S 13 KR 26/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 26/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 300/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang sich die Beklagte an den Kosten einer Hörgeräteversorgung zu beteiligen hat; der Kläger begehrt von ihr die Zahlung weiterer 1.431,62 Euro.

Der am 00.00.1949 geborene Kläger ist als Gebietsverkaufsleiter eines Getränkeverlages tätig. Als solcher führt er im Außendienst häufig Kundengespräche. Seit einem Hörsturz leidet er an einer Innenohrschwerhörigkeit rechts und chronischem Tinnitus beider Ohren. Am 31.10.2000 verordnete der HNO-Arzt Dr ... vertragsärztlich ein Hörgerät für das rechte Ohr. In der Folgezeit erprobte der Kläger mit dem Hörgeräteakustiker ... sechs verschiedene mehrkanalige, digital programmierbare Hörgeräte, von denen drei mit digitaler Signalverarbeitung und drei mit analoger Signalverarbeitung ausgestattet waren. Zwei dieser erprobten Hörgeräte wurden von dem Hörgeräteakustiker ... zuzahlungsfrei angeboten; diese beiden Geräte waren mit analoger Signalverarbeitung ausgestattet, eines gehört zur Festbetragsgruppe 3, das andere zur Festbetragsgruppe 2. Der Kläger entschied sich zuletzt für das Hörgerät " ..." (HV-Nr. 13.20.03.3149). Er war zuvor vom Hörgeräteakustiker darüber informiert worden, dass die Krankenkasse zu diesem Gerät nur einen Festbetrag übernehme und er den darüber hinausgehenden Betrag als Eigenanteil zu leisten habe. Am 08.02.2001 bescheinigte Dr ...auf der Rückseite der Hörgeräteverordnung, dass die vorgeschlagene Hörhilfe zweckmäßig sei und durch sie eine ausreichende Hörbesserung erzielt werde.

Am 02. März 2001 reichte der Kläger bei der Beklagten die Hörhilfeverordnung nebst einem Attest von Dr ... vom 09.02.2001 ein, in dem dieser zur Erhaltung der sozialen Kommunikation ein digital gesteuertes Hörgerät medizinisch für erforderlich hielt. Des Weiteren legte der Kläger einen Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers ...vom 13.02.2001 über 3.795,00 DM für das ausgesuchte Hörgerät sowie 75,00 DM für eine Secretear Schale, insgesamt 3.870,00 DM vor und bat um Übernahme der Kosten.

In einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 01.06.2001 bejahte Dr ... die medizinische Indikation für ein Hörgerät und empfahl die Kostenübernahme zum Festbetrag.

Daraufhin erteilte die Beklagten durch Bescheide vom 06.06.2001, 26.07. 2001 und 24.09.2001 die Zusage, sich an der Hörgeräte versorgung in Höhe des Festbetrages von 995,00 DM zu beteiligen. Mit weiterem Bescheid vom 21.01.2002 übernahm sie auch die Kosten für die Secretear Schale (38,35 Euro/75,00 DM).

Am 12.06.2001 zahlte der Kläger dem Hörgeräteakustiker den über den Festbeträgen liegenden Zahlbetrag entsprechend dem Kostenvor anschlag, also 2.800,00 DM (= 1.431,62 Euro).

Am 15.06. und 22.08.2001 legte der Kläger gegen die Entscheidung der Beklagten, ihre Leistung zur Hörgeräteversorgung auf den Festbetrag zu beschränken, Widerspruch ein. Er verwies auf seine berufliche Tätigkeit; im Kundengespräch müsse er sich hundertprozentig auf den Kunden konzentrieren; deshalb sei es für ihn äußerst wichtig, die besten Hilfsmittel zu bekommen, um seine extreme Hörschwäche zu überwinden, weshalb er um Übernahme der vollständigen Kosten bitte. Der Kläger legte eine Bescheinigung des Hörgeräteakustikers ... vom 21.08.2001 vor; danach habe der Kläger von den erprobten Geräten bei denjenigen mit analoger Signalverarbeitung ein störendes Eigenrauschen im hörbaren Bereich empfunden, welches bei Hörgeräten mit digitaler Signalverarbeitung nicht vorhanden sei.

