L 2 SO 1378/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SO 5707/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 1378/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen für Kfz-Hilfe im Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung


L 2 SO 1378/11

S 12 SO 5707/07

Im Namen des Volkes Urteil

Der 2. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2012 für Recht erkannt:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Februar 2011 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt auch im Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Klägerin, vertreten von ihrer Mutter als Betreuerin, begehrt die Übernahme der Kosten für die Anschaffung und den behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs als Leistung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Die 1988 geborene Klägerin ist geistig und körperlich schwer mehrfach behindert. Sie ist seit ihrer Geburt an einer seltenen Stoffwechselstörung (nichtketotische Hyperglyzinämie) erkrankt. Hieraus resultieren mehrfache körperliche und geistige Behinderungen. Die Klägerin kann weder sprechen noch sehen und leidet unter einer therapieresistenten Epilepsie. Hinzugetreten ist mittlerweile eine starke Skoliose, die der Klägerin normales Sitzen in nicht für sie angepassten Vorrichtungen unmöglich macht. Sie ist körperlich instabil und trägt zeitweilig ein Korsett. In ihrem Rollstuhl sitzt die Klägerin in einer für sie angepassten zusätzlichen Sitzschale. Die Klägerin ist 1,40 Meter groß und wiegt 41 Kilo. Sie verfügt nicht über relevantes Einkommen und Vermögen, erhält Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII sowie Landesblindenhilfe. Nachdem sie zeitweise in einem Heim (Februar 1998 bis Juni 2001) und in einem Wohnheim (bis Sommer 2002) untergebracht war, lebt sie seit nunmehr 10 Jahren bei ihrer Mutter in St. und wird von dieser allein zuhause gepflegt. Der Vater lebt im Nachbarort Z. und holt die Klägerin etwa jedes zweites Wochenende zu sich. Die Busse des öffentlichen Nahverkehrs im Raum St. sind nicht behindertengerecht ausgestattet und können von der Klägerin nicht genutzt werden. Die Klägerin besuchte bis Sommer 2012 die J.-K. Schule für geistig und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche in F., zu der sie mit einem Schulbus gefahren wurde. Während der über das ganze Jahr verteilten 15 Wochen Ferien ist der Schulbus nicht gefahren, weshalb die Klägerin die von der Schule in den Ferien angebotene Tagesbetreuung nur eingeschränkt wahrnehmen konnte. Im Anschluss an den Schulbesuch ist ab Herbst 2012 die Aufnahme in eine Förder- und Betreuungsgruppe geplant.

Im Januar 2006 (19.1.2006 gemäß Begründung des Ablehnungs- und Widerspruchsbescheids) beantragte die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, beim Beklagten Hilfe zur Anschaffung und zum behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs einschließlich der Kosten für eine Klimaanlage und Standheizung (Bl. 23 Verwaltungsakte).

Der Beklagte veranlasste hierauf einen Hausbesuch des Sozialen Dienstes des Sozialamts (SDS), welcher in einer Stellungnahme vom 28.3.2006 (Bl. 7 Verwaltungsakte) die Auffassung vertrat, dass ein behindertengerechtes KFZ notwendig sei bzw. der Umbau eines noch anzuschaffenden PKW mit einer Rampe für den Rollstuhl sowie – für längere Fahrten – mit einem Spezialsitz. Die Mutter und Betreuerin der Klägerin sei auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, Kostenvoranschläge vorzulegen.

Die Mutter der Klägerin legte dem Beklagten hierauf im März 2006 mehrere Kostenvoranschläge vor, betreffend die Anschaffung eines behindertengerechten KFZ sowie behinderungsbedingt erforderlicher Umbaumaßnahmen (Bl. 57-81 Verwaltungsakte).

Der Beklagte holte eine Stellungnahme beim Gesundheitsamt F. ein. Dr. M. vertrat in einer Stellungnahme vom 21.4.2006 (Bl. 17 Verwaltungsakte) die Auffassung, dass die beantragte Hilfe indiziert sei, um die Teilhabe am sozialen Leben für die Klägerin zu gewährleisten. Die Klägerin sei 24h am Tag auf die Pflege ihrer Mutter angewiesen. Ein behinderungsgerechter Umbau eines KFZ erfordere einen Dreh-Schwenk-Sitz mit Liegefunktion, eine Rampe für den Rollstuhl, ein Vaco-Tec-Kissen für den Rücken sowie eine Gurt-System (Hosenträger-Gurt). In dem vom Beklagten vorgelegten Formblatt beantwortete Dr. M. die Frage nach dem Beginn der Maßnahme/Hilfe mit "sofort".

Der Beklagte fragte mit Schreiben vom 15.1.2007 (Bl. 121 Verwaltungsakte) die Mutter der Klägerin nach Anzahl und Zweck von durchzuführenden Fahrten und bat um eine beispielhafte Auflistung über in einem Monat durchgeführte Fahrten.

Die Mutter der Klägerin hatte bereits mit Schreiben vom 18.7.2006 (Bl. 99 Verwaltungsakte) an die Bearbeitung des Antrags erinnert und führte mit Schreiben vom 10.4.2007 (Bl. 125 Verwaltungsakte) aus, dass eine Auflistung nicht vorgelegt werden könne, da sie und ihre Tochter mangels behindertengerechtem KFZ derzeit alle Bedürfnisse zurückstellen müssten. Besuche zu Verwandten und Freunden würden nicht mehr stattfinden, auch Einladungen zu Geburtstagsfeiern von Schulfreunden könnten nicht wahrgenommen werden, da ein Transport nicht möglich sei. Die Klägerin sei auch Mitglied in einem Fastnachtsverein, aber auch an den dortigen Veranstaltungen könne sie nicht mehr teilnehmen. Wenn ein entsprechendes Fahrzeug zur Verfügung stünde, könnten wieder Besuche bei Verwandten und Freunden, Teilnahme am Vereinsleben, spontane Abholungen von der Schule, Urlaubsfahrten und z.B. Treffen mit ähnlich Betroffenen in Selbsthilfegruppen stattfinden.

Mit Bescheid vom 9.5.2007 (Bl. 133 Verwaltungsakte) lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin sei zwar wesentlich körperlich und geistig behindert und zähle zum Personenkreis, für den Eingliederungshilfe bewilligt werden könne. Über Form und Maß der Hilfe entscheide aber der Sozialhilfeträger nach pflichtgemäßem Ermessen. Der vorgebrachte Wunsch nach Teilhabe am sozialen Leben impliziere keine Notwendigkeit für die ständige Benutzung eines KFZ. Der Transport zur Schule werde vom Schülerbeförderungsdienst sicher gestellt; für Arztbesuche sei die gesetzliche Krankenversicherung zuständig. Aufgabe der Sozialhilfe sei es nicht, einen sozialen Mindeststandard zu gewährleisten. Auch nichtbehinderte Menschen, die über kein KFZ verfügen würden, müssten den Kontakt zu Verwandten und Bekannten eben auf andere Weise aufrecht erhalten, z.B. indem sie sich besuchen ließen. Sofern der Klägerin die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich oder nicht zumutbar sei, sei sie auf den Beförderungsdienst für Schwerbehinderte des Landkreises zu verweisen. Dadurch werde neben der Bedarfsdeckung auch sichergestellt, dass der Familie kein Vorteil erwachse und nur der konkrete Bedarf des anspruchsberechtigten behinderten Menschen befriedigt werde.

