L 11 R 44/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 2993/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 44/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20.10.2010 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zu 2) bei der Klägerin zu 1) sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.

Die Klägerin zu 1) ist eine Firma, die seit 1996 in der Rechtsform einer GmbH im Bereich des Modell- und Formenbaus für die Automobil-, Luftfahrt- und Maschinenbauindustrie tätig ist. Der Vater der Klägerin zu 2), J. G. N., ist Gesellschafter mit einem Anteil von 80 % sowie alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Von Beruf ist er Modellbaumeister. Nach der Satzung der GmbH werden Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, wobei nach Geschäftsanteilen abgestimmt wird (§ 8 Ziff 1, 2). Beschlüsse der Gesellschafterversammlung betreffend folgenden Inhalts bedürfen nach § 8 Ziff 5 der Satzung der Zustimmung von 81 % des gesamten Stammkapitals:

a) Errichtung und Aufgabe von Zweigniederlassungen; Gründung, Erwerb oder Veräußerung anderer Unternehmen oder Beteiligungen an solchen; Aufnahme und Aufgabe eines Geschäftszweiges; Eingehung von gesellschaftlichen Verhältnissen; b) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken, sowie grundstücksgleichen Rechten und Pflichten an Grundstücken; c) Abschluss, Beendigung und Änderung von Miet-, Pacht- oder Leasingverträgen mit einer monatlichen Zahlungsverpflichtung von mehr als 1.000,00 Euro; d) Bestellung sowie Abberufung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten; e) Abschluss, Beendigung und Änderung von Beschäftigungsverträgen mit Arbeitnehmern oder freien Mitarbeitern, denen eine monatliche Vergütung von mehr als 2.500 Euro brutto zustehen soll, denen eine längere Kündigungsfrist als die gesetzliche eingeräumt werden soll, die am Gewinn oder Umsatz des Unternehmens beteiligt werden sollen, sowie die Beschäftigung des Ehegatten des Geschäftsführers, von Gesellschaftern oder von Personen, die mit einem Gesellschafter oder einem Geschäftsführer verwandt oder verschwägert sind. f) Abschluss von Rechtsgeschäften, die im Einzelfall den Betrag von mehr als 20.000,00 Euro übersteigen; hiervon ausgenommen sind Wareneinkäufe für den üblichen Handelsbetrieb bis zu einem Höchstbetrag von 70.000,00 Euro; g) Eingehen von Wechselverbindlichkeiten, Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen sowie die Abgabe von Garantieerklärungen, soweit nicht für einen bestimmten geschäftlichen Vorgang im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs erforderlich; h) Inanspruchnahme und Gewährung von Krediten oder Sicherheitsleistungen, die im Einzelfall einen Betrag von 30.000,00 Euro überschreiten, soweit nicht in dem durch Gesellschafterbeschluss genehmigten Finanzplan vorgesehen; hiervon ausgenommen sind die laufenden Warenkredite im gewöhnlichen Geschäftsverkehr mit Kunden oder Lieferanten der Gesellschaft; i) Abschluss, Beendigung und Änderung von Verträgen über Erwerb oder Veräußerung von Urheberrechten, gewerblichen Schutzrechten, Lizenzen, Know-how oder verwandten Rechten; j) Abschluss, Beendigung oder Änderung von Unternehmensverträgen sowie Verträgen wettbewerbsbeschränkender Art; k) Einleitung gerichtlicher oder schiedsgerichtlicher Verfahren sowie deren Beendigung durch Rücknahme der Anträge oder Vergleich; hiervon ausgenommen sind gerichtliche Verfahren in Zusammenhang mit der Geltendmachung von Forderungen.

Die Klägerin zu 2) ist gelernte Industriekauffrau. Seit dem 15.04.2008 hält sie einen Anteil von 20 % an den Stammeinlagen. Im ?Anstellungsvertrag? vom 17.04.2008 ist unter anderem geregelt, dass sie alle kaufmännischen Aufgaben, die im Rahmen der Tätigkeit des Unternehmens anfallen, zu erledigen hat. Sie hat sich allein vom Wohl der Gesellschaft leiten zu lassen. Sie hat die zur Bewältigung ihrer Aufgaben erforderliche Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen ist sie in der Gestaltung der Arbeitszeit frei. Der Vertrag kann mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende schriftlich gekündigt werden (§ 2). Die Klägerin zu 2) erhält nach § 3 des Anstellungsvertrages eine feste Vergütung in Höhe von 3.100,00 ? sowie ein 13. Monatsgehalt und Tantiemen in Höhe von 8 % des Steuerbilanzgewinns. Überarbeiten gelten als pauschal abgegolten. Nach § 5 steht ihr ein Urlaubsanspruch von 30 Werktagen zu. Im August 2008 erklärte die Klägerin zu 2) notariell beurkundet ?unwiderruflich? ihre Zustimmung, dass ihr Bruder, Je. N., Gesellschafter der GmbH werden darf und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als Geschäftsführer bestellt werden darf.

