L 9 U 581/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 5867/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 581/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09. Januar 2008 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob es sich bei dem Außenmeniskusschaden des Klägers am linken Knie um eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2102 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) handelt.

Der 1947 geborene Kläger war vom 10.4.1961 bis 31.12.1972 als Fliesenleger und vom 12.2.1973 bis 29.12.2003, dem Eintritt von Arbeitsunfähigkeit, als Fliesenlegermeister beschäftigt. Seit 1.4.2004 bezieht er eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und seit 2007 eine Altersrente.

Am 18.12.1990 war der Kläger während seiner Tätigkeit auf einer Baustelle im Schnee ausgerutscht, hingefallen und hatte sich dabei den linken Fuß verdreht. Der Chirurg Dr. Bub diagnostizierte beim Kläger einen Zustand nach Kniegelenksverrenkung sowie eine Schleimbeutelentzündung und äußerte den Verdacht auf einen Innenmeniskusschaden. Er überwies den Kläger ins Krankenhaus S. (H-Arzt-Bericht vom 21.12.1990). Bei einer dort durchgeführten Arthroskopie vom 27.12.1990 wurde ein Erguss im linken Kniegelenk festgestellt. Die Synovia des linken Kniegelenks zeigte als Ausdruck eines Reizzustandes eine vermehrte Gefäßinjektion und multiple weiße Einlagerungen, die auch im Knorpel und in den Menisci zu erkennen waren. Der Innenmeniskus war bis auf die weißen Einlagerungen unauffällig. Der Außenmeniskus war im mittleren Drittel zerwalzt und zerfasert und wurde subtotal reserziert. Als Diagnosen wurden eine degenerative Außenmeniskopathie links, ein Knorpelschaden der lateralen Femurcondyle links, eine Synovialitis des linken Kniegelenks, eine Bursitis infrapatellaris links sowie eine Gichtarthritis im linken Kniegelenk genannt (OP-Bericht vom 27.12.1990). Im Histologiebericht vom 4.1.1991 heißt es, kernspintomographische Charakteristika der klinisch bekannten Gichtarthropathie seien im vorliegenden Material nicht erkennbar. Das histomorphologische Bild könnte jedoch einer reaktiven Läsion infolge einer vorausgegangenen, jetzt nicht mehr nachweisbaren Kristallpräzipitation entsprechen.

Am 1.8.1991 stellte Dr. Bub beim Kläger eine Entzündung des Schleimbeutels des rechten Kniegelenks fest, weswegen eine stationäre und operative Behandlung vom 12.8. bis 17.8.1991 im H.-L.-K. M. erfolgte. Am 6.5.1999 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall, als er auf einer Baustelle auf einer nassen Folie ausrutschte und sich eine Kniegelenksdistorsion links mit maximal überwärmten Reizerguss zuzog (H-Arzt-Bericht von Dr. B. vom 12.5.1999).

Am 24.5.2004 zeigte die AOK Mittlerer O. wegen Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 29.12.2003 aufgrund von Kniebeschwerden den Verdacht auf eine BK an. Nach Einholung von Auskünften beim Kläger und seinem letzten Arbeitgeber sowie Beiziehung ärztlicher Unterlagen holte die Beklagte Stellungnahmen bei ihrem Präventionsdienst und ihrem Beratungsarzt ein.

Der beratende Ingenieur für Berufskrankheiten/Prävention Dipl.-Ing. S. führte in der Stellungnahme vom 3.3.2003 aus, der Kläger sei seit April 1961 als typischer Fliesenleger beschäftigt gewesen. Es könne davon ausgegangen werden, dass er mehr als ein Drittel der täglichen Arbeitszeit (knie)belastend tätig gewesen sei. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2102 seien erfüllt.

