Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1325/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 2822/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines RSI (Repetitive Strain Injury) - Syndroms als Berufskrankheit.
Die am 24.07.1974 geborene Klägerin absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Europa-Sekretärin (Oktober 1993 bis März 1996). Danach war sie von Juli 1996 bis März 1997 als Empfangssekretärin in einem Hotel sowie bei der V. AG in Mexiko, von April bis September 1997 als Praktikantin im Sekretariat der Qualitätssicherung und von Oktober 1997 bis März 1998 als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache tätig. Ein im April 1998 aufgenommenes Studium an der Pädagogischen Hochschule Freiburg beendete sie im Juli 1999 ohne Abschluss. Danach arbeitete sie von November 1999 bis September 2000 bei der Fa. M. als Assistentin in Marketing und Vertrieb und von Oktober 2000 bis Mai 2007 als Assistentin Marketingservice und Produktmanagement bei der Fa. G. AG/Gutach. Von Oktober 2007 bis September 2009 war sie Direktionsassistentin am A ...-Institut für Immunbiologie in F. Parallel hierzu absolvierte sie Weiterbildungen als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache sowie zur Fachfrau für Marketing (2008 bis 2010) und arbeitete seit Juni 2007 als selbständige Sprachdozentin für verschiedene Unternehmen. Ab Oktober 2009 absolvierte die Klägerin eine dreijährige Umschulung zur Logopädin, wovon zwei Jahre von der Bundesagentur für Arbeit gefördert wurden.
Mit Schreiben vom 30.10.2008 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie leide seit drei Jahren an Schmerzen in den Händen, den Armen und Schultern, auch bekannt als RSI-Syndrom. Die Schmerzen seien erstmals bei ihrer Tätigkeit als Marketingassistentin aufgetreten und hätten sich schleichend entwickelt, sie seien dann in kurzer Zeit immer stärker geworden, nunmehr liege ein Dauerschmerz vor. Sie bitte um Berufsfindungshilfe. Beigefügt war ein Arztbrief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. vom 28.10.2008, in welchem er die Diagnose einer beidseitigen RSI der oberen Extremität durch Überlastung stellte und ein Carpaltunnelsyndrom ausschloss.
Mit Bescheid vom 26.11.2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung des RSI-Syndroms als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ab, da sie nicht in der Berufskrankheitenliste genannt sei. Die Erkrankung sei auch nicht wie eine Berufskrankheit anzuerkennen (§ 9 Abs. 2 SGB VII). Es lägen keine für eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit erforderlichen neuen medizinischen Erkenntnisse vor, wonach bestimmte Personengruppen, insbesondere Direktionsassistentinnen, in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gefährdet seien, an RSI zu erkranken.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 07.12.2008 Widerspruch mit der Begründung, sie sei im Jahr 2005 aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Marketingassistentin an RSI erkrankt. Diese Arbeit habe zu 90 % am PC stattgefunden. Die EU empfehle ihren Mitgliedstaaten, das RSI-Syndrom in die Nationalen Listen der Berufskrankheiten zu übernehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte hierbei u.a. aus, eine verbindliche EU-Vorgabe, das RSI-Syndrom als Berufskrankheit anzuerkennen, gebe es nicht.
Am 13.03.2009 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie hat ärztliche Stellungnahmen des Dr. N. vom 28.10.2008, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 16.11.2008, des Orthopäden Dr. E. vom 03.08.2006 und der psychologischen Psychotherapeutin W. vom 30.03.2009 vorgelegt. Letztere hat ausgeführt, die Klägerin stehe seit Oktober 2005 in ihrer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung. Zunächst sei sie wegen einer leichten depressiven Störung in Verbindung mit Leistungs-Effizienz-Angst behandelt worden. Bald nach Behandlungsbeginn habe die Klägerin die RSI-Symptomatik entwickelt, die zunächst zur Berufsunfähigkeit geführt habe. Mit großem Engagement habe sich die Klägerin um ihre Gesundung und Wiedereingliederung im Beruf bemüht. Dies sei zunächst gelungen, dann habe sie einen Rückschlag erlitten, der wiederum jede Arbeit am PC unmöglich gemacht und erneut das Ende der bisherigen Berufstätigkeit bedeutet habe.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, sie sei seit Januar 2006 arbeitsunfähig erkrankt. Zum 31.05.2007 sei ihr letzter Arbeitsplatz gekündigt worden. In anderen Ländern wie Australien oder den USA sei das RSI-Syndrom längst als Berufskrankheit anerkannt, in Deutschland würden Schmerzerkrankungen in Händen und Armen der Berufskrankheit (BK) 2101 zugeordnet, also den Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 07.12.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2009 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der Gesundheitsstörung RSI-Syndrom um eine Berufskrankheit handelt, hilfsweise festzustellen, dass diese Erkrankung wie eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII zu entschädigen ist, hilfsweise festzustellen, dass sie unter einer Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung leidet.