Am 17.11.2008 beantragten die Klägerinnen bei der Beigeladenen zu 1) die Feststellung, wonach die Tätigkeit der Klägerin zu 2) bei der Klägerin zu 1) eine selbständige Tätigkeit darstellt. Die Beigeladene zu 1) leitete den Antrag mit Schreiben vom 12.12.2008 an die Beklagte weiter. Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines mitarbeitenden Gesellschafters gab die Klägerin zu 2) unter anderem an, die regelmäßige Wochenarbeitszeit betrage 40 Stunden. Tatsächlich arbeite sie durchschnittlich rund 60 Stunden in der Woche. Sie unterliege nicht wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht der Gesellschaft. Ihre Tätigkeit sei von familiärer Rücksichtnahme geprägt. Sie könne ihre Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten. Sie könne gemeinsam mit ihrem Vater Personal einstellen und/oder entlassen. Aufgrund ihrer Sperrminorität könne ihr Vater allein kein Personal einstellen bzw entlassen. Sie müsse sich ihren Urlaub nicht genehmigen lassen. Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit werde die Vergütung für die Dauer von sechs Wochen weitergewährt. Es werde Lohnsteuer entrichtet. Die Verbuchung der Vergütung erfolge als Lohn/Gehalt.

Mit Schreiben vom 10.02.2009 teilte die Beklagte den Klägerinnen mit, es sei beabsichtigt festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2) als mitarbeitende Gesellschafterin bei der Klägerin zu 1) seit dem 15.04.2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund des Kapitaleinsatzes von 20 % des Gesamtkapitals und dem daraus resultierenden Stimmrechtsanteil sei es der Klägerin zu 2) nicht möglich, die Geschicke der Firma maßgeblich zu beeinflussen. Diverse Beschlüsse bedürften der qualifizierten Stimmenmehrheit von 81 % der Stimmen. Damit könne die Klägerin zu 2) zwar Beschlüsse verhindern, aber keine herbeiführen. Aufgrund des festen Monatsgehalts trage sie auch kein Unternehmerrisiko. Auch Gewinnbeteiligungen durch die Zahlung von Tantiemen reichten hierfür nicht, da sie bei schlechter Geschäftslage ihre festen Monatsbezüge sicher habe. Allein aus der gegebenenfalls weisungsfreien Ausführung ihrer Tätigkeit könne nicht auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden. Die Versicherungspflicht beginne dem Grunde nach mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung. Die Klägerinnen ließen daraufhin ausführen, schon aufgrund der Sperrminorität sei eine selbständige Tätigkeit anzunehmen. Nach der einschlägigen Rechtsprechung sei es maßgeblich, ob Gesellschafterbeschlüsse verhindert werden könnten. Dies sei wegen § 8 der Satzung vorliegend der Fall. Zudem trage die Klägerin zu 2) ein Unternehmerrisiko, da Tantiemen vereinbart seien. Die Arbeitsleistung sei zudem nicht fremdbestimmt. Schließlich werde von der Rechtsprechung das Vorliegen von Selbständigkeit bei Bestehen einer Familien-GmbH indiziert. Mit Bescheiden vom 01.04.2009 traf die Beklagte die beabsichtigten Feststellungen. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus den Anhörungsschreiben. Ergänzend führte sie aus, eine Sperrminorität eines mitarbeitenden Gesellschafters ohne Geschäftsführerfunktion schließe ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht von vornherein aus. In einer Familien-GmbH mitarbeitende Gesellschafter seien keine abhängig Beschäftigten, wenn die Geschäftsführertätigkeit mehr durch familienhafte Rücksichtnahme und ein gleichberechtigtes Nebeneinander als durch einen für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnis typischen Interessengegensatz gekennzeichnet sei. Die Klägerin zu 2) sei jedoch nicht zur Geschäftsführerin bestellt worden. Die am 04.05.2009 gegen die Bescheide eingelegten Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheiden vom 01.10.2009 zurückgewiesen.

