Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
55
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 34011/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze:
1. Die Umstellung der ursprünglich auf Erbringung von Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB II zielende Leistungsklage auf eine auf Kostenerstattung gerichtete Zahlungsklage ist auch ohne Vorbefassung der Behörde mit der Erstattungsforderung zulässig.
2. Der Gutschein nach § 29 SGB II ändert nicht den Charakter der Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II als Sach- bzw Dienstleistung, sondern hat die Funktion einer drittbegünstigenden Zusicherung der Anspruchsvoraussetzungen.
3. Bei rechtswidriger Verweigerung der Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB II sind die Kosten der sodann selbstbeschafften Leistung direkt dem Anspruchsberechtigten zu erstatten. Eine solche Kostenerstattungspflicht folgt aus dem grundrechtsverwirklichenden Charakter der Leistungen ebenso wie aus § 2 Abs 2 letzter Teilsatz SGB I und dem Prinzip der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art 20 Abs 3 GG).
4. Der Begriff ?Mitgliedsbeitrag? in § 28 Abs 7 Nr 1 SGB II ist weit auszulegen und nicht in dem Sinne eng zu verstehen, dass nur die Mitgliedschaft in eingetragenen Vereinen und Verbänden gefördert werden soll. Vielmehr umfasst der Begriff sämtliche Gebühren und Beiträge für institutionell organisierte Aktivitäten, welche als Teilhabeangebote im Sinne der Vorschrift anzuerkennen sind.
5. Die Einbeziehung der Eltern bei der sozialen und kulturellen Teilhabe von Kindern unter drei Jahren ist notwendig (z.B. beim Babyschwimmen) und verändert nicht den Charakter entsprechender Angebote als Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II, welche allerdings Familienaktivitäten (Kino, Museum, Zoo etc) nicht erfassen.
6. Eine Nachweisführung über die Teilnahme zu fordern gestattet der Gesetzgeber den Behörden in Abweichung von dem nach §§ 20 ff SGB X eingeräumten Ermessen bei der Sachverhaltsaufklärung nach § 29 Abs 4 SGB II nur in begründeten Einzelfällen.
7. Der Bewilligungszeitraum für Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II kann von demjenigen der Grundsicherungsleistungen abweichen und beispielsweise das Schuljahr umfassen.
8. Sofern Angebote mit höheren Kosten als 10,00 EUR im Nutzungsmonat über mehrere Monate genutzt werden, kommt im Rahmen von Ansparmöglichkeiten die volle Übernahme der Kosten in Betracht, wenn die Angebote nicht in allen Monaten des Bewilligungszeitraumes genutzt werden.
Tenor:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 2. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2011 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Teilhabeleistungen bis 30. März 2012 in Höhe von 63,00 EUR zu zahlen. 3. Die Beklagte hat dem Kläger und dessen außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites zu erstatten. 4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB II für das vom Kläger bis März 2012 in Anspruch genommene Babyschwimmen und die Erstattung der dafür entstandenen Kosten.
Der im März 2011 geborene Kläger bezieht wie sein älterer Bruder Sozialgeld. Seine Mutter erhält Arbeitslosengeld II. Die Leistungen waren zunächst mit Bescheid vom 17. Mai 2011 bis September 2011 bewilligt worden. Mit Bescheid vom 9. September 2011 waren der Familie die Grundsicherungsleistungen von Oktober 2011 bis März 2012 bewilligt worden.
Die Mutter des Klägers beantragte mit Schreiben vom 30. Mai 2011 für ihre beiden Kinder Teilhabeleistungen rückwirkend und für die Zukunft. Sie bat um Mitteilung der Möglichkeiten, wie man den Gutschein auch ohne Verein einsetzen könne. Die Beklagte adressierte am 18. Juli 2007 eine Zwischenmitteilung an die Mutter des Klägers. Danach würde für Teilhabeleistungen bei Sportvereinen der Mitgliedsvertrag benötigt werden, sobald vorhanden. Sollte der Monatsbeitrag über 10 EUR liegen, werde um Bestätigung gebeten, dass die Differenz vom Kläger getragen werde. Mit Schreiben vom 19. August 2011 wandte sich die Mutter des Klägers erneut an die Beklagte und fragte, wie sie die Gelder beantragen müsse, wenn sie mit dem Kläger Babyschwimmen, Spielkurse nach PEKiP oder ähnliches machen wolle. Mit Schreiben vom 29. September 2011 erinnerte sie an die Beantwortung ihrer Anfragen.
Die Beklagte wies den Antrag mit Bescheid vom 2. November 2011 zurück. Trotz der Aufforderung vom 18. Juli 2011 habe die Mutter des Klägers keinen Mitgliedsvertrag für einen Verein für den Kläger eingereicht; auch eine Bestätigung über eine Teilnahme an einem Kurs für Babyschwimmen liege nicht vor.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 21. November 2011. Die gesetzliche Ausgestaltung erfolge über eine Gutscheinerteilung. Hier sei insbesondere die Ansparmöglichkeit zu beachten. Im Gesetz sei nicht verankert, dass schon bei Antragstellung klar sein müsse, wofür das Kind den Gutschein verwenden werde. Die Ausgabe der Gutscheine solle im Voraus erfolgen. Die durch die Beklagte praktizierte Vorgehensweise würde sämtliche Intentionen des Gesetzgebers aushöhlen und dem Kläger die Möglichkeiten zur Nutzung der Teilhabeleistungen entziehen.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2011 zurück. Die angefochtene Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Für das Kind seien trotz Aufforderung weder ein Mitgliedsvertrag für einen Verein noch eine Teilnahmebestätigung für einen Kurs Babyschwimmen eingereicht worden. Damit sei kein Angebot vorgelegt worden, welches gruppenbezogen strukturiert sei und bei dem das Gemeinschaftserleben im Vordergrund stehe. Ein Angebot, das zielorientiert der Unterstützung der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung bzw der Vermittlung sozialer Gemeinschaftstrukturen diene, sei nicht ersichtlich. Ein Angebot im Sinne von § 28 Abs 7 SGB II liege somit nicht vor.