Der Beklagte gewährt der Klägerin seit Sommer 2007 acht Einzelfahrten pro Monat in einem Behindertentaxi; für jede Hin- und Rückfahrt zu einem bestimmten Ziel ist jeweils einer der acht Gutscheine zu verwenden, d.h. im Ergebnis können im Monat vier Hin- und Rückfahrt in Anspruch genommen werden. Die gewährten Fahrten müssen innerhalb eines Quartals verbraucht werden. Dieses Fahrzeug transportiert die Klägerin in ihrem Rollstuhl sitzend. Der Beklagte betreibt selbst keinen Fahrdienst, sondern gibt Gutscheine aus, die bei Taxiunternehmen in F., T.-N., B. und M. eingelöst werden können (Bl. 139 Verwaltungsakte). Im Wohnort der Klägerin gibt es kein Unternehmen, dass die Gutscheine annimmt. Im vom Beklagten der Klägerin übersandten Merkblatt zum Fahrdienst heißt es u.a.:

"Die Inanspruchnahme des Fahrdienstes richtet sich nach dem jeweils vorhandenen Beförderungskapazitäten der durchführenden Organisation. Ein Rechtsanspruch auf Fahrten und auf Fahrten zu bestimmten Zeiten besteht nicht. [ ] Die vorgesehene Fahrt ist rechtzeitig bei der durchzuführenden Organisation anzumelden (zwei bis drei Tage vorher)." (Bl. 141 Verwaltungsakte)

Der Beklagte gibt rote und grüne Ausweise (Gutscheine) aus, nach denen dem Grunde nach 8 bzw. 6 Einzelfahrten im Monat durchgeführt werden können. Die Klägerin hat einen roten Ausweis (übernommene Kosten bis 15km 14 EUR, bis 30km 19 EUR, über 30km 26 EUR). Im Erörterungstermin am 12.7.2012 konnte der Beklagte keine Angaben über die Anzahl der berechtigten Personen machen, an die er Gutscheine ausgibt. Im Erörterungstermin am 12.7.2012 erklärte der Beklagte auf Frage des Berichterstatters, er wisse nicht, wie viele Fahrzeuge bei den Fahrdiensten zur Verfügung stünden. In der mündlichen Verhandlung vom 26.9.2012 legte er sodann eine Auflistung über die verfügbaren Fahrzeuge vor, die nach telefonischer Auskunft am 20.9.2012 erstellt wurde.

Gegen den Bescheid vom 9.5.2007 erhob die Klägerin am 6.6.2007 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2.10.2007 (Bl. 159 Verwaltungsakte) als unbegründet zurückwies. Es komme darauf an, dass die Klägerin wegen Art und Schwere ihrer Behinderungen auf ein Kraftfahrzeug oder seine Benutzung angewiesen sei; das KFZ und seine Benutzung müssten notwendig sein. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Klägerin nicht ständig, d.h. praktisch täglich auf ein KFZ angewiesen sei. Es sei ein strenger Maßstab anzulegen. Die Möglichkeit, die Mobilität allgemein zu verbessern und damit die Folgen der Behinderung abzumildern würden nicht genügen, auch wenn nachvollziehbar sei, dass der Behinderte ein besonderes Interesse habe, möglichst unabhängig von fremder Hilfe zu leben. Außerdem dürfe die Hilfe nicht zweckentfremdet werden und unmittelbar nur dem behinderten Menschen zu Gute kommen. Damit vertrage sich die Vorstellung nicht, dass durch die Gewährung von Eingliederungshilfe mittelbar ein Vorteil für die Familie erwachse, in der der behinderte Mensch lebe und gepflegt werde. Es sei der Klägerin auch zumutbar, alleine den Beförderungsdienst zu nutzen, anstatt mit ihrer Mutter zusammen im privaten KFZ zu den gemeinsamen Besuchen zu fahren.

Hiergegen hat die Klägerin am 31.10.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat ergänzend vorgetragen, dass die Klägerin wegen der starken Skoliose nicht länger als 20 bis 30 Minuten schmerzfrei sitzen könne. Entsprechend eingeschränkt sei der Bewegungsradius im Rollstuhl. Gleiches gelte für die vom Beklagten gewährten Fahrten, die die Klägerin in ihrem Rollstuhl sitzend verbringe. Am Wohnort der Klägerin würden im ÖPNV keine Niederflurbusse eingesetzt. Längere Fahrten seien der Klägerin nur halbliegend möglich. Die Klägerin sei daher zur angemessenen Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft auf weitergehende Transportmöglichkeiten angewiesen. Auch die Teilhabe am Vereinsleben der Narrenzunft Wetterhexen, welches Veranstaltungen über das ganze Jahr in und außerhalb F. mit sich bringe, könne dadurch wieder möglich werden, ebenso Besuche bei Schulfreunden und Verwandten. Überhaupt nicht möglich seien derzeit spontane Fahrten wegen der Notwendigkeit, diese beim Fahrdienst stets mit einem Vorlauf buchen zu müssen. Die tatsächlich vom Beklagten gewährten Fahrten seien zudem weitgehend für die Ferienbetreuung in der Schule aufgespart und verbraucht worden, da in der Ferien der Schulbus nicht fahre; allein dies verbrauche 40 Fahrten. Der Bewegungsradius der Klägerin beschränke sich faktisch auf den unmittelbar per Rollstuhl befahrbaren Bereich rund um das Wohnhaus. Eingliederungshilfe werde geleistet, um einen behinderungsbedingten Nachteil auszugleichen und könne nicht, wie es der Beklagte mache, einfach auf ein Minimum reduziert werden. Schließlich sei die Erwägung des Beklagten, es dürfe der Familie, die die tägliche Betreuungsleistung erbringe, kein mittelbarer Vorteil erwachsen, nicht nachvollziehbar. Eltern, die ihre schwerstbehinderten Kinder zuhause versorgen und pflegen, würden eine große Leistung, auch für die Gesellschaft, erbringen. Wenn der Beklagte den Druck auf die Mutter offenbar hoch halten wolle führe dies zu einer Belastungssituation, die fast nur noch den Übergang der Klägerin in eine stationäre Einrichtung zur Folge haben könne, mit erheblich höheren Kosten. Es sei nicht erklärbar, dass für Menschen mit Behinderungen in Heimen erhebliche Summen aufgewendet würden, während Menschen mit ähnlich schweren Behinderungen, die zuhause lebten, mit acht Einzelfahrten pro Monat abgespeist würden.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.

