Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 R 2799/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin, die von der Zahlung von Gerichtskosten befreit ist.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Säumniszuschlägen auf Nachversicherungsbeiträge umstritten.
Bei der Klägerin befand sich der Soldat O C in der Zeit vom 30.10.1987 bis zum 30.06.1995 in einem versicherungsfreien Dienstverhältnis. Nach seinem Ausscheiden war er nachzuversichern. Die Durchführung der Nachversicherung ist v.a. im Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 12.09.1988 geregelt. Dort ist bestimmt, dass die für die Zahlung der Dienstbezüge zuständige Stelle der für die Nachversicherung zuständigen Stelle das unversorgte Ausscheiden eines Bediensteten mitzuteilen hat; zudem sind danach alle Nachversicherungs- und Aufschubfälle in einer besonderen Kartei beim Wehrberreichsgebührnisamt (WGBA) zu erfassen. Weitere Regelungen ergänzen die Durchführung der Nachversicherung. Diesen Regelungen entsprechend erfolgte hier am 29.05.1995 die Mitteilung der Nachversicherung des ausgeschiedenen Zeitsoldaten O C an das für die Nachversicherung zuständige Wehrbereichsgebührnisamt III. Dieses versicherte den Ausgeschiedenen aber zunächst nicht bei der Beklagten nach, sondern erst, als sich dieser am 25.02.2010 an die Klägerin wandte und sich über die Nachversicherung erkundigt. Die die Klägerin vertretende Wehrbereichsverwaltung West erstellte sodann unter dem 23.03.2010 eine Nachversicherungsbescheinigung, wonach für den ausgeschiedenen Soldaten für die Zeit vom 30.10.1987 bis 30.06.1995 Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 38.436,54 ? zu zahlen sind. Dieser Nachversicherungsbeitrag ging bei der Beklagten am 31.03.2010 ein. Daraufhin hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von 50.460 ? an. Diese seien wegen der verspäteten Nachversicherung zu zahlen. Die Klägerin wandte ein, Säumniszuschläge könnten wegen Verjährung nicht erhoben werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) könne sich der Nachversicherungsschuldner bezüglich der Säumniszuschläge auf die vierjährige Verjährungsfrist aus § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) berufen, wenn er sich die Unkenntnis seiner Zahlungspflicht nicht im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV zurechnen lassen müsse. Das gelte u.a., wenn er für die durchzuführende Nachversicherung ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen habe. Letzteres treffe auch hier wegen des Erlasses des Bundesministers der Verteidigung vom 15.05.1968 zur Durchführung der Nachversicherung zu. Im Regelfall sei die Nachversicherung auch durchgeführt worden. Warum dies hier nicht erfolgt sei, könne nicht mehr geklärt werden, es sei insoweit allenfalls von einem individuellen Fehlverhalten eines Sachbearbeiters der Besoldung auszugehen, der den Nachversicherungsfall nicht an die für die Nachversicherung zuständige Stelle gemeldet habe. Die unterbliebene Nachversicherung sei ihr deswegen erst jetzt durch ein Schreiben des O C bekannt geworden. Mit Bescheid vom 05.05.2010 erhob die Beklagte von der Klägerin Säumniszuschläge für den Zeitraum 01.10.1995 bis 31.03.2010 (174 Monate) in Höhe von 50.460 ? (174 Monate x 29.000 ? x 1,00 %). Die Klägerin habe für jeden Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 1 % auf den gerundeten rückständigen Nachversicherungsbeitrag zu zahlen. Die Nachversicherungsbeiträge seien hier unter Beachtung der 3-Monatsfrist bei der Entscheidung über den Aufschub der Nachversicherung am 01.10.1995 fällig, aber erst am 31.03.2010 gezahlt worden. Die Nachversicherungsbeiträge seien auch nicht verjährt, sie unterlägen der 30-jährigen und nicht der 4-jährigen Verjährungsfrist. Die Klägerin habe sie vorsätzlich vorenthalten. Die Bundeswehr als öffentlicher Arbeitgeber sei hier als Organisationseinheit (Behörde) im Ganzen zu betrachten und dieser sei die Nachversicherungspflicht beim unversorgten Ausscheiden eines Zeitsoldaten bekannt gewesen. Das eventuelle Fehlverhalten eines einzelnen Mitarbeiters sei ihr zuzurechnen, da ansonsten eine entsprechende Behauptung die Verlängerung der Verjährungsfrist stets ermöglichen würde.