Am 06.11.2009 haben die Klägerinnen beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Prüfung der Beklagten hätte die Feststellung einer selbständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2) ergeben müssen. Das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung scheitere bereits an der Sperrminorität der Klägerin zu 2). Nach § 8 der Satzung könne sie unter anderem Beschlüsse verhindern, die ihr eigenes Dienstverhältnis beträfen. Ein Direktionsrecht sei daher von vornherein ausgeschlossen. Allein maßgeblich sei, ob die Klägerin zu 2) Beschlüsse verhindern könne. Es sei nicht relevant, ob sie Beschlüsse herbeiführen könne, da dies bereits impliziert sei. Aufgrund der Sperrminorität habe die Klägerin zu 2) Einfluss auf die Geschicke der GmbH. Darüber hinaus liege keine persönliche Abhängigkeit vor. Bereits die familienhafte Verbindung spreche gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Es bestehe ein gleichberechtigtes Nebeneinander. Sie unterliege keinerlei Weisungen hinsichtlich Ort, Dauer, Zeit oder Art ihrer Tätigkeit. Es bestehe eine vollständige Gestaltungsfreiheit. Die Klägerin zu 2) sei vollumfänglich führend im kaufmännischen Bereich und damit ein wichtiger Teil des Unternehmens. Die Personalplanung und ?politik obliege ihr allein. Die Klägerin zu 2) trage die Verantwortung für 19 Beschäftigte. Sie habe über sämtliche Konten der GmbH Vollmacht. Ihr Vater sei im technischen Bereich tätig. Sie trage hinsichtlich der Tantiemen auch ein Unternehmerrisiko. Zudem habe sie die für 2008 erhaltenen Tantiemen (netto 10.445,37 ?) als Darlehen der Klägerin zu 1) zur Verfügung gestellt. Hintergrund sei ein Auftragsrückgang infolge der Wirtschaftskrise.

Mit Bescheiden vom 05.07.2010 änderte die Beklagte die angefochtenen Bescheide dahingehend ab, dass in der seit dem 15.04.2008 ausgeübten Beschäftigung als mitarbeitende Gesellschafterin bei der Klägerin zu 1) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

Das SG hat mit Urteil vom 20.10.2010 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin zu 2) verfüge zwar über eine Sperrminorität und könne damit die Geschicke der Klägerin zu 1) beeinflussen. Geschäftsführer sei jedoch ihr Vater, der die Klägerin zu 1) nach außen hin allein repräsentiere. Es handele sich nach den Angaben des Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung um eine bewusste Entscheidung, die Klägerin zu 2) derzeit nicht zur Geschäftsführerin zu bestellen. Der Betrieb befinde sich in der Übergangsphase zur Weitergabe an die nächste Generation. Auch der Sohn des Geschäftsführers solle zukünftig maßgebend im Unternehmen tätig sein. Zudem sprächen weitere Umstände für eine abhängige Beschäftigung. So erhalte die Klägerin zu 2) eine feste monatliche Vergütung. Die gewährten Tantiemen seien auch bei Angestellten üblich. Das unternehmerische Risiko falle nicht ins Gewicht. Auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der Urlaubsanspruch und die Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende sprächen für eine abhängige Beschäftigung. Die Personalkompetenz sei kein Indiz gegen eine abhängige Beschäftigung. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, auch der Tatsache, dass es sich um eine Familien-GmbH handele, sei eine abhängige Beschäftigung anzunehmen.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen am 06.12.2010 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen beim Landessozialgericht (LSG) am 06.01.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen. Ergänzend haben sie vorgetragen, die angefochtenen Entscheidungen seien auch formell mangelhaft. Die Beklagte habe als unzuständige Behörde entschieden. Die beigeladene Krankenkasse habe sich schon bei der Durchführung der freiwilligen Krankenversicherung der Klägerin zu 2) mit der Versicherungspflicht befasst und beschieden, dass die Versicherungspflicht zum April 2008 beendet worden sei. Es werde insoweit beantragt, durch Vernehmung des Mitarbeiters der Beigeladenen zu 1) P. W. Beweis zu erheben. Daraus werde sich ergeben, dass die Beigeladene zu 1) die Versicherungspflicht bereits geprüft habe, weshalb die Beklagte unzuständig gewesen sei. Jedenfalls habe dies Auswirkungen auf den Beginn der Versicherungspflicht. Es solle Beweis erhoben werden zu der Behauptung der Klägerin zu 2), sie habe bereits im April 2008 die Beigeladene zu 1) um Prüfung ihres Versicherungsstatus gebeten. Hilfsweise werde eingewandt, dass aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die Klägerseite so zu stellen sei, als sei die Monatsfrist des § 7a Abs 6 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) eingehalten. Äußerst hilfsweise werde vorgetragen, dass die Beklagte gemäß ihrer eigenen Selbstbindung auch nach Wegfall des alten § 7b SGB IV verpflichtet sei, außerhalb der Monatsfrist die Rechtsfolge des § 7a Abs 6 SGB IV anzuwenden. Zudem habe die Beklagte eine unzulässige Elementenfeststellung getroffen. Weiter habe sie gegen die besondere Anhörungsfrist des § 7a Abs 4 SGB IV verstoßen, da sie sich nicht mit allen wesentlichen Aspekten des Klägervorbringens auseinandergesetzt und dies auch nicht nachgeholt habe. Die Nachholung der besonderen Anhörungspflicht scheide ohnehin aus. Schließlich habe die Beklagte das Bestimmtheitsgebot verletzt.