Der Kläger verfolgt sein Begehren mit seiner Klage vom 22. Dezember 2011 weiter. Er reichte die Quittung der Berliner Bäder Betriebe vom 27. Oktober 2011 für einen Kurs Babyschwimmen vom 31. Oktober bis 19. Dezember 2011 ein. Der Gesetzgeber verlange von den Teilhabeberechtigten gerade nicht, dass sie die Leistungen vorzuschießen haben. Der Gesetzgeber habe § 29 SGB II vielmehr so ausgestaltet, dass die Leistungen im Voraus gewährt würden. Aus dem im Internet veröffentlichten Familien-Wegweiser des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ergebe sich, dass das Babyschwimmen vom Teilhabepaket erfasst sei. Sofern die Beklagte darauf verweise, dass die Mutter des Klägers das Antragsverfahren nicht eingehalten habe, müsse bedacht werden, dass der Laie nicht genau wisse, wie er die Leistung erlangen könne. Im Falle des Klägers habe die Beklagte die Leistung nach Antragstellung gerade verweigert. Der Kläger legte die Quittung für die Kursgebühren eines weiteren Babyschwimm-Kurses vor, welcher vom 6. Januar bis 30. März 2012 lief und 39,00 EUR kostete. Nachweise über die Teilnahme an entsprechenden Kursen seien ausweislich der Regelungen in § 29 SGB II nur ausnahmsweise zu verlangen. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass der Kläger die Kurse nicht besucht habe. Die Kursleiter seien mit anderen Dingen beschäftigt, als Grundsicherungsempfängern die einzelne Teilnahme am Babyschwimmen zu bestätigen.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 2. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2011 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Teilhabeleistungen bis 30. März 2012 nach § 28 Abs 7 SGB II in Höhe von 63,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sich allein aus den Kaufquittungen für die Kurse nicht ergebe, dass der Kläger diese Kurse auch belegt habe, denn die Quittungen seien nicht personalisiert. Die tatsächliche Teilnahme lasse sich daraus ebenfalls nicht ersehen. Eine direkte Zahlung der Teilhabeleistungen an die Grundsicherungsempfänger scheide aus. Aus den Ausführungsvorschriften des Landes Berlin ergebe sich, dass vor Inanspruchnahme der Leistung zunächst ein schriftliches Angebot des Leistungserbringers mit Kosten, Trägerbezeichnung und Bankverbindung vorzulegen sei. Dieses Verfahren habe die Mutter des Klägers nicht eingehalten.
Der Kammer haben außer den Prozessakten die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze, das Protokoll und den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 63,00 EUR für die erfolgte Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen im Rahmen der Babyschwimmkurse gemäß §§ 28 Abs 7 SGB II, 2 Abs 2 SGB I. Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 2. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt Rechte des Klägers, weshalb dieser auch Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides hat.
Die Klage ist zulässig. Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II sind als ?neben dem Regelbedarf gesondert zu berücksichtigende? Bedarfe eigenständige, von der Entscheidung über die Geldleistungen zur Grundsicherung abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können. Dies folgt bereits aus der besonderen Leistungsform als Sonderbedarf und Sach-/Dienstleistung (§ 29 SGB II), aber auch aus dem besonderen Bewilligungszeitraum, der von demjenigen der Grundsicherungsleistungen abweichen und etwa das Schuljahr umfassen kann.
Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig. Dabei entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nicht bereits deshalb, weil der angefochtene Bescheid den Teilhabeanspruch als solchen betrifft, während die Zahlungsklage einen Erstattungsanspruch zum Inhalt hat, für den ein Verwaltungsverfahren noch nicht durchgeführt war. Dies ist für die Zulässigkeit der Klage wegen der Sachnähe unbeachtlich (vgl dazu die ständige Rechtsprechung zu § 13 Abs 3 SGB V als vergleichbare Konstellation). Die weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen sind erfüllt.
Der Anspruch des Klägers hat seine Grundlage in § 28 Abs 7 SGB II. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ein Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10 ? monatlich berücksichtigt für 1. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, 2. Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und 3. die Teilnahme an Freizeiten.
Ziel der Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB II ist es, bedürftige Kinder und Jugendliche stärker als bisher in bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen zu integrieren und den Kontakt mit Gleichaltrigen zu intensivieren, um die Chancengleichheit zu erhöhen. Die Teilhabe am kulturellen Leben ist eine grundlegende Voraussetzung für die aktive Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens (vgl. BT-Drs. 17/3404, Seite 104; SG Darmstadt, Urteil vom 27.03.2012, Aktenzeichen: S 1 AS 1217/11). Es handelt sich um Leistungen, die den Bedarf von Kindern und Jugendlichen an der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG im Urteil vom 9. Februar 2010 zu befriedigen bestimmt sind. Damit müssen sie, weil zugleich entsprechende Beträge aus den Regelbedarfen entfernt wurden, als Leistungen begriffen werden, die der unmittelbaren Verwirklichung des Grundrechts auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums dienen. Sofern die Voraussetzungen für die Leistungen erfüllt sind, müssen die Leistungen realisiert werden. Daraus folgt, dass bei rechtwidriger Verweigerung der Leistungen die Kosten der sodann selbstbeschafften Leistung zu erstatten sind. Eine solche Kostenerstattungspflicht folgt aus dem grundrechtsverwirklichenden Charakter der Leistungen ebenso wie aus § 2 Abs 2 letzter Teilsatz SGB I und dem Prinzip der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art 20 Abs 3 GG). Sofern dies zur Begründung eines Erstattungsanspruches nicht als ausreichend angesehen werden sollte, mag die entsprechende Anwendung von § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX die dann bestehende planwidrige Lücke schließen. Der Rückgriff auf diese Vorschrift erscheint sachgerecht, weil sie die Erstattung ebenfalls von rechtswidrig verweigerten Teilhabeleistungen normiert.