Dr. F., Arzt für Arbeits- und Sozialmedizin, gelangte nach Auswertung der medizinischen Unterlagen und der Vorerkrankungsverzeichnisse in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 21.6.2005 zum Ergebnis, eine BK 2102 könne trotz Vorliegens der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen nicht ausreichend wahrscheinlich gemacht werden. Beim Kläger finde sich eine Gonarthrose beidseits mit Chondropathie, Synovitis und Reizknieerscheinungen bei langjähriger Gichtanamnese. Degenerative Schäden am Außenmeniskus bei normalem Innenmeniskus anlässlich der Arthroskopie von Dezember 1990 deuteten nicht auf eine wesentliche berufliche Einwirkung hin. Denn diese lasse regelmäßig eine stärkere Betroffenheit des Innenmeniskus erkennen. Die Gewerbeärztin E. schlug in der gewerbeärztlichen Stellungnahme eine BK Nr. 2102 nicht zur Anerkennung vor.

Mit Bescheid vom 6.12.2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Meniskuserkrankung am linken Kniegelenk als BK ab, da mehr Gründe gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Meniskuserkrankung des Kläger sprächen.

Hiergegen legte der Kläger am 15.12.2005 Widerspruch ein und einen Arztbrief des Orthopäden Dr. R. vom 29.3.2006 sowie eine Arbeitsplatzbeschreibung vom 22.2.2006 vor. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2006 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 12.12.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben, mit der er die Anerkennung seiner Meniskuserkrankung als BK weiter verfolgt.

Das SG hat Professor Dr. L., Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser ist im Gutachten vom 15.3.2007 zum Ergebnis gelangt, beim Kläger liege seit Dezember 1990 eine BK Nr. 2102 vor. Die MdE dafür betrage 10 v.H. Der im Rahmen der arthroskopischen Operation des linken Kniegelenks am 27.12.1990 diagnostizierte Außenmeniskusschaden beruhe im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung allein oder zumindest gleichwertig neben anderen Ursachen auf den vom Kläger geltend gemachten Einwirkungen am Arbeitsplatz. Der Meniskusschaden sei nicht durch die Hyperurikämie, sondern durch die erhöhte mechanische Belastung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit bedingt. So habe die Diagnose degenerative Außenmeniskopathie links gelautet. Die beschriebenen weißlichen Auflagerungen könnten auf eine Entzündungsreaktion im Rahmen einer Gichtarthritis schließen lassen, würden aber auch im Rahmen von fibrösen Ablagerungen bei mechanischen Gelenkirritationen beobachtet. Histologische Hinweise auf ein chronische Einwirkung der Gicht zum Zeitpunkt der histologischen Untersuchung fehlten. Auch fehlten in aktuell angefertigten Röntgenbildern charakteristische Hinweise für eine Arthritisarthrose. Radiologisch liege vielmehr das charakteristische Bild einer sekundären Arthrose als Folge der subtotalen Außenmeniskusresektion vor.

Nach Einwendungen der Beklagten hat Professor Dr. L. in der am 31.7.2007 beim SG eingegangen ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, bereits bei der Arthroskopie vom 27.12.1990 zeigten sich keine akuten Verletzungszeichen des Außenmeniskus, sondern eine durch eine chronische Belastung hervorgerufene Schädigung im Sinne einer Zerwalzung und Zerfaserung des Außenmeniskus im mittleren Drittel. Der Außenmeniskus sei unnötigerweise auch noch subtotal reserziert worden, d.h. er sei maßgeblich seiner Beweglichkeit in Verbindung mit dem Popliteus entzogen worden. Auch erfolge die Krafteinleitung von Ober- auf Unterschenkel über die Menisken zu 60 % über die äußere und nur zu 40 % über die innere Condyle. Wäre die Stoffwechselerkrankung die wesentliche Ursache, so ließe sich dadurch nicht die besondere Schwere der Außenmeniskusschädigung erklären. Vielmehr wäre ein harmonischeres Schadensbild aller Gelenkskompartimente im Kniegelenk zu erwarten gewesen. Die Stoffwechselerkrankung sei daher nicht maßgebliche Ursache für die Außenmeniskusschädigung. Auch der Hinweis auf Kreuzbandschäden beim Kläger stütze nicht die Auffassung einer nicht berufsbedingten Schädigung des linken Kniegelenks, da diese zu einer anteromedialen Instabilität und zu einer vermehrten Innenmeniskusbelastung führten.