Auch materiell seien die Rechte der Klägerinnen verletzt. Die Anteilsverteilung einer GmbH besage nichts darüber, wer eine Ordnung in einem Betrieb aufstelle. Erst mit Eintritt der Klägerin zu 2) sei in die Satzung der GmbH eine Sperrminorität aufgenommen worden. Diese Sperrminorität beziehe sich auch auf die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin zu 2). Zudem sei die notariell beurkundete Generalvollmacht zu würdigen, die von den Eltern zugunsten ihrer Kinder ausgestellt worden sei (30.04.2007). Die Kinder des Geschäftsführers hätten Generalvollmacht in Bezug auf alle Steuer-, Renten-, Bank- und Rechtsangelegenheiten, die Vermögensverwaltung, Verfügungen usw und damit auch bezogen auf die Ausübung der Gesellschaftsrechte. Diese Vollmacht bestünde bis heute unwiderrufen und unter Befreiung von § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) fort. Einer formellen Geschäftsführerbestellung bedürfe es zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht. Im Gegenteil genüge sogar eine außerhalb der Satzung nur schuldrechtlich mündlich geregelte Stimmbindungsvereinbarung unter Gesellschaftern. Eine notariell beurkundete Sperrminorität sei ein deutliches Mehr. Die Klägerin zu 2) könne über ihr eigenes Anstellungsverhältnis selbst entscheiden. Der Vater der Klägerin zu 2) könne keine Beschlüsse herbeiführen, sondern nur verhindern. Ein Unternehmerrisiko trage die Klägerin zu 2) schon aufgrund ihrer Gesellschafterstellung.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20.10.2010 und die Bescheide der Beklagten vom 01.04.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 01.10.2009 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 05.07.2010 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin zu 2) in der seit dem 15.04.2008 ausgeübten Beschäftigung bei der Klägerin zu 1) nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Am 16.10.2012 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Auf den Inhalt der Niederschrift wird Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Klägerinnen, über die der Senat gemäß § 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, sind statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Für die Tätigkeit der Klägerin zu 2) bei der Klägerin zu 1) besteht seit dem 15.04.2008 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Die Bescheide vom 05.07.2010 sind gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Durch diese Änderungsbescheide hat die Beklagte die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (Urteil vom 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17; Urteil vom 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris).

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte hat als zuständige Behörde entschieden und dabei das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren eingehalten.

Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV (in der hier anzuwendenden, vom 01.01.2005 bis 31.12.2008 geltenden Fassung) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Nach § 7a Abs 1 Satz 2 SGB IV hat die Einzugsstelle bei der DRV Bund einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus einer Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Die DRV Bund entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. Nach Abs 4 teilt die DRV Bund den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Absatz 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1).

Die Beklagte hat als zuständige Behörde nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV über den Antrag der Klägerinnen entschieden. Zwar war der Antrag an die Beigeladene zu 1) als Einzugsstelle gerichtet, die nach § 28h Abs 2 SGB IV grundsätzlich über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung entscheidet. Wegen § 7a Abs 1 Satz 2 SGB IV durfte die Einzugsstelle den Antrag jedoch an die DRV Bund weiterleiten.

Nach § 7a Abs 1 Satz 2 SGB IV hat die Einzugsstelle bei der DRV Bund einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus einer Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Nach § 28a Abs 3 Satz 2 Nr 1d SGB IV (in der ab 01.01.2008 gültigen Fassung) ist bei der Meldung anzugeben, ob zum Arbeitgeber eine Beziehung als Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling besteht. ?Arbeitgeber? ist derjenige, zu dem der Beschäftigte in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht (BSG 27.07.2011, B 12 KR 10/09 R, juris). Bei einer GmbH sind grundsätzlich nicht die Geschäftsführer Arbeitgeber, sondern Arbeitgeber ist allein die juristische Person (BSG 20.12.1962, 3 RK 31/58, juris). Danach wäre Arbeitgeberin die GmbH und die Klägerin zu 2) kein ?Abkömmling?. Nach Sinn und Zweck § 28a Abs 3 Satz 2 Nr 1d SGB IV ist jedoch entscheidend, wer die Arbeitgeberfunktionen personaler Art, insbesondere das Direktionsrecht, ausübt. Diese stehen nicht der juristischen Person als solcher, sondern dem Geschäftsführer zu. Ihm obliegt es als vertretungsberechtigtes Organ auch, die Meldepflicht nach § 28a SGB IV zu erfüllen (Baier in Krauskopf, SGB IV, § 28a RdNr 5). Mit der Erweiterung des obligatorischen Statusfeststellungsverfahrens auf Abkömmlinge sollte nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere bei kleineren Handwerksbetrieben wegen der häufig als Mitunternehmer tätigen Abkömmlingen Rechtssicherheit hergestellt werden, ob der vom Arbeitgeber angemeldete Abkömmling als Beschäftigter versicherungspflichtig ist oder wegen einer bestehenden Mitunternehmereigenschaft nicht der Versicherungspflicht unterliegt (BR-Drucks 543/07, Seite 28). Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Rechtsform das Unternehmen geführt wird. ?Arbeitgeber? im Sinne des § 28a Abs 3 Satz 2 Nr 1d SGB IV ist damit auch der Geschäftsführer einer GmbH, jedenfalls dann, wenn er ? wie vorliegend ? zugleich Mehrheitsgesellschafter ist. Ihm kommt die nach Sinn und Zweck der Regelung maßgebliche Arbeitgeberfunktion zu.