Mit Urteil vom 13.07.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei bezüglich des Hauptantrags sowie des ersten Hilfsantrags zulässig, jedoch nicht begründet. Das RSI-Syndrom der Klägerin sei weder als Berufskrankheit noch wie eine Berufskrankheit anzuerkennen. Die Erkrankung sei nicht in der Berufskrankheitenliste erfasst. Einer Anerkennung als Wie-BK stehe entgegen, dass sich die für eine Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII erforderliche gruppentypische Gefährdung nicht feststellen lasse. Beim RSI-Syndrom handele es sich nicht um eine einzelne, konkrete Erkrankung, sondern um den Sammelbegriff für ein Krankheitsbild, bei dem unspezifische Beschwerden im Bereich der oberen Extremitäten und des Nackens ohne objektivierbares Korrelat nach sich häufig wiederholenden Bewegungen aufträten und dem die - wissenschaftlich nicht bewiesene - Hypothese zugrunde liege, dass die wiederkehrenden Bewegungen Ursache struktureller Läsionen seien, welche wiederum die Beschwerden verursachten. Damit sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen wie auch immer gearteten Einwirkungen durch eine versicherte Tätigkeit und dem Beschwerdebild RSI im Einzelfall ausgeschlossen. Hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags sei die Klage bereits unzulässig, da es insoweit bislang an einer Entscheidung der Beklagten durch Verwaltungsakt fehle.
Gegen das am 31.08.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.09.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es sei zwar zutreffend, dass eine Listenerkrankung nicht vorliege. Gleichwohl sei das RSI-Syndrom als ?Wie-Erkrankung? im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Die Beklagte sei gehalten gewesen, ggf. durch Erhebung von Versichertendaten bei den Krankenversicherungen einen Abgleich dahingehend durchzuführen, welcher beruflichen Tätigkeit die vom RSI-Syndrom betroffenen Versicherten nachgehen. Den angefochtenen Bescheiden könne zudem entnommen werden, dass die Veröffentlichung des ärztlichen Sachverständigenrates abgewartet werden müsse, die voraussichtlich im Frühjahr 2009 erfolgen werde. Ob diese Veröffentlichung bereits vorliege ergebe sich aus den Akten nicht. Überdies hätte die Klägerin das Vorliegen einer BK Nr. 2101 von Amts wegen überprüfen müssen.
Die Beklagte hat die wissenschaftliche Begründung für die Berufskrankheit ?Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnel-Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen? vom 13.07.2009 vorgelegt, in welcher der Ärztliche Sachverständigenbeitrat ?Berufskrankheiten? beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales empfohlen hat, eine neue Berufskrankheit mit der vorgenannten Legaldefinition in die Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmen.
Mit Schriftsatz vom 19.03.2011 hat die Klägerin vorgetragen, nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sei davon auszugehen, dass beim RSI ausschließlich Schädigungen des Weichgewebes vorlägen, d.h. (Mikro)-Verletzungen, Verspannungen, Entzündungen und/ oder Kompressionen an Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven und Faszien (umhüllendes Gewebe). Deshalb sei bei einem Betroffenen auch auf Röntgenaufnahmen und kernspintomographisch keine Schädigung zu erkennen, da die Verletzungen in bildgebenden Verfahren nicht nachweisbar seien. Die aufgrund häufig wiederholter Bewegungen erfolgten Verletzungen könnten nicht ausheilen und sammelten sich über längere Zeit an, so dass körpereigene Reparaturprozesse nicht mehr greifen könnten. Daraus resultierende Schmerzen, Taubheit und Kraftverlust bildeten einen natürlichen Schutzmechanismus gegen weitere Verletzungen.
Im Hinblick auf ein bezüglich der BK 2101 eingeleitetes Verwaltungsverfahren ist mit Beschluss vom 30.05.2011 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
Im diesem Verwaltungsverfahren hat die Beklagte die behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. L., Dr. K., Dr. S. und Dr. E. gehört, auf deren Aussagen Bezug genommen wird. Nach Einholung von Arbeitgeberauskünften bezüglich der körperlichen Belastungen an den jeweiligen Arbeitsplätzen führte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten in der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition vom 20.09.2011 aus, die Klägerin sei vom 01.10.2000 bis 31.05.2007 bei der Firma G. GmbH als Assistentin im Marketingservice und Produktmanagement beschäftigt gewesen mit den Aufgaben Entwicklung und Umsetzung von Werbemaßnahmen, Verfassen von Werbetexten, Presseveröffentlichungen und Internetauftritten, Planung und Organisation von Messen sowie Konzeption und Durchführung von Produktschulungen. Ab Sommer 2005 sei die Klägerin fast ausschließlich am PC tätig gewesen. Die für die Anerkennung der BK 2101 erforderlichen kurzzyklischen, repetitiven Handtätigkeiten mit einer sehr hohen Bewegungsfrequenz von mindestens 10.000 Bewegungsabläufen pro Stunde und/oder unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung im Handgelenk seien nicht erreicht worden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2101 seien daher nicht gegeben.
