Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 14 R 5254/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 471/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2010 aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Wirksamkeit einer Verrechnung.
Die im Jahr 1945 geborene Klägerin erhält von der Beklagten gemäß Bescheid vom 11. Die monatliche Rente beträgt ab 01. April 2010 347,62 Euro abzüglich der Beitragsanteile der Kranken- und Pflegeversicherung laufend 312,51 Euro. Für die Zeit vom 01. Februar 2010 bis 31. März 2010 ist eine Nachzahlung von 625,02 Euro vorgesehen. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2011 wurde die Regelaltersrente ab 01. Februar 2010 neu berechnet. Danach sollen laufend 351,07 Euro monatlich ausgezahlt werden.
Dem Antrag der Klägerin auf Versichertenrente aus dem Monat Dezember 2009 ist zu entnehmen: Sie war als Bürogehilfin tätig vom 21. Oktober 1961 bis 31. Juli 1963.Vom 01. August 1963 bis 31. März 1964 besuchte sie die Handelsschule. Von Dezember 1973 bis April 1979 war sie freiberuflich tätig. Vom 01. April 2003 bis 15. November 2006 betrieb sie als Selbständige einen Handel mit Kunstblumen.
Im August 1998 ermächtigte die Beigeladene die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, nachfolgend ebenfalls Beklagte genannt, ihre Forderung gegen die Klägerin gegen die Rentenleistung der Beklagten zu verrechnen: Sie habe eine einziehbare und nicht verjährte Forderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 01. Januar 1995 bis 31. Mai 1995 von insgesamt 7.879,30 DM beim Stand 15. September 1998 einschließlich der Säumniszuschläge in Höhe von 2.255 DM.
Im März 2010 forderte die Beklagte die Beigeladene auf, ihr Verrechnungsersuchen zu ergänzen im Hinblick auf Voraussetzungen, die das BSG im Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R gefordert hatte. Die Beigeladene teilte dazu im April 2010 der Beklagten mit, die Klägerin schulde ihr Gesamtsozialversicherungsbeiträge für ehemalige Beschäftigte der Firma KH für die Monate Januar 1995 bis Mai 1995. Die Beitragsforderung errechne sich für diesen Zeitraum wie folgt:
Gesamtsozialversicherungsbeiträge 2.831 Euro Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV bis 15. April 2010 5.061,79 Euro Verwaltungsgebühren 17,45 Euro Kosten des Beitragseinzugs 27,20 Euro Insgesamt: 7937,44 Euro
Hinzu kämen weitere Säumniszuschläge ab 16. April 2010 in Höhe von 28,12 Euro je angefangenen Monat bis zum Ausgleich der Hauptforderung. Die Forderung sei mit Beitragsbescheiden vom 16. Februar 1996 und 06. Juni 1996 tituliert.
Des Weiteren schulde ihr die Klägerin Sozialversicherungsbeiträge für ehemalige Beschäftigte der Firma FGbR für die Monate Mai 1989 bis Juni 1994. Die Beitragsforderung errechne sich für den Zeitraum wie folgt:
Gesamtsozialversicherungsbeiträge 42.526,05 Euro Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV bis 15. Februar 2007 72.300,49 Euro Kosten des Beitragseinzugs 482,62 Euro Insgesamt: 115.309,16 Euro
Hinzu kämen weitere Säumniszuschläge ab 16. Februar 2007 in Höhe von 404,94 Euro je angefangenen Monat bis zum Ausgleich der Hauptforderung. Die Forderung sei mit Beitragsbescheid vom 14. August 1996 tituliert worden.
Mit Schreiben vom 20. April 2010 gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit, sich bis zum 14. Mai 2010 zur beabsichtigten Verrechnung zu äußern.
Mit Bescheid vom 25. Mai 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, gegen ihre Rente in Höhe von 312,51 Euro werde monatlich die Hälfte ab Juli 2010 verrechnet. Sie erhalte deshalb von diesem Zeitpunkt an nur noch 156,26 Euro monatlich. Ferner werde die Hälfte der Nachzahlung für den Monat Februar 2010 in Höhe von 156,25 Euro verrechnet. Sie erhalte aus der Nachzahlung daher noch eine Einmalzahlung in Höhe von 156,26 Euro. Die Deutsche Rentenversicherung Bund sei von der kaufmännischen Krankenkasse mit Schreiben vom 18. August 1998 und 05. Februar 1992 nach § 52 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB I - ermächtigt worden, die von ihr geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung ggf. einschließlich Nebenforderungen von 123.246,60 Euro ggf. zuzüglich weiterer Zinsen und Säumniszuschläge gegen die ihr zuerkannte laufende Geldleistung (Rente) zu verrechnen.
Am 28. Juni 2010 bei der Beklagten eingehend hat die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt, der nicht begründet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Am Freitag, den 10. September 2010 wurde die Zustellung des Bescheides per Einschreiben verfügt.