Die Klägerin zu 2) hätte daher als Abkömmling in der Meldung nach § 28a SGB IV angegeben werden müssen. Dass eine solche Meldung tatsächlich nicht erfolgt ist und die Beigeladene zu 1) ihre Kenntnisse über die verwandtschaftlichen Beziehungen aus dem Antragsschreiben der Klägerinnen gewonnen hat, steht der Weiterleitung des Antrags an die DRV Bund nicht entgegen. Die Frage, ob die Einzugsstelle wegen des Wortlauts des § 7a Abs 1 Satz 2 SGB IV (?aus der Meldung?) das Verfahren auch dann zwingend abgeben muss, wenn sie aus anderer Quelle Erkenntnisse gewinnt, kann hier unentschieden bleiben (bejahend: Pietrek in juris-PK-SGB IV § 7a RdNr 107; verneinend: LSG Baden-Württemberg 16.06.2010, L 5 KR 5179/08, juris; Baier in Krauskopf, SGB IV, § 7a RdNr 5c). Jedenfalls durfte sie den Antrag weiterleiten. Denn andernfalls hätte die Verletzung der Meldepflicht nach § 28a SGB IV zur Folge, dass den Beteiligten die Möglichkeit eröffnet würde, zwischen den Behörden zu wählen. Dies aber widerspräche Sinn und Zweck des § 7a Abs 1 Satz 2 SGB IV. Ein Grund für die Einführung des obligatorischen Statusfeststellungsverfahrens war die Kompetenzbündelung bei einer zentralen Stelle (vgl BT-Drucks 15/5251, Seite 5). Der Gesetzgeber hatte sich von dem Gedanken der Verwaltungsökonomie leiten lassen und wollte Entscheidungen nach einheitlichen Kriterien herbeiführen (Knospe in Hauck/Haines, SGB IV, § 7a RdNr 22). Ein weiterer Grund für das obligatorische Statusfeststellungsverfahren war die Herbeiführung einer auch gegenüber der Arbeitsverwaltung verbindlichen Entscheidung (BT-Drucks 15/1749, Seite 9). Diese Bindungswirkung hat der Gesetzgeber über § 336 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nur in Bezug auf Entscheidungen der DRV Bund nach § 7a SGB IV hergestellt. Um den genannten gesetzgeberischen Zielen zu genügen, ist es der Einzugsstelle jedenfalls erlaubt, einen Antrag an die DRV Bund abzugeben, wenn Hinweise auf die Beschäftigung eines Angehörigen des Arbeitgebers vorliegen.

Der Weiterleitung des Antrags stand vorliegend auch nicht § 7a Abs 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB IV entgegen, wonach ein Antragsverfahren bei der DRV Bund nicht statthaft ist, wenn bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle stattgefunden hat. Denn vorliegend fand noch kein Verfahren nach § 28h SGB IV oder § 28p SGB IV statt. Die Prüfungen der Beigeladenen zu 1) im Rahmen der Aufnahme der Klägerin zu 2) als freiwilliges Mitglied stellen kein Verfahren im Sinne dieser Regelung dar. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Beigeladene zu 1) bei der Entscheidung über die Aufnahme der Klägerin zu 2) in die freiwillige Versicherung eine inzidente Prüfung der Versicherungspflicht vorgenommen hat, weshalb von einer Vernehmung des damaligen Sachbearbeiters abgesehen wurde.

Die Beklagte hat auch nicht gegen die Anhörungspflicht nach § 7a Abs 4 SGB IV iVm § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verstoßen. Die Beklagte hat vor Erlass der angefochtenen Bescheide die beabsichtigte Entscheidung und die entscheidungserheblichen Tatsachen mitgeteilt. Die Klägerinnen hatten Gelegenheit weitere Tatsachen und ergänzende rechtliche Gesichtspunkte vorzubringen. Auf den insoweit erfolgten Vortrag der Klägerinnen ist die Beklagte in den Bescheiden in hinreichendem Umfang eingegangen.

Schließlich hat die Beklagte auch keine Elementenfeststellung vorgenommen. Mit den streitgegenständlichen Änderungsbescheiden vom 05.07.2010 hat sie die Anforderungen an eine Statusfeststellung (auch hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes) erfüllt, die das BSG in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (Urteil vom 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17; Urteil vom 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris).

