L 9 U 822/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 4367/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 822/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Leberschädigung als Folge einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1304 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1966 geborene Kläger war von August 1983 bis August 1993 als Maler und Lackierer beschäftigt. Nach Besuch der Meisterschule war er ab August 1994 als selbstständiger Malermeister tätig. Seit 1.9.2003 war er arbeitsunfähig und absolvierte wegen Schulter- und Wirbelsäulenbeschwerden vom 27.11.2003 bis 18.12.2003 ein Heilverfahren in der Z.-Klinik St. B ... Bis zum 13.3.2005 bezog er Krankengeld und seit 12.9.2006 nahm er an einer vom Rentenversicherungsträger geförderten Weiterbildungsmaßnahme zum staatlich geprüften Bautechniker teil. Im Dezember 2002 wurde beim Kläger eine Leberwerterhöhung festgestellt.

Mit Schreiben vom 3.11. und 23.11.2005 teilte der Kläger der Beklagten u. a. mit, der im November 2003 festgestellte Leberschaden bestehe nach wie vor. Eine Leberbiopsie im Universitätsklinikum T. habe keine Ergebnisse erbracht, weil die Daten verloren gegangen seien. Sämtliche Untersuchungen wegen des Leberschadens hätten alle bekannten Lebererkrankungen ausgeschlossen, so dass mit 99,9 %-iger Sicherheit von einem berufsbedingten Leberschaden durch Lösemittel auszugehen sei. In seinen Lehr- und Gesellenjahren sei er sehr häufig mit lösemittelhaltigen Stoffen wie Terpentin, reines Nitro, Trichloräthylen zum Entfetten von beschichteten Materialien, Reaktionshaftgrund für Zink, Flammenschutzbeschichtungen, bitumen-haltigen Anstrichstoffen usw. konfrontiert worden.

Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. sowie von dem Gastroenterologen S. bei: Arztbrief von Professor Dr. M., Klinik für Innere Medizin der Städtischen Kliniken E. vom 20.1.2003 (ätiologisch nicht zugeordnete cholestatische Hepatopathie) Arztbriefe mit Laborbefunden von Dr. S. vom 17.1. und 24.1.2003 (unklare chole-statische Hepatitis; keine infektiöse oder sicher autoimmune Ursache der Leberwerterhöhung zu finden) Arztbrief von Dr. K., Medizinische Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikum T., vom 5.10.2003 (subakute Toxoplasmose-Infektion: Als Infektionsursache kommen am ehesten Kontakte zu Exkrementen von Erregerträgern infrage, was bei der beruflichen Tätigkeit des Klägers nicht ungewöhnlich wäre; Untersuchungen vom 31.1 ... 28.3. und 28.7.2003: subjektiv beschwerdefrei, laborchemisch mäßiggradige Erhöhung der GPT und GOT sowie eine deutliche Erhöhung der AP und Gamma-GT, restliche Leberfunktionswerte im Normbereich, insbesondere normale Lebersyntheseleistung) Befundbericht der Gemeinschaftspraxis Labor Dr. G. vom 30.9.2005 (Urinuntersuchung auf organische Lösungsmittel: Keine Überschreitung der Referenzwerte in Bezug auf organische Lösungsmittel, Kupfer, Porphyrine u. a.) Arztbrief von Dr. S. vom 28.9.2005 (unklare cholestatische Hepatitis; erneut erhöhte Leberwerte ohne Beschwerden; er habe nochmals den BAD und das Labor G. kontaktiert. Eine sinnvolle Bestimmungsmöglichkeit von organischen Lösungsmittel bestehe nicht. Insgesamt erscheine die berufliche Auslösung eher unwahrscheinlich. Bei inzwischen beendeter Exposition müsste auch ein Abfall der Leberwerte eintreten).

Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 6.9.2006 ein. Diese beruhte auf schriftlichen Angaben des Klägers vom 4.8.2006 nebst einer Aufstellung der verarbeiteten Produkte und den hierzu vorliegenden Sicherheitsdatenblättern. Diplom-Ingenieur S. und Diplom-Ingenieur F. führten in der Stellungnahme aus, mit Ausnahme des Disboxid 433 enthalte keines der vom Kläger genannten Produkte Dimethylformamid und Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols. Disboxid 433 enthalte kein Dimethylformamid und keine Nitroverbindungen des Benzols. Bei den formal den aromatischen Aminen zuzuordnenden Stoffen m-Xylylendiamin und 2,4,6-Tri-(dimethylaminomethyl) phenol säßen die Aminogruppen nicht am Ring.

Nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 2.11.2006 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9.11.2006 die Anerkennung einer BK nach Nr. 1304 der Anl. zur BKV ab. Zur Begründung führte sie aus, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK Nr. 1304 (Erkrankung durch Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihre Abkömmlinge) lägen nicht vor. Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK Nr. 1316 (Erkrankungen der Leber durch Dimethylformamid) seien nicht gegeben.

Hiergegen legte der Kläger am 8.12.2006 Widerspruch ein und trug vor, er sei der Meinung, dass er Umgang mit nitro- und benzolhaltigen Mittel gehabt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.3.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat am 10.4.2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen (S 2 U 1356/07) erhoben, mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung der BK Nr. 1304 und 1316 sowie zur Gewährung von Leistungen begehrt hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, nach seiner Ansicht lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK vor, da er während seiner Berufstätigkeit häufig Kontakt mit lösemittelhaltigen Stoffen gehabt habe. Bezüglich des Ausmaßes der bei ihm eingetretenen Schäden habe die Beklagte keine weiteren Ermittlungen durchgeführt. Zwischenzeitlich liege der Biopsiebefund von Professor Dr. B. vor.

Mit Beschluss vom 7.9.2009 hat das SG die Rechtsstreitigkeiten S 2 U 1356/07 und S 2 U 4367/06 (Anerkennung BK Nr. 2101 ? Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- und Muskelansätze -) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az. S 2 U 4367/06 (später S 13 U 4367/06) verbunden. Die Klage auf Anerkennung einer BK Nr. 2101 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16.2.2009 zurückgenommen.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG Professor Dr. H. mit der Begutachtung des Klägers zur Frage, ob bei ihm eine BK nach Nr. 1304 oder 1316 vorliege, beauftragt.

Professor Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 16.7.2008, das auf einer Untersuchung des Klägers vom 21.11.2007 und der Aktenlage beruht, folgende Leberwerte erhoben: GOT 30 U/l (Referenzbereich ? 38 U/l) GPT 35 U/l (Referenzbereich ? 45 U/l) y-GT 66 U/l (Referenzbereich ? 66 U/l). Er hat in seiner Zusammenfassung ausgeführt, der Kläger sei von 1994 bis 2006 als selbstständiger Maler und Lackierer tätig gewesen und habe diesen Beruf bereits von 1983 bis 1993 ausgeübt. Im Jahr 2003 seien erhöhte Leberwerte (SGPT, SGOT, Gamma-GT) nachgewiesen worden. Symptome seien eine verminderte Belastbarkeit und eine vermehrte Erschöpfung gewesen. Es lägen keine Medikamenteneinnahme, keine Speicherkrankheit und keine virologischen Belastungen vor. Eine diskutierte Begleithepatitis als Folge einer akuten oder chronischen Toxo-plasmeninfektion sei bei normaler Blutsenkungsgeschwindigkeit 2002 und 2003 nicht wahrscheinlich. Er komme zum Ergebnis, dass beim Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit eine toxische Leberzellschädigung durch die Lösemittel Xylol und Toluol vorliege. Andere (infektionsbedingte oder autoimmune) Ursachen seien ausgeschlossen worden. Der Tatbestand der BK Nr. 1304 sei erfüllt. Die Kriterien der BK 1316 lägen nicht vor. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens bewerte er mit 30 v.H.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 2.9.2008 vorgelegt. Darin heißt es, bei der BK Nr. 1304 handle es sich um Erkrankungen durch Nitro- oder Amino-verbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge. Somit würden Benzol, dessen Homologe oder ihre Abkömmlinge (z.B. Toluol, Xylol, Ethylbenzol, Propylbenzol usw.) davon nicht erfasst. Sämtliche vom Kläger genannten Produkte enthielten keine Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols. Lediglich Disboxid 433, Komp B enthalte neben einigen aliphatischen Aminen gewisse Araliphaten, wobei die Aminogruppe nicht am Ring sitze. Es handle sich somit um keine klassischen aromatischen Amine, deren Aminogruppe direkt am Benzolring sitze. Nitroverdünnung enthielten keinen Nitroverbindungen. Zur Erläuterung wurden weitere Sicherheitsdatenblätter vorgelegt.