Mit Urteil vom 17.2.2011 hat das SG der Klage statt gegeben, den Bescheid des Beklagten vom 9.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.10.2007 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen. Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff. SGB XII in Verbindung mit §§ 8, 9 Eingliederungshilfe-Verordnung in Form einer Hilfe zur Anschaffung und zum behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten sei ermessensfehlerhaft und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Sie habe einen qualitativ und quantitativ unzureichend gedeckten Mobilitätsbedarf, der den Ermessensspielraum des Beklagten bei Entscheidung über Art und Umfang der Bedarfsdeckung reduziere. Die Klägerin sei auf ein Fahrzeug angewiesen und dieses Fahrzeug benötige besondere Zusatzgeräte/behindertengerechte Ausstattung. Der Klägerin sei daher ein auf ihre Bedürfnisse angepasstes Fahrzeug, das von ihrer Mutter zu fahren sei zur Verfügung zu stellen. Die vom Beklagten zu gewährende Hilfe umfasse damit Anschaffung und Umbau eines solchen Fahrzeugs. Die Klägerin könne zur angemessenen Deckung ihres Mobilitätsbedarfs insbesondere nicht auf Angebote des ÖPNV verwiesen werden, solange am Wohnort der Klägerin keine behindertengerechten Niederflurbusse zu geeigneten Zeiten und in ausreichenden Taktfrequenzen eingesetzt würden. Auch die vom Beklagten gewährten Freifahrten mit Behindertentaxis würden den Mobilitätsbedarf der Klägerin - schon quantitativ - bei weitem nicht abdecken.

Gegen das ihm am 2.3.2011 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat der Beklagte am 1.4.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Die Klägerin sei entgegen der Auffassung des SG nicht auf ein KFZ angewiesen, um eine angemessene Teilhabe am sozialen Leben zu gewährleisten. Zwar benötige sie aufgrund der Schwere ihrer Behinderung für jede Mobilität außerhalb der Reichweite ihres Rollstuhls ein KFZ. Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es aber nicht, eine höchstmögliche Ausweitung der Hilfen zu gewährleisten. Voraussetzung für die Versorgung mit einem KFZ sei, dass der behinderte Mensch ständig und nicht nur vereinzelt darauf angewiesen sei. Zu Unrecht habe das SG angenommen, dass die Klägerin auf ein KFZ angewiesen sei. Eingliederungshilfe könne nicht beansprucht werden, sofern der Zweck der Eingliederungshilfe anders erreicht werden könne; insofern sei es der Klägerin zumutbar, den Spezialbeförderungsdienst in Anspruch zu nehmen. Monatlich 8 Fahrten seien ausreichend und die Beförderungsdienste seien ausreichend verfügbar. Es sei zwar richtig, dass die Klägerin sich nicht spontan zu Besuchen oder Ausflügen entscheiden könne, dies sei aber hinnehmbar. Die Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 21.4.2006 sei nicht verwertbar. Inwieweit eine individuelle Teilhabeeinschränkung aufgrund der medizinischen Diagnose vorliege, könne von Dr. M. nicht beurteilt werden. Aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergebe sich ebenfalls kein Anspruch, denn der Beklagte habe bereits alles erforderliche getan, um die behinderungsbedingten Nachteile der Klägerin auszugleichen. In der mündlichen Verhandlung vom 26.9.2012 hat der Beklagte eine Übersicht über die Kapazitäten der Fahrdienste vorgelegt. Er hat ausgeführt, dass die Stellungnahme des Sozialen Dienstes vom 28.3.2006 nur eingeschränkt verwertbar sei, da dieser nicht zu Bewertungen, sondern nur zur Sachverhaltsermittlung befugt gewesen sei. Der Beklagte hat des weiteren die Frage aufgeworfen, wer für Folgekosten eines KFZ aufzukommen habe und ausgeführt, dass man bedenken müsse, dass wegen Art und Schwere der Behinderung der Klägerin eine Teilhabe nur eingeschränkt möglich sei. Er hat darüber hinaus in Aussicht gestellt, der Klägerin Gutscheine für Fahrten an bis zu sieben Wochentagen auszustellen, um damit den Bedarf abzudecken und die Frage aufgeworfen, was mit dem KFZ geschehe, falls die Klägerin in den nächsten zwei oder drei Monaten in einem Heim untergebracht werde.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Ausführungen des Urteils des SG Bezug und begrüßt, dass der Beklagte nunmehr auch anerkenne, dass die Klägerin aufgrund der Schwere ihrer Behinderung für jede Mobilität außerhalb der Reichweite ihres Rollstuhls ein KFZ benötige. Umso unverständlicher sei es, dass er den Anspruch nicht anerkenne. Die Auslegung der §§ 53 ff. SGB XII i.V.m. § 55 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – SGB IX) habe im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, konkretisiert durch Art. 20 der UN-BRK zu geschehen. Diese Vorschrift gebe vor, dass Mobilitätshilfen so zur Verfügung zu stellen seien, dass größtmögliche Selbstbestimmung ermöglicht werde. Ein KFZ sei in der Bundesrepublik üblich, es seien 2011 mehr als 42 Mio. KFZ zugelassen. Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sei im ländlichen Raum – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Benutzung des ÖPNV der Klägerin unmöglich sei – nur mittels eines KFZ möglich. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei es im Rahmen der Leistungsbewilligung durchaus angezeigt, die Umstände des Einzelfalls und vorliegend die Familiensituation (alleinige Rund-um-die-Uhr-Pflege durch die Mutter) zu berücksichtigen. Die Leistungen des SGB XII hätten auch den Zweck den Zusammenhalt der Familie zu festigen und familienhafte Selbsthilfe zu fördern, wie sie vorliegend von der Mutter der Klägerin geleistet werde. Die Situation der Klägerin, die auf die ständige Pflege durch die Mutter angewiesen sei, könne nicht isoliert, sondern müsse vor diesem familiären Hintergrund betrachtet werden. Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung Fahrgutscheine für bis zu sieben Tage die Woche in Aussicht gestellt hat, hat die Klägerseite auf das Wunsch- und Wahlrecht und darauf hingewiesen, dass die Anschaffung und der Umbau eines KFZ die kostengünstigere Maßnahme seien.

Nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2.2.2012 (B 8 SO 9/10 R) hat das Gericht Internet-Recherchen über gebrauchte behindertengerechte Fahrzeuge (noch ohne die vorliegend zusätzlich erforderlichen Umbaumaßnahmen) durchgeführt (Bl. 76 ff. Gerichtsakte).