In der Stellungnahme vom 25.10.2011 führte der TAD bezüglich der Tätigkeit der Klägerin im A ...-Institut für Immunbiologie vom 15.10.2007 bis 15.09.2009 aus, die wöchentliche Arbeitszeit habe 20 Stunden betragen, verteilt auf fünf Arbeitstage. Die reine Schreibtätigkeit werde auf einen Zeitanteil von 25 bis 30 % geschätzt, wobei diese Schreibarbeiten über die gesamte Arbeitszeit verteilt gewesen seien. Es habe zudem eine Fehlzeit vom 28.10.2008 bis 06.09.2009 vorgelegen. Die Tätigkeit habe keine gefährdende Tätigkeit bezüglich der BK 2101 dargestellt.
In der Gewerbeärztlichen Feststellung gemäß § 4 BKV vom 04.11.2011 führte die Staatliche Gewerbeärztin C. Grzonka aus, eine Berufskrankheit gemäß Nr. 2101 der BKV werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung dieser Nummer könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Nach den Ermittlungen des TAD der zuständigen Berufsgenossenschaft habe die Versicherte in den Zeiträumen von 10/2000 bis 5/2007 sowie von 10/2007 bis 9/2009 keine Tätigkeiten mit Exposition im Sinne einer BK nach Nr. 2101 ausgeführt. Darüber hinaus würden Beschwerden in den Händen, Armen und Schultern geklagt.
Mit Bescheid vom 13.12.2011 stellte die Beklagte fest, eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV liege nicht vor. Die Gewährung von Entschädigungsleistungen lehnte sie ab. Auf den Bescheid wird insoweit Bezug genommen.
Den hiergegen am 16.01.2012 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2012 zurück. Gegen den am 29.05.2012 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt.
Am 03.07.2012 hat die Klägerin das Verfahren wieder angerufen und mitgeteilt, gegen Bescheide, mit denen die Beklagte die Anerkennung einer BK 2101 abgelehnt habe, kein Rechtsmittel eingelegt zu haben. Gleichzeitig hat sie sich mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.
Mit Schriftsatz vom 15.08.2012 hat die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2009 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der Gesundheitsstörung der Klägerin ?RSI-Syndrom? um eine Berufskrankheit handelt, hilfsweise festzustellen, dass die Erkrankung ?RSI-Syndrom? wie eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII zu entschädigen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Feststellung des RSI-Syndroms als Berufskrankheit bzw. als Wie-Berufskrankheit. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Klage begehrt werden die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Über die Feststellung der Kausalität im Sinne des Unfallversicherungsrechts hinaus ist die Feststellungsklage auch dann zulässig, wenn vom Versicherungsträger bereits das Vorliegen einer Berufskrankheit bestritten wird (Hk-SGG/Castendiek, § 55 Rn. 62; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 55 Rn. 13 b; BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 2 U 21/03 R - SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 5101 Nr. 2 - juris).
Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist das Vorliegen einer BK nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV. Das SG hat die insoweit hilfsweise erhobene Klage als unzulässig abgewiesen mit der zutreffenden Begründung, es fehle an dem entsprechenden Verwaltungsverfahren. Dahin gestellt bleiben kann, ob, nachdem das entsprechende Verwaltungsverfahren nunmehr durchgeführt worden ist, die Klage zulässig wäre. Denn die Klägerin hat im Berufungsverfahren den entsprechenden Antrag ausdrücklich nicht weiter verfolgt.
Die so gefasste Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des Hauptantrags zulässig.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
1. Das bei der Klägerin vorliegende RSI-Syndrom stellt keine Berufskrankheit dar. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Erkrankung der Klägerin ist nicht in der Berufskrankheitenliste erfasst, so dass schon aus diesem Grund eine Anerkennung als Berufskrankheit ausscheidet.
2. Das RSI-Syndrom der Klägerin stellt auch keine Wie-BK dar. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs. 1 Satz 2 erfüllt sind. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII wird die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die sich aus § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ergebenden Tatbestandsmerkmale für die Feststellung einer Wie-BK bei einem Versicherten sind
1. das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichneten Krankheit, 2. das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII 3. nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie 4. die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als wie-BK im Einzelfall bei dem Versicherten.
Diese Vorschrift enthält keine ?Härteklausel?, nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als ?Wie-BK? anzuerkennen wäre (BSG, Urteil vom 27.04.2010 - B 2 U 13/09 R - juris Rn. 9).