§ 29 Abs 1 Satz 1 SGB II schreibt die Erbringung der Teilhabeleistungen auch nach § 28 Abs 7 SGB II als Sach- oder Dienstleistungen, nicht aber als Geldleistungen vor. Die Nutzung des Instruments des Gutscheins ändert an diesem Charakter nichts, weil der Gutschein insofern die Funktion einer drittbegünstigenden Zusicherung der Anspruchsvoraussetzungen übernimmt (siehe die entsprechende Rechtsprechung zu den Gutscheinen nach dem Recht des SGB III).
Die Zahlungsforderung des Klägers beinhaltet demnach eine Erstattungsforderung. Diese besteht für den Kläger im geltend gemachten Umfang, weil die Teilhabeleistungen zu Unrecht abgelehnt wurden.
Die Kursgebühren für das bei den Bäderbetrieben in Anspruch genommene Babyschwimmen sind von § 28 Abs 7 SGB II erfasst. Zwar stellen die in § 28 Abs 7 SGB II genannten Leistungen nach dem Wortlaut der Vorschrift eine abschließende Aufzählung dar. Sie sind aber begrifflich so weit und offen, dass erhebliche Spielräume für die Einbeziehung vielfältiger Aktivitäten bestehen (SG Darmstadt, Urteil vom 27.03.2012, Aktenzeichen: S 1 AS 1217/11, JURIS-RdNr 21 mwN). Es werden allerdings nur institutionell organisierte Teilhabeformen begünstigt und nicht individuelle Aktivitäten mit der Familie wie z.B. der gemeinsame Besuch des Zoos, des Freibades oder des Kino (SG Darmstadt ebd mwN). Bei der sozialen und kulturellen Teilhabe von Kindern unter drei Jahren ist die Einbeziehung der Eltern notwendig (z.B. Babyschwimmen, Babymassage, PEKiP, Eltern-Kind-Turnen etc.), weshalb entsprechende Angebote nicht den Charakter von Familienaktivitäten erlangen.
Das vom Kläger wahrgenommene Babyschwimmen ist zur Überzeugung der Kammer ein Angebot aus dem Bereich Sport und Spiel im Sinne von § 28 Abs. 7 Nr. 1 SGB II, es könnte wegen des dort verwendeten weiten Begriffs der Freizeiten auch ein Angebot nach Nr 3 darstellen. Der Zweck der Teilhabeleistungen wird vollständig verwirklicht, denn das Babyschwimmen dient der sensorischen und motorischen Früherziehung ebenso wie dem sozialen Kontakt mit anderen Kindern und deren Eltern sowie dem Kursleiter. Der Säugling soll an das Element Wasser gewöhnt werden, Bewegungserfahrung und Spaß im Wasser erfahren und Sozialkontakte mit anderen Babys knüpfen (SG Darmstadt ebd JURIS-dNR 22 mwN). Ein gezielter Unterricht oder eine vergleichbare angeleitete Aktivität der kulturellen Bildung ist darin nicht zu sehen, sondern es steht vielmehr das spielerische Element im Vordergrund (SG Darmstadt ebd).
Das Babyschwimmen ist keine von den Teilhabeleistungen nicht umfasste Luxusveranstaltung. Dies zeigen schon die Kursgebühren, die sich im Rahmen der nach § 28 Abs 7 SGB II geförderten Leistungen bewegen und die Kostengrenze nach § 28 Abs 7 SGB II von 10 EUR im jeweiligen Angebotsmonat nur moderat übersteigen. Auch der deutliche Hinweis auf den Internetseiten des BMAS auf die Förderbarkeit solcher Angebote, zu denen dort ausdrücklich das Babyschwimmen zählt, spricht dafür, dass ein breites gesellschaftliches Verständnis für die Üblichkeit und Angemessenheit derartiger Angebote besteht.
Auch die anfallende Kursgebühr ist vom Leistungsumfang des § 28 Abs 7 SGB II umfasst, obwohl sich die Vorschrift ihrem Wortlaut nach auf ?Mitgliedsbeiträge? bezieht.
Der Begriff ?Mitgliedsbeitrag? in § 28 Abs 7 Nr 1 SGB II ist weit auszulegen und nicht in dem Sinne eng zu verstehen, dass nur die Mitgliedschaft in eingetragenen Vereinen und Verbänden gefördert werden soll. Vielmehr umfasst der Begriff zur Überzeugung der Kammer nach dem dargestellten Sinn und Zweck der Vorschrift sämtliche Gebühren und Beiträge für institutionell organisierte Aktivitäten, welche als Teilhabeangebote im Sinne der Vorschrift anzuerkennen sind (so auch SG Darmstadt aaO JURIS-RdNr 24). Die Angebote müssen somit nicht zwingend von eingetragenen Vereinen und Verbänden, sondern können auch von privaten oder öffentlichen Anbietern erbracht werden.