Das SG hat aus dem Parallelverfahren wegen Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft (S 7 SB 1780/06) folgende Unterlagen beigezogen: Entlassungsbericht der Z.-Klinik vom 24.12.2003 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 27.11.2003 bis 18.12.2003 (Verdacht auf Rotatorenmanschettenläsion, psychophysischer Erschöpfungszustand, Cervikobrachial-Syndrom, Wirbelsäulen-Syndrom, Zustand nach Karpaltunnelsyndrom beidseits; Laborbefunde vom 28.11.2003: GPT 57 U/l, Gamma-GT 297 mg/dl, GOT und AP im Normbereich; vom 15.12.2003 GPT 242 U/l, Gamma-GT 468 mg/dl, GOT 79 U/l) Sachverständige Zeugenauskunft von Dr. H. vom 7.9.2006 mit Behandlungsdaten vom 19.12.2001 bis 3.8.2006 (vermutlich toxischer Leberschaden durch berufliche Gifte) Sachverständige Zeugenauskunft von Dr. K. vom 8.10.2006 (Untersuchung und Beratung 31.1., 28.3. und 28.7.2003 sowie zuletzt 27.2.2004; bei letztmaliger Vorstellung konstant erhöhte Leberwerte: GPT 175 U/l, Gamma-GT 459 U/l, AP 140 U/l; Diagnosen: Fettleber und Verdacht auf nicht-alkoholische Steatohepatitis; GdB max. 10) Histologiebefund von Professor Dr. B. vom 18.3.2004 (Hydropische Leberzellschwellungen, Leberzellverfettung von 10 % des Parenchymvolumens und geringgradige unspezifische reaktive Hepatitis; eine toxische Leberschädigung sei möglich, könne anhand der Histologie allein aber nicht bewiesen werden).

In der ergänzenden Stellungnahme vom 27.7.2009 hat Professor Dr. H. ausgeführt, an einer Belastung mit aromatischen Aminen könne aus seiner Sicht kein Zweifel bestehen. Es finde sich keine infektiöse oder gesicherte autoimmune Ursache der Erhöhung der Leberwerte. Eine andere als berufliche Belastung könne er nicht erkennen.

Der Präventionsdienst der Beklagten hat unter dem 2.9.2009 nochmals ausgeführt, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 1304 seien nicht gegeben, da der Kläger keinen Umgang mit Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder deren Abkömmlinge gehabt habe. Benzol bzw. Benzolhomologe fielen nicht unter die BK 1304.

Mit Urteil vom 28.1.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger während seiner Berufstätigkeit als Maler mit Nitrobenzol, Aminobenzol und anderen Gefahrstoffen, die der Nr. 1304 der BK-Liste zuzuordnen wären, in Kontakt gekommen sei. Vielmehr sei nach den Stellungnahmen des Präventionsdienstes der Beklagten davon auszugehen, dass in den vom Kläger verwendeten Substanzen solche Stoffe nicht vorhanden gewesen seien. Dies gelte auch für die Substanz Dimethylformamid, die speziell zu Erkrankungen der Leber führen könne und der Nr. 1316 der BK-Liste zuzuordnen sei. Diese BK habe der Kläger nicht mehr geltend gemacht. Da der Kläger während seiner Tätigkeit keinen spezifischen Einwirkungen im Sinne der BK Nr. 1304 der BK-Liste ausgesetzt gewesen sei, seien die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK nicht erfüllt. Die BK könne somit nicht anerkannt werden. Auch unter Berücksichtigung des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Professor Dr. H. und dessen ergänzender Stellungnahme komme eine Anerkennung der BK Nr. 1304 nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass ungeklärt sei, ob der Kläger Einwirkungen von Benzol und Xylol in erheblichem Ausmaß ausgesetzt gewesen sei, handle es sich bei diesen Stoffen nicht um Listenstoffe der BK Nr. 1304. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 10.2.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.2.2010 Berufung eingelegt, mit der er die Anerkennung einer Leberschädigung als Folge einer BK nach Nr. 1304 der Anl. 1 zur BKV weiter verfolgt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Präventionsdienst der Beklagten habe lediglich Ermittlungen bezüglich seiner Tätigkeit ab 1994 durchgeführt. Nicht ermittelt worden sei, inwieweit er während seiner Tätigkeit in der Malerwerkstatt Geiser mit Nitrobenzol, Aminobenzol und den anderen Gefahrstoffen der BK 1304 in Kontakt gekommen sei. Ein anderes Wort für Aminobenzol sei Anilin gewesen. Anilin gelb sei der erste synthetisch hergestellte Azofarbstoff gewesen, der z.B. als Anfärbemittel für Lacke eingesetzt worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Januar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine Leberschädigung als Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 1304 der Anl. 1 Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert unter Vorlage von Stellungnahmen ihres Präventionsdienstes vom 23.7. und 2.8.2010, aus den ergänzenden Ermittlungen des Präventionsdienstes (persönliche Befragungen von Helmar Geiser, ehemaliger Betriebsinhaber, und W. B., ehemaliger Arbeitskollege des Klägers, sowie telefonische Befragung von A. K.) ergebe sich, dass der Kläger keinen Umgang mit Nitro- und Aminoverbindungen des Benzols, seiner Homologe und ihrer Abkömmlinge gehabt habe. Die Beklagte hat eine weitere Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 10.11.2010 (persönliche Befragungen von H. M., I. A. und A. K., ehemalige Arbeitskollegen des Klägers) vorgelegt, in der zusammenfassend ausgeführt wird, ein Umgang mit Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge im Sinne der BK 1304 sei nach wie vor nicht erkennbar.