Mit der am 14. Oktober 2010 beim Sozialgericht (SG) Berlin eingegangen Klage wandte sich die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 25. Mai 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2010. Die Klage wurde nicht begründet.
Die Beteiligten haben erstinstanzlich keinen Klageantrag gestellt.
Nach Anhörung der Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 29. März 2011 die Klage ab: Die Kammer habe bei Überprüfung des Verrechnungsersuchens der Beigeladenen keine Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass eine Forderung der geltend gemachten Höhe nicht bestehe. Die Beklagte habe jedenfalls im Ausgangsbescheid eine ausreichende Ermessensentscheidung getroffen, da sie darauf hingewiesen habe, ohne Äußerung der Klägerin sei davon auszugehen, dass diese nicht sozialhilfebedürftig werde. Da die Klägerin auch in der Folgezeit alle Unterlagen hierzu eingereicht habe, sei davon auszugehen, dass sie über weitere Einkünfte verfüge. Denn die Rente als solche liege schon unter dem gegenwärtigen Regelsatz der Sozialhilfe. Im Wege der Amtsermittlung seien keine weiteren Nachforschungen ins Blaue hinein anzustellen, da mit Wirkung ab 01. Januar 2005 die Nachweispflicht hinsichtlich der Sozialhilfebedürftigkeit bei dem Leistungsempfänger liege.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 02. April 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 02. Mai 2011 beim SG eingegangene Berufung der Klägerin, die mit Schriftsatz vom 30. April 2012 begründet wurde: den angegriffenen Bescheiden liege eine fehlerhafte Rechtsanwendung des § 51 Abs. 2 SGB I zugrunde. Der nach der hälftigen Verrechnung des monatlichen Rentenbetrages der Klägerin verbleibende Restbetrag liege nämlich unterhalb der Grenze, die nach sozialrechtlichen Vorschriften im Sozialhilferecht, Arbeitslosengeld II, Grundsicherung) für eine Sicherung der Existenzgrundlage vorgesehen und auch unabdingbar erforderlich sei. Die Klägerin werde durch die von der Beklagten vorgenommene streitgegenständliche Verrechnung nicht erst sozialhilfebedürftig; sie sei es bereits auf der Grundlage der laufenden monatlichen Rentenbeiträge (rechnerisch). Der Bereich unterhalb der Regelsätze für eine Sicherung des Lebensunterhaltes müsse aber von Zugriffen freigehalten werden hinsichtlich dieses Rechtsgedankens. Seine Grundlage in einer Wahrung der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 SGB habe auch die Regelung der §§ 850 ff. Zivilprozessordnung und des § 55 SGB I. Dieser Gesichtspunkt sei auch im Rahmen der gemäß § 51 Abs. 2 SGB I erforderlichen Ermessensausübung zugunsten des Betroffenen zu berücksichtigen. Es sei insoweit von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen. Eine andere rechtliche Betrachtungsweise würde verfassungsrechtlich zu nicht haltbarem Wertungswiderspruch führen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2011 den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Im Berufungsverfahren wurde die KKH beigeladen. Diese übersandte Beitragsbescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten, die in der Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie betrifft laufende Leistungen für mehr als ein Jahr § 144 Abs. 1Satz 2 SGG und ist auch im Übrigen statthaft. Sie ist auch begründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurde die am 14. Oktober 2010 beim SG eingegangene Klage fristgerecht erhoben. Am Freitag, den 10. September 2010 wurde die Zustellung des Widerspruchsbescheides per Einschreiben verfügt. Das genaue Datum der Zustellung ist nicht feststellbar.
Die Klage ist auch begründet.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2010 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Der angefochtene Bescheid regelt nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit die von der Beklagten angestrebte Verrechnung.
Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist.
§ 51 Abs. 1 SGB I besagt: Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigtenaufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.
Abs. 2 lautet: Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe von Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.
Die Verrechnung stellt damit praktisch eine Aufrechnung dar, bei der das Merkmal der Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 387 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) entfällt. Die allgemeinen Voraussetzungen des BGB für eine Aufrechnung sind erfüllt. Nach § 387 BGB kann, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.
Die erforderliche Aufrechnungslage ist hier gegeben, denn es stehen sich mit dem Anspruch der Klägerin auf monatliche Auszahlung von Altersrente und dem Anspruch der Beigeladenen auf Zahlung rückständiger Versicherungsbeiträge gleichartige Geldleistungsansprüche gegenüber, die auch jeweils fällig und erfüllbar sind.
Die Wirksamkeit der Verrechnungserklärung scheitert nicht an der von der Beklagten gewählten Handlungsform des Verwaltungsaktes. Mit Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. August 2011, GS 2/10 wurde entschieden, dass der Leistungsträger die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Leistungsberechtigten ausgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Gegenleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln kann. Damit wurde der bis dahin bestandene Streit, ob eine Verrechnung nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt zu erklären sei, entschieden. Der Senat folgt dieser Auffassung des BSG.