In einem Erörterungstermin wurde der Sachverhalt mit den Beteiligten eingehend erörtert, insbesondere wurden anhand von Internet-Recherchen des Berichterstatters die Kosten für die Anschaffung und den Umbau eines gebrauchten Fahrzeugs erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

I. Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die angefochtenen ermessensfehlerhaften Bescheide aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung verurteilt.

Statthafte Klageart ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, die Verpflichtungsbescheidungsklage. Zutreffend ist das SG auch davon ausgegangen, dass der Gegenstand der begehrten Leistungen der Eingliederungshilfe sowohl die Anschaffung als auch der Umbau eines KFZ ist. Den auf Anschaffung und Umbau gerichteten Antrag der Klägerin vom 19.1.2006 hat der Beklagte mit Bescheid vom 9.5.2007 umfassend mit einer Begründung abgelehnt, die in erster Linie die Anschaffung eines KFZ betrifft, wohingegen in der Begründung des Widerspruchsbescheids vorrangig auf den Umbau des KFZ abgestellt wird. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren insoweit auch im Verfahren vor dem SG dahingehend klargestellt, dass es um die Anschaffung und den Umbau eines KFZ geht.

Der Beklagte ist Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX i.V.m. § 5 Nr. 4 SGB IX und sowohl als erstangegangener Träger (§ 14 SGB IX) als auch endgültig für die begehrte Leistung örtlich und sachlich zuständig (§ 98 Abs. 1 SGB XII, § 97 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2 AG-SGB XII Baden-Württemberg [GBl. 2004, 534] i.V.m. § 8 Nr. 4 SGB XII).

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff. SGB XII in Verbindung mit §§ 8, 9 Eingliederungshilfe- Verordnung in Form einer Hilfe zur Anschaffung und zum behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs, da das Ermessen des Beklagten auf Null reduziert ist. Das SG hat die genannten Rechtsgrundlagen der Eingliederungshilfe zutreffend dargelegt. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Übernahme der angemessenen Betriebskosten (§ 10 Abs. 6 Eingliederungshilfeverordnung).

Gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.

Die Klägerin ist dauerhaft erwerbsgemindert und verfügt nicht über relevantes Einkommen oder Vermögen. Sie gehört einerseits zu dem Personenkreis, der Leistungen nach §§ 41 ff. SGB XII erhält. Sie ist andererseits auch körperlich und geistig behindert i.S. des § 2 Abs. 1 SGB IX und wegen Art und Schwere der Behinderung wesentlich in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, an der Gesellschaft teilzuhaben (§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 1 Eingliederungshilfeverordnung). Die Klägerin ist dem anspruchsberechtigten Personenkreis des § 53 Abs. 1 SGB XII zuzuordnen. Es besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf rehabilitative Maßnahmen der Eingliederungshilfe durch die Gewährung solcher Maßnahmen, die im Einzelfall geeignet und erforderlich sind, die Ziele der Eingliederungshilfe zu erreichen. Was das "Ob" der Leistung angeht, besteht kein Ermessen der Verwaltung, anders beim "wie" der Leistung. Es obliegt grundsätzlich der Verwaltung, im Wege der pflichtgemäßen Ausübung eines Auswahlermessens festzustellen, welche Hilfemaßnahmen im konkreten Einzelfall notwendig und geeignet sind. Hierzu muss die Verwaltung – damit sie ihr Ermessen überhaupt in rechtmäßiger, d.h. pflichtgemäßer Weise (§ 39 Abs. 1 SGB I) ausüben kann - die Umstände des Einzelfalls tatsächlich ermitteln (§ 20 SGB X) und beachten und sie muss substantiiert begründen, weshalb nach ihrer Auffassung eine bestimmte Maßnahme ausreichend bzw. eine bestimmten Hilfe nach den Umständen des Einzelfalls nicht erforderlich ist (vgl. zu dieser aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG herzuleitenden Verpflichtung BVerfG 8.10.1997 – 1 BvR 9/97 - BVerfGE 96, 288 = NJW 1998, 131 = juris RdNr. 84).

Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind vorliegend schon aus folgendem Grund ermessensfehlerhaft: Der Beklagte bedient sich zur Erfüllung des Anspruchs Dritter und verweist die Klägerin auf die Inanspruchnahme von Behindertenfahrdiensten und behauptet, diese würden in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, obwohl der Beklagte nach eigenen Angaben noch im Erörterungstermin am 12.7.2012 nicht wusste, für wie viele berechtigte Personen wie viele Fahrzeuge zur Verfügung stehen, also den Sachverhalt zum Zeitpunkt der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen nicht ausreichend beurteilen konnte. Dem Beklagten fehlte relevantes Wissen für seine Ermessensentscheidung, obwohl es ihm oblag und möglich war, sich dieses Wissen zu verschaffen, und allein dies macht – neben weiteren Aspekten, dazu sogleich - seine Entscheidung ermessenfehlerhaft (Fall des Ermessensfehlgebrauchs, vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 54 RdNr. 27; siehe auch BSG, Urteil vom 9.11.2010 – B 2 U 10/10 R = SozR 4-2700 § 76 Nr. 2 RdNr. 15: Ermessensfehlgebrauch wegen unvollständiger Sachverhaltskenntnis der Verwaltung).

Außerdem muss der Beklagte – wenn er sich zur Anspruchserfüllung Dritter bedient – organisatorisch sicher stellen, dass der Eingliederungsbedarf des behinderten Menschen erfüllt wird. Dies hat er nicht getan, indem er sich nicht ausreichend Kenntnis über die bei den Dritten vorhandenen Ressourcen verschafft hat und sich damit selbst aus der Verantwortung zurückgezogen und gleichzeitig das Bestehen eines Rechtsanspruches auf bestimmte Fahrten verneint hat. Es darf nicht dem Zufall überlassen sein, ob der Klägerin ein KFZ zur Verfügung steht, wenn sie es benötigt. Auch dieses Organisationsverschulden des Beklagten macht für sich bereits die angefochtenen Bescheide rechtswidrig.

Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil er die entscheidungserheblichen Maßstäbe nicht ausreichend beachtet und sachfremde Erwägungen angestellt hat.