In einer von der Beklagten eingeholten ergänzenden MDK-Stellungnahme erklärte Dr ...am 20.09.2001, die Notwendigkeit einer digitalen Verstärkertechnik sei beim Kläger nicht nachvollziehbar, da das Eigenrauschen von Hörgeräten mit analoger Verstärkertechnik im Hauptsprachbereich ab 500 Hz nicht zum Tragen komme.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 15.05.2002 zurück: Soweit der Kläger eine optimale Versorgung für seine berufliche Tätigkeit benötige, sei diese nicht von der Krankenkasse zu leisten, da berufliche Rehabilitation nicht der gesetzlichen Krankenversicherung zugewiesen sei. Der Kostenanteil der Krankenkasse beschränke sich auf 995,00 DM für das Hörgerät und 75,00 DM für die Secretear Schale.

Dagegen hat der Kläger am 29.05.2002 Klage erhoben. Er verweist insbesondere auf seine berufliche Situation und die damit verbundenen Höranforderungen, aber auch auf die in seinem Familienleben durch den Hörschaden als Folge des Hörsturzes eingetretenen Probleme. Durch die Schädigung des rechten Ohrs sei sein Gleichgewichtssinn erheblich in Mitleidenschaft gezogen und gestört worden; vor der Versorgung mit dem streitgegenständlichen Hörgerät sei er nicht in der Lage gewesen, sich im Straßenverkehr als Fußgänger zu bewegen; er sei ständig verunsichert gewesen. Der Kläger meint, die Versorgung digitaler Verstärkertechnik sei nicht nur medizinisch indiziert, sondern auch notwendig; sowohl Dr ... als auch der Hörgeräteakustiker ...hätten festgestellt, dass bei der Schwere seiner Schädigung ein Analoggerät keine Wirkung zeige. Der Kläger macht geltend, er wolle medizinisch optimal versorgt werden, was nach seinem subjektiven Eindruck nur mit dem angeschafften digitalen Hörgerät möglich sei. Er behauptet, es gebe kein anderes Mittel, um ihm auch nur ansatzweise zu helfen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Abänderung der Bescheide vom 06.06., 26.07., 24.09.2001 und 21.01.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2002 zu verurteilen, ihm 1.431,62 Euro anlässlich der Versorgung mit dem Hörgerät " ..." zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat dem Gericht eine Liste überreicht, in der mehrkanalige und zum Teil volldigital arbeitende Hörgeräte der Festbetragsgruppe 3 aufgeführt sind; sie schlussfolgert aus dieser Liste, dass eine Versorgung zum Festbetrag möglich sei. Ergänzend hat sie Auskünfte der Hörgeräteakustikbetriebe ... und ... vorgelegt, wonach die beim Kläger erzielte Hörverbesserung mit zuzahlungsfreien Geräten erzielt werden könne.

Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere zur Notwendigkeit und den näheren Umständen der Hörgeräteversorgung des Klägers ein medizinisches Sachverständigengutachten von dem HNO-Arzt Prof. Dr ... vom 27.01.2003 (mit Ergänzung vom 19.02.2003) und Stellungnahmen des Hörgeräte akustikers ...vom 03.07.2003 und des HNO-Arztes Dr ...vom 08.07.2003 eingeholt, auf die verwiesen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schrift sätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat mit den ablehnenden Bescheiden zu Recht den gesetzlichen Anspruch des Klägers im Rahmen seiner Hörgeräteversorgung auf die Zahlung eines Festbetrages von 995,00 DM für das Hörgerät und 75,00 DM für die Secretear Schale begrenzt und eine Erstattung der dar über hinaus angefallenen Kosten von 2.800,00 DM (= 1.431,62 Euro) abgelehnt.

Als Ausnahme des in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorherrschenden Sachleistungsprinzips (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -) haben Versicherte Anspruch auf Erstattung der Kosten, die dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine notwendige Leistung zu Unrecht abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V).