Offen bleiben kann, ob bei mehreren Verrechnungsersuchen - wie vorliegend - der ermächtigte Leistungsträger verpflichtet ist, das jeweils zeitlich frühere, in der Reihenfolge des Eingangs zu berücksichtigen (vgl. entsprechend zum Prioritätsgrundsatz: BSG SozR 3 - 1200 § 52 Nr. 1 S. 13, Nr. 2 S. 27 f; BGH NJW 1968, 835). Die Beklagte hat jedenfalls das zeitlich früheste in der Reihenfolge des eingegangenen Verrechnungsersuchen berücksichtigt (vgl. zum Prioritätsgrundsatz, BSG SozR 3-1200 § 52 Nr. 1 Satz 13, Nr. 2 Satz 27 f.) Auch liegt eine nachvollziehbare unverjährte Forderung vor (§ 52 Abs. 2 SGB X), wonach für einen Verwaltungsakt, der unanfechtbar im Sinne des § 52 Abs. 1 ist, die Verjährungsfrist 30 Jahre beträgt.
Die Wirksamkeit der Verrechnung scheitert auch nicht an dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der aufzurechnenden Forderung. Zwar enthält der angefochtene Bescheid lediglich unbestimmt die Angabe - gegen ihre Rente -. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin weitere Rentenansprüche hat, sodass hinreichend bestimmt ist, mit welcher Forderung aufgerechnet wird.
Allerdings fehlt es an hinreichender Bestimmtheit der Ermächtigungsbewilligungserklärung der Beigeladenen und an hinreichender Bestimmtheit der Verrechnungserklärung.
Die Ermächtigungsbewilligungserklärung muss hinreichend substantiiert sein, so dass Art und Umfang der Forderung so genau bezeichnet sind, dass die Beklagte als Empfänger der Willenserklärung ohne Weiteres - korrespondierend zu der Ermächtigung - eine substantiierte Verrechnungserklärung mit der Folge hätte abgeben können, dass etwa sich gegenüberstehende Forderungen erloschen sind. Denn der die Verrechnungserklärung abgebende Sozialleistungsträger muss von dem forderungsberechtigten Leistungsträger wirksam ermächtigt worden sein. Die Ermächtigung selbst ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie begründet für den ermächtigten Leistungsträger die Befugnis, im eigenen Namen über ein Recht des Ermächtigenden zu verfügen, d. h, dessen Forderung zu verrechnen. Durch die Ermächtigung wird die Rechtsposition des ermächtigenden Leistungsträgers nicht berührt; er bleibt nach wie vor Inhaber der Forderung gegen den Leistungsberechtigten Substantiierte Bezeichnung, Art und Höhe der Forderung, mit der verrechnet werden soll, sind zu bezeichnen. Darüber hinaus ist anzugeben, dass diese Forderung bestands- oder rechtskräftig festgestellt worden ist (Urteil des BSG vom 24. Juli 2003 ? B 4 RA 60/02 R).
Für den Empfänger der Verrechnungserklärung muss nach allgemeinen Auslegungskriterien (§ 133 BGB) erkennbar sein, mit welcher Forderung aufgerechnet werden soll. Es ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, welchen Inhalt eine wirksame Aufrechnungs- bzw. Verrechnungserklärung haben muss. Da die zur Verrechnung gestellten Forderungen aber nur soweit erlöschen, als sie sich decken, müssen- damit das Erlöschen/Tilgen der jeweiligen Forderungen als auch im Hinblick auf die Rechtskraft (§ 141 Abs. 2 SGG) - festgestellt werden kann, Art und Umfang der Forderungen in der Erklärung eindeutig bezeichnet werden. Der zur Herbeiführung der Rechtswirkung der Aufrechnung bzw. der Verrechnung gerichtete Wille muss für einen objektiven Dritten klar erkennbar sein (vgl. zu allem Urteil des BSG vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R). Diesen Erfordernissen werden die Ermächtigungsbewilligungserklärungen und die angefochtenen Bescheide nicht gerecht. Unbestimmt ist, welche Forderungen der Beigeladenen in welchem Umfang und in welcher Rangfolge zum Erlöschen gebracht werden sollen.
Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein, § 33 Abs. 1 SGB X. Dieses Erfordernis hinreichender Bestimmtheit bezieht sich auf den Verwaltungsakt als Regelung, auf den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und nicht auf die Gründe (BSG SozR 1500 § 55 Nr. 35 S. 39). Aus dem Verfügungssatz muss für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Die Beteiligten müssen ihr Verhalten danach ausrichten können (Klarstellungsfunktion des Verwaltungsaktes). Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann auf die Begründung des Verwaltungsaktes zurückgegriffen werden. Abzustellen ist auf die Erkenntnismöglichkeit eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers (BSGE 89, 90, 100).
