Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 10 R 3768/09
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 795/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.1.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die (Weiter-)Gewährung einer (Zeit-)Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.10.2009 hinaus.
Die 1964 geborene Klägerin, zuletzt (in Teilzeit) als Briefverteilerin versicherungspflichtig beschäftigt, beantragte erstmals am 28.1.2002 Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte erhob das Gutachten der Internistin und Sozialmedizinerin Dr. H.-Z. vom 24.4.2002. Diese diagnostizierte eine chronisch entzündliche Darmerkrankung mit Befall des Rektums und Sigmas, derzeit unter Medikation keine humoralen Entzündungszeichen, Somatisierungsstörung sowie Migräne. Die Klägerin leide seit den 80er Jahren an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung; nach ihren Angaben sei ein Morbus Crohn festgestellt worden. Anhaltende Cervicocranialgien und Brachialgien seien am ehesten im Rahmen einer Somatisierungsstörung zu sehen. Altersübersteigende degenerative Veränderungen lägen nicht vor. Es gebe auch keine Hinweise auf eine Fibromyalgie. Die Funktion der Wirbelsäule und der Gelenke sei frei. Die Klägerin könne leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten und in gleichem Umfang auch als Briefverteilerin arbeiten.
Mit Bescheid vom 30.4.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin erhob die Beklagte das Gutachten des Orthopäden Dr. K. vom 23.10.2002. Darin ist ausgeführt, seit 2/02 finde wegen der Darmerkrankung keine Medikation mehr statt. Die Klägerin habe angegeben, sie wolle gerne zwei Jahre eine Auszeit und komme mit der Arbeit eigentlich gut zurecht. Die Stimmungslage sei ausgeglichen, Antrieb und affektive Schwingungsfähigkeit seien normal. Der Gutachter diagnostizierte beginnende Aufbraucherscheinungen der Lendenwirbelsäule mit statischer Fehlhaltung, Rumpfmuskeldysbalance ohne Anhalt für Wurzelreizzeichen, Übergewicht, Senk-Spreiz-Füße, eine chronisch entzündliche Darmerkrankung mit Befall des Rektums und Sigmas, derzeit unter Medikation keine humoralen Entzündungszeichen, eine Somatisierungsstörung, Migräne und langjährigen Nikotinkonsum. Bei drastischer Gewichtsabnahme und regelmäßiger konsequenter medizinischer Trainingstherapie und Durchführung eines intensiven Rückenschulprogrammes seien die Beschwerden, die teilweise auch als belastungsbedingt zu bezeichnen seien, deutlich reduzierbar. Ungeachtet des in einzelnen Arztbriefen geäußerten Verdachts auf das Vorliegen eines Fibromyalgie-Syndroms seien die Beschwerden der Klägerin durch die Verschleißerscheinungen im Lendenwirbelsäulenbereich sowie die deutliche Rumpfmuskeldysbalance und das deutliche Übergewicht voll und ganz erklärt. Trotz des bekannten Bandscheibenvorfalls (was nicht zwingend zu Beschwerden führen müsse) arbeite die Klägerin nach wie vor als Briefverteilerin. Sie könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig verrichten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.1.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 6.2.2003 Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhob (Verfahren S 4 R 267/03). Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob Gutachten. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. fand im Gutachten vom 3.4.2004 keine wesentliche depressive Symptomatik und diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Spannungskopfschmerzen und Migräne. Mit der Symptomatik der Darmerkrankung habe sich die Klägerin recht gut arrangiert. Leichte Tätigkeiten könne die Klägerin vollschichtig verrichten. Die Nervenärztin Dr. O.-J. (Fachkliniken H., Bad U.) diagnostizierte im auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhobenen neurologischen Gutachten vom 13.5.2005 bei gut erhaltener affektiver Schwingungsfähigkeit und unauffälligem Antrieb bzw. unauffälliger Psychomotorik eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Migräne und anamnestisch Morbus Crohn. Schmerzmittel würden unregelmäßig genommen, eine Physiotherapie finde seit Monaten nicht mehr statt, die Nutzung eines TENS-Geräts werde meistens vergessen. Trotz geklagter ausgeprägter Schmerzen sei die Klägerin weder in der Ausübung ihrer Hobbys noch in den Kontakten im Freundeskreis eingeschränkt, auch Urlaubsreisen seien nicht tangiert. Wesentliche Beeinträchtigungen seien nicht erkennbar, auch während der längeren Anamnese habe die Klägerin ohne gestische oder mimische Schmerzentäußerungen längere Zeit problemlos sitzen können. Bis auf den Trapeziusrand seien sämtliche Tenderpoints nicht druckschmerzhaft. Psychopathologisch gebe es keinen auffälligen Befund, was im Gegensatz zu dem Ergebnis des Beckschen Depressionsinventars liege; hier zeige sich eine auffällige Diskrepanz. Leichte Tätigkeiten könne die Klägerin (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Der Diagnose einer Fibromyalgie könne nicht zugestimmt werden.
Mit Urteil vom 21.11.2005 (S 4 R 267/03) wies das Sozialgericht die Klage ab. Die dagegen eingelegte Berufung (Verfahren L 13 R 374/06) nahm die Klägerin wieder zurück.
Am 3.4.2006 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte erhob das Gutachten der Internistin und Sozialmedizinerin Dr. M. vom 2.6.2006. Diese fand keine depressiv wirkende Stimmungslage; Antrieb und affektive Schwingungsfähigkeit seien normal. Die Gutachterin diagnostizierte eine chronisch entzündliche Darmerkrankung im Sinne des Morbus Crohn (ED 1984) mit leichter Verlaufsform (derzeit laborchemisch und klinisch keine relevanten Entzündungszeichen), deutliches Übergewicht, chronische Reizerscheinungen des Muskelsehnenmantels der L.n Schulter ohne Bewegungseinschränkung, hohlrunder statischer Haltungsfehler und übergewichtsbedingte Überlastung der Wirbelsäule ohne Bewegungseinschränkung, röntgenologisch nur geringgradige altersentsprechende degenerative Veränderungen und (als sonstige Diagnosen u.a.) eine geringgradige anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Schon das deutliche Übergewicht zeige, dass wegen der Darmerkrankung keine relevante floride Entzündung vorliege; das letzte Rezidiv liege über acht Jahre zurück. Die angegebene Stuhlfrequenz und Durchfallneigung seien daher nicht glaubhaft. Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in Hobbys, Kontakten und Alltagsbelastungen seien (ungeachtet geklagter Schmerzen) nicht erkennbar; auch klinisch gebe es keine wesentlichen Beeinträchtigungen. Die von nervenärztlicher Seite beschriebene anhaltende somatoforme Schmerzstörung sei so leicht ausgeprägt, dass ihr kein Krankheitswert zuzumessen sei. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten.
Mit Bescheid vom 6.6.2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5.9.2006 zurückgewiesen, worauf die Klägerin am 15.9.2006 (erneut) Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhob (Verfahren S 4 R 3410/06).
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob (weitere) Gutachten.
Die Allgemeinärztin Dr. Sch.-G. teilte mit, sie habe (seit 2003) keine wesentliche Verschlechterung beobachtet; eine vom Rheumatologen begonnene Methoterxattherapie habe die Klägerin wieder abgesetzt (Bericht vom 25.11.2006). Auch der Schmerztherapeut Dr. L. konnte unter dem 20.11.2006 keine wesentlichen Änderungen berichten. Der Internist Dr. D. teilte ebenfalls mit, eine wesentliche Änderung liege nicht vor (Bericht vom 1.12.2006).
Der Internist Dr. Sch. diagnostizierte im auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten vom 13.7.2007 (mit ergänzender Stellungnahme vom 26.11.2007) bei der allenfalls subdepressiv wirkenden Klägerin (u.a.) Morbus Crohn, augenblicklich ohne entzündliche Aktivität, (nicht eindeutig gesichert) sekundäre Fibromyalgie, chronische Cervikobrachialgie bei deutlichen degenerativen HWS-Veränderungen, LWS-Syndrom und Adipositas. Eine Erwerbstätigkeit zwischen 3 bis unter 6 Stunden täglich scheine möglich. Grund für die Leistungseinschränkung sei die Chronifizierung des psychosomatischen Krankheitskomplexes. Die Klägerin sei seit Jahren gewohnt, weder beruflich noch privat mehr als 2-3 Stunden durchgehend zu arbeiten und benötige in der Folge längere Ruhepausen und Ruhephasen. Insoweit sei eigenverantwortliches Arbeiten auf dem Arbeitsmarkt erschwert. Die Leistungseinschränkung liege seit 3-4 Jahren vor.
Der Internist und Rheumatologe Dr. M. diagnostizierte im Gutachten vom 11.3.2008 bei der mäßig depressiv wirkenden Klägerin bei normal kräftig ausgeprägter Muskulatur ohne Anhaltspunkte für eine isolierte oder generalisierte Atropie großer oder kleiner Muskelgruppen (u.a.) eine entzündliche Darmerkrankung, die einem Morbus Crohn entspreche, mit erheblicher Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens und auch des Sozialverhaltens aufgrund der Durchfallneigung sowie eine chronische Schmerzerkrankung, die einer klassischen somatisch betonten Form einer Fibromyalgie entspreche. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich verrichten. Die Leistungseinschränkung folge in erster Linie aus der Fibromyalgie, allerdings akzentuiert durch die Dickdarmentzündung, wobei der Morbus Crohn eine Allgemeinerkrankung darstelle, die zusätzlich zur Fibromyalgie-Symptomatik und teils auch in enger Wechselbeziehung auch im Sinne einer Symptomverstärkung das Allgemeinbefinden massiv beeinträchtige mit Verminderung der körperlichen, geistigen und seelischen Leistungsfähigkeit. Während der Gutachtensituation sei dies nachvollziehbar gewesen in Übereinstimmung mit Angaben der Klägerin auf Fragebögen bezüglich Krankheitsaktivität und schmerzbedingten Auswirkungen auf den Tagesablauf. Die Leistungseinschränkung bestehe zumindest seit Rentenantragstellung. Die Vorgutachter hätten die morphologischen Aspekte einschließlich der Problematik der Einnahme von Immunsuppressiva wegen des Morbus Crohn nicht genügend berücksichtigt, ebenso die somatisch bezogenen schmerztherapeutischen Aspekte. Unter konsequenter Therapie sollte allerdings ein vollschichtiges Leistungsvermögen zumindest im Bereich leichter, gelegentlich auch mittelschwerer Tätigkeiten, wieder erreichbar sein; ggf. könne nach einem Jahr eine Nachbegutachtung durchgeführt werden.
Die Beklagte legte beratungsärztliche Stellungnahmen vor. Der Allgemeinarzt und Sozialmediziner Dr. G. führte unter dem 29.8.2007 aus, die behandelnden Ärzte (Dres. Sch.-G., L. und D.) hätten wesentliche Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin nicht festgestellt. Aus den den Berichten beigefügten (zahlreichen) Arztbriefen der letzten Jahre ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Der Gutachter Dr. Sch. habe die instrumentellen Möglichkeiten, um die anamnestischen Angaben mit den klinischen Befunden einer Konsistenzprüfung zuzuführen, nicht vollständig genutzt. Eine ausführliche Beschreibung des Lebensalltags fehle. Einzelheiten der Tagesgestaltung, des sozialen Beziehungsnetzes und der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft habe der Gutachter nicht eruiert. Die Annahme eines psychosomatischen Krankheitskomplexes werde aus einem psychischen Befund nicht zusätzlich begründet, zumal der Gutachter die Klägerin nur als subdepressiv wirkend beschrieben habe. Weshalb ein sechsstündiges Leistungsvermögen nicht mehr vorliegen solle, werde nicht nachvollziehbar begründet. Unter dem 14.5.2008 führte Dr. G. sodann aus, dem Gutachten des Dr. M. vom 11.3.2008 könne gefolgt werden.