Es fehlt vorliegend nicht an dem notwendigen Ursachenzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung der Leistung. Zwar hatte der Kläger den Versorgungsanspruch erst geltend gemacht (02.03.2001), nachdem ihm das Hörgerät verordnet (31.10.2000) und - nach Erprobung auch anderer Geräte - angepasst (Anfang Februar 2001) worden war und sein Arzt die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des gewählten Hörgeräts bescheinigt hatte (08.02.2001). Dies allein steht einem Kostenerstattungansanpruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V aber nicht entgegen. Nach der an den medizinisch-technischen Notwendigkeiten orientierten Praxis im Bereich der Versorgung mit Hörhilfen entscheiden die Krankenkassen nämlich erst dann über einen solchen Versorgungsantrag, wenn der Versicherte sich für ein bestimmtes Gerät entschieden hat und der Arzt das vom Leistungserbringer vorgeschlagene und vom Versicherten gewählte Gerät in einer gesonderten Bescheinigung gegenüber der Krankenkasse für ausreichend und zweckmäßig erklärt hat (BSG, Urteil vom 28.01.2003 - B 3 KR 7/02 R -).

Der Anspruch auf Erstattung des vom Kläger bezahlten Anteils der Kosten der Hörgeräteversorgung besteht jedoch deshalb nicht, weil die Beklagte nicht zur Sachleistung des gewählten Hörgeräts " ..." verpflichtet war und ihre Leistungspflicht mit der Zahlung von 995,00 DM für das Hörgerät und 75,00 DM für die Secretear Schale unmittelbar an den Hörgeräteakustiker erfüllt hat.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Ver sorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erfor derlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 ausgeschlossen sind. Ist für ein erforderliches Hilfsmittel ein Festbetrag nach § 36 festgesetzt, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrags (§ 33 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Festbeträgen sind die §§ 35, 36 SGB V. Die Festbeträge für Hilfsmittel sind "so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten" (§ 36 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 35 Abs. 5 Satz 1 SGB V). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat durch Urteil vom 10.12.2002 (1 BvL 28/95, 29/95 und 30/95) die in § 36 SGB V den dort genannten Verbänden einräumte Ermächtigung, Festbeträge festzusetzen, als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Verbände der Ersatzkassen haben auf der Grundlage des durch die Spitzenverbände der Krankenkassen gemäß § 36 Abs. 1 und 4 SGB V verabschiedeten Festbetragsgruppensystems für Hörhilfen Festbeträge für Hörhilfen beschlossen (vgl. Bekanntmachung über die Festsetzung von Festbeträgen für Hörhilfen gemäß § 36 Abs. 2 SGB V für Nordrhein-Westfalen vom 21.07.1997 - BAnz 1997, S. 9169). Danach betrugen die Festbeträge bei einer Hörgeräteversorgung im Jahre 2001 für ein - im Fall des Klägers unstreitig notwendiges - mehrkanaliges HdO- und IO-Gerät (HdO = Hinter dem Ohr; IO = Im Ohr) 995,00 DM und für ein Ohrpassstück (Secretear Schale) 75,00 DM. Diese Beträge hat die Beklagte gezahlt.

Mit der Übernahme des Festbetrags erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht (§ 12 Abs. 2 SGB V). Der Festbetrag stellt die Obergrenze des Leistungsanspruchs des Versicherten dar. Die Fest setzung eines Festbetrags bedeutet aber keine Abkehr vom Sachleistungsprinzip, das sich am Bedarf des Versicherten orientiert (BVerfG, a. a. O.; BSG, a. a. O.).

Der von der GKV zu befriedigende Bedarf des Versicherten hat sich allerdings auch am Wirtschaftlichkeitsgebot zu orientieren. Nach § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (Satz 1). Leistungen, die nicht notwendig oder un wirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkas sen nicht bewilligen (Satz 2). Dementsprechend erstreckt sich die Leistungspflicht der GKV bei Verlust von Organfunktionen auf einen Basisausgleich, nicht aber auf die Gewährung einer optimalen Versorgung, wie der Kläger meint. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass Aufgabe der GKV im Rahmen der Hilfsmittel versorgung allein die medizinische Rehabilitation ist. Dies bedeutet, dass die Körperfunktionen soweit wie möglich wieder hergestellt werden, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können (BSG SozR-2500 § 33 Nrn. 29, 32; SozR 3-1200 § 33 Nr. 1). Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation, die auch die Versorgung mit einem Hilfsmittel umfassen kann, ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 29, 32). Der hiernach bestehende Bedarf des Versicherten zur Befriedigung sei ner allgemeinen Grundbedürfnisse (Grundbedarf) bestimmt, welches Hilfsmittel "erforderlich" im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist und das Maß des Notwendigen (§ 12 Absatz 1 SGB V) nicht über schreitet.