Die Klägerin widersprach und machte weiterhin Verjährung geltend. Für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung seien ausreichende organisatorische Vorkehrungen zur Durchführung der Nachversicherung erfolgt. Der Erlass vom 15.05.1968 regle, wie die Pflicht zur Nachversicherung von den besoldenden Dezernaten bekannt zu geben ist. Hier sei die Mitteilung der Nachversicherung ausnahmsweise versehentlich nicht und nur deswegen sei die Nachversicherung nicht unmittelbar, sondern erst jetzt erfolgt. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2010 zurück. Es liege eine zumindest bedingt vorsätzliche Vorenthaltung der Nachversicherungsbeiträge vor. Bei einer Organisation wie der Bundeswehr sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Ausscheidens eines Soldaten auf Zeit die Nachversicherungspflicht bekannt sei.
Mit ihrer am 02.12.2010 erhobenen Klage hat sich die Klägerin weiterhin gegen die Zahlung von Säumniszuschlägen gewandt.
Sie ist der Auffassung, die für die Durchführung der Nachversicherung zuständigen Bediensteten hätten keine Kenntnis von der Nachversicherung gehabt. Das Ausscheiden des unversorgten Soldaten sei ihnen versehentlich durch einen Sachbearbeiter der Besoldungsstelle trotz der ausreichenden organisatorischen Vorkehrung ? insbesondere durch den Erlass vom 12.09.1988 und diesen ergänzende Regelungen ? nicht mitgeteilt worden. Deswegen greife auch die 4-jährige Verjährungsfrist.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und die von der Klägerin und der Beklagten jeweils beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage, für die das Sozialgericht Düsseldorf nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 18 Zivilprozessordnung (ZPO) und der Ziff. 1 lit. c) der Anordnung über die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Prozessen und anderen Verfahren im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (Vertretungsanordnung BMVg) vom 19.12.2002 zuständig ist, ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 05.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2010 beschwert die Klägerin nicht nach § 54 Abs. 2 SGG. Diese Bescheide sind rechtmäßig, weil die Beklagte von der Klägerin wegen der verspäteten Nachversicherung zu Recht Säumniszuschläge fordert. Dies folgt aus § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist u.a. für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Diese Voraussetzungen lagen hier hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge von gerundet 29.000 ? jedenfalls für den in Rede stehenden Zeitraum vom 01.10.1995 bis 31.03.2010 vor, was zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten ist; das gilt gleichermaßen für die Höhe der Säumniszuschläge (174 Monate x 29.000 ? x 1,00 % = 50.460 ?).
