nicht erwiesen an. Der von der Klägerin bei Dipl.-Med. F. am 11. November 2004 beschriebene Alltag (Versorgung des eigenen Haushalts, Unterstützung der Tante, selbständiges Aufsuchen der Ärzte, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel) und die angegeben Freizeitaktivitäten (Romane lesen, mit dem Hund spazieren gehen, Tagesausflüge mit ihrem Ehemann, Pflegen von sozialen Kontakten) deuten nicht auf ein durch eine Panikstörung rentenrelevant gemindertes Leistungsvermögen hin, wie dies die Gutachterin auch eingeschätzt hat. Zudem zeigten sich bei der Begutachtung keine Hinweise auf Denk- oder Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Abgesehen davon lagen aber bereits 2004 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vor. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2005.

Im Falle der Klägerin bestand zudem kein Seltenheits- oder Katalogfall, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Beschluss vom 19. Dezember 1995 - GS 2/95 -, SozR 3, 2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSG E 80, 24, 35). Zur Überzeugung des Senats ist die Klägerin bis zum 19. Januar 2011 in der Lage gewesen ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes regelmäßig sechs Stunden täglich Arbeiten entsprechend dem o.g. Leistungsbild zu verrichten und einen Arbeitsplatz zu erreichen. Für die Zeit vor dem 20. Januar 2011 ist nicht nachgewiesen, dass sie aufgrund der Häufigkeit, der Schwere und des Verlaufs der anfallweise auftretenden Panikattacken an einer regelmäßigen Tätigkeit unter Arbeitsmarkt üblichen Bedingungen gehindert war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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