Von dem die Leistungspflicht der Krankenkassen begrenzenden Grundbedarf zu unterscheiden ist der Bedarf, den der Versicherte nach seinen individuellen Verhältnissen und seinen persönlichen Wünschen bei sich sieht und befriedigt wissen will. Vor Beginn der Hörgeräteerprobung und -anpassung ermittelt der Versicherte mit dem Hörgeräteakustiker ein individuelles Hörziel, das sich aus den gesundheitlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten des Versicherten einerseits und seinen Wünschen und Vorstellungen andererseits ergibt. Entsprechend diesem vorher definierten Hörziel erfolgt die Auswahl und Erprobung verschiedener Hörgeräte und schließlich die Wahl und Anpassung des dem Hörziel am nächsten kommenden Hörgerätes.

Aus den Darlegungen des Klägers folgt, dass sein Hörziel darauf gerichtet war, seine hörschadenbedingten Gleichgewichtsstörungen in den Griff zu bekommen, den beruflich bedingten hohen Konzentrations- und Höranforderungen an die Tätigkeit als Verkaufsleiter eines Getränkeverlages zu genügen und mit dem "besten Hilfsmittel" (Widerspruchsschreiben vom 11.06.2001) "medizinisch optimal versorgt" (Schriftsatz vom 17.09.2002) zu werden. Aus den insoweit übereinstimmenden Feststellungen des HNO-Arztes Dr ..., des MDK und des vom Gericht zum medizinischen Sachverständigen bestellten Prof. Dr ...er gibt sich, dass der beim Kläger vorliegende Hörschaden nach Hörsturz (Innenohrschwerhörigkeit rechts und Ohrgeräusche) ein mehrkanaliges Hörgerät der Festbetragsgruppe 3 indiziert. Der Sachverständige Prof. Dr ...hat überzeugend dargelegt, dass "bei den großen Unterschieden im Hörverlust im Frequenzverlauf des rechten Ohres" und zur Vermeidung von Schwindelgefühlen ein mehrkanaliges Hörgerät mit digitaler Verstärkertechnik erforderlich ist, um auch Unsicherheiten und Orientierungsschwie rigkeit im Straßenverkehr zu beseitigen. Soweit Dr ...meint, dass eine analoge Verstärkertechnik genüge, hat Prof. Dr ...dargelegt, dass das Eigenrauschen analoger Hörgeräte nicht zumutbar sei, da gerade im Frequenzbereich von 250 Hz bei Männerstimmen ein Hauptbereich des Frequenzspektrums liege.

Der Sachverständige hat aber ebenso deutlich gemacht, dass die vom Kläger geschilderte Beschwerdesymptomatik "bei der beruflichen Akquisition von Kunden in Lokalen mit Nebengeräuschen sich nur durch die jetzt durchgeführte Hörgeräteversorgung einigermaßen beheben lässt". Der Behandlungserfolg - so der Sachverständige - sei mit dem angepassten Hörgerät erreicht worden, "weil die Hörgeräteanpassung zum großen Teil auf ganz subjektiven Angaben des Patienten beruht, der im Zeitpunkt der Hörgeräteanpassung natürlich selbst maximal daran interessiert war, den besten Erfolg zu erreichen. Und dieser ist eben mit dem verordneten Hörgerät erreicht worden". Dies ist in Bezug auf das vom Kläger gesetzte hohe Hörziel nachvollziehbar. Daraus folgt jedoch kein Anspruch auf Übernahme der vollen Kosten für dieses Hörgerät, da der Kläger zur Befriedigung des Grundbedarfs ausrei chend mit einem zuzahlungsfreien Hörgerät versorgt werden kann und konnte.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es keine allgemein gültige Liste zuzahlungsfreier Hörgeräte für die jeweiligen Festbetragsgruppen gibt. Die von der Beklagten vorgelegte Liste enthält lediglich Hörgeräte der Gruppe 3, woraus aber keinesfalls folgt, dass diese allesamt zum Festbetrag erhältlich wären. Die Preise für Hörgeräte werden von den Hörgeräteakustikern frei kalkuliert. Es ist also möglich, dass ein Hörgeräteakustiker ein bestimmtes Gerät zuzahlungsfrei anbietet, das ein anderer Hörgeräteakustiker nur mit Zuzahlung des Versicherten, d. h. über den Festbetrag verkaufen kann.