Mit Schriftsatz vom 30.5.2008 erkannte die Beklagte daraufhin an, dass die Klägerin seit 3.4.2006 voll erwerbsgemindert sei. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.11.2006 bis 31.10.2009.
Am 27.4.2009 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente über den 31.10.2009 hinaus.
Die Beklagte erhob das Gutachten der Sozialmedizinerin Dr. H. vom 29.07.2009. Diese diagnostizierte eine chronisch entzündliche Darmerkrankung im Sinne eines Morbus Crohn, ED 1984, derzeit mäßige Entzündungszeichen in der Dickdarmschleimhaut (Coloskopie 7/2009), laborchemisch keine Entzündungszeichen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Fehlstatik und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit leichter Bewegungseinschränkung ohne Nervenwurzelreizzeichen, erhebliches Übergewicht, Migränekopfschmerz, Spannungskopfschmerz, fortgesetzten Nikotinabusus sowie aktuell eine Schleimbeutelentzündung am rechten Knie. Die Klägerin sei bei der Begutachtung in der Körperhaltung recht entspannt und sitze eine Stunde lang ruhig in ihrem Stuhl, ohne die Sitzposition zu ändern. Die nachgewiesenen organischen Veränderungen könnten das Ausmaß der Schmerzen nicht hinreichend erklären. Eine orthopädische Behandlung habe seit vielen Jahren nicht mehr stattgefunden; die Klägerin befinde sich jedoch seit fast 10 Jahren in ambulanter schmerztherapeutischer Behandlung und suche den Schmerztherapeuten einmal im Monat auf. Insgesamt wirke sie nur wenig schmerzgeplagt. Die Beweglichkeit der HWS und LWS sei nur leicht eingeschränkt. Hinsichtlich des psychischen Befundes wirke die Klägerin nicht wesentlich auffällig. Hinweise auf eine depressive Störung gebe es nicht. Antrieb und affektive Schwingungsfähigkeit seien normal. Die Klägerin scheine in der Alltagsbewältigung auch wenig eingeschränkt zu sein. Sie bewältige unter leichter Hilfestellung des Ehemannes bei schwerer körperlicher Tätigkeit einen Fünfpersonenhaushalt. Außerdem leiste sie täglich 1 Stunde Putzarbeit in einer (Schul-)Sporthalle; dort (in der Schule) übe ihr Ehemann eine Hausmeistertätigkeit aus. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Die Darmerkrankung zeige eine milde Verlaufsform und beeinträchtige die Klägerin in den Alltagsaktivitäten nur wenig. Auch die anhaltende somatoforme Schmerzstörung habe sich insgesamt gebessert und sei nicht schwergradig ausgeprägt.
Mit Bescheid vom 3.8.2009 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag ab. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme der Dr. M. vom 25.8.2009 ein. Darin ist ausgeführt, das deutliche Übergewicht der Klägerin sei weiter angestiegen, was zeige, dass klinisch keine wesentliche entzündliche Krankheitsaktivität der Darmerkrankung vorliegen könne. Dies weise zusammen mit den normalen Laborwerten auf eine stabile Situation ohne Krankheitsaktivität des Morbus Crohn hin. Die Angaben der Klägerin zur Durchfallneigung seien aufgrund der objektivierbaren Befunde nicht im behaupteten Ausmaß glaubhaft. Auch der Befund der Darmspiegelung von 7/09 habe eine Besserung gezeigt. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung sei ebenfalls nicht ausgeprägt. Bislang finde eine psychiatrische Betreuung wegen der somatoformen Schmerzstörung nicht statt. Eine schmerztherapeutische Behandlung sei nicht angezeigt, da es sich um ein psychosomatisches Geschehen handele. Die Gabe von Schmerzmitteln könne wegen der psychosomatischen Natur der Beschwerden zu keiner Besserung führen. Da die psychosomatischen Beschwerden aber nicht ausgeprägt seien, sei zum jetzigen Zeitpunkt auch keine psychiatrische Behandlung zwingend oder dringend erforderlich. Die Klägerin halte eine solche Behandlung offenbar selbst auch nicht für notwendig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 12.11.2009 Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhob (Verfahren S 10 R 3768/09). Sie trägt vor, die seinerzeit von Dr. M. beschriebenen Funktionsstörungen hätten sich eher verschlechtert.
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob (weitere) Gutachten.
Der Gastroenterologe Dr. D. führte im Bericht vom 5.1.2010 aus, eine wesentliche Änderung habe sich nicht ergeben. Die Beschwerden und die Leistungseinschränkung der Klägerin seien hauptsächlich durch die chronisch entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn) bedingt. Die Fibromyalgie werde im Zusammenhang mit dem Morbus Crohn als extraintestinale Manifestation gesehen. Die Klägerin sei nicht berufs- oder erwerbsunfähig, während klinischer Krankheitssymptome jedoch nicht arbeitsfähig. Der Orthopäde Dr. D. konnte eine wesentliche Änderung ebenfalls nicht feststellen. Bedenken gegen die Verrichtung leichter Tätigkeiten über mindestens 6 Stunden täglich bestünden nicht (Bericht vom 11.1.2010). Dr. L. teilte unter dem 29.1.2010 (ebenfalls) mit, er habe eine wesentlich Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin nicht festgestellt.
Der Internist und Rheumatologe Dr. M. diagnostizierte (u.a. mit Hilfe von Fragebogentestverfahren für Fibromyalgie-Patienten) im auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten vom 29.3.2010 eine entzündliche Darmerkrankung im Sinne eines Morbus Crohn, der des dauerhaften Einsatzes von Immunsuppressiva, jetzt auch in höherer Dosierung, bedürfe. Die Migränesymptomatik sei weiterhin ausgeprägt vorhanden. Weiterhin diskutiert werden müsse das Vorliegen einer entzündlichen Beteiligung der Gelenke bei dem vorbekannten Morbus Crohn. Die Fibromyalgie-Symptomatik sei etwas ausgeprägter als bei seiner Vorbegutachtung im Verfahren S 4 R 3410/06. Die Klägerin wirke mäßig depressiv. Der abgefragte Tagesablauf habe schmerz- und erschöpfungsbedingt sehr massive Beeinträchtigungen bezogen auf die Alltagsleistung ergeben. In Summation der Erkrankungen im Sinne der entzündlichen Dickdarmerkrankung, der leichten, zumindest klinisch nachweisbaren Beteiligung im Bereich der Hände, des Aspektes der notwendigen immunsuppressiven Therapie sowie vor allen Dingen aufgrund der Zunahme der chronischen Schmerzerkrankung im Sinne der Fibromyalgie-Symptomatik, die auch der andauernden schmerztherapeutischen Behandlung und Betreuung bedürfe, könne die Klägerin leichte Tätigkeiten weiterhin nur 3 bis unter 6 Stunden täglich verrichten. Im Prinzip habe sich seit dem Auslaufen der Zeitrente nichts Wesentliches verändert. Es bestehe aber ein Verbesserungs- und Behandlungspotential.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme der Allgemeinärztin Dr. P. vom 26.4.2010 vor. Darin heißt es, der Auffassung des Dr. M. könne nicht gefolgt werden. Eine mehrfach empfohlene Rehabilitationsbehandlung habe die Klägerin nicht durchgeführt, Antidepressiva oder regelmäßige Schmerzmittel würden nicht eingenommen. Insgesamt finde eine (in der Universitätsstadt Tübingen mögliche ? ergänzende Stellungnahme vom 29.7.2010) komplexe schmerztherapeutische Betreuung mit Umsetzung eines multimodalen Behandlungskonzeptes nicht statt. Der Leidensdruck sei offenbar nicht so hoch, dass therapeutische Maßnahmen durchgeführt würden, zumal Dr. M. selbst ein Behandlungspotential sehe.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.7.2010 führte Dr. M. (u.a.) aus, das Ausbleiben einer multimodalen Schmerztherapie könne man der Klägerin nicht vorwerfen, da man ihr diese Möglichkeit nach seinem Eindruck nicht adäquat angeboten habe. Die von ihm angenommene zeitliche Leistungseinschränkung folge vorwiegend aus der Summation der Erkrankungen mit der Dickdarmentzündung, auch den orthopädische Leiden, aber auch der Schmerzerkrankung, nicht aus einer Krankheit für sich allein.
Der Internist und Nervenarzt Dr. I. diagnostizierte im Gutachten vom 27.12.2010 eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung im Sinne eines Morbus Crohn seit 1984, mit leichter Verlaufsform, jedoch ohne stabile Remission (keine relevante Entzündungsaktivität), Antrumgastritis (Magenschleimhautentzündung) 04/2006, aktuell ohne Beschwerden, Kopfschmerzen vom Spannungstyp, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und Migräne. Die Klägerin sei als Putzhilfe an der Schule, an der ihr Ehemann als Hausmeister arbeite, seit ca. 1 ½ Jahren geringfügig beschäftigt. Die Schwingungsfähigkeit sei normal, die Stimmungslage ausgeglichen, Antrieb, Mimik und Gestik seien unauffällig. Hinweise auf eine Depression gebe es nicht. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten; die Leistungseinschätzung bestehe zumindest seit 2008. Die Schmerztherapie sei derzeit absolut insuffizient. Die Klägerin habe den Untersuchungstag problemlos überstanden ohne gravierende Schmerzen. Es sei davon auszugehen, dass das Schmerzsyndrom selbst unter insuffizienter Schmerztherapie derzeit kompensiert sei.
Die Neurologin und Psychiaterin Prof. Dr. W. führte im auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten vom 24.6.2011 (u.a.) aus, die Klägerin habe angegeben, ihr Gesundheitszustand sei seit Jahren etwa gleich. Die Gutachterin fand eine über weite Strecken ausgeglichene Stimmung und normalen Antrieb. Der psychiatrische Befund sei weitgehend unauffällig, klare depressive Symptome ließen sich nicht beobachten. Die Gutachterin diagnostizierte auf ihrem Fachgebiet wahrscheinlich eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und Kopfschmerzen, wahrscheinlich Kombination aus Migräne, psychosomatischer Schmerzstörung und analgetikainduziert. Bei Menschen mit somatoformer Schmerzstörung sei es möglich, dass diese wenig Zugang zu einem den Schmerzen zugrunde liegenden Konflikt hätten und diese stattdessen quasi durch die Schmerzen ausdrückten. Trotzdem verwundere es, dass die Klägerin trotz mehrjähriger Psychotherapie keinerlei Konflikt benennen könne. Natürlich sei auch zu überlegen, inwiefern die Schmerzen durch sekundäre positive Wirkungen (Beendigung der Arbeitstätigkeit, Zuwendung durch die Familie, Rente) aufrecht erhalten würden. Im Hinblick auf ihr derzeitiges Leben (ohne Berufstätigkeit) gebe die Klägerin relativ wenige Funktionseinschränkungen an. Sie bewältige den Haushalt und die Versorgung der Familie. Inwieweit eine Berufstätigkeit in einer leichten körperlichen Arbeit zu Funktionseinschränkungen führen würde, lasse sich aktuell letztendlich nicht vollständig abschätzen. Die Klägerin könne ca. 1 Stunde täglich als Reinigungskraft arbeiten, was als mittelschwere körperliche Tätigkeit einzuschätzen sei. Ein höheres Leistungsvermögen für eine leichte körperliche Tätigkeit sei deshalb wahrscheinlich. Die Schmerztherapie sei nicht optimal. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Störungen innerhalb eines halben Jahres durch bessere Medikation und passende Rehabilitation überwunden werden könnten. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 3 Stunden täglich verrichten. Es sei aber nicht ausgeschlossen, ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen unter adäquater Behandlung und nach passender Rehabilitation zu erreichen. Entgegen der Auffassung des Dr. M. sei der Tagesablauf der Klägerin nicht massiv beeinträchtigt; auch die Diagnose einer Depression sei nicht nachvollziehbar.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters B. vom 24.8.2011 vor. Darin ist ausgeführt, die von Prof. Dr. W. angenommene zeitliche Leistungseinschränkung sei nicht nachvollziehbar. Die Gutachterin habe letztendlich nur Arbeitsunfähigkeit begründet.