Die Pflicht zur Zahlung von Säumniszuschlägen entfällt auch nicht nach § 24 Abs. 2 SGB IV wegen unverschuldeter Unkenntnis von der Beitragspflicht. Die Klägerin hatte keine unverschuldete Unkenntnis von ihrer Pflicht zur Nachversicherung des unversorgt ausgeschiedenen Zeitsoldaten. Unverschuldet ist die Unkenntnis, wenn dem Beitragspflichtigen weder Vorsatz noch Fahrlässig im Sinne von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorgeworfen werden kann (Kasseler Kommentar-Seewald, § 24 SGB IV Rn. 14). Körperschaften des öffentlichen Rechts wie die Klägerin können als solche keine Kenntnis haben (BSG, Urteil vom 17.04.2008 ? B 13 R 123/07 R, Rn. 18 bei Juris); hier kommt es grundsätzlich auf die Kenntnis der für die Entscheidung zuständigen Bediensteten an. Allerdings scheidet eine unverschuldete Unkenntnis der Bediensteten aus, wenn von der Körperschaft keine ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen zur Beachtung der Nachversicherungspflicht getroffen wurden. Fehlen notwendige organisatorische Maßnahmen, so muss sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter zurechnen lassen (BSG, Urteil vom 01.07.2010 ? B 13 R 67/09 R m.w.N.; Urteil vom 17.04.2008 a.a.O.). Zu den notwendigen organisatorischen Maßnahmen gehört auch die Einrichtung von Kontrollmechanismen, um die Durchführung gesetzlicher Verpflichtungen sicherzustellen (BSG, Urteil vom 01.07.2010 a.a.O.). So scheidet beispielweise unverschuldete Unkenntnis aus, wenn durch Dienstanweisungen oder sonstige geeignete organisatorische Maßnahmen der versehentlichen Nichtbeachtung der Nachversicherung überhaupt nicht entgegen gewirkt wird. Dann wird die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen und damit bedingt vorsätzlich gehandelt, weil die Verwaltungsabläufe nicht so organisiert werden, dass die Zahl verspäteter oder gar versäumter Beitragsnachentrichtungen durch Kontrolle möglichst gering gehalten, sondern auf die ordnungsgemäße Bearbeitung vertraut wird (so ausdrücklich: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.08.2011 ? L 33 R 430/10; s.a. LSG Hamburg, Urteil vom 16.03.2011 ? L 2 R 140/09 und Urteil vom 20.04.2011 ? L 2 R 33/10 ? jeweils darauf abstellend, dass sich der Dienstherr nicht unter Hinweis auf Behördengrenzen auf Unkenntnis berufen und sich so gleichsam der Verantwortung für die Organisations- und Kommunikationsdefizite entziehen kann).
Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich hier keine unverschuldete Unkenntnis von der Pflicht zur Nachversicherung des unversorgt ausgeschiedenen Zeitsoldaten feststellen. Es lässt sich zunächst heute nicht mehr ermitteln, warum die Nachversicherung nicht mit dem Ausscheiden des Zeitsoldaten aus dem Dienst der Klägerin durchgeführt worden ist. Aus der Verwaltungsakte der Klägerin ergibt sich nur, dass unter 29.05.1995 dem für die Nachversicherung zuständigen Wehrbereichsgebührnisamt III die Nachversicherung des ausgeschiedenen Zeitsoldaten O C mitgeteilt worden ist. Ob diese Mitteilung den zuständigen Sachbearbeiter aber nicht erreichte oder ob er sie schlichtweg ignoriert hat, lässt sich der Verwaltungsakte der Klägerin nicht entnehmen. Dies kann aber letztlich auch dahinstehen. Selbst wenn der damals für die Nachversicherung zuständige Sachbearbeiter tatsächlich unverschuldet keine Kenntnis vom Nachversicherungsfall gehabt haben sollte, so schiede eine unverschuldete Unkenntnis der Klägerin aus, weil sie keine ausreichenden Kontrollmechanismen vorgesehen hat, die die Durchführung der gesetzlichen Nachversicherungspflicht sicherstellen. Insbesondere genügen hierzu nicht der Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 12.09.1988 und auch nicht die ergänzenden Regelungen. Diese sehen im Wesentlichen nur Regelungen zur Durchführung, nicht aber zur Kontrolle der Nachversicherung vor; dort ist lediglich bestimmt, wer für die Durchführung der Nachversicherung im Einzelnen zuständig und wie und von wem die Nachversicherung einzuleiten ist. Auch die Erfassung aller Nachversicherungs- und Aufschubfälle in einer besonderen Kartei beim Wehrberreichsgebührnisamt (WGBA) stellt keine ausreichende organisatorische Maßnahme im vorgenannten Sinne dar, weil in der bloßen Erfassung der Nachversicherungsfälle in einer gesonderten Kartei kein ausreichendes Kontrollinstrument besteht, insbesondere wenn wie hier die Nachversicherungspflicht bei unversorgtem Ausscheiden überhaupt nicht beachtet wird. Dem hätte beispielsweise durch Einführung eines ?Vier-Augen-Prinzips? bei unversorgtem Ausscheiden entgegen gewirkt werden können oder in dem die für die Durchführung der Nachversicherung zuständige Stelle die Fälle der unversorgt ausgeschiedenen Soldaten etc. turnusmäßig ?überprüft?, beispielsweise durch Abgleich der Fallzahlen unversorgt ausgeschiedener Bediensteter mit den durchgeführten Nachversicherungen.