Dr. F. hat in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 8.8.2007 erklärt, es sei anzuzweifeln, dass die Kraftanleitung vom Ober- auf die Unterschenkel zu 60 % über die äußere und nur zu 40 % über die innere Condyle erfolge. Denn es gebe eine deutlich höhere Anzahl degenerativer Innenmeniskusschäden gegenüber Außenmeniskusschäden; nach Literaturangaben betrage das Verhältnis 20-30 zu 1. Eine laterale Meniskopathie ohne entsprechende degenerative Schäden des Innenmeniskus sei daher stets auf konkurrierende Ursachen zu prüfen. Aufgrund des OP-Berichts des linken Knies mit Arthroskopie vom 27.12.1990 sei davon auszugehen, dass neben der degenerativen Außenmeniskopathie ein Reizknie mit Synovitis sowie multiple weiße Einlagerungen im Knorpel und Innenmenisken vorgelegen haben. Solche Einlagerungen seien nicht Fibrinfäden, sondern Mikroverkalkungsherde im Gewebe selbst. Der Kläger habe in der Vergangenheit unter schmerzhaften Schwellungen der Großzehe gelitten. Es bestehe eine Hallux-valgus-Fehlstellung und Einsteifung des linken Großzehengrundgelenks. Dies sei eine typische Folge rezidivierender Gichtanfälle an typischer Stelle. Daneben bestehe eine chronische venöse Insuffizienz durch Abflussstörung des venösen Blutes. Ein degenerativer Außenmeniskusriss bei unauffälligem Innenmeniskus sei für Kniebelastungen nicht typisch. Eine Gichtarthritis sei klinisch anzunehmen, wenn auch histomorphologisch nicht bewiesen. Nach der Beschreibung im OP-Bericht sei die Chondrokalzinose eindeutig, jedoch bei unterlassener gezielter Untersuchung histomorphologisch nicht gesichert. Ein durch Kniebelastungen als Fliesenleger entstandener belastungskonformer Meniskusschaden liege nicht vor. Die vorgefundenen Schäden seien degenerativer Natur und ließen einen biomechanisch erklärbaren Schadensanteil, der durch Knien entstanden sein soll, gerade nicht abgrenzen. Eine BK 2102 sei nicht zu belegen.

Mit Urteil vom 9.1.2008 hat das SG den Bescheid vom 6.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2006 aufgehoben. Es hat festgestellt, dass der Außenmeniskusschaden des Klägers am linken Knie eine BK nach Nr. 2102 der Anl. zur BKV ist und die Beklagte die BK in gesetzlichem Umfang zu entschädigen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2102 seien unstreitig erfüllt. Das SG halte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch einen Kausalzusammenhang zwischen den beruflichen Einwirkungen und dem Außenmeniskusschaden im linken Knie für überwiegend wahrscheinlich. Es folge dabei dem Gutachten von Professor Dr. Lochner. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 4.2.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6.2.2008 Berufung eingelegt und vorgetragen, die vom SG vorgenommene Beweiswürdigung verkenne, dass es sich bei dem Außenmeniskusschaden am linken Knie nicht um ein belastungskonformes Schadensbild handele. Der Außenmeniskusschaden könnte nur dann rechtlich wesentlich durch die langjährige Kniebelastung des Klägers bedingt sein, wenn dies aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nachgewiesen wäre. Ihre Erfahrung in einer Vielzahl mit unter BK-Verdacht gemeldeter Meniskopathien aus kniebelastenden Berufen zeige, dass ein isolierter Schaden am Außenmeniskus ohne zumindest gleichwertige Degeneration des Innenmeniskus als infolge anatomischer Besonderheiten beruflicher Scheranzugbeanspruchungen besonders belasteter Kniegelenksstruktur ganz besonderer Umstände des Einzelfalles bedürfe, um rechtlich wesentlich einer ? wenn auch langjährigen ? Kniebelastung als Fliesenleger zugerechnet werden zu können. Diese Umstände seien im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, das SG habe im Einklang mit dem Sachverständigen zutreffend erkannt, dass seine Innenmeniskuserkrankung (gemeint: Außenmeniskuserkrankung) als BK anzuerkennen und zu entschädigen sei. Die von der Beklagten vorgetragenen Bedenken habe Professor Dr. L. ausgeräumt und darauf hingewiesen, dass Hinweise für eine konkurrierende Verursachung der Meniskusschäden durch außerberufliche Faktoren nicht zu finden seien.