Die Ermittlungen der Beklagten haben ergeben, dass es mehr kanalige, digital programmierbare und mit digitaler Verstärker technik ausgestattete Hörgeräte zum Festbetrag (zuzahlungsfrei) gibt. Beispielsweise wird so das Hörgerät " ..." (HV-Nr. 13.20.03.0042) von dem Hörgeräteakustikerunternehmen ...angeboten. Bei der Vielzahl mehrkanaliger Hörgeräte mit digitaler Verstärkertechnik und der großen Anzahl von Hörgeräteakustikerbetrieben in Deutschland geht die Kammer davon aus, dass noch weitere dieser Geräte zuzahlungsfrei angeboten werden. Das BVerG hat in der erwähnten Entscheidung vom 17.12.2002 dargelegt, dass es Aufgabe der zuständigen Gerichte sei zu klären, welche Bedeutung dem Zusatz "im Allgemeinen" in § 35 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 36 Abs. 3 SGB V zukommt. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Festsetzung von Festbeträgen für Hörhilfen in Nordrhein-Westfalen im hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt den Vorgaben des § 36 Abs. 3 i. V. m. § 35 Abs. 5 Satz 1 SGB V genügt hat; denn mit dem Festbetrag von 995,00 DM war, wie oben ausgeführt, ein mehrkanaliges Hörgerät mit digitaler Verstärkertechnik erhältlich. Aus diesem Grund hat die Beklagte ihre Leistungspflicht mit der Zahlung des Festbetrages erfüllt.

Soweit der Kläger geltend macht, es gebe überhaupt kein anderes als das gewählte Hörgerät, um ihm auch nur ansatzweise zu helfen und eine zweckmäßige und ausreichende Hörversorgung zu gewährleisten, verkennt er, dass sein Hörgeräteakustiker bei ihm nur solche zuzahlungsfreien Hörgeräte erprobt hat, die mit analoger Signalverarbeitung ausgestattet waren. Nur bei diesen beiden und einem weiteren Hörgerät über dem Festbetrag, das jedoch auch nur mit analoger Signalverarbeitung ausgestattet war, hatte der Hörgeräteakustiker festgestellt, dass zwar in ruhiger Umgebung eine ausreichende Hörverbesserung zu erreichen gewesen sei, je doch in normalen täglichen Hörsituationen mit Umgebungsgeräuschen eine Verschlechterung eintrete, die sich in einer gestörten Richtungswahrnehmung und in Schwindelgefühl äußere (Stellungnahme des Hörgeräteakustikers ... vom 03.07.2003, Seite 2 zu Frage 5). Daraus folgt, dass nicht nur das vom Kläger angeschaffte Hörgerät, sondern auch die beiden anderen erprobten Hörgeräte mit digitaler Signalverarbeitung die beschriebene Verschlechterung in Hörsituationen mit Umgebungsgeräuschen nicht zeigten. Der Hörgeräteakustiker hat an keiner Stelle erklärt, dass das ange schaffte Hörgerät " ... " das einzige Hörgerät ist, das beim Kläger eine zweckmäßige und ausreichende Hörversorgung gewährleistet. Vielmehr hat er erklärt, der Kläger habe das Hörgerät gewählt, das in der Lage sei, seine Anforderungen an den Ausgleich seiner Hörminderung in privater als auch in beruflicher Hinsicht zu erfüllen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage brauchte die Kammer der Anregung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, den Sachverhalt weiter aufzuklären, nicht nachzukommen. Die von ihm unter Beweis ge stellte Behauptung, dass das angeschaffte Hörgerät " ..." das einzige Hörgerät sei, was bei ihm eine zweckmäßige und ausreichende Hörversorgung gewährleiste, und es dieses Gerät nicht ohne Eigenbeteiligung gebe, ist nicht beweiserheblich und im Übrigen auch nicht oder nur mit unver hältnismäßig hohem Aufwand beweisbar. Ein Anspruch des Klägers auf volle Übernahme der Kosten für das angeschaffte Hörgerät wäre nur dann gegeben, wenn einzig und allein dieses bei ihm eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung des Grundbedarfs gewährleisten würde. Sowohl der Sachverständige Prof. Dr ...als auch der Hörgeräteakustiker ...haben aber dargelegt, dass die Hörgeräteanpassung auf ganz subjektiven Angaben des Patienten beruht und seine Anforderungen an den Ausgleich seiner Hörminderung in privater und auch in beruflicher Hinsicht erfüllt hätten. Wenn also der Kläger das angeschaffte Hörgerät für ausreichend und zweckmäßig hält, bezieht sich dies auf sein im Zeitpunkt der Hörgeräteanpassung bestehendes Maximalinteresse, den besten Erfolg zu erreichen, und nicht an einer Grundbedarfversorgung. Um feststellen zu können, ob das vom Kläger angeschaffte Hörgerät auch im Hinblick auf die Grundbedarfversorgung das einzig ausreichend und zweckmäßige, nicht zuzahlungsfrei erhältliche Hörgerät war, wäre es erforderlich, - den Grundbedarf des Klägers und ein diesem entsprechendes Hörziel zu definieren, -sämtliche auf dem Markt befindliche mehrkanalige Hörgeräte mit digitaler Verstärkertechnik beim Kläger auf ihre Geeignetheit und Zweckmäßigkeitkeit zur Erfüllung dieses Grundbedarfs zu erproben - und anschließend bei allen Hörgeräteakustikern in Deutschland nachzufragen, ob eines dieser (u. U. zahlreichen geeigneten und ausreichenden) Hörgeräte zuzahlungsfrei angeboten wird.