Nach diesen Maßstäben sind das Ermächtigungsersuchen der Beigeladenen und der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht hinreichend bestimmt. Der Verfügungssatz besagt: Gegen Ihre Rente in Höhe von 312,51 Euro wird monatlich die Hälfte, das sind zurzeit 156,25 Euro ab Juli 2010 verrechnet und dass ferner die Hälfte der Nachzahlung für den Monat Februar 2010 in Höhe von 156,25 Euro berechnet wird. Es folgt die Begründung, die Deutsche Rentenversicherung Bund sei von der kaufmännischen Krankenkasse mit Schreiben vom 18. August 1998 und 05. Februar 1992 nach § 52 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB I - ermächtigt worden, die von ihr geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung ggf. einschließlich Nebenforderungen von 123.246,60 Euro ggf. zuzüglich weiterer Zinsen und Säumniszuschläge gegen die ihr zuerkannte laufende Geldleistung (Rente) zu verrechnen. Sie begründete dies weiter wie folgt:
Es handelt sich dabei um Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Firma K Hfür die Monate Januar 1995 bis Mai 1995 in Höhe von 2.831,00 EUR plus Säumniszuschläge bis 15.04.2010 in Höhe 5.061,79 EUR plus Verwaltungsgebühren in Höhe von 17,45 EUR plus Kosten des Beitragseinzuges in Höhe von 27,20 EUR, insgesamt 7.937,44 EUR; sowie Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Firma F GbR für die Monate Mai 1989 bis Juni 1994 in Höhe von 42.526,05 EUR plus Säumniszuschläge bis 15.02.2007 in Höhe von 72.300,49 EUR plus Kosten des Beitragseinzuges in Höhe von 482,62 EUR, insgesamt 115.309,16 EUR.
Dazu kommen die weiteren Säumniszuschläge
Es folgen Hinweise zu § 52 SGB I.
Dem Ermächtigungsersuchen der Beigeladenen und Bescheid lässt sich - auch unter Heranziehung der Erläuterungen im Bescheid - nicht entnehmen, welche Forderung in welcher Höhe gegen die Rentennachzahlung monatlich aufgerechnet werden soll und in welcher Reihenfolge. Es lässt sich weder aus der Ermächtigungsbewilligungserklärung noch aus dem Bescheid oder dem Anhörungsschreiben erkennen, ob eine und wenn ja - welche Rangfolge der Forderungen besteht.
Denn es wird nicht klar, in welchem Umfang die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Firma H in Höhe von 1995 in Höhe von 2.831,00 EUR, die dazugehörenden Säumniszuschläge in Höhe 5.061,79 EUR und Verwaltungsgebühren in Höhe von 17,45 EUR plus Kosten des Beitragseinzuges in Höhe von 27,20 EUR, insgesamt 7.937,44 EUR monatlich verrechnet werden und damit monatlich getilgt würden und in welchem Umfang. Ebenso bleibt unklar, in welchem Umfang die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Firma F GbR für die Monate Mai 1989 bis Juni 1994 in Höhe von 42.526,05 EUR, die Säumniszuschläge bis 15.02.2007 in Höhe von 72.300,49 EUR und Kosten des Beitragseinzuges in Höhe von 482,62 EUR, monatlich verrechnet und damit getilgt werden. Allein aus der Nennung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge zuzüglich Säumniszuschläge bis 15.04.2010 in Höhe 5.061,79 EUR plus Verwaltungsgebühren in Höhe von 17,45 EUR plus Kosten des Beitragseinzuges in Höhe von 27,20 EUR, für die Firma H an erster Stelle in der Begründung für den Bescheid lässt sich nicht mit der notwendigen hinreichenden Bestimmtheit erkennen, dass diese oder vielleicht erst die höheren Säumniszuschläge bis 15.04.2010 in Höhe 5.061,79 EUR vorrangig sein sollen. Unklar bleibt insgesamt, in welcher Reihenfolge die Säumniszuschläge, Verwaltungsgebühren und Kosten des Beitragseinzuges monatlich verrechnet werden und damit zum Erlöschen kommen sollen. Der genannte Mangel hinsichtlich der Bestimmtheit wurde nicht geheilt durch die Erklärung des Bevollmächtigten der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2012, zunächst sollte die älteste Schuld getilgt werden. Bei der vorliegenden Anfechtungsklage ist die Rechtmäßigkeit und damit auch die Bestimmtheit des Verwaltungsaktes zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung zuletzt des Widerspruchsbescheides) zu prüfen, eine spätere Änderung der Sach- und Rechtslage ist i.d.R. unbeachtlich (ständige Rechtsprechung des BSG, BSGE85, 98).
Von daher erachtet der Senat das nachträgliche Herstellen der Bestimmtheit für nicht zulässig.
Ebenfalls unbestimmt ist der Beendigungszeitpunkt der Verrechnung.
Des Weiteren ist die Bestimmtheit der Verrechnung nicht nachvollziehbar, als - weitere Säumniszuschläge - verrechnet werden.
Die Rechtsfolge der Unbestimmtheit des Verwaltungsaktes ist, dass dieser rechtswidrig ist. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Wirksamkeit einer Verrechnung.