Der Senat hat Röntgenbilder sowie weiteres bildgebendes Material beigezogen und Dr. Clemens mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt.

Dr. C. hat im Gutachten vom 24.7.2010 dargelegt, zur Manifestation der Meniskuserkrankung werde nicht nur in der medizinischen Literatur, sondern auch im "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 2102 der Anl. 1 zur BKV" darauf verwiesen, dass die Hinterhörner sowohl des Innen- als auch des Außenmeniskus der stärksten mechanischen Beanspruchung ausgesetzt seien. Dabei werde vor allem die Degeneration der Hinterhörner des Innenmeniskus genannt, weil diese Struktur bei entsprechender beruflicher Belastung am stärksten beansprucht sei; der Außenmeniskus sei danach nur selten betroffen. Es sei vorliegend unwahrscheinlich, dass bei einer regelmäßig seitengleich eingenommenen Arbeitshaltung (Fersensitz, Hocke; im Knien seien die Menisken nicht belastet) ein isolierter Schaden an einer nicht oder allenfalls gering belasteten Region des Außenmeniskus auftrete und die aufgrund der berufstypischen Zwangshaltung wesentlich stärker belasteten Hinterhörner sowohl des Außen- als auch des Innenmeniskus nach bis dahin nahezu 30-jähriger einschlägiger Tätigkeit (1961 - 1990) keine krankhaften Veränderungen aufwiesen. Die auf den Mittelabschnitt des linken Außenmeniskus beschränkten Veränderungen ließen vorrangig an eine sekundäre Meniskopathie denken, da diese eher auf Belastungen im Stehen und/oder Gehen, und nicht im Knien oder im Hocken zurückzuführen seien. Im Hinblick auf den im Parallelverfahren (BK 2112) zitierten MRT-Befund (Bericht der BG Kliniken Bergmannstrost Halle vom 10.9.2006: "Im MRT konnten neben einer 4.-gradigen Chondro-pathie am medialen Tibiaplateau sowie einem Einriss am Innenmeniskushinterhorn und der Pars intermedia am Innenmeniskus auch die für eine mögliche BK Gonarthrose typischen Veränderungen im retropatellaren Raum im dorsalen Abschnitt des Femorotibialgelenkes festgestellt werden. Außerdem zeigten sich Meniskusschädigungen beidseits") könnte inzwischen ein (nach 1990 entstandenes) belastungskonformes Schadensbild vorliegen. Zur definitiven Abklärung sei jedoch eine Arthroskopie erforderlich. Nach dem derzeitigen Stand komme er aufgrund der vorliegenden Akten, der ambulanten Untersuchung des Klägers und des vorliegenden bildgebenden Untersuchungsmaterials zum Ergebnis, die isoliert den Mittelabschnitt des linken Außenmeniskus betreffenden degenerativen Veränderungen sowie die Knorpelschäden in der Hauptbelastungszone der äußeren Oberschenkelrolle und am äußeren Schienbeinkopf des linken Kniegelenks stellten kein belastungskonformes Schadensbild dar und seien deshalb nicht als Gesundheitsstörungen im Sinne der BK Nr. 2102 zu interpretieren. Die Ursache der isoliert den Mittelabschnitt des linken Außenmeniskus betreffenden degenerativen Veränderungen und der Knorpelschäden am lateralen Femurcondylus und Tibiaplateau ließen sich nicht eindeutig klären. Die von Dr. F. genannte Arthritis urica liege beim Kläger vor und sei bereits 1971 erstmals erwähnt. Dass sie als Ursache der Außenmeniskus- und Knorpelschäden in Betracht komme, sei aufgrund des arthroskopischen Befundes vom 27.12.1990 zu vermuten, lasse sich aufgrund des histologischen Untersuchungsergebnisses jedoch nicht eindeutig beweisen. Ob es sich bei den im MRT-Befund beschriebenen Schäden im Hinterhorn und Mittelabschnitt des (der) Innenmeniskus (-menisci) um ein im Sinne der BK 2102 belastungskonformes Schadensbild handele, wäre im Rahmen der von der Klinik Bergmannstrost Halle empfohlenen arthroskopischen Abklärung zu beweisen oder auszuschließen.