Gesetzgeberisches Anliegen der Regelung war ausweislich der Materialien des Gesetzgebungsverfahrens, institutionell organisierte Teilhabeformen für sich wiederholende gemeinschaftliche Aktivitäten in Abgrenzung zu rein individuellen Aktivitäten oder Aktivitäten mit der Familie zu fördern (vgl. SG Darmstadt ebd JURIS-RdNr 25). Diese Voraussetzung erfüllt das Babyschwimmen. Derartige Kurse werden auch von Vereinen für ihre Mitglieder angeboten (vgl dazu den Sachverhalt des vom SG Darmstadt aaO entschieden Fall). Es kann nicht darauf ankommen, ob gleiche Leistungen Vereinsmitgliedern oder Dritten angeboten werden. Genauso wenig kann es einen rechtlich relevanten Unterschied machen, ob das Angebot von einem Verein oder Verband, der Mitgliedsbeiträge erhebt, erfolgt oder von einem anderen Träger. Dies gilt schon deshalb, weil nicht überall entsprechende Vereinsstrukturen vorhanden sind um entsprechende Teilhabeangebote zu unterbreiten. Im Hinblick auf den grundrechtssichernden Charakter der Leistung kann insofern nicht berücksichtigt werden, dass zugleich mit diesen Leistungen ein Förderungsmoment für eine entsprechende Vereinsstruktur institutionalisiert wird. Zudem erscheint es der Kammer lebensfremd, für Kleinkinder Mitgliedschaften in Vereinen zu fordern. Wäre dies jedoch die gesetzliche Intention, würde die verfassungsgerichtliche Vorgabe von realitätsgerecht definierten Grundsicherungsleistungen verfehlt.
Im Alltagsleben hat sich der Begriff der Mitgliedschaft bzw des Mitgliedsbeitrages auch bei anderen Formen als der des eingetragenen Vereins eingebürgert und es ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber dieses Begriffsverständnis bei der Verwendung des Begriffs einengen wollte. So wird die Nutzung eines Fitnessclubs ebenfalls als Mitgliedschaft bezeichnet, obwohl der Nutzer keinerlei gesellschaftsrechtliche Stellung erlangt. Dies gilt für andere private Anbieter mit ähnlichen Angeboten im Bereich von Sport und Freizeitaktivitäten (z.B. Videotheken).
Die Nichteinhaltung des von der Beklagten geforderten Beschaffungsweges durch die Mutter des Klägers ist unerheblich. Zum einen, traten die entsprechenden Rechtsvorschriften des Landes Berlin erst zum 1. Januar 2012 in Kraft und konnten für die vorher in Anspruch genommenen Leistungen dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Das gilt auch für den von Januar bis März 2012 durchgeführten Kurs, weil dieser von der bereits vor Inkrafttreten der Rechtsvorschriften erteilten rechtswidrigen Ablehnung erfasst war.
Das Verlangen der Beklagten, den Nachweis der Teilnahme vor Entscheidung über den Antrag zu erbringen, findet keine Stütze im Gesetz. § 29 SGB II macht ? wie das Regelungssystem des SGB II insgesamt ? hinreichend deutlich, dass insbesondere eine Bewilligung vor Inanspruchnahme der Grundsicherungsleistungen vom Gesetzgeber gewünscht und ausdrücklich erlaubt ist. Eine Nachweisführung zu fordern gestattet der Gesetzgeber den Behörden in Abweichung von dem nach §§ 20 ff SGB X eingeräumten Ermessen bei der Sachverhaltsaufklärung nach § 29 Abs 4 SGB II nur in begründeten Einzelfällen. Der Gesetzgeber geht also sehr deutlich davon aus, dass die Leistungsberechtigten, die einen Antrag auf die Teilhabeleistungen gestellt haben, und die ohnehin grundsätzlich die Leistungen nicht als Geldleistungen erhalten können, die Leistungen auch in Anspruch nehmen. Daran bestanden im Falle des Klägers auch zu keinem Zeitpunkt ernstliche Zweifel. Die in der Verhandlung vorgelegten Fotos bestätigten denn auch die tatsächliche Teilnahme, so dass auch die Beklagte keine Zweifel mehr an der Nutzung der Kurse hatte.
Schließlich hatte die Mutter des Klägers mehrfach und hinreichend deutlich Auskunft und Beratung verlangt, wie sie entsprechende Leistungen für ihre Kinder erlangen könne. Die Antworten der Beklagten, sofern deren Äußerungen überhaupt als solche angesehen werden können, haben jedoch zu keinem Zeitpunkt die konkreten Anliegen des Klägers aufgegriffen, geschweige denn den von den Rechtsvorschriften vorgesehenen Beschaffungsweg offen gelegt. Die Beklagte kann deshalb dem Kläger formale Gesichtspunkte nicht entgegen halten. Beantragt waren die Leistungen im Sinne von § 37 SGB II. Daher ist im vorliegenden Fall nicht weiter zu klären, ob die Rechtsvorschriften des Landes Berlin auch im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben, die bei der Anwendung von §§ 28, 29 SGB II zu berücksichtigen sind, als rechtmäßig zu bewerten sind.
Die Beklagte hat die Kosten für beide Kurse vollumfänglich zu übernehmen, weil sie spätestens ab Antragstellung im August 2011 zur Ausgabe eines entsprechenden Gutscheins oder zur Kostenfreistellung im Sinne der Direktzahlung an den Anbieter verpflichtet war. Der Zeitraum von August 2011 bis März 2012 umfasst acht Monate für die Teilhabeleistungen in einem Umfange von monatlich 10 EUR, insgesamt also 80 EUR. Die Klageforderung liegt darunter. Es kommt nicht darauf an, dass die Angebote in allen Monaten des Bewilligungszeitraumes genutzt werden. Insofern verweist der Kläger zutreffend darauf, dass insofern Ansparmöglichkeiten bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Erfolg der Rechtsverfolgung und, dass der Kläger den Rechtsstreit nicht veranlasst hat.
Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache, insbesondere wegen der Klärung des Begriffs der Mitgliedsbeiträge, zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
1. Die Umstellung der ursprünglich auf Erbringung von Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB II zielende Leistungsklage auf eine auf Kostenerstattung gerichtete Zahlungsklage ist auch ohne Vorbefassung der Behörde mit der Erstattungsforderung zulässig.
2. Der Gutschein nach § 29 SGB II ändert nicht den Charakter der Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II als Sach- bzw Dienstleistung, sondern hat die Funktion einer drittbegünstigenden Zusicherung der Anspruchsvoraussetzungen.
3. Bei rechtswidriger Verweigerung der Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB II sind die Kosten der sodann selbstbeschafften Leistung direkt dem Anspruchsberechtigten zu erstatten. Eine solche Kostenerstattungspflicht folgt aus dem grundrechtsverwirklichenden Charakter der Leistungen ebenso wie aus § 2 Abs 2 letzter Teilsatz SGB I und dem Prinzip der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art 20 Abs 3 GG).
4. Der Begriff ?Mitgliedsbeitrag? in § 28 Abs 7 Nr 1 SGB II ist weit auszulegen und nicht in dem Sinne eng zu verstehen, dass nur die Mitgliedschaft in eingetragenen Vereinen und Verbänden gefördert werden soll. Vielmehr umfasst der Begriff sämtliche Gebühren und Beiträge für institutionell organisierte Aktivitäten, welche als Teilhabeangebote im Sinne der Vorschrift anzuerkennen sind.
5. Die Einbeziehung der Eltern bei der sozialen und kulturellen Teilhabe von Kindern unter drei Jahren ist notwendig (z.B. beim Babyschwimmen) und verändert nicht den Charakter entsprechender Angebote als Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II, welche allerdings Familienaktivitäten (Kino, Museum, Zoo etc) nicht erfassen.
6. Eine Nachweisführung über die Teilnahme zu fordern gestattet der Gesetzgeber den Behörden in Abweichung von dem nach §§ 20 ff SGB X eingeräumten Ermessen bei der Sachverhaltsaufklärung nach § 29 Abs 4 SGB II nur in begründeten Einzelfällen.
7. Der Bewilligungszeitraum für Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II kann von demjenigen der Grundsicherungsleistungen abweichen und beispielsweise das Schuljahr umfassen.
8. Sofern Angebote mit höheren Kosten als 10,00 EUR im Nutzungsmonat über mehrere Monate genutzt werden, kommt im Rahmen von Ansparmöglichkeiten die volle Übernahme der Kosten in Betracht, wenn die Angebote nicht in allen Monaten des Bewilligungszeitraumes genutzt werden.
Tenor:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 2. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2011 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Teilhabeleistungen bis 30. März 2012 in Höhe von 63,00 EUR zu zahlen. 3. Die Beklagte hat dem Kläger und dessen außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites zu erstatten. 4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB II für das vom Kläger bis März 2012 in Anspruch genommene Babyschwimmen und die Erstattung der dafür entstandenen Kosten.
Der im März 2011 geborene Kläger bezieht wie sein älterer Bruder Sozialgeld. Seine Mutter erhält Arbeitslosengeld II. Die Leistungen waren zunächst mit Bescheid vom 17. Mai 2011 bis September 2011 bewilligt worden. Mit Bescheid vom 9. September 2011 waren der Familie die Grundsicherungsleistungen von Oktober 2011 bis März 2012 bewilligt worden.
Die Mutter des Klägers beantragte mit Schreiben vom 30. Mai 2011 für ihre beiden Kinder Teilhabeleistungen rückwirkend und für die Zukunft. Sie bat um Mitteilung der Möglichkeiten, wie man den Gutschein auch ohne Verein einsetzen könne. Die Beklagte adressierte am 18. Juli 2007 eine Zwischenmitteilung an die Mutter des Klägers. Danach würde für Teilhabeleistungen bei Sportvereinen der Mitgliedsvertrag benötigt werden, sobald vorhanden. Sollte der Monatsbeitrag über 10 EUR liegen, werde um Bestätigung gebeten, dass die Differenz vom Kläger getragen werde. Mit Schreiben vom 19. August 2011 wandte sich die Mutter des Klägers erneut an die Beklagte und fragte, wie sie die Gelder beantragen müsse, wenn sie mit dem Kläger Babyschwimmen, Spielkurse nach PEKiP oder ähnliches machen wolle. Mit Schreiben vom 29. September 2011 erinnerte sie an die Beantwortung ihrer Anfragen.
Die Beklagte wies den Antrag mit Bescheid vom 2. November 2011 zurück. Trotz der Aufforderung vom 18. Juli 2011 habe die Mutter des Klägers keinen Mitgliedsvertrag für einen Verein für den Kläger eingereicht; auch eine Bestätigung über eine Teilnahme an einem Kurs für Babyschwimmen liege nicht vor.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 21. November 2011. Die gesetzliche Ausgestaltung erfolge über eine Gutscheinerteilung. Hier sei insbesondere die Ansparmöglichkeit zu beachten. Im Gesetz sei nicht verankert, dass schon bei Antragstellung klar sein müsse, wofür das Kind den Gutschein verwenden werde. Die Ausgabe der Gutscheine solle im Voraus erfolgen. Die durch die Beklagte praktizierte Vorgehensweise würde sämtliche Intentionen des Gesetzgebers aushöhlen und dem Kläger die Möglichkeiten zur Nutzung der Teilhabeleistungen entziehen.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2011 zurück. Die angefochtene Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Für das Kind seien trotz Aufforderung weder ein Mitgliedsvertrag für einen Verein noch eine Teilnahmebestätigung für einen Kurs Babyschwimmen eingereicht worden. Damit sei kein Angebot vorgelegt worden, welches gruppenbezogen strukturiert sei und bei dem das Gemeinschaftserleben im Vordergrund stehe. Ein Angebot, das zielorientiert der Unterstützung der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung bzw der Vermittlung sozialer Gemeinschaftstrukturen diene, sei nicht ersichtlich. Ein Angebot im Sinne von § 28 Abs 7 SGB II liege somit nicht vor.