Die im Jahr 1945 geborene Klägerin erhält von der Beklagten gemäß Bescheid vom 11. Die monatliche Rente beträgt ab 01. April 2010 347,62 Euro abzüglich der Beitragsanteile der Kranken- und Pflegeversicherung laufend 312,51 Euro. Für die Zeit vom 01. Februar 2010 bis 31. März 2010 ist eine Nachzahlung von 625,02 Euro vorgesehen. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2011 wurde die Regelaltersrente ab 01. Februar 2010 neu berechnet. Danach sollen laufend 351,07 Euro monatlich ausgezahlt werden.
Dem Antrag der Klägerin auf Versichertenrente aus dem Monat Dezember 2009 ist zu entnehmen: Sie war als Bürogehilfin tätig vom 21. Oktober 1961 bis 31. Juli 1963.Vom 01. August 1963 bis 31. März 1964 besuchte sie die Handelsschule. Von Dezember 1973 bis April 1979 war sie freiberuflich tätig. Vom 01. April 2003 bis 15. November 2006 betrieb sie als Selbständige einen Handel mit Kunstblumen.
Im August 1998 ermächtigte die Beigeladene die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, nachfolgend ebenfalls Beklagte genannt, ihre Forderung gegen die Klägerin gegen die Rentenleistung der Beklagten zu verrechnen: Sie habe eine einziehbare und nicht verjährte Forderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 01. Januar 1995 bis 31. Mai 1995 von insgesamt 7.879,30 DM beim Stand 15. September 1998 einschließlich der Säumniszuschläge in Höhe von 2.255 DM.
Im März 2010 forderte die Beklagte die Beigeladene auf, ihr Verrechnungsersuchen zu ergänzen im Hinblick auf Voraussetzungen, die das BSG im Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R gefordert hatte. Die Beigeladene teilte dazu im April 2010 der Beklagten mit, die Klägerin schulde ihr Gesamtsozialversicherungsbeiträge für ehemalige Beschäftigte der Firma KH für die Monate Januar 1995 bis Mai 1995. Die Beitragsforderung errechne sich für diesen Zeitraum wie folgt:
Gesamtsozialversicherungsbeiträge 2.831 Euro Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV bis 15. April 2010 5.061,79 Euro Verwaltungsgebühren 17,45 Euro Kosten des Beitragseinzugs 27,20 Euro Insgesamt: 7937,44 Euro
Hinzu kämen weitere Säumniszuschläge ab 16. April 2010 in Höhe von 28,12 Euro je angefangenen Monat bis zum Ausgleich der Hauptforderung. Die Forderung sei mit Beitragsbescheiden vom 16. Februar 1996 und 06. Juni 1996 tituliert.
Des Weiteren schulde ihr die Klägerin Sozialversicherungsbeiträge für ehemalige Beschäftigte der Firma FGbR für die Monate Mai 1989 bis Juni 1994. Die Beitragsforderung errechne sich für den Zeitraum wie folgt:
Gesamtsozialversicherungsbeiträge 42.526,05 Euro Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV bis 15. Februar 2007 72.300,49 Euro Kosten des Beitragseinzugs 482,62 Euro Insgesamt: 115.309,16 Euro
Hinzu kämen weitere Säumniszuschläge ab 16. Februar 2007 in Höhe von 404,94 Euro je angefangenen Monat bis zum Ausgleich der Hauptforderung. Die Forderung sei mit Beitragsbescheid vom 14. August 1996 tituliert worden.
Mit Schreiben vom 20. April 2010 gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit, sich bis zum 14. Mai 2010 zur beabsichtigten Verrechnung zu äußern.
Mit Bescheid vom 25. Mai 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, gegen ihre Rente in Höhe von 312,51 Euro werde monatlich die Hälfte ab Juli 2010 verrechnet. Sie erhalte deshalb von diesem Zeitpunkt an nur noch 156,26 Euro monatlich. Ferner werde die Hälfte der Nachzahlung für den Monat Februar 2010 in Höhe von 156,25 Euro verrechnet. Sie erhalte aus der Nachzahlung daher noch eine Einmalzahlung in Höhe von 156,26 Euro. Die Deutsche Rentenversicherung Bund sei von der kaufmännischen Krankenkasse mit Schreiben vom 18. August 1998 und 05. Februar 1992 nach § 52 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB I - ermächtigt worden, die von ihr geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung ggf. einschließlich Nebenforderungen von 123.246,60 Euro ggf. zuzüglich weiterer Zinsen und Säumniszuschläge gegen die ihr zuerkannte laufende Geldleistung (Rente) zu verrechnen.
Am 28. Juni 2010 bei der Beklagten eingehend hat die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt, der nicht begründet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Am Freitag, den 10. September 2010 wurde die Zustellung des Bescheides per Einschreiben verfügt.