Der Kläger hat einen OP-Bericht von Professor Dr. L. vom 31.3.2011 über eine Implantation einer Kniegelenksendoprothese links vorgelegt.

In der daraufhin eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 22.1.2012 hat Dr. C. ausgeführt, aus dem OP-Bericht sei zu entnehmen, dass am lateralen Kompartiment des linken Kniegelenks erhebliche Knorpelschäden zu finden seien. Über den Zustand des Außenmeniskus werde nichts gesagt; es würden lediglich leichte oberflächliche Innenmeniskusveränderungen erwähnt. Damit würden nicht nur die von der BG-Klinik B. H. ohne Bezeichnung der untersuchten Körperseite kernspintomographisch festgestellte 4.-gradige Chondropathie am medialen Tibiaplateau und der Einriss am Hinterhorn und der Pars intermedia des Innenmeniskus widerlegt, sondern auch ein hinsichtlich der BK Nr. 2102 nicht belastungskonformes Schadensbild beschrieben. Die Anerkennung einer BK 2102 könne nicht vorgeschlagen werden.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung der BK 2102 der Anl. 1 der BKV hat.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 6.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2006, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, eine BK Nr. 2102 anzuerkennen. Soweit die Beklagte darin zusätzlich ausgeführt hat, Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht, handelt es sich hierbei um keine Entscheidung über konkrete Leistungen (z.B. Verletztengeld, Verletztenrente).

Soweit der Kläger die Feststellung einer BK begehrt, ist dieses Begehren grundsätzlich zulässig. Da die Beklagte jedwede Leistung abgelehnt hat, weil eine BK nach Nr. 2102 nicht vorliege, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben. Dies hat er bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (BSG, Urteil vom 7.9.2004, B 2 U 45/03 R, in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 und Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 29/06 R, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 25 und in Juris) im Klage- und Berufungsverfahren getan. Dem auf Leistungen gerichteten Teil des Klageantrags kommt indes bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG a.a.O.). Die Beklagte hat insofern keine konkrete Prüfung hinsichtlich konkreter Leistungen, die bei Anerkennung einer der geltend gemachten BK nach den Vorschriften des Dritten Kapitels, §§ 26 ff des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) zu gewähren wären, vorgenommen, so dass ein entsprechendes Begehren bezüglich solcher "Leistungen" unzulässig ist.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 2102 der Anl. 1 zur BKV.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGV VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wobei sie auch bestimmen kann, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Erlass der Anl. 1 zur BKV, die eine Liste der Berufskrankheiten enthält, Gebrauch gemacht.

Unter Berücksichtigung dessen ergeben sich bei einer in der Anl. 1 zur BKV aufgeführten Erkrankung (Listen-BK) in der Regel folgende tatbestandliche Voraussetzungen, die ggf. bei einzelnen Listen-BK einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale versicherte Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für den nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhang genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges (vgl. BSG, Urteile vom 9.5.2006, B 2 U 1/05 R, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, und vom 27.6.2006, B 2 U 20/04 R, in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 m.w.N.). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O.). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zulasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsachen für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112). Das gleiche gilt, wenn der für die haftungsbegründende oder haftungsausfüllende Kausalität erforderliche wahrscheinliche Zusammenhang nicht nachweisbar ist.