Das erste Tatbestandsmerkmal einer Wie-BK ist zwar erfüllt. Denn die Erkrankung der Klägerin ist in der Anlage 1 zur BKV- der BK-Liste mit den sogenannten Listen-BKen - nicht aufgeführt. Bei der Klägerin liegt insbesondere kein Carpaltunnelsyndrom (CTS) vor, dessen Anerkennung als BK der ärztliche Sachverständigenbeirat zur Anerkennung als BK vorgeschlagen hat. Der Senat stützt sich bei dieser Beurteilung auf den Bericht von Dr. N. vom 28.10.2008, in dem das Vorliegen eines Carpaltunnelsyndroms ausdrücklich verneint wird.
Es fehlt jedoch an den allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der Erkrankung als BK. Dies setzt voraus, dass bestimmte Personengruppen durch die Ausübung einer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit verursacht haben.
Es liegen keine neuen Erkenntnisse darüber vor, wonach bestimmte Personengruppen bei ihrer Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gefährdet sind, an einem RSI-Syndrom zu erkranken. Zur Überzeugung des Senats liegen bisher auch keine wissenschaftliche Nachweise dafür vor, dass die Arbeitshaltung am Bildschirm zu pathologischen Veränderungen im Bereich der oberen Extremitäten als eigener Krankheitsform führt. Der Senat stützt sich hierbei auf die Publikation von Petersen (Bildschirmarbeitsplätze - eine arbeitsmedizinische Bewertung; Deutsches Ärzteblatt 2006, S. 103 ff). Danach sind chronische Erkrankungen als Folge von Bildschirmarbeit bisher nicht nachgewiesen. Das Krankheitsbild des RSI-Syndroms ist gekennzeichnet durch unspezifische Nacken-, Schulter-, Arm- und Handbeschwerden nach repetitiven Tätigkeiten. Solche treten z.B. bei dem Bedienen einer Tastatur oder einer Maus als Eingabemittel am Computer auf. Gegen eine Verursachung spricht jedoch, dass die Beschwerdeangaben der Beschäftigten nicht mit der Muskelaktivität korrelieren.
Darüber hinaus fehlt es bei der Klägerin auch an einer entsprechenden beruflichen Einwirkung. Denn als Verursachung des RSI-Syndroms werden hochmonotone, über Stunden pausenlos ausgeführte Bewegungen beim Tippen oder Bedienen des Mauszeigers mit tausendfachen, hochfrequenten Bewegungswiederholungen angesehen (Prof. Dr. O., Repetitive strain injuries, Orthopäde 2002, S. 1006 ff.). Als kritische langjährige (mehr als 5 Jahre) Bewegungsfrequenz wird 10/min für den Ellenbogen und Unterarm bzw. 200/min. für alle Finger angenommen (Prof. Dr. O., a.a.O.; S. 1010 m.w.N.). Entsprechende Bewegungsfrequenzen über den genannten Zeitraum lagen bei der Klägerin nicht vor. Bei ihrer Tätigkeit als Assistentin im Marketingservice und Produktmanagement bei der Fa. G. hatte sie zumindest bis Mitte des Jahres 2005 eine abwechslungsreiche Tätigkeit zu verrichten. Zu ihren Aufgaben gehörten die Entwicklung und Umsetzung von Werbemaßnahmen, das Verfassen von Werbetexten, Presseveröffentlichungen und Internetauftritten, die Planung und Organisation von Messen sowie die Konzeption und Durchführung von Produktschulungen. Nach den Angaben der Klägerin intensivierte sich die Arbeit am PC erst ab Sommer 2005, ohne dass jedoch die genannten Frequenzen für repetitive Tätigkeiten (200 Bewegungen/min.) zur Überzeugung des Gerichts erreicht wurden.
Ergänzend ist auszuführen, dass keine EU-Vorgabe existiert, die alle Mitgliedsstaaten verpflichtet, das RSI-Syndrom als Berufskrankheit anzuerkennen. Die EU-Mitgliedstaaten sind vielmehr berechtigt, durch nationale Regelungen festzulegen, welche Erkrankungen unter welchen Bedingungen als Berufskrankheit anzuerkennen sind.
Schließlich ergibt sich auch nichts anderes aus dem Urteil des VG Göttingen vom 20.08.2006 (Az. 3 A 38/05). Denn dort wurde gerade nicht ein RSI-Syndrom als dienstunfallrechtliche Berufskrankheit anerkannt, sondern ein spezifisches Krankheitsbild in Form von Sehnenscheidenentzündungen der Finger III bis V der rechten Hand. Eine entsprechende Prüfung hat die Beklagte vorliegend durchgeführt und die Feststellung einer BK 2101 bestandskräftig abgelehnt.
Der hilfsweise gestellte Antrag festzustellen, dass die Erkrankung ?RSI-Syndrom? wie eine Berufskrankheit gem. § 9 Abs. 2 SGB VII zu entschädigen ist, ist unzulässig. Denn mit der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann nur die Kausalität zwischen einer konkret bestehenden Gesundheitsstörung und einer Berufskrankheit geltend gemacht werden, nicht jedoch die abstrakte Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung - generell - als Berufskrankheit anzuerkennen sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines RSI (Repetitive Strain Injury) - Syndroms als Berufskrankheit.