Der Beklagte geht von einem unzutreffenden Maßstab aus, nach welchem sich die Beurteilung des Bedarfs der Klägerin richtet, wenn es im Bescheid vom 9.5.2007 heißt, Aufgabe der Sozialhilfe sei es nicht, einen sozialen Mindeststandard zu gewährleisten. Welcher Bedarf anerkannt wird, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe, eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Die durch die Behinderung eingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben soll soweit wie möglich ausgeglichen werden. Der Begriff der Teilhabe, auch in § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII enthalten, ist gemäß § 1 Satz 1 SGB IX dahin zu verstehen, dass "Teilhabe" daran zu messen, ob es gelingt, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden und ihnen entgegenzuwirken (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.5.2007 – L 8 SO 20/07 R = juris RdNr. 15 m.w.N.). Ziel ist es, dem behinderten Menschen die Teilnahme auch am öffentlichen und kulturellen Leben und den Kontakt zu seiner sozialen Umwelt zu erhalten und ihm zu ermöglichen, denn jeder Mensch existiert als Person notwendig in sozialen Bezügen (BVerfG 9.2.2010 – 1 BvL 1/09BVerfGE 125, 175 = juris RdNr. 135). Die Formulierung des § 53 Abs. 1 SGB XII verdeutlicht, dass es insgesamt ausreicht, die Begegnung und den Umgang mit anderen Menschen im Sinne einer angemessenen Lebensführung zu fördern (BSG, Urteil vom 2.2.2012 – B 8 SO 9/10 R); maßgeblich sind nach der zitierten Entscheidung des BSG, der sich der Senat anschließt, im Ausgangspunkt die Wünsche des behinderten Menschen (§ 9 Abs. 2 SGB XII; vgl. BSG 2.2.2012 a.a.O.). Wie sich aus § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 3 der Eingliederungshilfe-VO ergibt, gilt ein individueller und personenzentrierter Maßstab; "mit einer solchen am Einzelfall orientierten und die Wünsche des behinderten Menschen berücksichtigenden Auslegung ist die Auffassung des LSG nicht zu vereinbaren, die Hilfsmittelgewährung beschränke sich im Bereich der sozialen Rehabilitation auf eine sicherzustellende Grundversorgung" (BSG 2.2.2012, a.a.O., entgegen LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.2.2010 – L 20 SO 75/07, auf das sich der Beklagte im Klageverfahren gestützt hat). Dieser individuelle Maßstab steht einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegen (BSG, Urteil vom 2.2.2012 – B 8 SO 9/10 R = juris RdNr. 26 m.w.N.), wie es aber der Beklagte mit seinen pauschal gewährten und bislang auf 8 Fahrten im Monat beschränkten Leistungen macht.

Bei der Auslegung der genannten Vorschriften ist Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und der Zweck und die Aufgabe des Rehabilitationsrechts und des Neunten Buches Sozialgesetzbuch insgesamt zu beachten, nämlich behinderten Menschen einen Ausgleich (Kompensation, vgl. BVerfG 8.10.1997 a.a.O. juris RdNr. 69) der Behinderung zu ermöglichen, um ihnen – soweit es Art und Schwere der Behinderung zulassen – die Führung eines möglichst selbstbestimmten, autonomen Lebens zu ermöglichen (BT-Drucks 14/5074, S. 92; vgl. auch Hassel/Gurgel/Otto, Handbuch des Fachanwalts Sozialrecht, 3. Aufl. 2012, S. 926 und die Formulierung des Art. 20 UN-BRK, BGBl. II 2008, 1433 f., " um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen" oder wie es im französischen Text plastisch heißt: "dans la plus grande autonomie possible"). Bereits in der Gesetzesbegründung des SGB IX vom 16.1.2001 (BT-Drucks 14/5074, S. 98 zu § 1 SGB IX) hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass sich im Rehabilitationsrecht ein Werte- und Paradigmenwechsel ereignet habe, wonach nicht mehr die bloße Versorgung/Fürsorge des behinderten Menschen im Mittelpunkt stehe, sondern seine möglichst selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Diese Auslegung der §§ 53 ff. SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX steht auch in Übereinstimmung und Einklang mit dem "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-BRK), das am 3.5.2008 in Kraft getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen vom 21.12.2008 (BGBl. II 2008, 1419) innerstaatlich verbindlich geworden ist. Aus der UN-BRK können keine über §§ 53 ff. SGB XII hinausgehenden individuellen Leistungsansprüche hergeleitet werden. Völkerrechtliche Verträge wie die UN-Behindertenrechtskonvention, denen die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, stehen im Range eines Bundesgesetzes (BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307 (317)). Die UN-BRK ist als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte heranzuziehen, insbesondere auch des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG; ebenso ist sie bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und bei der Ermessensausübung zu beachten (vgl. etwa BSG, Urteil vom 6.3.2012 – B 1 KR 10/11 R = juris RdNr. 31).

Nach Auffassung des Senats unzutreffend ist die Auffassung des Beklagten, es müsse verhindert werden, dass durch eine Hilfegewährung an die Klägerin möglicherweise der Mutter mittelbar ein Vorteil erwachse. Der Senat hat bereits an anderer Stelle deutlich gemacht, dass das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes familienhafte Hilfe und Unterstützung stärken und nicht schwächen will (Urteil vom 11.7.2012 – L 2 SO 4215/10). Auch der Gesetzgeber sieht dies so, wie von der Klägerseite unter Hinweis auf § 16 SGB XII zutreffend ausgeführt wird. Diese Vorschrift lautet: "Bei Leistungen der Sozialhilfe sollen die besonderen Verhältnisse in der Familie der Leistungsberechtigten berücksichtigt werden. Die Sozialhilfe soll die Kräfte der Familie zur Selbsthilfe anregen und den Zusammenhalt der Familie festigen." Die Vorschrift zielt unmittelbar auf die pflichtgemäße Ermessensausübung der Sozialhilfeträger ab (Voelzke in jurisPK-SGB XII, § 16 RdNr. 8) und wenn der Beklagte die Auffassung vertritt, der helfenden Mutter dürften bei einer Leistungsgewährung an die Klägerin keinerlei Vorteile erwachsen, ist auch dies falsch und ermessensfehlerhaft. Denn in vielen Fällen kann es gar nicht anders sein, dass im Sinne eines unvermeidbaren Reflexes die Leistungsgewährung an den behinderten Menschen auch die im selben Haushalt lebenden helfenden Angehörigen mittelbar betrifft und eine solche mittelbare Wirkung steht dem Zweck der Eingliederungshilfe nicht entgegen, wenn sie – wie vorliegend – die Selbsthilfekräfte innerhalb der Familie stärkt. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin wegen Art und Schwere der Behinderung das KFZ nicht selbst steuern kann, sondern dies die alleinerziehende Mutter tun wird. Auch ist die Klägerin ständig auf die Begleitung bzw. die Anwesenheit der Mutter angewiesen, d.h. auch wenn die Mutter einmal das Bedürfnis hat, abends evtl. noch einen Besuch zu machen, muss sie ihre Tochter mitnehmen, wie im Erörterungstermin am 12.7.2012 nachvollziehbar geschildert. Aufgrund dieser Familiensituation (Alleinerziehung, dauernde Pflege) ist es unmöglich, die Lebenswirklichkeiten der Klägerin und ihrer Mutter getrennt zu denken, wie es der Beklagte jedoch bislang hartnäckig tut und sich weigert "die besonderen Verhältnisse in der Familie der Leistungsberechtigten" (§ 16 SGB XII) zu berücksichtigen. Lediglich einen geringen Gebrauchsvorteil/Eigenanteil der Mutter kann der Beklagte in Abzug bringen (s. unten), aber hierbei bleibt der unvermeidbare mittelbare Reflex außer Betracht, da dies dem Zweck der Eingliederungshilfe sonst zuwiderliefe.