Prof. Dr. W. führte in der ergänzenden Stellungnahme vom 28.9.2011 (u.a.) aus, ihre Leistungseinschätzung beruhe darauf, dass sie die von der Klägerin angegebenen Schmerzen für glaubhaft halte. Das Leistungsvermögen bewege sich derzeit in einem Bereich zwischen 3 und 6 Stunden täglich und könne (u.a.) durch Verstärkung und Verbesserung der Therapie auf über 6 Stunden täglich verbessert werden.
Die Beklagte legte die abschließende beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes B. vom 10.11.2011 vor. Darin heißt es (u.a.), eindeutige Hinweise auf eine zeitliche Leistungseinschränkung wegen Schmerzen gebe es nicht, zumal definitiv keine ausreichende Schmerztherapie stattfinde und die Klägerin bei Vorbegutachtungen keinen schmerzgeplagten Eindruck hinterlassen habe.
Mit Urteil vom 18.1.2012 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, seit dem 31.10.2009 könne die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts (wieder) mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein, weshalb Erwerbsminderung nicht (mehr) vorliege (§ 43 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI). Das gehe insbesondere aus dem Verwaltungsgutachten der Dr. H. und dem Gerichtsgutachten des Dr. I. hervor. Maßgeblich für die sozialmedizinische Leistungseinschätzung sei die somatoforme Schmerzstörung. Diese begründe aber nur qualitative, jedoch keine quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkungen. Aus den Berichten der behandelnden Ärzte ergebe sich nichts anderes. Dr. D. halte die Klägerin nicht für berufs- oder erwerbsunfähig. Der Orthopäde Dr. D. habe sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten angenommen. Die Auffassung des Dr. M. und der Prof. Dr. W. könne demgegenüber nicht überzeugen. Angaben zur Verifizierung der subjektiven Schmerzschilderungen fänden sich nur in den Gutachten der Dres. H. und I ... So habe Dr. H. festgestellt, dass die Klägerin während der Begutachtung nur wenig schmerzgeplagt gewesen sei. Dr. I. habe das Schmerzsyndrom selbst unter der insuffizienten Schmerztherapie als kompensiert befunden. Das spreche gegen eine deutliche und leistungsrelevant ausgeprägte Schmerzerkrankung. Dr. M. habe sich für seine Leistungseinschätzung auch nicht auf die Schmerzerkrankung allein, sondern auf die Summation der Erkrankungen gestützt. Prof. Dr. W. halte die (Schmerz-)Therapie (ebenfalls) nicht für adäquat. Eine umfassende und intensive Behandlung finde nicht statt und werde von der Klägerin offenbar auch nicht für notwendig erachtet, was gegen einen erheblichen Leidensdruck spreche. Die Klägerin könne (so Prof. Dr. W.) ihren Alltagsablauf bewältigen und außerdem (bis August 2010) eine Stunde täglich als Reinigungskraft arbeiten. Untervollschichtiges Leistungsvermögen sei nach alledem nicht anzunehmen.
Auf das ihr am 16.2.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.2.2012 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der medizinische Sachverhalt habe sich seit dem Auslaufen der Zeitrente nicht wesentlich geändert. Der behandelnde Orthopäde Dr. D. habe seine Auffassung (keine zeitliche Leistungsminderung) nicht näher begründet. Dr. D. halte sie während einer klinischen Krankheitssymptomatik (des Morbus Crohn) für arbeitsunfähig; eine stabile Remission der Darmerkrankung habe nicht erreicht werden können. Damit sei eine Besserung ihres Gesundheitszustands nicht belegt. Auch Dr. M. habe in seinem gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten eine wesentliche Änderung nicht festgestellt und weiterhin unter sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen. Dr. I. sei auf die von Dr. M. postulierte Schmerzverstärkung und Überforderung nicht eingegangen. Prof. Dr. W. habe ihre Schmerzangaben als glaubhaft eingeschätzt. Wegen der einstündigen leichten Putztätigkeit dürfe man eine rentenrechtlich beachtliche (zeitliche) Leistungseinschränkung nicht ausschließen. Auch auf die Ausschöpfung von Behandlungsoptionen komme es nicht ausschlaggebend an. Aus dem Unterlassen einer adäquaten (Schmerz-)Behandlung dürfe nicht auf fehlenden Leidensdruck geschlossen werden. Man möge Dr. L. zum Inhalt einer suffizienten Schmerztherapie befragen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.1.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.11.2009 zu verurteilen, ihr über den 31.10.2009 hinaus bis 31.10.2015 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Klägerin hat ein Attest des Dr. L. vom 29.5.2012 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, bei ihr liege eine Multimorbidität vor, die durch das laufende Rentenverfahren noch zusätzlich kompliziert werde. Da die Ursachen der vorliegenden Erkrankungen unbekannt seien, sei die Therapie trotz massiver Interventionen im ambulanten und stationären Bereich nur beschränkt möglich; das gelte beispielhaft für die Migräne, die ätiologisch rätselhaft sei und in vielen Fällen nicht zufriedenstellend behandelt werden könne. Amitriptylin sei anamnestisch auch in höheren Dosen eingesetzt worden, habe jedoch wegen Unverträglichkeit (Schwindel, sehr starke Müdigkeit, Gewichtszunahme) abgesetzt bzw. reduziert werden müssen. Alle im Verlauf eingesetzten stark wirkenden Analgetika (z.B. Tilidin) hätten die Symptomatik nicht deutlich verbessern können, da bei höherer Dosierung Unverträglichkeit aufgetreten sei. Auch der Einsatz von Medikamenten zur Migräneprophylaxe (Beta Blocker, Topiramat) habe keine signifikante Reduktion der Triptaneinnahme bewirkt. Eine mögliche stationäre Kopfschmerztherapie (Kopfschmerzklinik K., Prof. G.) sei diskutiert, jedoch wegen fehlender Compliance nicht durchgeführt worden. Die Klägerin habe eine multimodale Therapie erhalten. Die entsprechenden Maßnahmen, Empfehlungen und Belehrungen hinsichtlich der motorischen Aktivität seien regelmäßig erneuert und die Klägerin sei ermuntert worden, entsprechende Übungen (z.B. Gehen, Walking, Schwimmen, Gymnastik, Entspannungstraining, Atemübungen, Gewichtsreduktion) durchzuführen. Parallel sei eine mehrjährige Verhaltenstherapie durchgeführt worden, die jedoch auch zu keiner signifikanten Verbesserung des Krankheitsbildes geführt habe. Prof. Dr. W. haben mit dem Beck-Depressions-Inventar-Fragebogentest eine klinisch relevante depressive Symptomatik festgestellt. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass selbst bei verstärkten klinischen Interventionen die Grundsituation der chronischen Multimorbidität erhalten bleibe, die wiederum die Leistungsfähigkeit deutlich einschränke. Diese sei höchstwahrscheinlich langfristig nicht wesentlich zu verbessern. Die Behauptung, die Klägerin könne eine geregelte tägliche Arbeitsleistung über 6 Stunden erbringen, sei spekulativ und nicht beweisbar.
Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters, Sozialmediziners B. vom 27.6.2012 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, dass die Ursachen der Krankheitsbilder nicht abschließend wissenschaftlich geklärt seien, hindere die Therapie nicht; entsprechendes gelte für die Wirkmechanismen der Therapiemethoden. Bei der Klägerin seien die medikamentösen Therapieoptionen nicht ausgeschöpft. Medikamentenspiegel seien nicht erhoben worden. Eine diskutierte stationäre Kopfschmerztherapie zur Migränebehandlung sei wegen fehlender Compliance nicht durchgeführt worden; insoweit habe auch Prof. Dr. W. bereits auf den sekundären Krankheitsgewinn der Klägerin bzw. die Fixierung hierauf hingewiesen. Hinsichtlich der Schmerzsymptomatik lägen Inkonsistenzen vor. So habe Dr. I. bei der Begutachtung festgestellt, dass die Klägerin bei vorgebrachten erheblichen Schmerzen nicht wesentlich eingeschränkt erschienen sei; er habe trotz offensichtlich insuffizienter Schmerztherapie das Schmerzsyndrom für kompensiert erachtet und daher kaum tatsächlich vorhandene stärkere Schmerzen gefunden. Auch Prof. Dr. W. weise indirekt auf Divergenzen zwischen den subjektiven Angaben der Klägerin und objektivierbaren Einschränkungen hin; so habe die Klägerin in den Selbstbeurteilungsskalen sehr hohe Schmerzintensitäten (8 bis 9) angegeben, was sich aber in der Mini-ICF (Fremdbeurteilung durch die Gutachterin) durch entsprechend sehr hohe Einschränkungen im Alltag nicht abgebildet habe. Das Vorliegen einer zeitlichen Leistungseinschränkung bleibe angesichts einer nicht ausreichenden medikamentösen Schmerzbehandlung und den festgestellten Divergenzen Spekulation. Eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme sei wegen des im Gutachten der Prof. Dr. W. anklingenden Rentenbegehrens mangels hinreichender Motivation der Klägerin nicht sinnvoll.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr über den 31.10.2009 hinaus Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch.
Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 43 SGB VI) das Rentenbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr danach Rente über den 31.10.2009 hinaus nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren anzumerken:
Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Klägerin (jedenfalls) seit 1.11.2009 wieder leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht mehr vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht vor allem aus dem Verwaltungsgutachten der Dr. H. und dem Gerichtsgutachten des Dr. I. überzeugend hervor. Der abweichenden Auffassung von Dr. M. und von Prof. Dr. W. in deren auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten kann sich der Senat nicht anschließen; er teilt die Beweiswürdigung des Sozialgerichts.
In orthopädischer Hinsicht liegen rentenberechtigende Leistungseinschränkungen (über den 31.10.2009 hinaus) nicht vor. Das geht schon aus dem Bericht des Orthopäden Dr. D. vom 11.1.2010 hervor. Dieser hat die Klägerin für fähig gehalten, leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Wesentliche orthopädische Einschränkungen waren bei der Klägerin auch in den (zahlreichen) Vorbegutachtungen nicht festgestellt worden; Dr. H. hat im Gutachten vom 29.7.2009 ebenfalls nur eine Fehlstatik und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit leichter Bewegungseinschränkung ohne Nervenwurzelreizzeichen finden können, Beweglichkeit von HWS und LWS sind nur leicht eingeschränkt gewesen.