Der Kläger verfolgt sein Begehren mit seiner Klage vom 22. Dezember 2011 weiter. Er reichte die Quittung der Berliner Bäder Betriebe vom 27. Oktober 2011 für einen Kurs Babyschwimmen vom 31. Oktober bis 19. Dezember 2011 ein. Der Gesetzgeber verlange von den Teilhabeberechtigten gerade nicht, dass sie die Leistungen vorzuschießen haben. Der Gesetzgeber habe § 29 SGB II vielmehr so ausgestaltet, dass die Leistungen im Voraus gewährt würden. Aus dem im Internet veröffentlichten Familien-Wegweiser des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ergebe sich, dass das Babyschwimmen vom Teilhabepaket erfasst sei. Sofern die Beklagte darauf verweise, dass die Mutter des Klägers das Antragsverfahren nicht eingehalten habe, müsse bedacht werden, dass der Laie nicht genau wisse, wie er die Leistung erlangen könne. Im Falle des Klägers habe die Beklagte die Leistung nach Antragstellung gerade verweigert. Der Kläger legte die Quittung für die Kursgebühren eines weiteren Babyschwimm-Kurses vor, welcher vom 6. Januar bis 30. März 2012 lief und 39,00 EUR kostete. Nachweise über die Teilnahme an entsprechenden Kursen seien ausweislich der Regelungen in § 29 SGB II nur ausnahmsweise zu verlangen. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass der Kläger die Kurse nicht besucht habe. Die Kursleiter seien mit anderen Dingen beschäftigt, als Grundsicherungsempfängern die einzelne Teilnahme am Babyschwimmen zu bestätigen.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 2. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2011 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Teilhabeleistungen bis 30. März 2012 nach § 28 Abs 7 SGB II in Höhe von 63,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sich allein aus den Kaufquittungen für die Kurse nicht ergebe, dass der Kläger diese Kurse auch belegt habe, denn die Quittungen seien nicht personalisiert. Die tatsächliche Teilnahme lasse sich daraus ebenfalls nicht ersehen. Eine direkte Zahlung der Teilhabeleistungen an die Grundsicherungsempfänger scheide aus. Aus den Ausführungsvorschriften des Landes Berlin ergebe sich, dass vor Inanspruchnahme der Leistung zunächst ein schriftliches Angebot des Leistungserbringers mit Kosten, Trägerbezeichnung und Bankverbindung vorzulegen sei. Dieses Verfahren habe die Mutter des Klägers nicht eingehalten.
Der Kammer haben außer den Prozessakten die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze, das Protokoll und den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 63,00 EUR für die erfolgte Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen im Rahmen der Babyschwimmkurse gemäß §§ 28 Abs 7 SGB II, 2 Abs 2 SGB I. Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 2. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt Rechte des Klägers, weshalb dieser auch Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides hat.
Die Klage ist zulässig. Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II sind als ?neben dem Regelbedarf gesondert zu berücksichtigende? Bedarfe eigenständige, von der Entscheidung über die Geldleistungen zur Grundsicherung abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können. Dies folgt bereits aus der besonderen Leistungsform als Sonderbedarf und Sach-/Dienstleistung (§ 29 SGB II), aber auch aus dem besonderen Bewilligungszeitraum, der von demjenigen der Grundsicherungsleistungen abweichen und etwa das Schuljahr umfassen kann.
Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig. Dabei entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nicht bereits deshalb, weil der angefochtene Bescheid den Teilhabeanspruch als solchen betrifft, während die Zahlungsklage einen Erstattungsanspruch zum Inhalt hat, für den ein Verwaltungsverfahren noch nicht durchgeführt war. Dies ist für die Zulässigkeit der Klage wegen der Sachnähe unbeachtlich (vgl dazu die ständige Rechtsprechung zu § 13 Abs 3 SGB V als vergleichbare Konstellation). Die weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen sind erfüllt.
Der Anspruch des Klägers hat seine Grundlage in § 28 Abs 7 SGB II. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ein Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10 ? monatlich berücksichtigt für 1. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, 2. Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und 3. die Teilnahme an Freizeiten.
Ziel der Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB II ist es, bedürftige Kinder und Jugendliche stärker als bisher in bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen zu integrieren und den Kontakt mit Gleichaltrigen zu intensivieren, um die Chancengleichheit zu erhöhen. Die Teilhabe am kulturellen Leben ist eine grundlegende Voraussetzung für die aktive Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens (vgl. BT-Drs. 17/3404, Seite 104; SG Darmstadt, Urteil vom 27.03.2012, Aktenzeichen: S 1 AS 1217/11). Es handelt sich um Leistungen, die den Bedarf von Kindern und Jugendlichen an der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG im Urteil vom 9. Februar 2010 zu befriedigen bestimmt sind. Damit müssen sie, weil zugleich entsprechende Beträge aus den Regelbedarfen entfernt wurden, als Leistungen begriffen werden, die der unmittelbaren Verwirklichung des Grundrechts auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums dienen. Sofern die Voraussetzungen für die Leistungen erfüllt sind, müssen die Leistungen realisiert werden. Daraus folgt, dass bei rechtwidriger Verweigerung der Leistungen die Kosten der sodann selbstbeschafften Leistung zu erstatten sind. Eine solche Kostenerstattungspflicht folgt aus dem grundrechtsverwirklichenden Charakter der Leistungen ebenso wie aus § 2 Abs 2 letzter Teilsatz SGB I und dem Prinzip der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art 20 Abs 3 GG). Sofern dies zur Begründung eines Erstattungsanspruches nicht als ausreichend angesehen werden sollte, mag die entsprechende Anwendung von § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX die dann bestehende planwidrige Lücke schließen. Der Rückgriff auf diese Vorschrift erscheint sachgerecht, weil sie die Erstattung ebenfalls von rechtswidrig verweigerten Teilhabeleistungen normiert.