Schließlich sind die Säumniszuschläge auch nicht verjährt. Entgegen der Auffassung der Klägerin greift hier nicht die kurze Verjährungsfrist aus § 25 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, wonach Ansprüche auf Beiträge und Säumniszuschläge innerhalb von 4 Jahren verjähren. Vielmehr greift § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, der bestimmt, dass bei vorsätzlicher Vorenthaltung die 30-jährige Verjährungsfrist gilt; hierfür genügt ein bedingter Vorsatz (BSG, Urteil vom 30.03.2000 ? B 12 KR 15/99 R). Auch hier ist eine bedingt vorsätzliche Vorenthaltung der Nachversicherungsbeiträge inklusive der hier allein streitigen Säumniszuschläge gegeben, weil die Klägerin die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat; sie hat ihre Verwaltungsabläufe nicht so organisiert, dass die Durchführung der Nachversicherung auch kontrolliert wird. Sie hat vielmehr nur die Durchführung der Nachversicherung durch Erlass geregelt und auf die ordnungsgemäße Bearbeitung vertraut.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO); die Klägerin ist nach § 2 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) von der Zahlung von Gerichtskosten befreit.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Säumniszuschlägen auf Nachversicherungsbeiträge umstritten.
Bei der Klägerin befand sich der Soldat O C in der Zeit vom 30.10.1987 bis zum 30.06.1995 in einem versicherungsfreien Dienstverhältnis. Nach seinem Ausscheiden war er nachzuversichern. Die Durchführung der Nachversicherung ist v.a. im Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 12.09.1988 geregelt. Dort ist bestimmt, dass die für die Zahlung der Dienstbezüge zuständige Stelle der für die Nachversicherung zuständigen Stelle das unversorgte Ausscheiden eines Bediensteten mitzuteilen hat; zudem sind danach alle Nachversicherungs- und Aufschubfälle in einer besonderen Kartei beim Wehrberreichsgebührnisamt (WGBA) zu erfassen. Weitere Regelungen ergänzen die Durchführung der Nachversicherung. Diesen Regelungen entsprechend erfolgte hier am 29.05.1995 die Mitteilung der Nachversicherung des ausgeschiedenen Zeitsoldaten O C an das für die Nachversicherung zuständige Wehrbereichsgebührnisamt III. Dieses versicherte den Ausgeschiedenen aber zunächst nicht bei der Beklagten nach, sondern erst, als sich dieser am 25.02.2010 an die Klägerin wandte und sich über die Nachversicherung erkundigt. Die die Klägerin vertretende Wehrbereichsverwaltung West erstellte sodann unter dem 23.03.2010 eine Nachversicherungsbescheinigung, wonach für den ausgeschiedenen Soldaten für die Zeit vom 30.10.1987 bis 30.06.1995 Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 38.436,54 ? zu zahlen sind. Dieser Nachversicherungsbeitrag ging bei der Beklagten am 31.03.2010 ein. Daraufhin hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von 50.460 ? an. Diese seien wegen der verspäteten Nachversicherung zu zahlen. Die Klägerin wandte ein, Säumniszuschläge könnten wegen Verjährung nicht erhoben werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) könne sich der Nachversicherungsschuldner