In internistischer Hinsicht liegt bei der Klägerin (seit langem, Erstdiagnose 1984) eine entzündliche Darmerkrankung im Sinne eines Morbus Crohn vor. Allerdings bestehen (so Dr. H. im Gutachten vom 29.7.2009) nur mäßige Entzündungszeichen in der Dickdarmschleimhaut, laborchemisch zeigten sich (gar) keine Entzündungszeichen. Insgesamt weist die Darmerkrankung daher (so auch Dr. I. im Gutachten vom 27.12.2010) eine milde Verlaufsform auf ohne sozialmedizinisch (rentenrechtlich) beachtliche Leistungseinschränkung. Dies bestätigend hat Dr. M. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 25.8.2009 darauf hingewiesen, dass schon wegen des weiter angestiegenen (deutlichen) Übergewichts der Klägerin (zusammen mit den normalen Laborwerten und einem gebesserten Darmspiegelungsbefund 7/09) keine wesentliche entzündliche Krankheitsaktivität vorliegen kann. Dr. M. hat die Behauptungen der Klägerin zu Durchfallneigungen daher zu Recht als im geklagten Ausmaß unglaubhaft bezeichnet. Der behandelnde Gastroenterologe Dr. D. hat im Bericht vom 5.1.2010 bei entsprechender klinischer Symptomatik allenfalls zeitweilige Arbeitsunfähigkeit (im krankenversicherungsrechtlichen Sinn, § 44 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V), jedoch keine Erwerbsminderung (im rentenversicherungsrechtlichen Sinn) angenommen.
Die Klägerin stützt ihr Begehren auf Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente über den 31.10.2009 hinaus in erster Linie auf Erkrankungen des psychiatrischen/psychosomatischen Fachgebiets bzw. auf eine Schmerzerkrankung. Rentenberechtigende Leistungseinschränkungen sind aber auch insoweit nicht (mehr) festzustellen. Das ergibt sich bereits aus dem Verwaltungsgutachten von Dr. H. vom 29.7.2009. Diese hat in psychiatrischer Hinsicht keine Hinweise auf eine depressive Störung gefunden; Antrieb und affektive Schwingungsfähigkeit der Klägerin haben sich als normal erwiesen. Demzufolge hat sich kein wesentlich auffälliger psychischer Befund ergeben. Der Gerichtsgutachter Dr. I. hat dies im Gutachten vom 27.12.2010 bestätigt. Auch er hat bei normaler Schwingungsfähigkeit, ausgeglichener Stimmungslage und unauffälligem Antrieb keine Hinweise auf eine Depression gefunden. Die gem. § 109 SGG mit der Begutachtung der Klägerin beauftragte Prof. Dr. W. hat im Gutachten vom 24.6.2011 eine Depressionserkrankung gleichfalls ausgeschlossen. Im Hinblick auf eine psychosomatische Erkrankung bzw. eine somatoforme Schmerzstörung haben die Gutachter Dres. H. und I. rentenberechtigende Leistungseinschränkungen ebenfalls nicht finden können. Die Klägerin wirkte bei der Begutachtung durch Dr. H. - ungeachtet angegebener Schmerzen - nur wenig schmerzgeplagt und konnte recht entspannt sitzen ohne die Notwendigkeit, die Sitzposition während einer Stunde zu ändern. Dementsprechend zeigte sich auch die Fähigkeit der Klägerin zur Alltagsbewältigung - hinsichtlich der Versorgung eines Fünfpersonenhaushalts zuzüglich einer geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft - wenig eingeschränkt. Dr. I. hat das (angegebene) Schmerzsyndrom bei geringer Ausprägung (so auch die Beratungsärztin Dr. M. in der Stellungnahme vom 25.8.2009) und zudem eingetretener Besserung trotz absolut insuffizienter Schmerztherapie für kompensiert erachtet; die Klägerin konnte auch den Untersuchungstag bei Dr. I. problemlos ohne gravierende Schmerzen bewältigen. Das bei der Klägerin außerdem festgestellte Fehlen einer krankheitsadäquaten und bei entsprechendem Therapiewillen auch ohne Weiteres möglichen Therapie indiziert das Fehlen eines entsprechenden Leidensdrucks und infolgedessen auch einer sozialmedizinisch beachtlichen Schmerzerkrankung mit rentenberechtigenden Leistungseinschränkungen. Darauf haben die Beratungsärzte Dr. P. (Stellungnahmen vom 26.4. und 29.7.2010) und B. (Stellungnahmen vom 10.11.2011 und 27.6.2012) zu Recht hingewiesen (vgl. dazu auch etwa Senatsurteil vom 11.5.2011, - L 5 R 1823/10 -).
Die Leistungseinschätzung des gem. § 109 SGG mit einer Begutachtung beauftragten Dr. M. (Leistungsvermögen nach wie vor unter 6 Stunden täglich) kann nicht überzeugen. Dr. M. geht in seinem Gutachten vom 29.3.2010 schon von unzutreffenden Tatsachen insoweit aus, als er eine massive Beeinträchtigung des Tagesablaufs der Klägerin annimmt. Feststellungen dieser Art haben die Vorgutachter und auch die ebenfalls gem. § 109 SGG mit einer Begutachtung beauftragte Prof. Dr. W. freilich nicht treffen können; letztere hat vielmehr die Fähigkeit der Klägerin zur Versorgung ihres Fünfpersonenhaushalts (neben der Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft) konstatiert. Der normale psychopathologische Befund der Klägerin bzw. das Fehlen einer Depressionserkrankung - so übereinstimmend Dres. H. und I. und Prof. Dr. W. - unterstreicht die Richtigkeit dieser Einschätzung. Dr. M. hat sich für die Diagnostik außerdem auf Selbstbeurteilungsverfahren, etwa einen Selbstbeurteilungstest für Fibromyalgiepatienten, gestützt, die für therapeutische Zwecke geeignet sein mögen, für sozialmedizinische Leistungsbeurteilungen aber nicht validiert sind (vgl. dazu auch etwa Senatsurteil vom 11.5.2011, a. a. O. zum so genannten ?Beck-Depressions-Inventar?). Auch im Übrigen gründet sich die Auffassung des Dr. M. wesentlich auf subjektive Beschwerdebehauptungen der Klägerin, womit eine sozialmedizinische Leistungseinschätzung für sich allein nicht überzeugend zu begründen ist, zumal es gewichtige und von Dr. M. nicht hinreichend berücksichtige Anhaltspunkte für ein nicht authentisches Beschwerdevorbringen gibt. Insoweit sind vor allem unglaubhafte Angaben zu den Folgen der Darmerkrankung (Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. M. vom 25.8.2009), mit der psychiatrischen Diagnostik und den Erkenntnissen während der Begutachtung sowie dem eruierten Alltagsverhalten unvereinbare Schmerzangaben (Gutachten der Dr. H. vom 29.7.2009, Stellungnahme des Beratungsarztes B. vom 27.6.2012) und auch der unverkennbare Rentenwunsch (sekundäre Krankheitsgewinn der Klägerin) von Belang (Stellungnahme des Beratungsarztes B. vom 27.6.2012). Schließlich hat Dr. M. seine Leistungseinschätzung (Leistungsvermögen unter 6 Stunden täglich) ohne nachvollziehbare Begründung aus entsprechenden Befunden im Ergebnis auf eine Summation der Erkrankungen, vor allem der Dickdarmentzündung, der orthopädischen Leiden und der Schmerzerkrankung (aus seiner Sicht offenbar einer Fibromyalgie) und nicht auf die Folgen einer einzelnen Erkrankung gestützt. Sozialmedizinisch beachtliche Folgewirkungen auf das rentenrechtlich maßgebliche Leistungsvermögen haben - wie dargelegt - aber weder die Darmerkrankung noch die geklagte Schmerzerkrankung oder orthopädische Leiden, so dass von einer Summation (ungewöhnlicher) Leistungseinschränkungen schon im Ansatz nicht die Rede sein kann. Auch psychiatrisch relevante Krankheitsfolgen einer (etwaigen) Mulitmorbidität auf das zeitliche Leistungsvermögen bestehen - wie ebenfalls bereits dargelegt worden ist - nicht.
Die Leistungseinschätzung der (gem. § 109 SGG mit einer Begutachtung beauftragten) Prof. Dr. W. kann aus den im Wesentlichen gleichen Gründen ebenfalls nicht überzeugen. Befunde, aus denen eine zeitliche Leistungseinschränkung folgen könnte, hat die Gutachterin nicht erhoben, vielmehr im Gegensatz zu Dr. M. und in Übereinstimmung mit den Gutachtern Dres. H. und I. eine Depressionserkrankung ausgeschlossen und ein wenig beeinträchtigtes Alltagsleben bei der Fähigkeit zur Versorgung eines Fünfpersonenhaushalts und zur Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft gefunden. Für die danach nicht nachvollziehbare Annahme eines auf unter 6 Stunden täglich abgesunkenen Leistungsvermögens hat sich Prof. Dr. W. im Kern auf für glaubhaft erachtete subjektive Schmerzangaben der Klägerin gestützt (ergänzende Stellungnahme vom 28.9.2011). Abgesehen davon, dass das mit den Erkenntnissen in ihrem Gutachten vom 24.6.2011 (Fehlen einer Depressionserkrankung und wenig beeinträchtigtes Alltagsleben) nicht vereinbar ist, ist eine sozialmedizinische Leistungseinschätzung aus den bereits zum Gutachten des Dr. M. dargelegten Gründen so nicht überzeugend zu begründen. Schließlich haben sowohl Dr. M. wie Prof. Dr. W. das Bestehen eines Besserungspotentials - entsprechende Therapiemotivation freilich vorausgesetzt - betont, wodurch die von ihnen postulierten Leistungseinschränkungen überwunden werden könnten.
Danach ist eine rentenberechtigende (zeitliche) Leistungseinschränkung über den 31.10.2009 hinaus nicht festgestellt. Im Berufungsverfahren hat sich ein anderes Bild nicht ergeben. Die Klägerin beruft sich im Kern auf die Leistungseinschätzungen des Dr. M. und der Prof. Dr. W., die - wie dargelegt- aber nicht überzeugen können. Bei entsprechender klinischer Darmsymptomatik mag Arbeitsunfähigkeit (§ 44 SGB V) vorliegen (Bericht des Gastroenterologen Dr. D. vom 5.1.2010), weswegen der Klägerin ggf. Leistungen der Krankenversicherung zustehen können; ein Anspruch auf (Fortzahlung von) Erwerbsminderungsrente folgt daraus nicht. Unerheblich ist, dass der Orthopäde Dr. D., der im Übrigen die maßgeblichen orthopädischen Befunde benannt hat, seine Auffassung (keine zeitliche Leistungsminderung) im Bericht vom 11.1.2010 nicht näher begründet hat. Begründungsbedürftig wäre eher die gegenteilige Einschätzung gewesen, nachdem aus den orthopädischen Befunden der seinerzeit 46 Jahre alten Klägerin Anhaltspunkte für eine rentenberechtigende Leistungsminderung nicht zu entnehmen sind. Das Fehlen einer Schmerzbehandlung kann nach Maßgabe des vorstehend Gesagten im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden; das gilt auch für die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung, wobei es für die Senatsentscheidung vorliegend aber hierauf entscheidungserheblich nicht ankommt. Das Attest des Dr. L. vom 29.5.2012 kann dem Rentenbegehren der Klägerin schließlich ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Es enthält ärztliche Meinungsäußerungen vornehmlich zu Therapiefragen, aber keine aus Befunden schlüssig begründete sozialmedizinische Leistungseinschätzung, die geeignet wäre, die Auffassung der Rentengutachter Dres H. und I. in Zweifel zu ziehen; der Beratungsarzt B. hat das in seiner Stellungnahme vom 27.6.2012 zutreffend dargelegt. Davon abgesehen hat Dr. L. ein sechsstündiges Leistungsvermögen (nur) als spekulativ bezeichnet und nicht ausgeschlossen. Hinsichtlich der objektiven Beweislast muss aber das Vorliegen einer rentenberechtigenden Leistungsminderung von der Klägerin und nicht das Fehlen einer rentenberechtigenden Leistungsminderung von der Beklagten nachgewiesen werden.
Angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen, etwa weitere Begutachtungen, nicht auf. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die (Weiter-)Gewährung einer (Zeit-)Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.10.2009 hinaus.
Die 1964 geborene Klägerin, zuletzt (in Teilzeit) als Briefverteilerin versicherungspflichtig beschäftigt, beantragte erstmals am 28.1.2002 Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte erhob das Gutachten der Internistin und Sozialmedizinerin Dr. H.-Z. vom 24.4.2002. Diese diagnostizierte eine chronisch entzündliche Darmerkrankung mit Befall des Rektums und Sigmas, derzeit unter Medikation keine humoralen Entzündungszeichen, Somatisierungsstörung sowie Migräne. Die Klägerin leide seit den 80er Jahren an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung; nach ihren Angaben sei ein Morbus Crohn festgestellt worden. Anhaltende Cervicocranialgien und Brachialgien seien am ehesten im Rahmen einer Somatisierungsstörung zu sehen. Altersübersteigende degenerative Veränderungen lägen nicht vor. Es gebe auch keine Hinweise auf eine Fibromyalgie. Die Funktion der Wirbelsäule und der Gelenke sei frei. Die Klägerin könne leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten und in gleichem Umfang auch als Briefverteilerin arbeiten.
Mit Bescheid vom 30.4.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin erhob die Beklagte das Gutachten des Orthopäden Dr. K. vom 23.10.2002. Darin ist ausgeführt, seit 2/02 finde wegen der Darmerkrankung keine Medikation mehr statt. Die Klägerin habe angegeben, sie wolle gerne zwei Jahre eine Auszeit und komme mit der Arbeit eigentlich gut zurecht. Die Stimmungslage sei ausgeglichen, Antrieb und affektive Schwingungsfähigkeit seien normal. Der Gutachter diagnostizierte beginnende Aufbraucherscheinungen der Lendenwirbelsäule mit statischer Fehlhaltung, Rumpfmuskeldysbalance ohne Anhalt für Wurzelreizzeichen, Übergewicht, Senk-Spreiz-Füße, eine chronisch entzündliche Darmerkrankung mit Befall des Rektums und Sigmas, derzeit unter Medikation keine humoralen Entzündungszeichen, eine Somatisierungsstörung, Migräne und langjährigen Nikotinkonsum. Bei drastischer Gewichtsabnahme und regelmäßiger konsequenter medizinischer Trainingstherapie und Durchführung eines intensiven Rückenschulprogrammes seien die Beschwerden, die teilweise auch als belastungsbedingt zu bezeichnen seien, deutlich reduzierbar. Ungeachtet des in einzelnen Arztbriefen geäußerten Verdachts auf das Vorliegen eines Fibromyalgie-Syndroms seien die Beschwerden der Klägerin durch die Verschleißerscheinungen im Lendenwirbelsäulenbereich sowie die deutliche Rumpfmuskeldysbalance und das deutliche Übergewicht voll und ganz erklärt. Trotz des bekannten Bandscheibenvorfalls (was nicht zwingend zu Beschwerden führen müsse) arbeite die Klägerin nach wie vor als Briefverteilerin. Sie könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig verrichten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.1.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 6.2.2003 Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhob (Verfahren S 4 R 267/03). Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob Gutachten. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. fand im Gutachten vom 3.4.2004 keine wesentliche depressive Symptomatik und diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Spannungskopfschmerzen und Migräne. Mit der Symptomatik der Darmerkrankung habe sich die Klägerin recht gut arrangiert. Leichte Tätigkeiten könne die Klägerin vollschichtig verrichten. Die Nervenärztin Dr. O.-J. (Fachkliniken H., Bad U.) diagnostizierte im auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhobenen neurologischen Gutachten vom 13.5.2005 bei gut erhaltener affektiver Schwingungsfähigkeit und unauffälligem Antrieb bzw. unauffälliger Psychomotorik eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Migräne und anamnestisch Morbus Crohn. Schmerzmittel würden unregelmäßig genommen, eine Physiotherapie finde seit Monaten nicht mehr statt, die Nutzung eines TENS-Geräts werde meistens vergessen. Trotz geklagter ausgeprägter Schmerzen sei die Klägerin weder in der Ausübung ihrer Hobbys noch in den Kontakten im Freundeskreis eingeschränkt, auch Urlaubsreisen seien nicht tangiert. Wesentliche Beeinträchtigungen seien nicht erkennbar, auch während der längeren Anamnese habe die Klägerin ohne gestische oder mimische Schmerzentäußerungen längere Zeit problemlos sitzen können. Bis auf den Trapeziusrand seien sämtliche Tenderpoints nicht druckschmerzhaft. Psychopathologisch gebe es keinen auffälligen Befund, was im Gegensatz zu dem Ergebnis des Beckschen Depressionsinventars liege; hier zeige sich eine auffällige Diskrepanz. Leichte Tätigkeiten könne die Klägerin (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Der Diagnose einer Fibromyalgie könne nicht zugestimmt werden.
Mit Urteil vom 21.11.2005 (S 4 R 267/03) wies das Sozialgericht die Klage ab. Die dagegen eingelegte Berufung (Verfahren L 13 R 374/06) nahm die Klägerin wieder zurück.
Am 3.4.2006 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte erhob das Gutachten der Internistin und Sozialmedizinerin Dr. M. vom 2.6.2006. Diese fand keine depressiv wirkende Stimmungslage; Antrieb und affektive Schwingungsfähigkeit seien normal. Die Gutachterin diagnostizierte eine chronisch entzündliche Darmerkrankung im Sinne des Morbus Crohn (ED 1984) mit leichter Verlaufsform (derzeit laborchemisch und klinisch keine relevanten Entzündungszeichen), deutliches Übergewicht, chronische Reizerscheinungen des Muskelsehnenmantels der L.n Schulter ohne Bewegungseinschränkung, hohlrunder statischer Haltungsfehler und übergewichtsbedingte Überlastung der Wirbelsäule ohne Bewegungseinschränkung, röntgenologisch nur geringgradige altersentsprechende degenerative Veränderungen und (als sonstige Diagnosen u.a.) eine geringgradige anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Schon das deutliche Übergewicht zeige, dass wegen der Darmerkrankung keine relevante floride Entzündung vorliege; das letzte Rezidiv liege über acht Jahre zurück. Die angegebene Stuhlfrequenz und Durchfallneigung seien daher nicht glaubhaft. Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in Hobbys, Kontakten und Alltagsbelastungen seien (ungeachtet geklagter Schmerzen) nicht erkennbar; auch klinisch gebe es keine wesentlichen Beeinträchtigungen. Die von nervenärztlicher Seite beschriebene anhaltende somatoforme Schmerzstörung sei so leicht ausgeprägt, dass ihr kein Krankheitswert zuzumessen sei. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten.
Mit Bescheid vom 6.6.2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5.9.2006 zurückgewiesen, worauf die Klägerin am 15.9.2006 (erneut) Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhob (Verfahren S 4 R 3410/06).
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob (weitere) Gutachten.
Die Allgemeinärztin Dr. Sch.-G. teilte mit, sie habe (seit 2003) keine wesentliche Verschlechterung beobachtet; eine vom Rheumatologen begonnene Methoterxattherapie habe die Klägerin wieder abgesetzt (Bericht vom 25.11.2006). Auch der Schmerztherapeut Dr. L. konnte unter dem 20.11.2006 keine wesentlichen Änderungen berichten. Der Internist Dr. D. teilte ebenfalls mit, eine wesentliche Änderung liege nicht vor (Bericht vom 1.12.2006).
Der Internist Dr. Sch. diagnostizierte im auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten vom 13.7.2007 (mit ergänzender Stellungnahme vom 26.11.2007) bei der allenfalls subdepressiv wirkenden Klägerin (u.a.) Morbus Crohn, augenblicklich ohne entzündliche Aktivität, (nicht eindeutig gesichert) sekundäre Fibromyalgie, chronische Cervikobrachialgie bei deutlichen degenerativen HWS-Veränderungen, LWS-Syndrom und Adipositas. Eine Erwerbstätigkeit zwischen 3 bis unter 6 Stunden täglich scheine möglich. Grund für die Leistungseinschränkung sei die Chronifizierung des psychosomatischen Krankheitskomplexes. Die Klägerin sei seit Jahren gewohnt, weder beruflich noch privat mehr als 2-3 Stunden durchgehend zu arbeiten und benötige in der Folge längere Ruhepausen und Ruhephasen. Insoweit sei eigenverantwortliches Arbeiten auf dem Arbeitsmarkt erschwert. Die Leistungseinschränkung liege seit 3-4 Jahren vor.
Der Internist und Rheumatologe Dr. M. diagnostizierte im Gutachten vom 11.3.2008 bei der mäßig depressiv wirkenden Klägerin bei normal kräftig ausgeprägter Muskulatur ohne Anhaltspunkte für eine isolierte oder generalisierte Atropie großer oder kleiner Muskelgruppen (u.a.) eine entzündliche Darmerkrankung, die einem Morbus Crohn entspreche, mit erheblicher Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens und auch des Sozialverhaltens aufgrund der Durchfallneigung sowie eine chronische Schmerzerkrankung, die einer klassischen somatisch betonten Form einer Fibromyalgie entspreche. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich verrichten. Die Leistungseinschränkung folge in erster Linie aus der Fibromyalgie, allerdings akzentuiert durch die Dickdarmentzündung, wobei der Morbus Crohn eine Allgemeinerkrankung darstelle, die zusätzlich zur Fibromyalgie-Symptomatik und teils auch in enger Wechselbeziehung auch im Sinne einer Symptomverstärkung das Allgemeinbefinden massiv beeinträchtige mit Verminderung der körperlichen, geistigen und seelischen Leistungsfähigkeit. Während der Gutachtensituation sei dies nachvollziehbar gewesen in Übereinstimmung mit Angaben der Klägerin auf Fragebögen bezüglich Krankheitsaktivität und schmerzbedingten Auswirkungen auf den Tagesablauf. Die Leistungseinschränkung bestehe zumindest seit Rentenantragstellung. Die Vorgutachter hätten die morphologischen Aspekte einschließlich der Problematik der Einnahme von Immunsuppressiva wegen des Morbus Crohn nicht genügend berücksichtigt, ebenso die somatisch bezogenen schmerztherapeutischen Aspekte. Unter konsequenter Therapie sollte allerdings ein vollschichtiges Leistungsvermögen zumindest im Bereich leichter, gelegentlich auch mittelschwerer Tätigkeiten, wieder erreichbar sein; ggf. könne nach einem Jahr eine Nachbegutachtung durchgeführt werden.
Die Beklagte legte beratungsärztliche Stellungnahmen vor. Der Allgemeinarzt und Sozialmediziner Dr. G. führte unter dem 29.8.2007 aus, die behandelnden Ärzte (Dres. Sch.-G., L. und D.) hätten wesentliche Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin nicht festgestellt. Aus den den Berichten beigefügten (zahlreichen) Arztbriefen der letzten Jahre ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Der Gutachter Dr. Sch. habe die instrumentellen Möglichkeiten, um die anamnestischen Angaben mit den klinischen Befunden einer Konsistenzprüfung zuzuführen, nicht vollständig genutzt. Eine ausführliche Beschreibung des Lebensalltags fehle. Einzelheiten der Tagesgestaltung, des sozialen Beziehungsnetzes und der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft habe der Gutachter nicht eruiert. Die Annahme eines psychosomatischen Krankheitskomplexes werde aus einem psychischen Befund nicht zusätzlich begründet, zumal der Gutachter die Klägerin nur als subdepressiv wirkend beschrieben habe. Weshalb ein sechsstündiges Leistungsvermögen nicht mehr vorliegen solle, werde nicht nachvollziehbar begründet. Unter dem 14.5.2008 führte Dr. G. sodann aus, dem Gutachten des Dr. M. vom 11.3.2008 könne gefolgt werden.