§ 29 Abs 1 Satz 1 SGB II schreibt die Erbringung der Teilhabeleistungen auch nach § 28 Abs 7 SGB II als Sach- oder Dienstleistungen, nicht aber als Geldleistungen vor. Die Nutzung des Instruments des Gutscheins ändert an diesem Charakter nichts, weil der Gutschein insofern die Funktion einer drittbegünstigenden Zusicherung der Anspruchsvoraussetzungen übernimmt (siehe die entsprechende Rechtsprechung zu den Gutscheinen nach dem Recht des SGB III).
Die Zahlungsforderung des Klägers beinhaltet demnach eine Erstattungsforderung. Diese besteht für den Kläger im geltend gemachten Umfang, weil die Teilhabeleistungen zu Unrecht abgelehnt wurden.
Die Kursgebühren für das bei den Bäderbetrieben in Anspruch genommene Babyschwimmen sind von § 28 Abs 7 SGB II erfasst. Zwar stellen die in § 28 Abs 7 SGB II genannten Leistungen nach dem Wortlaut der Vorschrift eine abschließende Aufzählung dar. Sie sind aber begrifflich so weit und offen, dass erhebliche Spielräume für die Einbeziehung vielfältiger Aktivitäten bestehen (SG Darmstadt, Urteil vom 27.03.2012, Aktenzeichen: S 1 AS 1217/11, JURIS-RdNr 21 mwN). Es werden allerdings nur institutionell organisierte Teilhabeformen begünstigt und nicht individuelle Aktivitäten mit der Familie wie z.B. der gemeinsame Besuch des Zoos, des Freibades oder des Kino (SG Darmstadt ebd mwN). Bei der sozialen und kulturellen Teilhabe von Kindern unter drei Jahren ist die Einbeziehung der Eltern notwendig (z.B. Babyschwimmen, Babymassage, PEKiP, Eltern-Kind-Turnen etc.), weshalb entsprechende Angebote nicht den Charakter von Familienaktivitäten erlangen.
Das vom Kläger wahrgenommene Babyschwimmen ist zur Überzeugung der Kammer ein Angebot aus dem Bereich Sport und Spiel im Sinne von § 28 Abs. 7 Nr. 1 SGB II, es könnte wegen des dort verwendeten weiten Begriffs der Freizeiten auch ein Angebot nach Nr 3 darstellen. Der Zweck der Teilhabeleistungen wird vollständig verwirklicht, denn das Babyschwimmen dient der sensorischen und motorischen Früherziehung ebenso wie dem sozialen Kontakt mit anderen Kindern und deren Eltern sowie dem Kursleiter. Der Säugling soll an das Element Wasser gewöhnt werden, Bewegungserfahrung und Spaß im Wasser erfahren und Sozialkontakte mit anderen Babys knüpfen (SG Darmstadt ebd JURIS-dNR 22 mwN). Ein gezielter Unterricht oder eine vergleichbare angeleitete Aktivität der kulturellen Bildung ist darin nicht zu sehen, sondern es steht vielmehr das spielerische Element im Vordergrund (SG Darmstadt ebd).
Das Babyschwimmen ist keine von den Teilhabeleistungen nicht umfasste Luxusveranstaltung. Dies zeigen schon die Kursgebühren, die sich im Rahmen der nach § 28 Abs 7 SGB II geförderten Leistungen bewegen und die Kostengrenze nach § 28 Abs 7 SGB II von 10 EUR im jeweiligen Angebotsmonat nur moderat übersteigen. Auch der deutliche Hinweis auf den Internetseiten des BMAS auf die Förderbarkeit solcher Angebote, zu denen dort ausdrücklich das Babyschwimmen zählt, spricht dafür, dass ein breites gesellschaftliches Verständnis für die Üblichkeit und Angemessenheit derartiger Angebote besteht.
Auch die anfallende Kursgebühr ist vom Leistungsumfang des § 28 Abs 7 SGB II umfasst, obwohl sich die Vorschrift ihrem Wortlaut nach auf ?Mitgliedsbeiträge? bezieht.
Der Begriff ?Mitgliedsbeitrag? in § 28 Abs 7 Nr 1 SGB II ist weit auszulegen und nicht in dem Sinne eng zu verstehen, dass nur die Mitgliedschaft in eingetragenen Vereinen und Verbänden gefördert werden soll. Vielmehr umfasst der Begriff zur Überzeugung der Kammer nach dem dargestellten Sinn und Zweck der Vorschrift sämtliche Gebühren und Beiträge für institutionell organisierte Aktivitäten, welche als Teilhabeangebote im Sinne der Vorschrift anzuerkennen sind (so auch SG Darmstadt aaO JURIS-RdNr 24). Die Angebote müssen somit nicht zwingend von eingetragenen Vereinen und Verbänden, sondern können auch von privaten oder öffentlichen Anbietern erbracht werden.