Dies überschreitet die Grenzen des Amtsermittlungsgrundsatzes.

Das BVerfG hat im Urteil vom 17.12.2002 ausgeführt:

"Die Auslegung der in § 2 Abs. 4, § 4 Abs. 4, § 12 Abs. 1 SGB V verwendeten Begriffe ist ständig im Fluss. Im Bereich der Arzneimittel beruht dies auf der Entwicklung der Medizin und der Pharmakologie, aber auch auf den Produktveränderungen, die der Markt Jahr für Jahr mit verbesserten oder nur neuen Arznei en und Hilfsmitteln anbietet. Was noch vor einiger Zeit als wirkungsvoll und zweckmäßig erschien, kann durch neue Erkenntnisse als schädlich eingestuft werden. Ein Verhalten, das vormals wirtschaftlich war, wird unwirtschaftlich, sobald andere Anbieter therapeutisch gleich wirksame Mittel zu günstigeren Preisen offerieren. Soweit man die Ansprüche in der Krankenversicherung individuell begreift, sind die unbestimmten Rechtsbegriffe deshalb nur für einen konkreten Zeitpunkt und einen konkreten Versicherten verlässlich und exakt ausfüllbar. Ein Versicherungs system muss jedoch für die Versicherten im Wesentli chen Gleichbehandlung garantieren und kann dies nur, wenn die typischen Fälle in Gruppen zusammengefasst werden. Dies erleichtert oft die Erfüllung der Auf gabe, die Versicherten nach dem jeweiligen Stand der Erkenntnis oder dem Stand der Technik angemessen zu versorgen. Die Konkretisierung des Wirtschaftlich keitgebots durch das Verfahren nach §§ 35, 36 SGB V macht das Verwaltungshandeln der Krankenkassen für die Teilnehmer am Gesundheitsmarkt effektiver und vorhersehbarer."

Die Kammer ist der Überzeugung, dass die Festsetzung für die Festbeträge für Hörhilfen gemäß § 36 Abs. 2 für Nordrhein- Westfalen (vom 21.07.1997) den Sachleistungsanspruch in rechtmäßi ger Weise begrenzt (so auch: LSG Brandenburg, Urteil vom 28.01.2003 - L 4 KR 12/01, das allerdings für eine Einzelfallentscheidung bei der Leistungsgewährung im Rahmen der Festbetragsfestsetzung keinen Raum sieht und durch die Festsetzung der Festbeträge den Sachleistungsanspruch generell als befriedigt ansieht).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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