Die Bescheide sind auch in der Sache nicht zu beanstanden.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Abs 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV in der ab 01.01.2006 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr 7; Urteil vom 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: BVerfG 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4; 08.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39/74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56; jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7).

Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob die Tätigkeit im Unternehmen eines engen Verwandten oder Ehegatten ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis darstellt oder nicht (vgl Senatsurteil vom 15.04.2011, L 11 KR 3422/10, juris). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter engen Verwandten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSG 21.04.1993, 11 RAr 67/92, SozR 3-4100 § 168 Nr 11). Ebenfalls unschädlich ist, wenn von dem Weisungsrecht - vor allem im fachlichen Bereich - nicht vollumfänglich Gebrauch gemacht wird. Denn vor allem bei sog Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht stark eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (BSG 25.01.2006, B 12 KR 12/05 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 6; LSG Baden-Württemberg 15.04.2011, L 11 KR 3422/10, juris). Selbst wer Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, kann als leitender Angestellter bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein (BSG 06.03.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 1; BSG 19.06.2001, B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 18).

Ebenfalls auf dieser Grundlage ist zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Dies ist grundsätzlich neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft auf Grund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, juris, mwN).

Eine derartige Rechtsmacht hat ein GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn er aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer und Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft hat, dass er jeden ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann (BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, juris). Dies ist der Fall, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist, er also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt (BSG 20.03.1984, 7 RAr 70/82, juris), und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt (BSG 18.04.1991, 7 RAr 32/90, SozR 3-4100 § 168 Nr 5). Unter Umständen genügt einem GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer auch schon ein geringerer Kapitalanteil, insbesondere wenn er über eine Sperrminorität verfügt, die sich ua darauf erstreckt, ihm nicht genehme Weisungen gerade hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit zu verhindern (BSG 24.09.1992, 7 RAr 12/92, SozR 3-4100 § 168 Nr 8). Dies kann auch der Fall sein, wenn ein externer Geschäftsführer in der GmbH "schalten und walten" kann, wie er will, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert oder weil diese wirtschaftlich von ihm abhängig sind (BSG, 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, juris, mwN).

Ein maßgeblicher rechtlicher Einfluss, der zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit führen kann, ist auch denkbar, wenn der für die GmbH Tätige zwar Gesellschafter aber nicht Geschäftsführer der GmbH ist. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass ? vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ? der Geschäftsführer die laufenden Geschäfte der GmbH führt, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten einer GmbH gehört (BSG 17.05.2001, B 12 KR 34/00 R, juris). Bei Alleingesellschaftern schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft auf Grund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, juris, mwN). Ein Mehrheitsgesellschafter einer GmbH kann grundsätzlich nicht bei dieser GmbH abhängig beschäftigt sein, es sei denn dieser Gesellschafter ist auf Grund einer treuhänderischen Bindung in der Ausübung der Gesellschafterrechte vollständig eingeschränkt (BSG 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, juris). Ein Minderheitengesellschafter besitzt in der Regel nicht die Rechtsmacht, die Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen (BSG 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, juris, mwN).

Gemessen an diesen Grundsätzen und in Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls ist die Klägerin zu 2) bei der Klägerin zu 1) abhängig beschäftigt.

Als Minderheitsgesellschafterin fehlt ihr der maßgebliche rechtliche Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft. Sie hält zwar 20 % der Gesellschaftsanteile und besitzt in Bezug auf die unter § 8 Ziff 5 der Satzung der GmbH genannten Inhalte eine sogenannte Sperrminorität, da Gesellschafterbeschlüsse in den genannten Bereichen nur mit einer Mehrheit der Stimmen von 81 % gefasst werden können. Nicht jede Sperrminorität führt jedoch zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Eine Sperrminorität, die sich auf die Festlegung der Unternehmenspolitik, die Änderung des Gesellschaftsvertrages und die Auflösung der Gesellschaft beschränkt, schließt die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus (BSG 24.09.1992, 7 RAr 12/92, juris). Die von der Schutzklausel des § 8 Ziff 5 der Satzung erfassten Themen umfassen nicht alle Angelegenheiten der Gesellschaft und versetzen die Klägerin zu 2) nicht in die Lage, sich gegenüber Weisungen der Mehrheit, dh des Geschäftsführers, in Bezug auf Zeit, Dauer, Umfang und Ort ihrer Tätigkeit zur Wehr zu setzen. § 8 Ziff 5e) der Satzung kann zwar dahingehend ausgelegt werden, dass die Klägerin zu 2) der Kündigung ihres Beschäftigungsverhältnisses zustimmen müsste. Dadurch wird ihr jedoch keine derart weitgehende Rechtsmacht eingeräumt, dass sie Weisungen durch den Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter verhindern könnte. Die hieraus gegebenenfalls resultierende ordentliche Unkündbarkeit steht der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Auch in Zusammenschau mit den übrigen Inhalten des § 8 Ziff 5 der Satzung kann nicht auf eine selbständige Tätigkeit der Klägerin zu 2) geschlossen werden. Von der Sperrminorität sind besondere, im Wesentlichen mit hohen Kosten verbundene Geschäfte und grundsätzliche Belange der Gesellschaft betroffen. Damit soll die Stellung der Klägerin zu 2) als Gesellschafterin gestärkt werden. Die Satzungsregelungen haben dagegen nicht den Inhalt, dass der Klägerin zu 2) weitgehende unternehmerische Freiheiten in Bezug auf ihre vertraglich vereinbarte Tätigkeit für die Gesellschaft eingeräumt werden. Weisungen in Bezug auf ihre Arbeit kann sie mit der geregelten Sperrminorität nicht verhindern. Die Klägerin zu 2) kann auch nicht mittelbar maßgeblichen Einfluss nehmen, da sie weder eine Entlastung des Geschäftsführers (als Tatbestand der Sperrminorität nicht benannt) verhindern noch eine Änderung der Zuständigkeitsverteilung herbeiführen kann. Mangels anderweitiger Bestimmungen in der Satzung führt der Geschäftsführer die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten einer GmbH gehört. Einen ändernden Gesellschafterbeschluss kann die Klägerin zu 2) allein nicht herbeiführen.