Gesetzgeberisches Anliegen der Regelung war ausweislich der Materialien des Gesetzgebungsverfahrens, institutionell organisierte Teilhabeformen für sich wiederholende gemeinschaftliche Aktivitäten in Abgrenzung zu rein individuellen Aktivitäten oder Aktivitäten mit der Familie zu fördern (vgl. SG Darmstadt ebd JURIS-RdNr 25). Diese Voraussetzung erfüllt das Babyschwimmen. Derartige Kurse werden auch von Vereinen für ihre Mitglieder angeboten (vgl dazu den Sachverhalt des vom SG Darmstadt aaO entschieden Fall). Es kann nicht darauf ankommen, ob gleiche Leistungen Vereinsmitgliedern oder Dritten angeboten werden. Genauso wenig kann es einen rechtlich relevanten Unterschied machen, ob das Angebot von einem Verein oder Verband, der Mitgliedsbeiträge erhebt, erfolgt oder von einem anderen Träger. Dies gilt schon deshalb, weil nicht überall entsprechende Vereinsstrukturen vorhanden sind um entsprechende Teilhabeangebote zu unterbreiten. Im Hinblick auf den grundrechtssichernden Charakter der Leistung kann insofern nicht berücksichtigt werden, dass zugleich mit diesen Leistungen ein Förderungsmoment für eine entsprechende Vereinsstruktur institutionalisiert wird. Zudem erscheint es der Kammer lebensfremd, für Kleinkinder Mitgliedschaften in Vereinen zu fordern. Wäre dies jedoch die gesetzliche Intention, würde die verfassungsgerichtliche Vorgabe von realitätsgerecht definierten Grundsicherungsleistungen verfehlt.
Im Alltagsleben hat sich der Begriff der Mitgliedschaft bzw des Mitgliedsbeitrages auch bei anderen Formen als der des eingetragenen Vereins eingebürgert und es ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber dieses Begriffsverständnis bei der Verwendung des Begriffs einengen wollte. So wird die Nutzung eines Fitnessclubs ebenfalls als Mitgliedschaft bezeichnet, obwohl der Nutzer keinerlei gesellschaftsrechtliche Stellung erlangt. Dies gilt für andere private Anbieter mit ähnlichen Angeboten im Bereich von Sport und Freizeitaktivitäten (z.B. Videotheken).
Die Nichteinhaltung des von der Beklagten geforderten Beschaffungsweges durch die Mutter des Klägers ist unerheblich. Zum einen, traten die entsprechenden Rechtsvorschriften des Landes Berlin erst zum 1. Januar 2012 in Kraft und konnten für die vorher in Anspruch genommenen Leistungen dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Das gilt auch für den von Januar bis März 2012 durchgeführten Kurs, weil dieser von der bereits vor Inkrafttreten der Rechtsvorschriften erteilten rechtswidrigen Ablehnung erfasst war.
Das Verlangen der Beklagten, den Nachweis der Teilnahme vor Entscheidung über den Antrag zu erbringen, findet keine Stütze im Gesetz. § 29 SGB II macht ? wie das Regelungssystem des SGB II insgesamt ? hinreichend deutlich, dass insbesondere eine Bewilligung vor Inanspruchnahme der Grundsicherungsleistungen vom Gesetzgeber gewünscht und ausdrücklich erlaubt ist. Eine Nachweisführung zu fordern gestattet der Gesetzgeber den Behörden in Abweichung von dem nach §§ 20 ff SGB X eingeräumten Ermessen bei der Sachverhaltsaufklärung nach § 29 Abs 4 SGB II nur in begründeten Einzelfällen. Der Gesetzgeber geht also sehr deutlich davon aus, dass die Leistungsberechtigten, die einen Antrag auf die Teilhabeleistungen gestellt haben, und die ohnehin grundsätzlich die Leistungen nicht als Geldleistungen erhalten können, die Leistungen auch in Anspruch nehmen. Daran bestanden im Falle des Klägers auch zu keinem Zeitpunkt ernstliche Zweifel. Die in der Verhandlung vorgelegten Fotos bestätigten denn auch die tatsächliche Teilnahme, so dass auch die Beklagte keine Zweifel mehr an der Nutzung der Kurse hatte.
Schließlich hatte die Mutter des Klägers mehrfach und hinreichend deutlich Auskunft und Beratung verlangt, wie sie entsprechende Leistungen für ihre Kinder erlangen könne. Die Antworten der Beklagten, sofern deren Äußerungen überhaupt als solche angesehen werden können, haben jedoch zu keinem Zeitpunkt die konkreten Anliegen des Klägers aufgegriffen, geschweige denn den von den Rechtsvorschriften vorgesehenen Beschaffungsweg offen gelegt. Die Beklagte kann deshalb dem Kläger formale Gesichtspunkte nicht entgegen halten. Beantragt waren die Leistungen im Sinne von § 37 SGB II. Daher ist im vorliegenden Fall nicht weiter zu klären, ob die Rechtsvorschriften des Landes Berlin auch im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben, die bei der Anwendung von §§ 28, 29 SGB II zu berücksichtigen sind, als rechtmäßig zu bewerten sind.
Die Beklagte hat die Kosten für beide Kurse vollumfänglich zu übernehmen, weil sie spätestens ab Antragstellung im August 2011 zur Ausgabe eines entsprechenden Gutscheins oder zur Kostenfreistellung im Sinne der Direktzahlung an den Anbieter verpflichtet war. Der Zeitraum von August 2011 bis März 2012 umfasst acht Monate für die Teilhabeleistungen in einem Umfange von monatlich 10 EUR, insgesamt also 80 EUR. Die Klageforderung liegt darunter. Es kommt nicht darauf an, dass die Angebote in allen Monaten des Bewilligungszeitraumes genutzt werden. Insofern verweist der Kläger zutreffend darauf, dass insofern Ansparmöglichkeiten bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Erfolg der Rechtsverfolgung und, dass der Kläger den Rechtsstreit nicht veranlasst hat.
Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache, insbesondere wegen der Klärung des Begriffs der Mitgliedsbeiträge, zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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