Die am 24.07.1974 geborene Klägerin absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Europa-Sekretärin (Oktober 1993 bis März 1996). Danach war sie von Juli 1996 bis März 1997 als Empfangssekretärin in einem Hotel sowie bei der V. AG in Mexiko, von April bis September 1997 als Praktikantin im Sekretariat der Qualitätssicherung und von Oktober 1997 bis März 1998 als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache tätig. Ein im April 1998 aufgenommenes Studium an der Pädagogischen Hochschule Freiburg beendete sie im Juli 1999 ohne Abschluss. Danach arbeitete sie von November 1999 bis September 2000 bei der Fa. M. als Assistentin in Marketing und Vertrieb und von Oktober 2000 bis Mai 2007 als Assistentin Marketingservice und Produktmanagement bei der Fa. G. AG/Gutach. Von Oktober 2007 bis September 2009 war sie Direktionsassistentin am A ...-Institut für Immunbiologie in F. Parallel hierzu absolvierte sie Weiterbildungen als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache sowie zur Fachfrau für Marketing (2008 bis 2010) und arbeitete seit Juni 2007 als selbständige Sprachdozentin für verschiedene Unternehmen. Ab Oktober 2009 absolvierte die Klägerin eine dreijährige Umschulung zur Logopädin, wovon zwei Jahre von der Bundesagentur für Arbeit gefördert wurden.
Mit Schreiben vom 30.10.2008 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie leide seit drei Jahren an Schmerzen in den Händen, den Armen und Schultern, auch bekannt als RSI-Syndrom. Die Schmerzen seien erstmals bei ihrer Tätigkeit als Marketingassistentin aufgetreten und hätten sich schleichend entwickelt, sie seien dann in kurzer Zeit immer stärker geworden, nunmehr liege ein Dauerschmerz vor. Sie bitte um Berufsfindungshilfe. Beigefügt war ein Arztbrief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. vom 28.10.2008, in welchem er die Diagnose einer beidseitigen RSI der oberen Extremität durch Überlastung stellte und ein Carpaltunnelsyndrom ausschloss.
Mit Bescheid vom 26.11.2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung des RSI-Syndroms als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ab, da sie nicht in der Berufskrankheitenliste genannt sei. Die Erkrankung sei auch nicht wie eine Berufskrankheit anzuerkennen (§ 9 Abs. 2 SGB VII). Es lägen keine für eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit erforderlichen neuen medizinischen Erkenntnisse vor, wonach bestimmte Personengruppen, insbesondere Direktionsassistentinnen, in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gefährdet seien, an RSI zu erkranken.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 07.12.2008 Widerspruch mit der Begründung, sie sei im Jahr 2005 aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Marketingassistentin an RSI erkrankt. Diese Arbeit habe zu 90 % am PC stattgefunden. Die EU empfehle ihren Mitgliedstaaten, das RSI-Syndrom in die Nationalen Listen der Berufskrankheiten zu übernehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte hierbei u.a. aus, eine verbindliche EU-Vorgabe, das RSI-Syndrom als Berufskrankheit anzuerkennen, gebe es nicht.
Am 13.03.2009 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie hat ärztliche Stellungnahmen des Dr. N. vom 28.10.2008, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 16.11.2008, des Orthopäden Dr. E. vom 03.08.2006 und der psychologischen Psychotherapeutin W. vom 30.03.2009 vorgelegt. Letztere hat ausgeführt, die Klägerin stehe seit Oktober 2005 in ihrer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung. Zunächst sei sie wegen einer leichten depressiven Störung in Verbindung mit Leistungs-Effizienz-Angst behandelt worden. Bald nach Behandlungsbeginn habe die Klägerin die RSI-Symptomatik entwickelt, die zunächst zur Berufsunfähigkeit geführt habe. Mit großem Engagement habe sich die Klägerin um ihre Gesundung und Wiedereingliederung im Beruf bemüht. Dies sei zunächst gelungen, dann habe sie einen Rückschlag erlitten, der wiederum jede Arbeit am PC unmöglich gemacht und erneut das Ende der bisherigen Berufstätigkeit bedeutet habe.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, sie sei seit Januar 2006 arbeitsunfähig erkrankt. Zum 31.05.2007 sei ihr letzter Arbeitsplatz gekündigt worden. In anderen Ländern wie Australien oder den USA sei das RSI-Syndrom längst als Berufskrankheit anerkannt, in Deutschland würden Schmerzerkrankungen in Händen und Armen der Berufskrankheit (BK) 2101 zugeordnet, also den Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 07.12.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2009 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der Gesundheitsstörung RSI-Syndrom um eine Berufskrankheit handelt, hilfsweise festzustellen, dass diese Erkrankung wie eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII zu entschädigen ist, hilfsweise festzustellen, dass sie unter einer Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung leidet.