Zu den Berufskrankheiten gehören nach Nr. 2102 der Anl. 1 zur BKV Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten.

Der Senat stellt zunächst auf der Grundlage der Stellungnahme des beratenden Ingenieurs für Berufskrankheiten/Prävention Dipl.-Ing. S. vom 3.3.2003 fest, dass der Kläger als typischer Fliesenleger beschäftigt war und während seiner über die Dauer von mehr als 40 Jahren verrichteten versicherten Tätigkeit als Fliesenleger bzw. Fliesenlegermeister mehr als ein Drittel der täglichen Arbeitszeit kniebelastend tätig gewesen ist. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2102 sind deswegen erfüllt.

Ferner stellt der Senat aufgrund des OP-Bericht vom 27.12.1990 fest, dass zum damaligen Zeitpunkt der Innenmeniskus des linken Kniegelenkes ? abgesehen von weißen Einlagerung ? unauffällig war, während der Außenmeniskus im mittleren Drittel zerwalzt und zerfasert war. Der Außenmeniskus wurde deswegen subtotal reserziert. Bei der gutachterlichen Untersuchung des Klägers erhob Professor Dr. Lochner ausweislich des Gutachtens vom 15.3.2007 folgenden Befund am linken Kniegelenk: "Innenmeniskuszeichen negativ, Außenmeniskuszeichen positiv, eingeschränkter Bewegungsumfang für Streckung 0-10-125°". Das MRT der BG Klinik Bergmannstrost vom 9.8.2008 zeigte einen tiefen Einriss in der Pars intermedia des Außenmeniskus mit Lateralisierung im Sinne einer Destruktion sowie eine zentrale Signalanhebung im Innenmeniskus-Hinterhorn im Sinne einer vakuoligen Degeneration sowie einen geringvolumigen Kniegelenkserguss und eine kleine Bakerzyste dorsal der medialen Femurcondyle. Dr. C. stellte im Gutachten vom 24.7.2010 beim Kläger am linken Kniegelenk ein Bewegungsausmaß von 0-10-120° fest und konnte in beiden Kniegelenken keine Meniskussymptomatik auslösen. Der OP-Bericht von Professor Dr. L. vom 30.3.2011 zeigt lediglich leichte oberflächliche Innenmeniskusveränderungen. Angaben über den Zustand des Außenmeniskus finden sich darin nicht. Als Diagnose nennt er eine Gonarthrose des linken Kniegelenks. Angesichts dieser Diagnose und der fehlenden Meniskuszeichen bei der Untersuchung durch Dr. C. ist schon fraglich, ob überhaupt ein Meniskusschaden im Sinne der BK Nr. 2102 zu diagnostizieren ist, da hierfür der radiologische Befund ohne entsprechende klinische Symptomatik nicht ausreichend ist.

Aber selbst wenn man die im Dezember 1990 festgestellten Veränderungen im mittleren Drittel des Außenmeniskus und die nunmehr vorliegenden leichten oberflächlichen Innenmeniskusveränderungen als Meniskusschaden im Sinne der BK Nr. 2102 ansehen könnte, sind diese Meniskusschädigungen nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit des Klägers als Fliesenleger bzw. Fliesenlegermeister zurückzuführen.