Mit der am 14. Oktober 2010 beim Sozialgericht (SG) Berlin eingegangen Klage wandte sich die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 25. Mai 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2010. Die Klage wurde nicht begründet.
Die Beteiligten haben erstinstanzlich keinen Klageantrag gestellt.
Nach Anhörung der Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 29. März 2011 die Klage ab: Die Kammer habe bei Überprüfung des Verrechnungsersuchens der Beigeladenen keine Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass eine Forderung der geltend gemachten Höhe nicht bestehe. Die Beklagte habe jedenfalls im Ausgangsbescheid eine ausreichende Ermessensentscheidung getroffen, da sie darauf hingewiesen habe, ohne Äußerung der Klägerin sei davon auszugehen, dass diese nicht sozialhilfebedürftig werde. Da die Klägerin auch in der Folgezeit alle Unterlagen hierzu eingereicht habe, sei davon auszugehen, dass sie über weitere Einkünfte verfüge. Denn die Rente als solche liege schon unter dem gegenwärtigen Regelsatz der Sozialhilfe. Im Wege der Amtsermittlung seien keine weiteren Nachforschungen ins Blaue hinein anzustellen, da mit Wirkung ab 01. Januar 2005 die Nachweispflicht hinsichtlich der Sozialhilfebedürftigkeit bei dem Leistungsempfänger liege.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 02. April 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 02. Mai 2011 beim SG eingegangene Berufung der Klägerin, die mit Schriftsatz vom 30. April 2012 begründet wurde: den angegriffenen Bescheiden liege eine fehlerhafte Rechtsanwendung des § 51 Abs. 2 SGB I zugrunde. Der nach der hälftigen Verrechnung des monatlichen Rentenbetrages der Klägerin verbleibende Restbetrag liege nämlich unterhalb der Grenze, die nach sozialrechtlichen Vorschriften im Sozialhilferecht, Arbeitslosengeld II, Grundsicherung) für eine Sicherung der Existenzgrundlage vorgesehen und auch unabdingbar erforderlich sei. Die Klägerin werde durch die von der Beklagten vorgenommene streitgegenständliche Verrechnung nicht erst sozialhilfebedürftig; sie sei es bereits auf der Grundlage der laufenden monatlichen Rentenbeiträge (rechnerisch). Der Bereich unterhalb der Regelsätze für eine Sicherung des Lebensunterhaltes müsse aber von Zugriffen freigehalten werden hinsichtlich dieses Rechtsgedankens. Seine Grundlage in einer Wahrung der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 SGB habe auch die Regelung der §§ 850 ff. Zivilprozessordnung und des § 55 SGB I. Dieser Gesichtspunkt sei auch im Rahmen der gemäß § 51 Abs. 2 SGB I erforderlichen Ermessensausübung zugunsten des Betroffenen zu berücksichtigen. Es sei insoweit von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen. Eine andere rechtliche Betrachtungsweise würde verfassungsrechtlich zu nicht haltbarem Wertungswiderspruch führen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2011 den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Im Berufungsverfahren wurde die KKH beigeladen. Diese übersandte Beitragsbescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten, die in der Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie betrifft laufende Leistungen für mehr als ein Jahr § 144 Abs. 1Satz 2 SGG und ist auch im Übrigen statthaft. Sie ist auch begründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurde die am 14. Oktober 2010 beim SG eingegangene Klage fristgerecht erhoben. Am Freitag, den 10. September 2010 wurde die Zustellung des Widerspruchsbescheides per Einschreiben verfügt. Das genaue Datum der Zustellung ist nicht feststellbar.
Die Klage ist auch begründet.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2010 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Der angefochtene Bescheid regelt nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit die von der Beklagten angestrebte Verrechnung.
Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist.
§ 51 Abs. 1 SGB I besagt: Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigtenaufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.
Abs. 2 lautet: Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe von Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.
Die Verrechnung stellt damit praktisch eine Aufrechnung dar, bei der das Merkmal der Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 387 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) entfällt. Die allgemeinen Voraussetzungen des BGB für eine Aufrechnung sind erfüllt. Nach § 387 BGB kann, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.
Die erforderliche Aufrechnungslage ist hier gegeben, denn es stehen sich mit dem Anspruch der Klägerin auf monatliche Auszahlung von Altersrente und dem Anspruch der Beigeladenen auf Zahlung rückständiger Versicherungsbeiträge gleichartige Geldleistungsansprüche gegenüber, die auch jeweils fällig und erfüllbar sind.
Die Wirksamkeit der Verrechnungserklärung scheitert nicht an der von der Beklagten gewählten Handlungsform des Verwaltungsaktes. Mit Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. August 2011, GS 2/10 wurde entschieden, dass der Leistungsträger die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Leistungsberechtigten ausgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Gegenleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln kann. Damit wurde der bis dahin bestandene Streit, ob eine Verrechnung nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt zu erklären sei, entschieden. Der Senat folgt dieser Auffassung des BSG.