Mit Urteil vom 13.07.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei bezüglich des Hauptantrags sowie des ersten Hilfsantrags zulässig, jedoch nicht begründet. Das RSI-Syndrom der Klägerin sei weder als Berufskrankheit noch wie eine Berufskrankheit anzuerkennen. Die Erkrankung sei nicht in der Berufskrankheitenliste erfasst. Einer Anerkennung als Wie-BK stehe entgegen, dass sich die für eine Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII erforderliche gruppentypische Gefährdung nicht feststellen lasse. Beim RSI-Syndrom handele es sich nicht um eine einzelne, konkrete Erkrankung, sondern um den Sammelbegriff für ein Krankheitsbild, bei dem unspezifische Beschwerden im Bereich der oberen Extremitäten und des Nackens ohne objektivierbares Korrelat nach sich häufig wiederholenden Bewegungen aufträten und dem die - wissenschaftlich nicht bewiesene - Hypothese zugrunde liege, dass die wiederkehrenden Bewegungen Ursache struktureller Läsionen seien, welche wiederum die Beschwerden verursachten. Damit sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen wie auch immer gearteten Einwirkungen durch eine versicherte Tätigkeit und dem Beschwerdebild RSI im Einzelfall ausgeschlossen. Hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags sei die Klage bereits unzulässig, da es insoweit bislang an einer Entscheidung der Beklagten durch Verwaltungsakt fehle.
Gegen das am 31.08.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.09.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es sei zwar zutreffend, dass eine Listenerkrankung nicht vorliege. Gleichwohl sei das RSI-Syndrom als ?Wie-Erkrankung? im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Die Beklagte sei gehalten gewesen, ggf. durch Erhebung von Versichertendaten bei den Krankenversicherungen einen Abgleich dahingehend durchzuführen, welcher beruflichen Tätigkeit die vom RSI-Syndrom betroffenen Versicherten nachgehen. Den angefochtenen Bescheiden könne zudem entnommen werden, dass die Veröffentlichung des ärztlichen Sachverständigenrates abgewartet werden müsse, die voraussichtlich im Frühjahr 2009 erfolgen werde. Ob diese Veröffentlichung bereits vorliege ergebe sich aus den Akten nicht. Überdies hätte die Klägerin das Vorliegen einer BK Nr. 2101 von Amts wegen überprüfen müssen.
Die Beklagte hat die wissenschaftliche Begründung für die Berufskrankheit ?Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnel-Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen? vom 13.07.2009 vorgelegt, in welcher der Ärztliche Sachverständigenbeitrat ?Berufskrankheiten? beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales empfohlen hat, eine neue Berufskrankheit mit der vorgenannten Legaldefinition in die Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmen.
Mit Schriftsatz vom 19.03.2011 hat die Klägerin vorgetragen, nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sei davon auszugehen, dass beim RSI ausschließlich Schädigungen des Weichgewebes vorlägen, d.h. (Mikro)-Verletzungen, Verspannungen, Entzündungen und/ oder Kompressionen an Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven und Faszien (umhüllendes Gewebe). Deshalb sei bei einem Betroffenen auch auf Röntgenaufnahmen und kernspintomographisch keine Schädigung zu erkennen, da die Verletzungen in bildgebenden Verfahren nicht nachweisbar seien. Die aufgrund häufig wiederholter Bewegungen erfolgten Verletzungen könnten nicht ausheilen und sammelten sich über längere Zeit an, so dass körpereigene Reparaturprozesse nicht mehr greifen könnten. Daraus resultierende Schmerzen, Taubheit und Kraftverlust bildeten einen natürlichen Schutzmechanismus gegen weitere Verletzungen.
Im Hinblick auf ein bezüglich der BK 2101 eingeleitetes Verwaltungsverfahren ist mit Beschluss vom 30.05.2011 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
Im diesem Verwaltungsverfahren hat die Beklagte die behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. L., Dr. K., Dr. S. und Dr. E. gehört, auf deren Aussagen Bezug genommen wird. Nach Einholung von Arbeitgeberauskünften bezüglich der körperlichen Belastungen an den jeweiligen Arbeitsplätzen führte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten in der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition vom 20.09.2011 aus, die Klägerin sei vom 01.10.2000 bis 31.05.2007 bei der Firma G. GmbH als Assistentin im Marketingservice und Produktmanagement beschäftigt gewesen mit den Aufgaben Entwicklung und Umsetzung von Werbemaßnahmen, Verfassen von Werbetexten, Presseveröffentlichungen und Internetauftritten, Planung und Organisation von Messen sowie Konzeption und Durchführung von Produktschulungen. Ab Sommer 2005 sei die Klägerin fast ausschließlich am PC tätig gewesen. Die für die Anerkennung der BK 2101 erforderlichen kurzzyklischen, repetitiven Handtätigkeiten mit einer sehr hohen Bewegungsfrequenz von mindestens 10.000 Bewegungsabläufen pro Stunde und/oder unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung im Handgelenk seien nicht erreicht worden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2101 seien daher nicht gegeben.