bezüglich der Säumniszuschläge auf die vierjährige Verjährungsfrist aus § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) berufen, wenn er sich die Unkenntnis seiner Zahlungspflicht nicht im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV zurechnen lassen müsse. Das gelte u.a., wenn er für die durchzuführende Nachversicherung ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen habe. Letzteres treffe auch hier wegen des Erlasses des Bundesministers der Verteidigung vom 15.05.1968 zur Durchführung der Nachversicherung zu. Im Regelfall sei die Nachversicherung auch durchgeführt worden. Warum dies hier nicht erfolgt sei, könne nicht mehr geklärt werden, es sei insoweit allenfalls von einem individuellen Fehlverhalten eines Sachbearbeiters der Besoldung auszugehen, der den Nachversicherungsfall nicht an die für die Nachversicherung zuständige Stelle gemeldet habe. Die unterbliebene Nachversicherung sei ihr deswegen erst jetzt durch ein Schreiben des O C bekannt geworden. Mit Bescheid vom 05.05.2010 erhob die Beklagte von der Klägerin Säumniszuschläge für den Zeitraum 01.10.1995 bis 31.03.2010 (174 Monate) in Höhe von 50.460 ? (174 Monate x 29.000 ? x 1,00 %). Die Klägerin habe für jeden Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 1 % auf den gerundeten rückständigen Nachversicherungsbeitrag zu zahlen. Die Nachversicherungsbeiträge seien hier unter Beachtung der 3-Monatsfrist bei der Entscheidung über den Aufschub der Nachversicherung am 01.10.1995 fällig, aber erst am 31.03.2010 gezahlt worden. Die Nachversicherungsbeiträge seien auch nicht verjährt, sie unterlägen der 30-jährigen und nicht der 4-jährigen Verjährungsfrist. Die Klägerin habe sie vorsätzlich vorenthalten. Die Bundeswehr als öffentlicher Arbeitgeber sei hier als Organisationseinheit (Behörde) im Ganzen zu betrachten und dieser sei die Nachversicherungspflicht beim unversorgten Ausscheiden eines Zeitsoldaten bekannt gewesen. Das eventuelle Fehlverhalten eines einzelnen Mitarbeiters sei ihr zuzurechnen, da ansonsten eine entsprechende Behauptung die Verlängerung der Verjährungsfrist stets ermöglichen würde.
Die Klägerin widersprach und machte weiterhin Verjährung geltend. Für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung seien ausreichende organisatorische Vorkehrungen zur Durchführung der Nachversicherung erfolgt. Der Erlass vom 15.05.1968 regle, wie die Pflicht zur Nachversicherung von den besoldenden Dezernaten bekannt zu geben ist. Hier sei die Mitteilung der Nachversicherung ausnahmsweise versehentlich nicht und nur deswegen sei die Nachversicherung nicht unmittelbar, sondern erst jetzt erfolgt. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2010 zurück. Es liege eine zumindest bedingt vorsätzliche Vorenthaltung der Nachversicherungsbeiträge vor. Bei einer Organisation wie der Bundeswehr sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Ausscheidens eines Soldaten auf Zeit die Nachversicherungspflicht bekannt sei.
Mit ihrer am 02.12.2010 erhobenen Klage hat sich die Klägerin weiterhin gegen die Zahlung von Säumniszuschlägen gewandt.