Mit Schriftsatz vom 30.5.2008 erkannte die Beklagte daraufhin an, dass die Klägerin seit 3.4.2006 voll erwerbsgemindert sei. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.11.2006 bis 31.10.2009.
Am 27.4.2009 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente über den 31.10.2009 hinaus.
Die Beklagte erhob das Gutachten der Sozialmedizinerin Dr. H. vom 29.07.2009. Diese diagnostizierte eine chronisch entzündliche Darmerkrankung im Sinne eines Morbus Crohn, ED 1984, derzeit mäßige Entzündungszeichen in der Dickdarmschleimhaut (Coloskopie 7/2009), laborchemisch keine Entzündungszeichen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Fehlstatik und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit leichter Bewegungseinschränkung ohne Nervenwurzelreizzeichen, erhebliches Übergewicht, Migränekopfschmerz, Spannungskopfschmerz, fortgesetzten Nikotinabusus sowie aktuell eine Schleimbeutelentzündung am rechten Knie. Die Klägerin sei bei der Begutachtung in der Körperhaltung recht entspannt und sitze eine Stunde lang ruhig in ihrem Stuhl, ohne die Sitzposition zu ändern. Die nachgewiesenen organischen Veränderungen könnten das Ausmaß der Schmerzen nicht hinreichend erklären. Eine orthopädische Behandlung habe seit vielen Jahren nicht mehr stattgefunden; die Klägerin befinde sich jedoch seit fast 10 Jahren in ambulanter schmerztherapeutischer Behandlung und suche den Schmerztherapeuten einmal im Monat auf. Insgesamt wirke sie nur wenig schmerzgeplagt. Die Beweglichkeit der HWS und LWS sei nur leicht eingeschränkt. Hinsichtlich des psychischen Befundes wirke die Klägerin nicht wesentlich auffällig. Hinweise auf eine depressive Störung gebe es nicht. Antrieb und affektive Schwingungsfähigkeit seien normal. Die Klägerin scheine in der Alltagsbewältigung auch wenig eingeschränkt zu sein. Sie bewältige unter leichter Hilfestellung des Ehemannes bei schwerer körperlicher Tätigkeit einen Fünfpersonenhaushalt. Außerdem leiste sie täglich 1 Stunde Putzarbeit in einer (Schul-)Sporthalle; dort (in der Schule) übe ihr Ehemann eine Hausmeistertätigkeit aus. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Die Darmerkrankung zeige eine milde Verlaufsform und beeinträchtige die Klägerin in den Alltagsaktivitäten nur wenig. Auch die anhaltende somatoforme Schmerzstörung habe sich insgesamt gebessert und sei nicht schwergradig ausgeprägt.
Mit Bescheid vom 3.8.2009 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag ab. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme der Dr. M. vom 25.8.2009 ein. Darin ist ausgeführt, das deutliche Übergewicht der Klägerin sei weiter angestiegen, was zeige, dass klinisch keine wesentliche entzündliche Krankheitsaktivität der Darmerkrankung vorliegen könne. Dies weise zusammen mit den normalen Laborwerten auf eine stabile Situation ohne Krankheitsaktivität des Morbus Crohn hin. Die Angaben der Klägerin zur Durchfallneigung seien aufgrund der objektivierbaren Befunde nicht im behaupteten Ausmaß glaubhaft. Auch der Befund der Darmspiegelung von 7/09 habe eine Besserung gezeigt. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung sei ebenfalls nicht ausgeprägt. Bislang finde eine psychiatrische Betreuung wegen der somatoformen Schmerzstörung nicht statt. Eine schmerztherapeutische Behandlung sei nicht angezeigt, da es sich um ein psychosomatisches Geschehen handele. Die Gabe von Schmerzmitteln könne wegen der psychosomatischen Natur der Beschwerden zu keiner Besserung führen. Da die psychosomatischen Beschwerden aber nicht ausgeprägt seien, sei zum jetzigen Zeitpunkt auch keine psychiatrische Behandlung zwingend oder dringend erforderlich. Die Klägerin halte eine solche Behandlung offenbar selbst auch nicht für notwendig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 12.11.2009 Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhob (Verfahren S 10 R 3768/09). Sie trägt vor, die seinerzeit von Dr. M. beschriebenen Funktionsstörungen hätten sich eher verschlechtert.
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob (weitere) Gutachten.
Der Gastroenterologe Dr. D. führte im Bericht vom 5.1.2010 aus, eine wesentliche Änderung habe sich nicht ergeben. Die Beschwerden und die Leistungseinschränkung der Klägerin seien hauptsächlich durch die chronisch entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn) bedingt. Die Fibromyalgie werde im Zusammenhang mit dem Morbus Crohn als extraintestinale Manifestation gesehen. Die Klägerin sei nicht berufs- oder erwerbsunfähig, während klinischer Krankheitssymptome jedoch nicht arbeitsfähig. Der Orthopäde Dr. D. konnte eine wesentliche Änderung ebenfalls nicht feststellen. Bedenken gegen die Verrichtung leichter Tätigkeiten über mindestens 6 Stunden täglich bestünden nicht (Bericht vom 11.1.2010). Dr. L. teilte unter dem 29.1.2010 (ebenfalls) mit, er habe eine wesentlich Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin nicht festgestellt.
Der Internist und Rheumatologe Dr. M. diagnostizierte (u.a. mit Hilfe von Fragebogentestverfahren für Fibromyalgie-Patienten) im auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten vom 29.3.2010 eine entzündliche Darmerkrankung im Sinne eines Morbus Crohn, der des dauerhaften Einsatzes von Immunsuppressiva, jetzt auch in höherer Dosierung, bedürfe. Die Migränesymptomatik sei weiterhin ausgeprägt vorhanden. Weiterhin diskutiert werden müsse das Vorliegen einer entzündlichen Beteiligung der Gelenke bei dem vorbekannten Morbus Crohn. Die Fibromyalgie-Symptomatik sei etwas ausgeprägter als bei seiner Vorbegutachtung im Verfahren S 4 R 3410/06. Die Klägerin wirke mäßig depressiv. Der abgefragte Tagesablauf habe schmerz- und erschöpfungsbedingt sehr massive Beeinträchtigungen bezogen auf die Alltagsleistung ergeben. In Summation der Erkrankungen im Sinne der entzündlichen Dickdarmerkrankung, der leichten, zumindest klinisch nachweisbaren Beteiligung im Bereich der Hände, des Aspektes der notwendigen immunsuppressiven Therapie sowie vor allen Dingen aufgrund der Zunahme der chronischen Schmerzerkrankung im Sinne der Fibromyalgie-Symptomatik, die auch der andauernden schmerztherapeutischen Behandlung und Betreuung bedürfe, könne die Klägerin leichte Tätigkeiten weiterhin nur 3 bis unter 6 Stunden täglich verrichten. Im Prinzip habe sich seit dem Auslaufen der Zeitrente nichts Wesentliches verändert. Es bestehe aber ein Verbesserungs- und Behandlungspotential.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme der Allgemeinärztin Dr. P. vom 26.4.2010 vor. Darin heißt es, der Auffassung des Dr. M. könne nicht gefolgt werden. Eine mehrfach empfohlene Rehabilitationsbehandlung habe die Klägerin nicht durchgeführt, Antidepressiva oder regelmäßige Schmerzmittel würden nicht eingenommen. Insgesamt finde eine (in der Universitätsstadt Tübingen mögliche ? ergänzende Stellungnahme vom 29.7.2010) komplexe schmerztherapeutische Betreuung mit Umsetzung eines multimodalen Behandlungskonzeptes nicht statt. Der Leidensdruck sei offenbar nicht so hoch, dass therapeutische Maßnahmen durchgeführt würden, zumal Dr. M. selbst ein Behandlungspotential sehe.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.7.2010 führte Dr. M. (u.a.) aus, das Ausbleiben einer multimodalen Schmerztherapie könne man der Klägerin nicht vorwerfen, da man ihr diese Möglichkeit nach seinem Eindruck nicht adäquat angeboten habe. Die von ihm angenommene zeitliche Leistungseinschränkung folge vorwiegend aus der Summation der Erkrankungen mit der Dickdarmentzündung, auch den orthopädische Leiden, aber auch der Schmerzerkrankung, nicht aus einer Krankheit für sich allein.
Der Internist und Nervenarzt Dr. I. diagnostizierte im Gutachten vom 27.12.2010 eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung im Sinne eines Morbus Crohn seit 1984, mit leichter Verlaufsform, jedoch ohne stabile Remission (keine relevante Entzündungsaktivität), Antrumgastritis (Magenschleimhautentzündung) 04/2006, aktuell ohne Beschwerden, Kopfschmerzen vom Spannungstyp, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und Migräne. Die Klägerin sei als Putzhilfe an der Schule, an der ihr Ehemann als Hausmeister arbeite, seit ca. 1 ½ Jahren geringfügig beschäftigt. Die Schwingungsfähigkeit sei normal, die Stimmungslage ausgeglichen, Antrieb, Mimik und Gestik seien unauffällig. Hinweise auf eine Depression gebe es nicht. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten; die Leistungseinschätzung bestehe zumindest seit 2008. Die Schmerztherapie sei derzeit absolut insuffizient. Die Klägerin habe den Untersuchungstag problemlos überstanden ohne gravierende Schmerzen. Es sei davon auszugehen, dass das Schmerzsyndrom selbst unter insuffizienter Schmerztherapie derzeit kompensiert sei.
Die Neurologin und Psychiaterin Prof. Dr. W. führte im auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten vom 24.6.2011 (u.a.) aus, die Klägerin habe angegeben, ihr Gesundheitszustand sei seit Jahren etwa gleich. Die Gutachterin fand eine über weite Strecken ausgeglichene Stimmung und normalen Antrieb. Der psychiatrische Befund sei weitgehend unauffällig, klare depressive Symptome ließen sich nicht beobachten. Die Gutachterin diagnostizierte auf ihrem Fachgebiet wahrscheinlich eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und Kopfschmerzen, wahrscheinlich Kombination aus Migräne, psychosomatischer Schmerzstörung und analgetikainduziert. Bei Menschen mit somatoformer Schmerzstörung sei es möglich, dass diese wenig Zugang zu einem den Schmerzen zugrunde liegenden Konflikt hätten und diese stattdessen quasi durch die Schmerzen ausdrückten. Trotzdem verwundere es, dass die Klägerin trotz mehrjähriger Psychotherapie keinerlei Konflikt benennen könne. Natürlich sei auch zu überlegen, inwiefern die Schmerzen durch sekundäre positive Wirkungen (Beendigung der Arbeitstätigkeit, Zuwendung durch die Familie, Rente) aufrecht erhalten würden. Im Hinblick auf ihr derzeitiges Leben (ohne Berufstätigkeit) gebe die Klägerin relativ wenige Funktionseinschränkungen an. Sie bewältige den Haushalt und die Versorgung der Familie. Inwieweit eine Berufstätigkeit in einer leichten körperlichen Arbeit zu Funktionseinschränkungen führen würde, lasse sich aktuell letztendlich nicht vollständig abschätzen. Die Klägerin könne ca. 1 Stunde täglich als Reinigungskraft arbeiten, was als mittelschwere körperliche Tätigkeit einzuschätzen sei. Ein höheres Leistungsvermögen für eine leichte körperliche Tätigkeit sei deshalb wahrscheinlich. Die Schmerztherapie sei nicht optimal. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Störungen innerhalb eines halben Jahres durch bessere Medikation und passende Rehabilitation überwunden werden könnten. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 3 Stunden täglich verrichten. Es sei aber nicht ausgeschlossen, ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen unter adäquater Behandlung und nach passender Rehabilitation zu erreichen. Entgegen der Auffassung des Dr. M. sei der Tagesablauf der Klägerin nicht massiv beeinträchtigt; auch die Diagnose einer Depression sei nicht nachvollziehbar.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters B. vom 24.8.2011 vor. Darin ist ausgeführt, die von Prof. Dr. W. angenommene zeitliche Leistungseinschränkung sei nicht nachvollziehbar. Die Gutachterin habe letztendlich nur Arbeitsunfähigkeit begründet.