Der Anspruch der Klägerin auf Hilfe zur Beschaffung eines KFZ sowie den behindertengerechten Umbau des KFZ ergibt sich aus § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX und §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 2 Nr. 4 Eingliederungshilfeverordnung. Das Ermessen des Beklagten ist auf Null reduziert, wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat.

Die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges gilt als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX. Sie wird in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist (§ 8 Abs. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung). Als Hilfsmittel zum Ausgleich der behinderungsbedingten Nachteile werden gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 4 Eingliederungshilfeverordnung besondere Bedienungseinrichtungen und Zusatzgeräte für Kraftfahrzeuge geleistet, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist. Alle genannten Tatbestandsmerkmale liegen vor.

Das SG hat bereits zutreffend ausgeführt, dass entgegen den Begründungen der angefochtenen Bescheide für eine Hilfe zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs nach § 8 Eingliederungshilfe-Verordnung nicht das ständige, praktisch zwingend tägliche Angewiesensein auf das Kraftfahrzeug Anspruchsvoraussetzung ist. Eine den Anspruch dergestalt einengende Voraussetzung lässt sich dem Normtext genau so wenig entnehmen wie die vom Beklagten gebrauchte Formulierung des in den angeführten Normen nicht genannten "strengen Maßstabs" im Bescheid vom 9.5.2007 (vgl. zum Angewiesensein hingegen nunmehr BSG 2.2.2012 a.a.O. RdNr. 26 f.). Es kommt darauf an und ist insoweit auch ausreichend, wie das BSG ausgeführt hat, ob die KFZ-Hilfe erforderlich ist, die Begegnung und den Umgang mit anderen Menschen im Sinne einer angemessenen Lebensführung zu fördern (§ 58 SGB IX). Ein behinderter Mensch ist im Sinne der genannten Vorschriften der Eingliederungshilfe-Verordnung auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen, wenn er nur mit Hilfe seines Kraftfahrzeuges seine Wohnung verlassen kann, wenn das Bedürfnis, die Wohnung zu verlassen, gerade aus Gründen besteht, denen die Eingliederungshilfe dient und wenn sich schließlich ein solches Bedürfnis regelmäßig und nicht nur vereinzelt stellt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.5.2007 – L 8 SO 20/07 R; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.9.2007 – 3 L 231/05; Hessischer VGH, Urteil vom 12.12.1995 – 9 UE 1339/94 – FEVS 47, 86; OVG Lüneburg, Urteil vom 8.6.1988 – 4 A 40/97 = FEVS 39, 448). Hierfür ist die Klägerin auch regelmäßig auf ein behindertengerechtes KFZ angewiesen. Teilhabe am Leben in der Gesellschaft bedeutet auch, dem behinderten Menschen die Möglichkeit zu verschaffen, Bekannte, Verwandte und Freunde zu besuchen. Hierbei kann es nicht darauf ankommen, ob dieser Bedarf mehrfach in der Woche auftritt. Denn der Begriff "regelmäßige Benutzung" ist erfüllt, wenn das Auto wiederkehrend häufig benutzt werden soll. Dieser Häufigkeitsgrad ist anzunehmen, wenn der behinderte Mensch zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft überhaupt auf ein Auto angewiesen ist. Er muss auch die Möglichkeit haben, jederzeit von seinem Teilhaberecht Gebrauch zu machen und angesichts des Gesundheitszustandes der Klägerin ist nachvollziehbar, dass es eben auch von der "Tagesform" abhängt, ob eine Besuchsfahrt möglich ist oder nicht und dies nicht mehrere Tage schematisch im Voraus genau festgelegt werden kann. Dies folgt aus der Art und Schwere der Behinderung und kann im Rahmen der Eingliederungshilfe nicht zu Lasten der Klägerin ausgelegt werden, da es ja gerade darum geht, die individuell vorliegenden behinderungsbedingten Nachteile zu kompensieren. Wie bei einem nichtbehinderten Menschen kann - je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles - einmal ein erhöhter und einmal ein geringerer Bedarf gegeben sein. Entscheidend ist, ob der behinderte Mensch aufgrund Art und Schwere seiner Behinderung und mit Blick auf den Zweck der Eingliederungshilfe (Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft) auf ein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen ist (OVG Sachsen, Beschluss vom 28.9.2007 – 3 L 231/05 = juris RdNr. 11, 17 f.).

Zur Überzeugung des Senats genügen schließlich die vom Beklagten im streitigen Bescheid pauschal gewährten 8 Einzelfahrten (= 4 Hin- und Rückfahrten) im Monat nicht, um den tatsächlich bestehenden Eingliederungsbedarf der Klägerin sicher zu stellen. Die Klägerin benötigt zur Überzeugung des Senats für eine angemessene Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft regelmäßig ein KFZ. Der Bedarf ist über die Bereitstellung eines behindertengerechten KFZ zu decken. Das SG hat dies bereits zutreffend gewürdigt. An dieser Betrachtung ändert sich nichts durch das Angebot des Beklagten, die Taxigutscheine auf bis zu sieben Tage in der Woche aufzustocken, denn diese Maßnahme wäre kostspieliger als die KFZ-Hilfe, weshalb das Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) den Ausschlag gibt (vgl. bereits LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.1992 - L 5 Ar 1144/90 = E-LSG Ar-024 = Behindertenrecht 1993, 177).

Der konkrete Mobilitätsbedarf ergibt sich aus dem für den Senat glaubhaften und nachvollziehbarem Vorbringen der Mutter der Klägerin. Wie das SG ist auch der Senat davon überzeugt, dass eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft, abgesehen vom Schulbesuch, weitgehend zum Erliegen gekommen ist, weil kein behindertengerechtes KFZ zur Verfügung steht. Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der Klägerin mehr Teilhabe am Leben in der Gesellschaft möglich ist, wenn Eingliederungshilfe in Form eines behindertengerechten KFZ geleistet wird und glaubt dem geschilderten Vorbringen der Mutter der Klägerin, welche mehrfach ausführlich und nachvollziehbar geschildert hat, welche Unternehmungen im Einzelnen möglich wären und beabsichtigt sind, wenn für die Beförderung gesorgt wäre. Hierzu zählen außer einer verstärkten Teilnahme am Vereinsleben in F., das wiederum Ausflüge ins Umland mit sich brächte, auch Besuche bei Schulfreunden und Verwandten. Der Vertreter des Beklagten zwar im Erörterungstermin vom 12.7.2012 auf dieses Vorbringen der Mutter mit der Aussage "Das nehme ich Ihnen nicht ab" reagiert, aber für den Senat bestehen insoweit keine Anhaltspunkte, dass das Vorbringen der Mutter unglaubhaft sein könnte. Auch für behinderte Kinder endet der Tag nicht mit dem Schulbesuch, auch sie haben Freizeit und freie Wochenenden (so zutreffend OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.9.2007 – 3 L 231/05 = FEVS 59, 280 = RdNr. 19), auch sie existieren in sozialen Bezügen und Ausgangspunkt/Vergleichsmaßstab für den Umfang der gesellschaftlichen Kontakte ist der gleichaltrige nichtbehinderte Mensch (BSG 2.2.2012 a.a.O. RdNr. 27). Es ist zwar zutreffend, wie der Beklagte ausführt, dass die behinderungsbedingten Nachteile bei der Klägerin gravierend sind, daraus ergibt sich aber kein reduzierter Teilhabeanspruch, sondern es ist eben eine qualitativ von ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten abhängige Art der Teilhabe, die die Klägerin erlebt. Immerhin hat sie auch jahrelang die J.-K.-Schule besucht. Der Vermutung des Beklagten, dass die Klägerin möglicherweise bald in einem Heim untergebracht werden könnte, fehlt angesichts des Geschehensablaufs der letzten 6,5 Jahre seit Antragstellung die Tatsachengrundlage; hieraus ergibt sich nichts negatives für den Anspruch.