Der Senat hat bei H. H. eine schriftliche Zeugenauskunft vom 13.9.2011 eingeholt. Der Präventionsdienst der Beklagten hat dazu unter dem 21.10. und 14.12.2011 unter Vorlage von Sicherheitsdatenblättern ausgeführt, ein Umgang mit Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge sei nicht erkennbar.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, des SG (S 2 1356/07, S 13 U 4367/06 und S 7 SB 1780/06) und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet, da er keinen Anspruch auf Feststellung der BK Nr. 1304 der Anl. 1 zur BKV und damit auch nicht auf Anerkennung einer Leberschädigung als Folge dieser BK.

Da der Kläger die Anerkennung einer Leberschädigung als Folge einer BK nach Nr. 1304 begehrt, wobei die Beklagte schon das Vorliegen einer BK nach Nr. 1304 abgelehnt hat, ist das Begehren des Klägers als Feststellung einer BK sowie als Feststellung, dass der Leberschaden Folge einer BK ist, zu werten. Dieses Begehren kann der Kläger zulässigerweise mit einer Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 SGG verfolgen. Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGV VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wobei sie auch bestimmen kann, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Erlass der Anl. 1 zur BKV, die eine Liste der Berufskrankheiten enthält, Gebrauch gemacht.

Unter Berücksichtigung dessen ergeben sich bei einer in der Anl. 1 zur BKV aufgeführten Erkrankung (Listen-BK) in der Regel folgende tatbestandliche Voraussetzungen, die ggf. bei einzelnen Listen-BK einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale versicherte Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für den nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhang genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges (vgl. BSG, Urteile vom 9.5.2006, B 2 U 1/05 R, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, und vom 27.6.2006, B 2 U 20/04 R, in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 m.w.N.). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O.).

Nach Nr. 1304 der Anl. 1 zur BKV werden Erkrankungen durch Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge erfasst. Hierzu gehören beispielsweise Nitrobenzol, Dinitrobenzol, Di- und Trinitrotoluol und Aminobenzol (Anilin). Nitrolacke sind keine Nitroverbindungen und fallen daher nicht unter diese BK. Viele aromatischen Nitro- und Aminoverbindungen des Benzols sind Blutgifte, nach deren Einwirkung Hämoglobin (Methämoglobin) auftritt. Nitro- und Aminoverbindungen des Benzols haben auch leberschädigende Wirkungen (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Mai 2012, M 1304, Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 1241).

Vorliegend ist jedoch ? wie schon das SG ausgeführt hat ? nicht nachgewiesen, dass der Kläger während seiner abhängigen Beschäftigung sowie seiner selbstständigen Tätigkeit als Maler und Lackierer Einwirkungen von Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge ausgesetzt gewesen ist. Vielmehr ist der Senat aufgrund der Stellungnahmen des Präventionsdienstes vom 6.9.2006, 2.9.2008, 2.9.2009, 23.7.2010, 2.8.2010, 10.11.2010, 21.10.2011 und 14.12.2011, die auf einer umfassenden Auswertung der vom Kläger genannten Stoffe, mit denen er bei seiner beruflichen Tätigkeit in Berührung gekommen ist, einschließlich der Sicherheitsdatenblätter, und der Angaben seiner früheren Arbeitgeber sowie seiner früheren Kollegen W. B., H. M., A. K., I. A. und H. H. beruhen, davon überzeugt, dass der Kläger keinen Einwirkungen von Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge ausgesetzt gewesen ist. Da somit schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 1304 nicht vorliegen, kommt eine Anerkennung dieser BK nicht in Betracht.

Unabhängig davon, dass schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 1304 nicht vorliegen, ist auch eine Erkrankung der Leber, das heißt eine Funktionsstörung aufgrund der erhöhten Leberwerte, nicht nachgewiesen. So hat Dr. K. in der im Parallelverfahren S 7 SB 1780/06 eingeholten Zeugenaussage vom 8.10.2006 ausgeführt, der Befund einer Fettleber könne nicht mit einer Leberschädigung gleichgesetzt werden, zumal auch eine normale Lebersyntheseleistung beim Kläger vorliege. Auch Professor Dr. H. hat keine konkrete Diagnose gestellt und keine konkrete Lebererkrankung benannt. Er hat lediglich einen "Zustand nach toxischer Leberzellschädigung", einen "Zustand nach Belastung mit Lösemittel (Xylol, Benzolderivate)" und einen "Zustand nach Toxoplasmoseinfektion" als Gesundheitsstörungen aufgeführt, obwohl ein "Zustand nach?" keine Gesundheitsstörung bezeichnet. Darüber hinaus hat er zuvor eine Toxoplasmoseinfektion beim Kläger wegen normaler IgA und IgM ausgeschlossen, so dass auch nicht nachvollziehbar ist, wie dann ein Zustand nach Toxoplasmose-infektion vorliegen können soll.

Aber selbst wenn man die erhöhten Leberwerte schon als Lebererkrankung werten und den Umgang mit Nitro- und Aminoverbindungen des Benzols, seiner Homologe und ihrer Abkömmlinge nachweisen könnte, ließe sich aufgrund des Gutachtens von Professor Dr. H. vom 16.7.2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 27.7.2009 ein Kausalzusammenhang zwischen den erhöhten Leberwerten und der beruflichen Tätigkeit nicht mit Wahrscheinlichkeit feststellen.

So hat Dr. S. im Arztbrief vom 28.9.2005 für den Senat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, eine berufliche Auslösung der erhöhten Leberwerte erscheine unwahrscheinlich, zumal bei inzwischen beendeter Exposition ein Abfall der Leberwerte eintreten müsste. Beim Kläger ist jedoch nach Beendigung der Exposition kein Abfall, sondern zunächst ein Anstieg der Leberwerte eingetreten. So lagen die Leberwerte des Klägers am 24.1.2003, als er noch in seinem Beruf tätig war, für Gamma-GT bei 274 U/l, GPT bei 43 U/l und GOT bei 19 U/l. Am 28.9.2005, als der Kläger schon zwei Jahre lang seinen Beruf nicht mehr ausgeübt hat, lagen sie für Gamma-GT bei 522 U/l, für GPT bei 148 U/l und für GOT bei 49 U/l. Eine Erklärung hierfür hat Professor Dr. H. nicht abgegeben und sich darüber hinaus auch mit den in den Akten zahlreich vorhandenen Leberwerten nicht näher befasst. Hinzu kommt, dass er in der Zusammenfassung ausführt, es bestehe keine Medikamenteneinnahme, obwohl aus den Behandlungsdaten von Dr. H. zu entnehmen ist, dass der Kläger wegen Depressionen mit Insidon und Trimineurin behandelt wurde. Soweit Dr. H. als Symptome der erhöhten Leberwerte eine verminderte Belastbarkeit und vermehrte Erschöpfung des Klägers nennt, berücksichtigt er zum einen die beim Kläger diagnostizierte Depression und zum anderen dessen persönliche und berufliche Überlastung unter anderem durch den Tod der Eltern und Tanten überhaupt nicht. Nicht nachvollziehbar ist auch, dass Professor Dr. H. beim Kläger eine MdE um 30 v.H. annimmt, obwohl nach den von ihm erhobenen Leberwerten sich diese inzwischen im Normbereich befinden.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers müsste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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