Prof. Dr. W. führte in der ergänzenden Stellungnahme vom 28.9.2011 (u.a.) aus, ihre Leistungseinschätzung beruhe darauf, dass sie die von der Klägerin angegebenen Schmerzen für glaubhaft halte. Das Leistungsvermögen bewege sich derzeit in einem Bereich zwischen 3 und 6 Stunden täglich und könne (u.a.) durch Verstärkung und Verbesserung der Therapie auf über 6 Stunden täglich verbessert werden.
Die Beklagte legte die abschließende beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes B. vom 10.11.2011 vor. Darin heißt es (u.a.), eindeutige Hinweise auf eine zeitliche Leistungseinschränkung wegen Schmerzen gebe es nicht, zumal definitiv keine ausreichende Schmerztherapie stattfinde und die Klägerin bei Vorbegutachtungen keinen schmerzgeplagten Eindruck hinterlassen habe.
Mit Urteil vom 18.1.2012 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, seit dem 31.10.2009 könne die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts (wieder) mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein, weshalb Erwerbsminderung nicht (mehr) vorliege (§ 43 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI). Das gehe insbesondere aus dem Verwaltungsgutachten der Dr. H. und dem Gerichtsgutachten des Dr. I. hervor. Maßgeblich für die sozialmedizinische Leistungseinschätzung sei die somatoforme Schmerzstörung. Diese begründe aber nur qualitative, jedoch keine quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkungen. Aus den Berichten der behandelnden Ärzte ergebe sich nichts anderes. Dr. D. halte die Klägerin nicht für berufs- oder erwerbsunfähig. Der Orthopäde Dr. D. habe sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten angenommen. Die Auffassung des Dr. M. und der Prof. Dr. W. könne demgegenüber nicht überzeugen. Angaben zur Verifizierung der subjektiven Schmerzschilderungen fänden sich nur in den Gutachten der Dres. H. und I ... So habe Dr. H. festgestellt, dass die Klägerin während der Begutachtung nur wenig schmerzgeplagt gewesen sei. Dr. I. habe das Schmerzsyndrom selbst unter der insuffizienten Schmerztherapie als kompensiert befunden. Das spreche gegen eine deutliche und leistungsrelevant ausgeprägte Schmerzerkrankung. Dr. M. habe sich für seine Leistungseinschätzung auch nicht auf die Schmerzerkrankung allein, sondern auf die Summation der Erkrankungen gestützt. Prof. Dr. W. halte die (Schmerz-)Therapie (ebenfalls) nicht für adäquat. Eine umfassende und intensive Behandlung finde nicht statt und werde von der Klägerin offenbar auch nicht für notwendig erachtet, was gegen einen erheblichen Leidensdruck spreche. Die Klägerin könne (so Prof. Dr. W.) ihren Alltagsablauf bewältigen und außerdem (bis August 2010) eine Stunde täglich als Reinigungskraft arbeiten. Untervollschichtiges Leistungsvermögen sei nach alledem nicht anzunehmen.
Auf das ihr am 16.2.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.2.2012 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der medizinische Sachverhalt habe sich seit dem Auslaufen der Zeitrente nicht wesentlich geändert. Der behandelnde Orthopäde Dr. D. habe seine Auffassung (keine zeitliche Leistungsminderung) nicht näher begründet. Dr. D. halte sie während einer klinischen Krankheitssymptomatik (des Morbus Crohn) für arbeitsunfähig; eine stabile Remission der Darmerkrankung habe nicht erreicht werden können. Damit sei eine Besserung ihres Gesundheitszustands nicht belegt. Auch Dr. M. habe in seinem gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten eine wesentliche Änderung nicht festgestellt und weiterhin unter sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen. Dr. I. sei auf die von Dr. M. postulierte Schmerzverstärkung und Überforderung nicht eingegangen. Prof. Dr. W. habe ihre Schmerzangaben als glaubhaft eingeschätzt. Wegen der einstündigen leichten Putztätigkeit dürfe man eine rentenrechtlich beachtliche (zeitliche) Leistungseinschränkung nicht ausschließen. Auch auf die Ausschöpfung von Behandlungsoptionen komme es nicht ausschlaggebend an. Aus dem Unterlassen einer adäquaten (Schmerz-)Behandlung dürfe nicht auf fehlenden Leidensdruck geschlossen werden. Man möge Dr. L. zum Inhalt einer suffizienten Schmerztherapie befragen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.1.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.11.2009 zu verurteilen, ihr über den 31.10.2009 hinaus bis 31.10.2015 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Klägerin hat ein Attest des Dr. L. vom 29.5.2012 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, bei ihr liege eine Multimorbidität vor, die durch das laufende Rentenverfahren noch zusätzlich kompliziert werde. Da die Ursachen der vorliegenden Erkrankungen unbekannt seien, sei die Therapie trotz massiver Interventionen im ambulanten und stationären Bereich nur beschränkt möglich; das gelte beispielhaft für die Migräne, die ätiologisch rätselhaft sei und in vielen Fällen nicht zufriedenstellend behandelt werden könne. Amitriptylin sei anamnestisch auch in höheren Dosen eingesetzt worden, habe jedoch wegen Unverträglichkeit (Schwindel, sehr starke Müdigkeit, Gewichtszunahme) abgesetzt bzw. reduziert werden müssen. Alle im Verlauf eingesetzten stark wirkenden Analgetika (z.B. Tilidin) hätten die Symptomatik nicht deutlich verbessern können, da bei höherer Dosierung Unverträglichkeit aufgetreten sei. Auch der Einsatz von Medikamenten zur Migräneprophylaxe (Beta Blocker, Topiramat) habe keine signifikante Reduktion der Triptaneinnahme bewirkt. Eine mögliche stationäre Kopfschmerztherapie (Kopfschmerzklinik K., Prof. G.) sei diskutiert, jedoch wegen fehlender Compliance nicht durchgeführt worden. Die Klägerin habe eine multimodale Therapie erhalten. Die entsprechenden Maßnahmen, Empfehlungen und Belehrungen hinsichtlich der motorischen Aktivität seien regelmäßig erneuert und die Klägerin sei ermuntert worden, entsprechende Übungen (z.B. Gehen, Walking, Schwimmen, Gymnastik, Entspannungstraining, Atemübungen, Gewichtsreduktion) durchzuführen. Parallel sei eine mehrjährige Verhaltenstherapie durchgeführt worden, die jedoch auch zu keiner signifikanten Verbesserung des Krankheitsbildes geführt habe. Prof. Dr. W. haben mit dem Beck-Depressions-Inventar-Fragebogentest eine klinisch relevante depressive Symptomatik festgestellt. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass selbst bei verstärkten klinischen Interventionen die Grundsituation der chronischen Multimorbidität erhalten bleibe, die wiederum die Leistungsfähigkeit deutlich einschränke. Diese sei höchstwahrscheinlich langfristig nicht wesentlich zu verbessern. Die Behauptung, die Klägerin könne eine geregelte tägliche Arbeitsleistung über 6 Stunden erbringen, sei spekulativ und nicht beweisbar.
Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters, Sozialmediziners B. vom 27.6.2012 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, dass die Ursachen der Krankheitsbilder nicht abschließend wissenschaftlich geklärt seien, hindere die Therapie nicht; entsprechendes gelte für die Wirkmechanismen der Therapiemethoden. Bei der Klägerin seien die medikamentösen Therapieoptionen nicht ausgeschöpft. Medikamentenspiegel seien nicht erhoben worden. Eine diskutierte stationäre Kopfschmerztherapie zur Migränebehandlung sei wegen fehlender Compliance nicht durchgeführt worden; insoweit habe auch Prof. Dr. W. bereits auf den sekundären Krankheitsgewinn der Klägerin bzw. die Fixierung hierauf hingewiesen. Hinsichtlich der Schmerzsymptomatik lägen Inkonsistenzen vor. So habe Dr. I. bei der Begutachtung festgestellt, dass die Klägerin bei vorgebrachten erheblichen Schmerzen nicht wesentlich eingeschränkt erschienen sei; er habe trotz offensichtlich insuffizienter Schmerztherapie das Schmerzsyndrom für kompensiert erachtet und daher kaum tatsächlich vorhandene stärkere Schmerzen gefunden. Auch Prof. Dr. W. weise indirekt auf Divergenzen zwischen den subjektiven Angaben der Klägerin und objektivierbaren Einschränkungen hin; so habe die Klägerin in den Selbstbeurteilungsskalen sehr hohe Schmerzintensitäten (8 bis 9) angegeben, was sich aber in der Mini-ICF (Fremdbeurteilung durch die Gutachterin) durch entsprechend sehr hohe Einschränkungen im Alltag nicht abgebildet habe. Das Vorliegen einer zeitlichen Leistungseinschränkung bleibe angesichts einer nicht ausreichenden medikamentösen Schmerzbehandlung und den festgestellten Divergenzen Spekulation. Eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme sei wegen des im Gutachten der Prof. Dr. W. anklingenden Rentenbegehrens mangels hinreichender Motivation der Klägerin nicht sinnvoll.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr über den 31.10.2009 hinaus Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch.
Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 43 SGB VI) das Rentenbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr danach Rente über den 31.10.2009 hinaus nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren anzumerken:
Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Klägerin (jedenfalls) seit 1.11.2009 wieder leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht mehr vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht vor allem aus dem Verwaltungsgutachten der Dr. H. und dem Gerichtsgutachten des Dr. I. überzeugend hervor. Der abweichenden Auffassung von Dr. M. und von Prof. Dr. W. in deren auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten kann sich der Senat nicht anschließen; er teilt die Beweiswürdigung des Sozialgerichts.
In orthopädischer Hinsicht liegen rentenberechtigende Leistungseinschränkungen (über den 31.10.2009 hinaus) nicht vor. Das geht schon aus dem Bericht des Orthopäden Dr. D. vom 11.1.2010 hervor. Dieser hat die Klägerin für fähig gehalten, leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Wesentliche orthopädische Einschränkungen waren bei der Klägerin auch in den (zahlreichen) Vorbegutachtungen nicht festgestellt worden; Dr. H. hat im Gutachten vom 29.7.2009 ebenfalls nur eine Fehlstatik und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit leichter Bewegungseinschränkung ohne Nervenwurzelreizzeichen finden können, Beweglichkeit von HWS und LWS sind nur leicht eingeschränkt gewesen.