Die Klägerin wohnt im ländlichen Raum, an ihrem Wohnort gibt es schon gar kein Beförderungsunternehmen, welches die Gutscheine einlöst. Die Standorte der Beförderungsunternehmen in B. und M. sind rund 40 bzw. 50km entfernt und scheiden deshalb bei realistischer Betrachtungsweise praktisch aus, so dass ohnehin nur eine Gutscheineinlösung bei Unternehmen in T.-N. (Entfernung ca. 25km) oder am ehesten F. (Entfernung ca. 10km) in Frage kommt. Die Busse des lokalen ÖPNV am Wohnort der Klägerin sind nicht behindertengerecht und scheiden aus, um den Mobilitätsbedarf zu decken. Ein Teil der Fahrten, etwa zu Ärzten, ist zwar von anderen Leistungssystemen (SGB V, SGB XI) zu decken, aber zu beachten ist für diesen vom Beklagten benannten Bereich auch, dass längst nicht mehr jede erforderliche medizinische Behandlung dem Leistungskatalog des SGB V unterfällt, und ggf. die subsidiären Leistungssysteme SGB II/XII einzustehen haben (vgl. BSG, Urteil vom 6.3.2012 – B 1 KR 24/10 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, juris RdNr. 35 f. unter Bezugnahme u.a. auf §§ 53 ff. SGB XII). Sowohl der Soziale Dienst des Sozialamtes wie auch Dr. M. vom Gesundheitsamt sind in ihren für den Senat überzeugenden Stellungnahmen vom 28.3.2006 und 21.4.2006 zum Ergebnis gekommen, dass ein behinderungsgerecht umgebautes KFZ geeignet und erforderlich ist, um den Eingliederungsbedarf zu decken.

Soweit die Eingliederungshilfe ein KFZ betrifft, muss der behinderte Mensch das KFZ nicht selbst bedienen können; es widerspricht dem Zweck der Eingliederungshilfe nicht, wie der Beklagte möglicherweise meint, dass die Mutter der Klägerin das KFZ steuert (vgl. BSG, Urteil vom 2.2.2012 a.a.O. RdNr. 25; siehe bereits BVerwG, Urteil vom 27.10.1977 – V C 15.77 - BVerwGE 55, 31, 33 f. = FEVS 26, 89). Dem Anspruch auf Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs steht daher § 8 Abs. 3 Eingliederungshilfe-Verordnung nicht entgegen, wonach der behinderte Mensch im Regelfall das Fahrzeug selbst bedienen können soll. Denn diese Voraussetzung gilt nur "in der Regel". Diese Regelung soll verhindern, dass das KFZ statt dem behinderten Menschen Dritten zu Gute kommt. Sie soll aber, dies hat bereits die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung entgegen der unzutreffenden Auffassung des Beklagten betont, nicht dazu führen, dass behinderte Menschen, die wegen Art und Schwere der Behinderung selbst kein KFZ führen können, von der Hilfe ausgeschlossen wird, wenn – wie vorliegend - sichergestellt ist, dass nahe Angehörige, die innerhalb der Familie an der Betreuung und Pflege mitwirken, das KFZ führen. Etwaige Gebrauchsvorteile für die Mutter stehen dem Anspruch auch deshalb nicht entgegen, wie auch das SG bereits zutreffend ausgeführt hat.

Der Umfang der als Geldleistung (Kostenzuschuss) zu gewährenden Hilfe unterliegt zwar grundsätzlich nach § 17 Abs. 2 SGB XII dem Auswahlermessen des Beklagten. Dieses Ermessen ist nach dem Vorstehenden aber auf Null reduziert, da sowohl feststeht, dass die Klägerin ein KFZ benötigt als auch welche Umbaumaßnahmen erforderlich sind. Auch aufgrund seines Fehlverhaltens verbleibt dem Beklagten kein Ermessensspielraum mehr, die Anschaffung eines KFZs wie beschrieben nebst den Umbaumaßnahmen als ungeeignet abzulehnen; das Fehlverhalten der Verwaltung darf nicht zu Lasten der Klägerin gehen (vgl. BSG, Urteil vom 12.8.1982 - 11 RA 62/81 - BSGE 54, 54 = SozR 2200 § 1237 Nr. 18 = juris Zeile 329 ff.; BSG, Urteil vom 16.6.1994 - 13 RJ 49/93 - SozR 3-2200 § 1237 Nr. 4 = juris RdNr. 42). Maßstab für die Anschaffung eines KFZ ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 2.2.2012 a.a.O.), der sich der Senat anschließt ein gebrauchtes KFZ, das im Hinblick auf § 8 Abs. 4 der Eingliederungshilfe-Verordnung eine Nutzungsdauer von mindestens fünf Jahren gewährleisten muss. Ein solches Fahrzeug kostet nach den Internet-Recherchen des Senats und der Klägerseite ca. 18.000 bis 22.000 EUR. Hinzu kommen die erforderlichen Umbaumaßnahmen wegen der behindertengerechten Ausstattung des KFZ (§ 9 Abs. 2 Nr. 4 Eingliederungshilfe-Verordnung). Diese ergeben sich aus Art und Schwere der Behinderungen der Klägerin. Erforderlich sind nach der überzeugenden Stellungnahme Dr. M.s vom 21.4.2006 eine Rampe für den Rollstuhl, ein spezieller Schwenksitz (mit Liegefunktion) mit Vakuumsitzschaleneinheit und ein Spezialtransportgurt für eine gleichermaßen verkehrssichere wie leidensgerechte Beförderung der Klägerin. Diese erforderlichen Maßnahmen kosten ausweislich der vorgelegten Kostenvoranschläge weitere ca. 9.000 – 11.000 EUR (Bl. 67 ff. Verwaltungsakte, Stand 2006, insofern ist ein Spielraum von etwa 15% nach oben aufgrund der Preisentwicklung noch hinzuzurechnen), auch abhängig von der vorhandenen Ausstattung des zu erwerbenden KFZ. Bei dieser behinderungsbedingt erforderlichen Zusatzausstattung handelt es sich auch nicht um Hilfsmittel nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - GKV, SGB V), für welche die Krankenkasse leistungspflichtig wäre. Der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck "Ausgleich einer Behinderung" (vgl. auch § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX), den ein von der GKV zu leistendes Hilfsmittel erfüllen soll, bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht, dass von der GKV über den Ausgleich der Behinderung als solcher (sog. unmittelbarer Behinderungsausgleich) hinaus auch sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen wären (sog. mittelbarer Behinderungsausgleich). Die Pflicht der Krankenkassen geht auch in ihrer Eigenschaft als Rehabilitationsträger nicht über die Sicherung von Grundbedürfnissen hinaus (BSG, Beschluss vom 8.11.2006 - B 3 KR 17/06 B). Ein Hilfsmittel ist von der GKV im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (vgl. etwa BSG, Urteil vom 12.8.2009 – B 3 KR 8/08 R - Elektrorollstuhl). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (vgl. etwa BSG, Urteil vom 16.9.2004 – B 3 KR 19/03 R - BSGE 93, 176, 180, m.w.N.). Vorliegend geht es jedoch darüber hinaus um die Sicherstellung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