An dieser rechtlichen Situation ändert die vorgelegte notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht, die der Geschäftsführer und seine Ehefrau ihren beiden Kindern (noch vor Eintritt der Tochter in die Gesellschaft) zur gemeinsamen Vertretung erteilt haben, nichts. Allein der Vater der Klägerin zu 2) ist zum Geschäftsführer der GmbH bestellt und als solcher im Handelsregister eingetragen. Die Ausübung der Tätigkeit durch seine Kinder hätte im Außenverhältnis keinerlei Wirkung. Aber auch im Innenverhältnis könnte die Klägerin zu 2) allenfalls mit ihrem Bruder gemeinsam handeln. Zudem kann die Vollmacht jederzeit ? etwa im Konfliktfall ? vom Vater widerrufen werden.

Die somit rechtlich bestehende Abhängigkeit der Klägerin zu 2) ist auch nicht durch die tatsächlichen Verhältnisse derart überlagert, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dennoch ausscheidet. Selbst wenn das Weisungsrecht des Geschäftsführers tatsächlich nicht ausgeübt wird, ändert dies nichts an der fehlenden Rechtsmacht, die auch dann zu den tatsächlichen Verhältnissen gehört, wenn von ihr kein Gebrauch gemacht wird (vgl BSG 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, juris). Zudem kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers vornehmlich bei Diensten höherer Art auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in dem Betrieb eingegliedert ist (BSG 18.12.2001, B 12 KR 8/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 19 mwN). Unter diesen Voraussetzungen sind auch Mitglieder von Vorständen juristischer Personen, die von Weisungen im täglichen Geschäft weitgehend frei sind, abhängig Beschäftigte (BSG 19.06.2001, B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 18). Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die Klägerin zu 2) die Geschäfte der Gesellschaft faktisch wie eine Alleininhaberin nach eigenem Gutdünken führt, Geschäftspolitik betreibt, strategische Entscheidungen fällt und die gegebene Betriebsordnung für sie nicht bestimmend ist. Vielmehr ist nach wie vor ihr Vater als Geschäftsführer eingesetzt. Erst nach dem Eintritt seines Sohnes soll das Unternehmen an die Kinder und damit auch an die Klägerin zu 2) übergeben werden.

Soweit angegeben wird, die Klägerin zu 2) erbringe überobligatorische Leistungen, indem sie insbesondere auf die Bezahlung von Überstunden verzichtet und ihren Urlaub an den Interessen des Betriebs ausrichtet bzw auf Urlaub verzichtet, ist darauf hinzuweisen, dass Familienangehörige in der Regel ein gesteigertes Interesse am Erhalt des Familienbetriebes haben, so dass sie regelmäßig bereit sind, überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen. Letzteres gilt in gleichem Maße für leitende Angestellte, die ebenfalls in der Regel bereit sind, auch in zeitlicher Hinsicht überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen (vgl Urteil des Senats vom 23.02.2010, L 11 KR 2460/09, juris). Das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit ergibt sich daraus alleine nicht.

Im Übrigen entsprechen die Regelungen im Anstellungsvertrag dem, was üblicherweise mit abhängig Beschäftigten vereinbart wird. Die Klägerin zu 2) erhält eine feste monatliche Vergütung und ein 13. Monatsgehalt. Sie hat außerdem einen Urlaubsanspruch von jährlich 30 Werktagen. Nach ihren eigenen Angaben im Feststellungsbogen erhält sie im Krankheitsfall ihr Entgelt fortgezahlt. Es ist eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart. Auch gegenüber den Steuerbehörden wurden Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit ausgewiesen. Das Arbeitsentgelt wurde als Betriebsausgabe gebucht und es wurde hierauf Lohnsteuer entrichtet. All dies sind Indizien, die für eine Arbeitnehmertätigkeit sprechen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 20; SozR 4-2400 § 7 Nr 8).