Offen bleiben kann, ob bei mehreren Verrechnungsersuchen - wie vorliegend - der ermächtigte Leistungsträger verpflichtet ist, das jeweils zeitlich frühere, in der Reihenfolge des Eingangs zu berücksichtigen (vgl. entsprechend zum Prioritätsgrundsatz: BSG SozR 3 - 1200 § 52 Nr. 1 S. 13, Nr. 2 S. 27 f; BGH NJW 1968, 835). Die Beklagte hat jedenfalls das zeitlich früheste in der Reihenfolge des eingegangenen Verrechnungsersuchen berücksichtigt (vgl. zum Prioritätsgrundsatz, BSG SozR 3-1200 § 52 Nr. 1 Satz 13, Nr. 2 Satz 27 f.) Auch liegt eine nachvollziehbare unverjährte Forderung vor (§ 52 Abs. 2 SGB X), wonach für einen Verwaltungsakt, der unanfechtbar im Sinne des § 52 Abs. 1 ist, die Verjährungsfrist 30 Jahre beträgt.
Die Wirksamkeit der Verrechnung scheitert auch nicht an dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der aufzurechnenden Forderung. Zwar enthält der angefochtene Bescheid lediglich unbestimmt die Angabe - gegen ihre Rente -. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin weitere Rentenansprüche hat, sodass hinreichend bestimmt ist, mit welcher Forderung aufgerechnet wird.
Allerdings fehlt es an hinreichender Bestimmtheit der Ermächtigungsbewilligungserklärung der Beigeladenen und an hinreichender Bestimmtheit der Verrechnungserklärung.
Die Ermächtigungsbewilligungserklärung muss hinreichend substantiiert sein, so dass Art und Umfang der Forderung so genau bezeichnet sind, dass die Beklagte als Empfänger der Willenserklärung ohne Weiteres - korrespondierend zu der Ermächtigung - eine substantiierte Verrechnungserklärung mit der Folge hätte abgeben können, dass etwa sich gegenüberstehende Forderungen erloschen sind. Denn der die Verrechnungserklärung abgebende Sozialleistungsträger muss von dem forderungsberechtigten Leistungsträger wirksam ermächtigt worden sein. Die Ermächtigung selbst ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie begründet für den ermächtigten Leistungsträger die Befugnis, im eigenen Namen über ein Recht des Ermächtigenden zu verfügen, d. h, dessen Forderung zu verrechnen. Durch die Ermächtigung wird die Rechtsposition des ermächtigenden Leistungsträgers nicht berührt; er bleibt nach wie vor Inhaber der Forderung gegen den Leistungsberechtigten Substantiierte Bezeichnung, Art und Höhe der Forderung, mit der verrechnet werden soll, sind zu bezeichnen. Darüber hinaus ist anzugeben, dass diese Forderung bestands- oder rechtskräftig festgestellt worden ist (Urteil des BSG vom 24. Juli 2003 ? B 4 RA 60/02 R).
Für den Empfänger der Verrechnungserklärung muss nach allgemeinen Auslegungskriterien (§ 133 BGB) erkennbar sein, mit welcher Forderung aufgerechnet werden soll. Es ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, welchen Inhalt eine wirksame Aufrechnungs- bzw. Verrechnungserklärung haben muss. Da die zur Verrechnung gestellten Forderungen aber nur soweit erlöschen, als sie sich decken, müssen- damit das Erlöschen/Tilgen der jeweiligen Forderungen als auch im Hinblick auf die Rechtskraft (§ 141 Abs. 2 SGG) - festgestellt werden kann, Art und Umfang der Forderungen in der Erklärung eindeutig bezeichnet werden. Der zur Herbeiführung der Rechtswirkung der Aufrechnung bzw. der Verrechnung gerichtete Wille muss für einen objektiven Dritten klar erkennbar sein (vgl. zu allem Urteil des BSG vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R). Diesen Erfordernissen werden die Ermächtigungsbewilligungserklärungen und die angefochtenen Bescheide nicht gerecht. Unbestimmt ist, welche Forderungen der Beigeladenen in welchem Umfang und in welcher Rangfolge zum Erlöschen gebracht werden sollen.
Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein, § 33 Abs. 1 SGB X. Dieses Erfordernis hinreichender Bestimmtheit bezieht sich auf den Verwaltungsakt als Regelung, auf den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und nicht auf die Gründe (BSG SozR 1500 § 55 Nr. 35 S. 39). Aus dem Verfügungssatz muss für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Die Beteiligten müssen ihr Verhalten danach ausrichten können (Klarstellungsfunktion des Verwaltungsaktes). Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann auf die Begründung des Verwaltungsaktes zurückgegriffen werden. Abzustellen ist auf die Erkenntnismöglichkeit eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers (BSGE 89, 90, 100).