Als abzuziehenden Gebrauchtvorteil für die Mutter erachtet der Senat einen Betrag von ca. 3.000 EUR für angemessen. Angesichts der Tatsache, dass die Mutter der Klägerin wegen der Pflege der Tochter nur halbtags arbeiten kann und knapp 1.000 EUR im Monat verdient (Blatt 46 SG-Akte) wäre die Anschaffung eines Gebrauchtwagens für sie in etwa dieser Größenordnung realistisch, wie der Senat im Wege der Schätzung (§ 202 SGG i.V.m. § 287 Abs. 2 ZPO) feststellen kann. Damit wird sich die vom Beklagten zu leistende Hilfe in einer Bandbreite von etwa 24.000 - 30.000 EUR bewegen, in erster Linie abhängig von den am Markt zur Verfügung stehenden Gebrauchtwagen und deren Ausstattung, eine gewisse Schwankung nach oben von ca. 10-15% wäre vom Beklagten hinzunehmen, da die Kostenvoranschläge z.T. einige Jahre alt sind und die Beträge sich ggf. inflationsbedingt nach oben geändert haben.

Ein Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit liegt nicht vor. Abgesehen davon, dass bei der Eingliederungshilfe die Wirksamkeit der Hilfe und nicht die möglichste Schonung der öffentlichen Finanzen im Vordergrund steht und sich eine Auslegung verbietet, die allein auf die finanziellen Auswirkungen der begehrten Hilfe auf die öffentlichen Finanzen abhebt (so wörtlich bereits BVerwG, Urteil vom 31.8.1966 – V C 185.65 - BVerwGE 25, 28 (31) = juris RdNr. 15) entstehen vorliegend auch - im Vergleich zu der Gutscheinausgabe des Beklagten – keine unverhältnismäßigen Mehrkosten (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Die Beantwortung der Frage, ob unverhältnismäßige Mehrkosten vorliegen, verlangt zum einen nach einem Kostenvergleich der im Raum stehenden (gleichwertigen und gesetzmäßigen) Maßnahmen, zum anderen auch nach einer wertenden Betrachtung (vgl. Hassel/Gurgel/Otto, Handbuch des Fachanwalts Sozialrecht, 3. Aufl. 2012, S. 995 f. m.w.N. zur verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung). Der Kostenvergleich ist vorliegend nur eingeschränkt möglich, weil die vom Beklagten vorgeschlagene Maßnahme unzureichend ist, die Klägerin in ihren Rechten verletzt und deshalb nicht den rechten Vergleichsmaßstab hergibt. Ausgehend von den bewilligten 8 Fahrten im Monat von bis zu 26 EUR, hochgerechnet auf 5 Jahre (Regelzeitraum nach § 8 Abs. 4 Eingliederungshilfeverordnung) ergibt sich ein Betrag von rund 12.500 EUR; bereits bei angenommenen 2 wöchentlichen Hin- und Rückfahrten (also 4 Fahrten pro Woche bzw. 16 Fahrten pro Monat) ein Betrag von 25.000 EUR. Die in der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellte Steigerung auf Gutscheine an bis zu sieben Tagen würde die Beträge nochmals erheblich erhöhen. Bei einer Heimunterbringung der Klägerin würden auch deutlich höhere Kosten entstehen, als bei der KFZ-Hilfe. Bei dieser Sachlage gibt das Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) den Ausschlag, denn angesichts der Vergleichsbeträge bewegt sich der beschriebene Umfang der KFZ-Hilfe in einem vertretbaren Rahmen, insbesondere auch unter dem Aspekt der Unterstützung der Selbsthilfekräfte der Familie (§ 16 SGB XII, siehe oben). Dies kann im Rahmen der wertenden Betrachtungsweise nicht außer Acht bleiben.

Unschädlich ist es, da der Anspruch auf eine Geldleistung zielt, wenn sich die Klägerin das KFZ nebst Umbau umgehend selbst beschafft und dem Beklagten den Betrag in Rechnung stellt (vgl. BSG 2.2.2012 a.a.O. RdNr. 21). Falls der Beklagte nach Vorlage der entsprechenden Kauf- bzw. Umbaukostenvoranschlägen bzw. -rechnungen nicht umgehend den in Frage stehenden Bewilligungsbescheid erlässt und die Geldleistung erbringt und die Klägerseite ein Darlehen aufnehmen muss, trägt der Beklagte wegen des rechtswidrigen Verwaltungshandelns die Zinsen in angemessener marktüblicher Höhe (vgl. zur Kostenerstattung bei rechtswidriger Leistungsverweigerung und Übernahme von Zinsen wegen eines deshalb aufgenommenen Kredits BSG, Urteil vom 17.6.2010 – B 14 AS 58/09 RBSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 41 RdNr. 35 m.w.N.).

Die Klägerin hat nach alledem auch einen Anspruch auf Übernahme der Betriebskosten in angemessenem Umfang (§ 10 Abs. 6 Eingliederungshilfe-VO). Angesichts des nur mittelbaren Gebrauchsvorteils für die Mutter erachtet der Senat gem. § 202 SGG i.V.m. § 287 Abs. 2 ZPO einen Anspruch auf Übernahme von 3/4 der Betriebskosten durch den Beklagten für angemessen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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