Schließlich trägt die Klägerin zu 2) auch kein erhebliches Unternehmerrisiko. Ihre Eigenschaft als Minderheitengesellschafterin reicht insoweit nicht aus. Darüber hinaus ist sie zwar am Gewinn der GmbH beteiligt, da die vertraglich vereinbarten Tantiemen von der Ertragslage der Gesellschaft abhängig sind. Ergeben sich dagegen Verluste, bleibt der Klägerin zu 2) das nicht geringfügige feste Monatsentgelt von 3.100,00 ? nebst 13. Monatsgehalt. Auch die Gewährung des Darlehens durch die Klägerin zu 2) ändert hieran nichts. Die damit bezweckte Sicherung des eigenen Gesellschaftsanteils führt noch nicht zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Im Übrigen sind Darlehen eines Arbeitnehmers an den Arbeitgeber nicht ungewöhnlich und stehen der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer mit dem Darlehen ? wie hier ? zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Arbeitgebers beitragen will (vgl BSG 17.05.2001, B 12 KR 34/00 R, juris). Zudem haben nahe Angehörige grundsätzlich ein Interessen am Erhalt des Familienunternehmens, weshalb Darlehen von solchen Personen mit Kreditsicherungen durch einen fremden Arbeitnehmer ohnehin nicht zu vergleichen sind (vgl hierzu Urteile des Senats vom 23.02.2010, L 11 KR 2460/09, mwN und vom 01.02.2011, L 11 KR 1541/09, juris; LSG Baden-Württemberg 15.08.2008, L 4 KR 4577/06, juris).

Zusammenfassend stellt der Senat fest, dass bei einer Gesamtschau aller für und gegen eine abhängige Beschäftigung bzw selbständige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkte die Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin zu 2) sprechen, überwiegen.

Die Versicherungspflicht begann mit der Aufnahme der Beschäftigung am 15.04.2008. Die Voraussetzungen des § 7a Abs 6 SGB IV sind nicht erfüllt. Danach tritt die Versicherungspflicht mit der Bekanntgabe der Entscheidung ein, wenn ua der Antrag nach § 7a Abs 1 SGB IV innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wird. Die Klägerinnen haben nicht innerhalb dieser Monatsfrist eine Statusfeststellung beantragt. Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten zur Versicherungspflicht (Bl 71 bis 114 der LSG-Akte) wurde erstmals mit Schriftsatz vom 17.11.2008 bei der Beigeladenen zu 1) die Statusfeststellung beantragt. Der Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung wurde unter dem 03.11.2008 ausgefüllt und ging der Beigeladenen zu 1) mit dem genannten Schriftsatz zu. Ein früherer Antrag diesen Inhalts befindet sich nicht bei den Akten. Die Beantragung der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung im April 2008 stellt keinen Antrag auf Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens dar, weshalb der Senat auch insoweit von einer Beweiserhebung absehen konnte. Die Klägerinnen sind auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so zu stellen, als ob ein Antrag rechtzeitig gestellt worden wäre. Bereits fraglich ist, ob der Beigeladenen zu 1) ? wie die Klägerinnen annehmen ? überhaupt eine verspätete Veranlassung des obligatorischen Statusverfahrens nach § 7a Abs 1 Satz 2 SGB IV vorgeworfen werden kann. Denn schließlich hatte die Klägerin zu 1) die Beschäftigung der Klägerin zu 2) nicht nach § 28a SGB IV gemeldet. Abgesehen davon, bezweckt § 7a Abs 1 Satz 2 SGB IV eine Statusprüfung bei der Beklagten zu veranlassen, nicht den Eintritt der Versicherungspflicht nach § 7 Abs 6 SGB IV hinauszuschieben. Der spätere Beginn der Versicherungspflicht soll vielmehr die ? vorliegend nicht erfolgte ? rasche Beantragung eines Verfahrens nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV durch die Beteiligten honorieren (Seewald in Kasseler Kom, SGB IV, § 7a RdNr 20).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das Verfahren ist insgesamt gerichtskostenfrei. Ist ? wie hier ? bei einem Streit mit einheitlichem Streitgegenstand in einer Instanz ein kostenrechtlich Privilegierter nach § 183 SGG Hauptbeteiligter (hier die Klägerin zu 2), greift ? auch bei subjektiver Klagehäufung mit einem nicht Kostenprivilegierten (hier die Klägerin zu 1) ? die Regelung für Kostenprivilegierte ein (vgl BSG 29.05.2006, B 2 U 391/05 B, juris).

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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