Nach diesen Maßstäben sind das Ermächtigungsersuchen der Beigeladenen und der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht hinreichend bestimmt. Der Verfügungssatz besagt: Gegen Ihre Rente in Höhe von 312,51 Euro wird monatlich die Hälfte, das sind zurzeit 156,25 Euro ab Juli 2010 verrechnet und dass ferner die Hälfte der Nachzahlung für den Monat Februar 2010 in Höhe von 156,25 Euro berechnet wird. Es folgt die Begründung, die Deutsche Rentenversicherung Bund sei von der kaufmännischen Krankenkasse mit Schreiben vom 18. August 1998 und 05. Februar 1992 nach § 52 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB I - ermächtigt worden, die von ihr geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung ggf. einschließlich Nebenforderungen von 123.246,60 Euro ggf. zuzüglich weiterer Zinsen und Säumniszuschläge gegen die ihr zuerkannte laufende Geldleistung (Rente) zu verrechnen. Sie begründete dies weiter wie folgt:
Es handelt sich dabei um Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Firma K Hfür die Monate Januar 1995 bis Mai 1995 in Höhe von 2.831,00 EUR plus Säumniszuschläge bis 15.04.2010 in Höhe 5.061,79 EUR plus Verwaltungsgebühren in Höhe von 17,45 EUR plus Kosten des Beitragseinzuges in Höhe von 27,20 EUR, insgesamt 7.937,44 EUR; sowie Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Firma F GbR für die Monate Mai 1989 bis Juni 1994 in Höhe von 42.526,05 EUR plus Säumniszuschläge bis 15.02.2007 in Höhe von 72.300,49 EUR plus Kosten des Beitragseinzuges in Höhe von 482,62 EUR, insgesamt 115.309,16 EUR.
Dazu kommen die weiteren Säumniszuschläge
Es folgen Hinweise zu § 52 SGB I.
Dem Ermächtigungsersuchen der Beigeladenen und Bescheid lässt sich - auch unter Heranziehung der Erläuterungen im Bescheid - nicht entnehmen, welche Forderung in welcher Höhe gegen die Rentennachzahlung monatlich aufgerechnet werden soll und in welcher Reihenfolge. Es lässt sich weder aus der Ermächtigungsbewilligungserklärung noch aus dem Bescheid oder dem Anhörungsschreiben erkennen, ob eine und wenn ja - welche Rangfolge der Forderungen besteht.
Denn es wird nicht klar, in welchem Umfang die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Firma H in Höhe von 1995 in Höhe von 2.831,00 EUR, die dazugehörenden Säumniszuschläge in Höhe 5.061,79 EUR und Verwaltungsgebühren in Höhe von 17,45 EUR plus Kosten des Beitragseinzuges in Höhe von 27,20 EUR, insgesamt 7.937,44 EUR monatlich verrechnet werden und damit monatlich getilgt würden und in welchem Umfang. Ebenso bleibt unklar, in welchem Umfang die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Firma F GbR für die Monate Mai 1989 bis Juni 1994 in Höhe von 42.526,05 EUR, die Säumniszuschläge bis 15.02.2007 in Höhe von 72.300,49 EUR und Kosten des Beitragseinzuges in Höhe von 482,62 EUR, monatlich verrechnet und damit getilgt werden. Allein aus der Nennung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge zuzüglich Säumniszuschläge bis 15.04.2010 in Höhe 5.061,79 EUR plus Verwaltungsgebühren in Höhe von 17,45 EUR plus Kosten des Beitragseinzuges in Höhe von 27,20 EUR, für die Firma H an erster Stelle in der Begründung für den Bescheid lässt sich nicht mit der notwendigen hinreichenden Bestimmtheit erkennen, dass diese oder vielleicht erst die höheren Säumniszuschläge bis 15.04.2010 in Höhe 5.061,79 EUR vorrangig sein sollen. Unklar bleibt insgesamt, in welcher Reihenfolge die Säumniszuschläge, Verwaltungsgebühren und Kosten des Beitragseinzuges monatlich verrechnet werden und damit zum Erlöschen kommen sollen. Der genannte Mangel hinsichtlich der Bestimmtheit wurde nicht geheilt durch die Erklärung des Bevollmächtigten der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2012, zunächst sollte die älteste Schuld getilgt werden. Bei der vorliegenden Anfechtungsklage ist die Rechtmäßigkeit und damit auch die Bestimmtheit des Verwaltungsaktes zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung zuletzt des Widerspruchsbescheides) zu prüfen, eine spätere Änderung der Sach- und Rechtslage ist i.d.R. unbeachtlich (ständige Rechtsprechung des BSG, BSGE85, 98).
Von daher erachtet der Senat das nachträgliche Herstellen der Bestimmtheit für nicht zulässig.
Ebenfalls unbestimmt ist der Beendigungszeitpunkt der Verrechnung.
Des Weiteren ist die Bestimmtheit der Verrechnung nicht nachvollziehbar, als - weitere Säumniszuschläge - verrechnet werden.
Die Rechtsfolge der Unbestimmtheit des Verwaltungsaktes ist, dass dieser rechtswidrig ist. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
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