Der Senat folgt dabei der nachvollziehbaren Beurteilung seines Sachverständigen Dr. C. im Gutachten vom 24.7.2010 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 22.1.2012, der insoweit die Beurteilungen zum Kausalzusammenhang von Dr. F. in den beratungsärztlichen Stellungnahmen vom 21.6.2005 und 8.8.2007 bestätigt hat. Dr. C. hat in Übereinstimmung mit der einschlägigen medizinischen und unfallmedizinischen Literatur dargelegt, dass bei einer Tätigkeit als Fliesenleger die Hinterhörner sowohl des Innen- als auch des Außenmeniskus der stärksten mechanischen Beanspruchung ausgesetzt sind, wobei vor allem die Degeneration der Hinterhörner des Innenmeniskus genannt wird, weil diese Strukturen bei entsprechender beruflicher Belastung am stärksten beansprucht sind, während der Außenmeniskus nur selten betroffen ist. Dies steht im Einklang mit den Ausführungen in der unfallmedizinischen Literatur (z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8 Aufl., Seite 633), wonach als "belastungskonformer" Meniskusschaden der BK Nr. 2102 die Degeneration des Innenmeniskushinterhorns, häufig ausgewalzt und aufgefasert, genannt wird. Schäden am Außenmeniskus durch Knien sind dagegen selten und zusammen mit der begleitenden Innenmeniskusdegeneration von geringerer Schwere. Angesichts dessen überzeugen die Ausführungen von Dr. C. den Senat, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein isolierter Schaden an einer nicht oder allenfalls gering belasteten Region des Außenmeniskus auftritt (hier ausweislich des OP-Berichts vom 27.12.1990 im mittleren Drittel des Außenmeniskus des linken Knies) und nicht aufgrund der berufstypischen Zwangshaltung an den wesentlich stärker belasteten Hinterhörnern des Außen- und Innenmeniskus. Im MRT-Befund des linken Kniegelenkes vom 9.8.2008 und insbesondere im OP-Bericht über die Versorgung des linken Kniegelenks mit einer Kniegelenksendoprothese vom 31.3.2011 zeigen sich lediglich leichte oberflächliche Innen-meniskusveränderungen und keine gravierenden Schädigungen des Innenmeniskus bzw. der Innenmeniskushinterhorns. Der Senat folgt deswegen den übereinstimmenden Beurteilungen von Dr. C. und Dr. F., dass sich ? trotz Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzun-gen ? angesichts des medizinischen Befundes ein Kausalzusammenhang zwischen den Meniskusveränderungen und der beruflichen Tätigkeit des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit feststellen lässt.

Der abweichenden Ansicht von Professor Dr. L., der einen Kausalzusammenhang zwischen den Veränderungen im mittleren Drittel des linken Kniegelenks und der beruflichen Tätigkeit des Klägers bejaht, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn Professor Dr. L. begründet nicht, warum die bei einer Tätigkeit als Fliesenleger stärker belasteten Hinterhörner des Innen- und Außenmeniskus nicht geschädigt sind, sondern der weniger belastete mittlere Teil des Außenmeniskus. Er legt insbesondere nicht dar, dass es sich bei den Schädigungen am mittlere Teil des Außenmeniskus um einen belastungskonformen Meniskusschaden handelt und nennt für seine Auffassung auch keine einschlägige medizinische bzw. unfallmedizinischen Literatur. Der Umstand, dass die Diagnose im OP-Bericht vom 27.12.1990 "degenerative Außenmeniskopathie links" lautet, belegt noch nicht, dass hierfür die beruflichen Einwirkungen der Tätigkeit als Fliesenleger ursächlich waren. Die Tatsache, dass andere Ursachen ? wie die Gicht ? ebenfalls nicht mit Wahrscheinlichkeit feststellbar sind, erlaubt nicht den Schluss, dass die beruflichen Einwirkungen ursächlich waren, wie Dr. C. zu Recht darlegt.

Nach alledem vermag der Senat nicht festzustellen, dass der Außenmeniskusschaden des Klägers am linken Knie eine BK nach Nr. 2102 der Anl. 1 zur BKV darstellt.

Auf die Berufung der Beklagten war deswegen das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Angesichts dessen ist auch unerheblich, dass die Verurteilung der Beklagten zur Entschädigung der BK in gesetzlichem Umfang schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil die Beklagte über bestimmte Leistungen (Heilbehandlung, Verletztengeld, Verletztenrente) im angefochtenen Bescheid nicht entschieden hat. Außerdem handelt es sich bei der Verurteilung der Beklagten, "die BK in gesetzlichem Umfang zu entschädigen", um ein unzulässiges Grundurteil, ohne einen hinsichtlich der Versicherungsleistungen vollstreckbaren Inhalt (BSG, Urteil vom 2.4.2009, B 2 U 29/07 R, m.w.N. in Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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