In der Stellungnahme vom 25.10.2011 führte der TAD bezüglich der Tätigkeit der Klägerin im A ...-Institut für Immunbiologie vom 15.10.2007 bis 15.09.2009 aus, die wöchentliche Arbeitszeit habe 20 Stunden betragen, verteilt auf fünf Arbeitstage. Die reine Schreibtätigkeit werde auf einen Zeitanteil von 25 bis 30 % geschätzt, wobei diese Schreibarbeiten über die gesamte Arbeitszeit verteilt gewesen seien. Es habe zudem eine Fehlzeit vom 28.10.2008 bis 06.09.2009 vorgelegen. Die Tätigkeit habe keine gefährdende Tätigkeit bezüglich der BK 2101 dargestellt.
In der Gewerbeärztlichen Feststellung gemäß § 4 BKV vom 04.11.2011 führte die Staatliche Gewerbeärztin C. Grzonka aus, eine Berufskrankheit gemäß Nr. 2101 der BKV werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung dieser Nummer könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Nach den Ermittlungen des TAD der zuständigen Berufsgenossenschaft habe die Versicherte in den Zeiträumen von 10/2000 bis 5/2007 sowie von 10/2007 bis 9/2009 keine Tätigkeiten mit Exposition im Sinne einer BK nach Nr. 2101 ausgeführt. Darüber hinaus würden Beschwerden in den Händen, Armen und Schultern geklagt.
Mit Bescheid vom 13.12.2011 stellte die Beklagte fest, eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV liege nicht vor. Die Gewährung von Entschädigungsleistungen lehnte sie ab. Auf den Bescheid wird insoweit Bezug genommen.
Den hiergegen am 16.01.2012 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2012 zurück. Gegen den am 29.05.2012 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt.
Am 03.07.2012 hat die Klägerin das Verfahren wieder angerufen und mitgeteilt, gegen Bescheide, mit denen die Beklagte die Anerkennung einer BK 2101 abgelehnt habe, kein Rechtsmittel eingelegt zu haben. Gleichzeitig hat sie sich mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.
Mit Schriftsatz vom 15.08.2012 hat die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2009 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der Gesundheitsstörung der Klägerin ?RSI-Syndrom? um eine Berufskrankheit handelt, hilfsweise festzustellen, dass die Erkrankung ?RSI-Syndrom? wie eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII zu entschädigen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Feststellung des RSI-Syndroms als Berufskrankheit bzw. als Wie-Berufskrankheit. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Klage begehrt werden die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Über die Feststellung der Kausalität im Sinne des Unfallversicherungsrechts hinaus ist die Feststellungsklage auch dann zulässig, wenn vom Versicherungsträger bereits das Vorliegen einer Berufskrankheit bestritten wird (Hk-SGG/Castendiek, § 55 Rn. 62; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 55 Rn. 13 b; BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 2 U 21/03 R - SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 5101 Nr. 2 - juris).
Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist das Vorliegen einer BK nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV. Das SG hat die insoweit hilfsweise erhobene Klage als unzulässig abgewiesen mit der zutreffenden Begründung, es fehle an dem entsprechenden Verwaltungsverfahren. Dahin gestellt bleiben kann, ob, nachdem das entsprechende Verwaltungsverfahren nunmehr durchgeführt worden ist, die Klage zulässig wäre. Denn die Klägerin hat im Berufungsverfahren den entsprechenden Antrag ausdrücklich nicht weiter verfolgt.
Die so gefasste Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des Hauptantrags zulässig.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
1. Das bei der Klägerin vorliegende RSI-Syndrom stellt keine Berufskrankheit dar. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Erkrankung der Klägerin ist nicht in der Berufskrankheitenliste erfasst, so dass schon aus diesem Grund eine Anerkennung als Berufskrankheit ausscheidet.
2. Das RSI-Syndrom der Klägerin stellt auch keine Wie-BK dar. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs. 1 Satz 2 erfüllt sind. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII wird die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die sich aus § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ergebenden Tatbestandsmerkmale für die Feststellung einer Wie-BK bei einem Versicherten sind
1. das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichneten Krankheit, 2. das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII 3. nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie 4. die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als wie-BK im Einzelfall bei dem Versicherten.
Diese Vorschrift enthält keine ?Härteklausel?, nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als ?Wie-BK? anzuerkennen wäre (BSG, Urteil vom 27.04.2010 - B 2 U 13/09 R - juris Rn. 9).