In internistischer Hinsicht liegt bei der Klägerin (seit langem, Erstdiagnose 1984) eine entzündliche Darmerkrankung im Sinne eines Morbus Crohn vor. Allerdings bestehen (so Dr. H. im Gutachten vom 29.7.2009) nur mäßige Entzündungszeichen in der Dickdarmschleimhaut, laborchemisch zeigten sich (gar) keine Entzündungszeichen. Insgesamt weist die Darmerkrankung daher (so auch Dr. I. im Gutachten vom 27.12.2010) eine milde Verlaufsform auf ohne sozialmedizinisch (rentenrechtlich) beachtliche Leistungseinschränkung. Dies bestätigend hat Dr. M. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 25.8.2009 darauf hingewiesen, dass schon wegen des weiter angestiegenen (deutlichen) Übergewichts der Klägerin (zusammen mit den normalen Laborwerten und einem gebesserten Darmspiegelungsbefund 7/09) keine wesentliche entzündliche Krankheitsaktivität vorliegen kann. Dr. M. hat die Behauptungen der Klägerin zu Durchfallneigungen daher zu Recht als im geklagten Ausmaß unglaubhaft bezeichnet. Der behandelnde Gastroenterologe Dr. D. hat im Bericht vom 5.1.2010 bei entsprechender klinischer Symptomatik allenfalls zeitweilige Arbeitsunfähigkeit (im krankenversicherungsrechtlichen Sinn, § 44 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V), jedoch keine Erwerbsminderung (im rentenversicherungsrechtlichen Sinn) angenommen.
Die Klägerin stützt ihr Begehren auf Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente über den 31.10.2009 hinaus in erster Linie auf Erkrankungen des psychiatrischen/psychosomatischen Fachgebiets bzw. auf eine Schmerzerkrankung. Rentenberechtigende Leistungseinschränkungen sind aber auch insoweit nicht (mehr) festzustellen. Das ergibt sich bereits aus dem Verwaltungsgutachten von Dr. H. vom 29.7.2009. Diese hat in psychiatrischer Hinsicht keine Hinweise auf eine depressive Störung gefunden; Antrieb und affektive Schwingungsfähigkeit der Klägerin haben sich als normal erwiesen. Demzufolge hat sich kein wesentlich auffälliger psychischer Befund ergeben. Der Gerichtsgutachter Dr. I. hat dies im Gutachten vom 27.12.2010 bestätigt. Auch er hat bei normaler Schwingungsfähigkeit, ausgeglichener Stimmungslage und unauffälligem Antrieb keine Hinweise auf eine Depression gefunden. Die gem. § 109 SGG mit der Begutachtung der Klägerin beauftragte Prof. Dr. W. hat im Gutachten vom 24.6.2011 eine Depressionserkrankung gleichfalls ausgeschlossen. Im Hinblick auf eine psychosomatische Erkrankung bzw. eine somatoforme Schmerzstörung haben die Gutachter Dres. H. und I. rentenberechtigende Leistungseinschränkungen ebenfalls nicht finden können. Die Klägerin wirkte bei der Begutachtung durch Dr. H. - ungeachtet angegebener Schmerzen - nur wenig schmerzgeplagt und konnte recht entspannt sitzen ohne die Notwendigkeit, die Sitzposition während einer Stunde zu ändern. Dementsprechend zeigte sich auch die Fähigkeit der Klägerin zur Alltagsbewältigung - hinsichtlich der Versorgung eines Fünfpersonenhaushalts zuzüglich einer geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft - wenig eingeschränkt. Dr. I. hat das (angegebene) Schmerzsyndrom bei geringer Ausprägung (so auch die Beratungsärztin Dr. M. in der Stellungnahme vom 25.8.2009) und zudem eingetretener Besserung trotz absolut insuffizienter Schmerztherapie für kompensiert erachtet; die Klägerin konnte auch den Untersuchungstag bei Dr. I. problemlos ohne gravierende Schmerzen bewältigen. Das bei der Klägerin außerdem festgestellte Fehlen einer krankheitsadäquaten und bei entsprechendem Therapiewillen auch ohne Weiteres möglichen Therapie indiziert das Fehlen eines entsprechenden Leidensdrucks und infolgedessen auch einer sozialmedizinisch beachtlichen Schmerzerkrankung mit rentenberechtigenden Leistungseinschränkungen. Darauf haben die Beratungsärzte Dr. P. (Stellungnahmen vom 26.4. und 29.7.2010) und B. (Stellungnahmen vom 10.11.2011 und 27.6.2012) zu Recht hingewiesen (vgl. dazu auch etwa Senatsurteil vom 11.5.2011, - L 5 R 1823/10 -).
Die Leistungseinschätzung des gem. § 109 SGG mit einer Begutachtung beauftragten Dr. M. (Leistungsvermögen nach wie vor unter 6 Stunden täglich) kann nicht überzeugen. Dr. M. geht in seinem Gutachten vom 29.3.2010 schon von unzutreffenden Tatsachen insoweit aus, als er eine massive Beeinträchtigung des Tagesablaufs der Klägerin annimmt. Feststellungen dieser Art haben die Vorgutachter und auch die ebenfalls gem. § 109 SGG mit einer Begutachtung beauftragte Prof. Dr. W. freilich nicht treffen können; letztere hat vielmehr die Fähigkeit der Klägerin zur Versorgung ihres Fünfpersonenhaushalts (neben der Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft) konstatiert. Der normale psychopathologische Befund der Klägerin bzw. das Fehlen einer Depressionserkrankung - so übereinstimmend Dres. H. und I. und Prof. Dr. W. - unterstreicht die Richtigkeit dieser Einschätzung. Dr. M. hat sich für die Diagnostik außerdem auf Selbstbeurteilungsverfahren, etwa einen Selbstbeurteilungstest für Fibromyalgiepatienten, gestützt, die für therapeutische Zwecke geeignet sein mögen, für sozialmedizinische Leistungsbeurteilungen aber nicht validiert sind (vgl. dazu auch etwa Senatsurteil vom 11.5.2011, a. a. O. zum so genannten ?Beck-Depressions-Inventar?). Auch im Übrigen gründet sich die Auffassung des Dr. M. wesentlich auf subjektive Beschwerdebehauptungen der Klägerin, womit eine sozialmedizinische Leistungseinschätzung für sich allein nicht überzeugend zu begründen ist, zumal es gewichtige und von Dr. M. nicht hinreichend berücksichtige Anhaltspunkte für ein nicht authentisches Beschwerdevorbringen gibt. Insoweit sind vor allem unglaubhafte Angaben zu den Folgen der Darmerkrankung (Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. M. vom 25.8.2009), mit der psychiatrischen Diagnostik und den Erkenntnissen während der Begutachtung sowie dem eruierten Alltagsverhalten unvereinbare Schmerzangaben (Gutachten der Dr. H. vom 29.7.2009, Stellungnahme des Beratungsarztes B. vom 27.6.2012) und auch der unverkennbare Rentenwunsch (sekundäre Krankheitsgewinn der Klägerin) von Belang (Stellungnahme des Beratungsarztes B. vom 27.6.2012). Schließlich hat Dr. M. seine Leistungseinschätzung (Leistungsvermögen unter 6 Stunden täglich) ohne nachvollziehbare Begründung aus entsprechenden Befunden im Ergebnis auf eine Summation der Erkrankungen, vor allem der Dickdarmentzündung, der orthopädischen Leiden und der Schmerzerkrankung (aus seiner Sicht offenbar einer Fibromyalgie) und nicht auf die Folgen einer einzelnen Erkrankung gestützt. Sozialmedizinisch beachtliche Folgewirkungen auf das rentenrechtlich maßgebliche Leistungsvermögen haben - wie dargelegt - aber weder die Darmerkrankung noch die geklagte Schmerzerkrankung oder orthopädische Leiden, so dass von einer Summation (ungewöhnlicher) Leistungseinschränkungen schon im Ansatz nicht die Rede sein kann. Auch psychiatrisch relevante Krankheitsfolgen einer (etwaigen) Mulitmorbidität auf das zeitliche Leistungsvermögen bestehen - wie ebenfalls bereits dargelegt worden ist - nicht.
Die Leistungseinschätzung der (gem. § 109 SGG mit einer Begutachtung beauftragten) Prof. Dr. W. kann aus den im Wesentlichen gleichen Gründen ebenfalls nicht überzeugen. Befunde, aus denen eine zeitliche Leistungseinschränkung folgen könnte, hat die Gutachterin nicht erhoben, vielmehr im Gegensatz zu Dr. M. und in Übereinstimmung mit den Gutachtern Dres. H. und I. eine Depressionserkrankung ausgeschlossen und ein wenig beeinträchtigtes Alltagsleben bei der Fähigkeit zur Versorgung eines Fünfpersonenhaushalts und zur Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft gefunden. Für die danach nicht nachvollziehbare Annahme eines auf unter 6 Stunden täglich abgesunkenen Leistungsvermögens hat sich Prof. Dr. W. im Kern auf für glaubhaft erachtete subjektive Schmerzangaben der Klägerin gestützt (ergänzende Stellungnahme vom 28.9.2011). Abgesehen davon, dass das mit den Erkenntnissen in ihrem Gutachten vom 24.6.2011 (Fehlen einer Depressionserkrankung und wenig beeinträchtigtes Alltagsleben) nicht vereinbar ist, ist eine sozialmedizinische Leistungseinschätzung aus den bereits zum Gutachten des Dr. M. dargelegten Gründen so nicht überzeugend zu begründen. Schließlich haben sowohl Dr. M. wie Prof. Dr. W. das Bestehen eines Besserungspotentials - entsprechende Therapiemotivation freilich vorausgesetzt - betont, wodurch die von ihnen postulierten Leistungseinschränkungen überwunden werden könnten.
Danach ist eine rentenberechtigende (zeitliche) Leistungseinschränkung über den 31.10.2009 hinaus nicht festgestellt. Im Berufungsverfahren hat sich ein anderes Bild nicht ergeben. Die Klägerin beruft sich im Kern auf die Leistungseinschätzungen des Dr. M. und der Prof. Dr. W., die - wie dargelegt- aber nicht überzeugen können. Bei entsprechender klinischer Darmsymptomatik mag Arbeitsunfähigkeit (§ 44 SGB V) vorliegen (Bericht des Gastroenterologen Dr. D. vom 5.1.2010), weswegen der Klägerin ggf. Leistungen der Krankenversicherung zustehen können; ein Anspruch auf (Fortzahlung von) Erwerbsminderungsrente folgt daraus nicht. Unerheblich ist, dass der Orthopäde Dr. D., der im Übrigen die maßgeblichen orthopädischen Befunde benannt hat, seine Auffassung (keine zeitliche Leistungsminderung) im Bericht vom 11.1.2010 nicht näher begründet hat. Begründungsbedürftig wäre eher die gegenteilige Einschätzung gewesen, nachdem aus den orthopädischen Befunden der seinerzeit 46 Jahre alten Klägerin Anhaltspunkte für eine rentenberechtigende Leistungsminderung nicht zu entnehmen sind. Das Fehlen einer Schmerzbehandlung kann nach Maßgabe des vorstehend Gesagten im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden; das gilt auch für die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung, wobei es für die Senatsentscheidung vorliegend aber hierauf entscheidungserheblich nicht ankommt. Das Attest des Dr. L. vom 29.5.2012 kann dem Rentenbegehren der Klägerin schließlich ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Es enthält ärztliche Meinungsäußerungen vornehmlich zu Therapiefragen, aber keine aus Befunden schlüssig begründete sozialmedizinische Leistungseinschätzung, die geeignet wäre, die Auffassung der Rentengutachter Dres H. und I. in Zweifel zu ziehen; der Beratungsarzt B. hat das in seiner Stellungnahme vom 27.6.2012 zutreffend dargelegt. Davon abgesehen hat Dr. L. ein sechsstündiges Leistungsvermögen (nur) als spekulativ bezeichnet und nicht ausgeschlossen. Hinsichtlich der objektiven Beweislast muss aber das Vorliegen einer rentenberechtigenden Leistungsminderung von der Klägerin und nicht das Fehlen einer rentenberechtigenden Leistungsminderung von der Beklagten nachgewiesen werden.
Angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen, etwa weitere Begutachtungen, nicht auf. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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