Sie ist der Auffassung, die für die Durchführung der Nachversicherung zuständigen Bediensteten hätten keine Kenntnis von der Nachversicherung gehabt. Das Ausscheiden des unversorgten Soldaten sei ihnen versehentlich durch einen Sachbearbeiter der Besoldungsstelle trotz der ausreichenden organisatorischen Vorkehrung ? insbesondere durch den Erlass vom 12.09.1988 und diesen ergänzende Regelungen ? nicht mitgeteilt worden. Deswegen greife auch die 4-jährige Verjährungsfrist.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und die von der Klägerin und der Beklagten jeweils beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage, für die das Sozialgericht Düsseldorf nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 18 Zivilprozessordnung (ZPO) und der Ziff. 1 lit. c) der Anordnung über die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Prozessen und anderen Verfahren im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (Vertretungsanordnung BMVg) vom 19.12.2002 zuständig ist, ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 05.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2010 beschwert die Klägerin nicht nach § 54 Abs. 2 SGG. Diese Bescheide sind rechtmäßig, weil die Beklagte von der Klägerin wegen der verspäteten Nachversicherung zu Recht Säumniszuschläge fordert. Dies folgt aus § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist u.a. für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Diese Voraussetzungen lagen hier hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge von gerundet 29.000 ? jedenfalls für den in Rede stehenden Zeitraum vom 01.10.1995 bis 31.03.2010 vor, was zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten ist; das gilt gleichermaßen für die Höhe der Säumniszuschläge (174 Monate x 29.000 ? x 1,00 % = 50.460 ?).
Die Pflicht zur Zahlung von Säumniszuschlägen entfällt auch nicht nach § 24 Abs. 2 SGB IV wegen unverschuldeter Unkenntnis von der Beitragspflicht. Die Klägerin hatte keine unverschuldete Unkenntnis von ihrer Pflicht zur Nachversicherung des unversorgt ausgeschiedenen Zeitsoldaten. Unverschuldet ist die Unkenntnis, wenn dem Beitragspflichtigen weder Vorsatz noch Fahrlässig im Sinne von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorgeworfen werden kann (Kasseler Kommentar-Seewald, § 24 SGB IV Rn. 14). Körperschaften des öffentlichen Rechts wie die Klägerin können als solche keine Kenntnis haben (BSG, Urteil vom 17.04.2008 ? B 13 R 123/07 R, Rn. 18 bei Juris); hier kommt es grundsätzlich auf die Kenntnis der für die Entscheidung zuständigen Bediensteten an. Allerdings scheidet eine unverschuldete Unkenntnis der Bediensteten aus, wenn von der Körperschaft keine ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen zur Beachtung der Nachversicherungspflicht getroffen wurden. Fehlen notwendige organisatorische Maßnahmen, so muss sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter zurechnen lassen (BSG, Urteil vom 01.07.2010 ? B 13 R 67/09 R m.w.N.; Urteil vom 17.04.2008 a.a.O.). Zu den notwendigen organisatorischen Maßnahmen gehört auch die Einrichtung von Kontrollmechanismen, um die Durchführung gesetzlicher Verpflichtungen sicherzustellen (BSG, Urteil vom 01.07.2010 a.a.O.). So scheidet beispielweise unverschuldete Unkenntnis aus, wenn durch Dienstanweisungen oder sonstige geeignete organisatorische Maßnahmen der versehentlichen Nichtbeachtung der Nachversicherung überhaupt nicht entgegen gewirkt wird. Dann wird die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen und damit bedingt vorsätzlich gehandelt, weil die Verwaltungsabläufe nicht so organisiert werden, dass die Zahl verspäteter oder gar versäumter Beitragsnachentrichtungen durch Kontrolle möglichst gering gehalten, sondern auf die ordnungsgemäße Bearbeitung vertraut wird (so ausdrücklich: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.08.2011 ? L 33 R 430/10; s.a. LSG Hamburg, Urteil vom 16.03.2011 ? L 2 R 140/09 und Urteil vom 20.04.2011 ? L 2 R 33/10 ? jeweils darauf abstellend, dass sich der Dienstherr nicht unter Hinweis auf Behördengrenzen auf Unkenntnis berufen und sich so gleichsam der Verantwortung für die Organisations- und Kommunikationsdefizite entziehen kann).
Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich hier keine unverschuldete Unkenntnis von der Pflicht zur Nachversicherung des unversorgt ausgeschiedenen Zeitsoldaten feststellen. Es lässt sich zunächst heute nicht mehr ermitteln, warum die Nachversicherung nicht mit dem Ausscheiden des Zeitsoldaten aus dem Dienst der Klägerin durchgeführt worden ist. Aus der Verwaltungsakte der Klägerin ergibt sich nur, dass unter 29.05.1995 dem für die Nachversicherung zuständigen Wehrbereichsgebührnisamt III die Nachversicherung des ausgeschiedenen Zeitsoldaten O C mitgeteilt worden ist. Ob diese Mitteilung den zuständigen Sachbearbeiter aber nicht erreichte oder ob er sie schlichtweg ignoriert hat, lässt sich der Verwaltungsakte der Klägerin nicht entnehmen. Dies kann aber letztlich auch dahinstehen. Selbst wenn der damals für die Nachversicherung zuständige Sachbearbeiter tatsächlich unverschuldet keine Kenntnis vom Nachversicherungsfall gehabt haben sollte, so schiede eine unverschuldete Unkenntnis der Klägerin aus, weil sie keine ausreichenden Kontrollmechanismen vorgesehen hat, die die Durchführung der gesetzlichen Nachversicherungspflicht sicherstellen. Insbesondere genügen hierzu nicht der Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 12.09.1988 und auch nicht die ergänzenden Regelungen. Diese sehen im Wesentlichen nur Regelungen zur Durchführung, nicht aber zur Kontrolle der Nachversicherung vor; dort ist lediglich bestimmt, wer für die Durchführung der Nachversicherung im Einzelnen zuständig und wie und von wem die Nachversicherung einzuleiten ist. Auch die Erfassung aller Nachversicherungs- und Aufschubfälle in einer besonderen Kartei beim Wehrberreichsgebührnisamt (WGBA) stellt keine ausreichende organisatorische Maßnahme im vorgenannten Sinne dar, weil in der bloßen Erfassung der Nachversicherungsfälle in einer gesonderten Kartei kein ausreichendes Kontrollinstrument besteht, insbesondere wenn wie hier die Nachversicherungspflicht bei unversorgtem Ausscheiden überhaupt nicht beachtet wird. Dem hätte beispielsweise durch Einführung eines ?Vier-Augen-Prinzips? bei unversorgtem Ausscheiden entgegen gewirkt werden können oder in dem die für die Durchführung der Nachversicherung zuständige Stelle die Fälle der unversorgt ausgeschiedenen Soldaten etc. turnusmäßig ?überprüft?, beispielsweise durch Abgleich der Fallzahlen unversorgt ausgeschiedener Bediensteter mit den durchgeführten Nachversicherungen.
Schließlich sind die Säumniszuschläge auch nicht verjährt. Entgegen der Auffassung der Klägerin greift hier nicht die kurze Verjährungsfrist aus § 25 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, wonach Ansprüche auf Beiträge und Säumniszuschläge innerhalb von 4 Jahren verjähren. Vielmehr greift § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, der bestimmt, dass bei vorsätzlicher Vorenthaltung die 30-jährige Verjährungsfrist gilt; hierfür genügt ein bedingter Vorsatz (BSG, Urteil vom 30.03.2000 ? B 12 KR 15/99 R). Auch hier ist eine bedingt vorsätzliche Vorenthaltung der Nachversicherungsbeiträge inklusive der hier allein streitigen Säumniszuschläge gegeben, weil die Klägerin die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat; sie hat ihre Verwaltungsabläufe nicht so organisiert, dass die Durchführung der Nachversicherung auch kontrolliert wird. Sie hat vielmehr nur die Durchführung der Nachversicherung durch Erlass geregelt und auf die ordnungsgemäße Bearbeitung vertraut.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO); die Klägerin ist nach § 2 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) von der Zahlung von Gerichtskosten befreit.
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