Das erste Tatbestandsmerkmal einer Wie-BK ist zwar erfüllt. Denn die Erkrankung der Klägerin ist in der Anlage 1 zur BKV- der BK-Liste mit den sogenannten Listen-BKen - nicht aufgeführt. Bei der Klägerin liegt insbesondere kein Carpaltunnelsyndrom (CTS) vor, dessen Anerkennung als BK der ärztliche Sachverständigenbeirat zur Anerkennung als BK vorgeschlagen hat. Der Senat stützt sich bei dieser Beurteilung auf den Bericht von Dr. N. vom 28.10.2008, in dem das Vorliegen eines Carpaltunnelsyndroms ausdrücklich verneint wird.
Es fehlt jedoch an den allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der Erkrankung als BK. Dies setzt voraus, dass bestimmte Personengruppen durch die Ausübung einer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit verursacht haben.
Es liegen keine neuen Erkenntnisse darüber vor, wonach bestimmte Personengruppen bei ihrer Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gefährdet sind, an einem RSI-Syndrom zu erkranken. Zur Überzeugung des Senats liegen bisher auch keine wissenschaftliche Nachweise dafür vor, dass die Arbeitshaltung am Bildschirm zu pathologischen Veränderungen im Bereich der oberen Extremitäten als eigener Krankheitsform führt. Der Senat stützt sich hierbei auf die Publikation von Petersen (Bildschirmarbeitsplätze - eine arbeitsmedizinische Bewertung; Deutsches Ärzteblatt 2006, S. 103 ff). Danach sind chronische Erkrankungen als Folge von Bildschirmarbeit bisher nicht nachgewiesen. Das Krankheitsbild des RSI-Syndroms ist gekennzeichnet durch unspezifische Nacken-, Schulter-, Arm- und Handbeschwerden nach repetitiven Tätigkeiten. Solche treten z.B. bei dem Bedienen einer Tastatur oder einer Maus als Eingabemittel am Computer auf. Gegen eine Verursachung spricht jedoch, dass die Beschwerdeangaben der Beschäftigten nicht mit der Muskelaktivität korrelieren.
Darüber hinaus fehlt es bei der Klägerin auch an einer entsprechenden beruflichen Einwirkung. Denn als Verursachung des RSI-Syndroms werden hochmonotone, über Stunden pausenlos ausgeführte Bewegungen beim Tippen oder Bedienen des Mauszeigers mit tausendfachen, hochfrequenten Bewegungswiederholungen angesehen (Prof. Dr. O., Repetitive strain injuries, Orthopäde 2002, S. 1006 ff.). Als kritische langjährige (mehr als 5 Jahre) Bewegungsfrequenz wird 10/min für den Ellenbogen und Unterarm bzw. 200/min. für alle Finger angenommen (Prof. Dr. O., a.a.O.; S. 1010 m.w.N.). Entsprechende Bewegungsfrequenzen über den genannten Zeitraum lagen bei der Klägerin nicht vor. Bei ihrer Tätigkeit als Assistentin im Marketingservice und Produktmanagement bei der Fa. G. hatte sie zumindest bis Mitte des Jahres 2005 eine abwechslungsreiche Tätigkeit zu verrichten. Zu ihren Aufgaben gehörten die Entwicklung und Umsetzung von Werbemaßnahmen, das Verfassen von Werbetexten, Presseveröffentlichungen und Internetauftritten, die Planung und Organisation von Messen sowie die Konzeption und Durchführung von Produktschulungen. Nach den Angaben der Klägerin intensivierte sich die Arbeit am PC erst ab Sommer 2005, ohne dass jedoch die genannten Frequenzen für repetitive Tätigkeiten (200 Bewegungen/min.) zur Überzeugung des Gerichts erreicht wurden.
Ergänzend ist auszuführen, dass keine EU-Vorgabe existiert, die alle Mitgliedsstaaten verpflichtet, das RSI-Syndrom als Berufskrankheit anzuerkennen. Die EU-Mitgliedstaaten sind vielmehr berechtigt, durch nationale Regelungen festzulegen, welche Erkrankungen unter welchen Bedingungen als Berufskrankheit anzuerkennen sind.
Schließlich ergibt sich auch nichts anderes aus dem Urteil des VG Göttingen vom 20.08.2006 (Az. 3 A 38/05). Denn dort wurde gerade nicht ein RSI-Syndrom als dienstunfallrechtliche Berufskrankheit anerkannt, sondern ein spezifisches Krankheitsbild in Form von Sehnenscheidenentzündungen der Finger III bis V der rechten Hand. Eine entsprechende Prüfung hat die Beklagte vorliegend durchgeführt und die Feststellung einer BK 2101 bestandskräftig abgelehnt.
Der hilfsweise gestellte Antrag festzustellen, dass die Erkrankung ?RSI-Syndrom? wie eine Berufskrankheit gem. § 9 Abs. 2 SGB VII zu entschädigen ist, ist unzulässig. Denn mit der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann nur die Kausalität zwischen einer konkret bestehenden Gesundheitsstörung und einer Berufskrankheit geltend gemacht werden, nicht jedoch die abstrakte Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung - generell - als Berufskrankheit anzuerkennen sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved