L 4 R 3089/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1057/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3089/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin ab 01. September 2011 höhere Regelaltersrente gewähren muss, weil ihre rentenrechtlichen Zeiten, die sie im Beitrittsgebiet zurückgelegt hat, nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zu bewerten seien.

Die am 1946 geborene Klägerin absolvierte in der DDR zwischen September 1965 und Juli 1967 eine Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin. Im Anschluss daran arbeitete sie unterbrochen durch eine Zeit der Kindererziehung und eine kurze Zeit der Nichtbeschäftigung bis 26. November 1982 in der DDR als Medizinisch-Technische Assistentin. Am 23. Dezember 1982 siedelte die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland über und war hier nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit vom 01. Oktober 1983 bis 31. August 2011, zuletzt in Altersteilzeit, rentenversicherungspflichtig beschäftigt.

Mit Bescheid vom 05. August 2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 14. Juli 2011 eine Regelaltersrente ab dem 01. September 2011 mit einem monatlichen Rentenbetrag von Euro 1.324,51 (Zahlbetrag Euro 1.190,07). Bei der Berechnung der Rente bewertete die Beklagte die Beiträge im Beitrittsgebiet, indem sie die zu berücksichtigenden Entgelte für die Rentenberechnung durch Vervielfältigung mit einem das Verhältnis zwischen dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten in den alten Bundeländern und dem Durchschnittsverdienst aller Versicherten im Beitrittsgebiet wiedergegebenen Faktor bis zur jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze der alten Bundesländer anhob (Anlage 2 und 3). Der Ermittlung des Rentenwerts lagen insgesamt 45,5548 Entgeltpunkte (EP) zugrunde.

Gegen die Nichtberücksichtigung der in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten nach den FRG erhob die Klägerin Widerspruch. Im Rahmen des Notaufnahmeverfahrens in Gießen sei sie Bürgerin der Bundesrepublik Deutschland geworden und habe die schriftliche Zusicherung erhalten, dass die rentenrechtliche Würdigung ihrer DDR-Jahre nach dem Fremdrentenrecht geschehen würde. Das FRG sei nach dem Gleichheitsgrundsatz konzipiert. Es stelle sicher, dass die DDR-Jahre nach den Daten der beruflichen Laufbahn beurteilt würden. Damit werde ihre berufliche Laufbahn so beurteilt, als ob sie in der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hätte. Die rückwirkende Herausnahme aus dem Gültigkeitsbereich des FRG bedeute, dass ihr rückwirkend die Gleichbehandlung entzogen werde. Damit werde ihr ihr im Eingliederungsverfahren erteilter Status entzogen. Man stelle sie nun so, als ob sie Bürgerin der beitretenden DDR wäre. Die Neubewertung nach dem Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) erkenne sie nicht an. Es sei absurd und völlig unlogisch, am Jahrgang 1936 Verlierer und Gewinner von Rentenbezügen festzumachen, obwohl der gleiche geschichtliche Hintergrund als ehemaliger DDR-Bürger bestehe. Sie müsse mit der Personengruppe ?vor 1936? gleichgestellt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05. März 2012 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch zurück. § 256a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) regele wie EP für nachgewiesene Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 08. Mai 1945 zu ermitteln seien. Die Vorschrift übernehme den Grundsatz, dass die Ermittlung der EP auf der Grundlage der individuellen Verdienste des Versicherten und der Durchschnittsverdienste vorzunehmen sei. Durch die Umrechnung der Verdienste mit dem Werten der Anlage 10 zum SGB VI in eine (fiktive) Beitragsbemessungsgrundlage würden die Entgelte im Beitrittsgebiet denen in den alten Bundesländern vergleichbar gemacht. Die Werte der Anlage 10 zum SGB VI würden das Verhältnis wiedergeben, in dem die Durchschnittsverdienste (West) aus der Anlage 1 zum SGB VI zu den Durchschnittsverdiensten (Ost) im Beitrittsgebiet stünden. Die Vorschrift stelle damit sicher, dass z.B. der Durchschnittsverdiener im Beitrittsgebiet für ein Jahr ebenso einen EP erhalte, wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer im alten Bundesgebiet. Für die Beitragszeiten nach dem 08. Mai 1945 im Beitrittsgebiet würden sich nach § 256a SGB VI genauso EP ergeben, wie das z.B. nach den §§ 70, 256 SGB VI der Fall sei. Die Entscheidung, welche der ermittelten EP als EP (West) und welche als EP (Ost) zugrunde zu legen seien, richte sich nach § 254d SGB VI. Habe der Versicherte seinen gewöhnlichen Aufenthalt am 18. Mai 1990 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet, erhielten die vor dem 19. Mai 1990 im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten und die Reichsgebiets-Beitragszeiten EP. Besonderheiten bestünden bei Versicherten der Geburtsjahrgänge vor 1937. Dies finde auf die Klägerin aber keine Anwendung, da sie nicht vor 1937 geboren sei. Als Exekutive sei sie, die Beklagte, an die bestehenden Gesetze gebunden.

Dagegen erhob die Klägerin am 02. April 2012 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Sie sei am 23. Dezember 1982 aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt und sei seit dieser Zeit Bürgerin der Bundesrepublik Deutschland. Sie bestehe darauf, dass auf sie das FRG und in gar keinem Fall das 1991 vom Bundestag beschlossene RÜG anzuwenden sei. Aufgrund dieser Ungerechtigkeit sei sie in ihrem Rentenbezug finanziell deutlich schlechter gestellt als Personen, die vor 1936 geboren seien. Die Jahreszahl 1936 sei willkürlich und nicht nachvollziehbar. Später Geborene würden, obwohl der gleiche geschichtliche Hintergrund als ehemaliger DDR-Bürger bestehe, bestraft. Es habe das zu gelten, was ihr bei ihrem Eintreffen in die Bundesrepublik Deutschland 1982 von staatlicher Stelle zugesichert worden sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Juni 2012 wies das SG die Klage ab. Der Bescheid der Beklagten vom 05. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. März 2012 sei rechtmäßig. Die Beklagte habe die Höhe der Altersrente der Klägerin unter Anwendung des § 256a SGB VI zutreffend berechnet. Die von der Klägerin im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten seien nicht nach den Anlagen 1 bis 16 zum FRG zu ermitteln. Die Ausnahmevorschrift des § 259a SGB VI finde auf die Klägerin schon deshalb keine Anwendung, weil sie nicht vor dem 01. Januar 1937 geboren sei. Gegen die streitgegenständlichen Vorschriften bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere sei es nicht zu beanstanden, dass vor dem 19. Mai 1990 in der ehemaligen DDR zurückgelegte Pflichtbeitragszeiten von nach dem 31. Dezember 1936 Geborenen mit gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet am 18. Mai 1990 nicht aufgrund des FRG bewertet würden (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 - = R 4-2600 § 248 Nr. 1). Die Begrenzung der Anwendung des FRG auf den genannten Personenkreis und die Ersetzung der Regelungen des FRG durch eine fiktive Zuerkennung von in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragsversicherten Entgelten durch das RÜG und das Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (RÜ-ErgG) stelle keinen Verstoß gegen das aus Artikel (Art.) 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) abgeleitete allgemeine rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip dar. Die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in Zukunft unverändert fortbestehen, sei verfassungsrechtlich nicht geschützt. Es liege weder eine unzulässige Rückwirkung vor noch sei die Klägerin aus anderen Gründen vor einer Änderung der Rechtslage geschützt. Der allgemeine Gleichheitssatz sei ebenfalls nicht verletzt. Dem Gesetzgeber sei es durch Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringe. Die Wahl des Stichtags müsse sich am gegebenen Sachverhalt orientieren. Dies sei hier der Fall. Es handele sich hierbei um sachlich gerechtfertigte Gründe, die für das Funktionieren einer Massenverwaltung wie der gesetzlichen Rentenversicherung unerlässlich seien. Wenn der Gesetzgeber bei den bis 1937 Geborenen, damals relativ rentennahen Jahrgängen, dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und damit einer typisierenden Regelung und nicht einer individuell ausgestalteten Regelung den Vorzug gegeben habe, sei dies nicht zu beanstanden. Für den Personenkreis der ab 1937 Geborenen wirkten sich die Neuregelungen grundsätzlich erst allmählich aus. Erst wenn für den Einzelnen der Versicherungsfall (regelmäßig mit Vollendung des 65. Lebensjahres, d.h. für am 01. Januar 1937 Geborene am 01. Januar 2002) eintrete, würden ihn die Neuregelungen erfassen. Bis dahin habe im Regelfall die Möglichkeit bestanden, sich auf die Neuerungen einzustellen.

Gegen den ihr am 22. Juni 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16. Juli 2012 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens trägt sie ergänzend vor, dass sie aufgrund ihrer Kenntnis zum Zeitpunkt ihrer Arbeitstätigkeit in der DDR darüber, dass eine Einzahlung in die freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) für eine spätere Rente in der Bundesrepublik Deutschland keinerlei Auswirkungen haben werde, nicht in die FZR eingezahlt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei ihre Entscheidung längst gefallen gewesen, ihr künftiges Leben und ihren Lebensabend in der Bundesrepublik Deutschland zu verbringen. Aufgrund der fälschlicherweise praktizierten Unterordnung der DDR-Flüchtlinge und Übersiedler unter das RÜG nach der Wiedervereinigung sei das Kriterium der Einzahlung in die FZR auch den DDR-Übersiedlern und Flüchtlingen nachträglich aufoktroyiert worden, woraus für einen großen Teil von ihnen hohe finanzielle Einbußen resultierten. Rückwirkend werde von den DDR-Übersiedlern und Flüchtlingen nunmehr verlangt, dass sie in eine Versicherung hätten einzahlen sollen, bezüglich derer damals nach den Gesetzen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland festgestanden habe, dass der besagte Personenkreis an seinem Lebensabend keinerlei Leistungen aus dieser Versicherung erhalten würde. Dies könne wohl nicht ernsthaft gemeint sein. Es sei eher der Beweis dafür, dass das RÜG nicht für DDR-Übersiedler gedacht gewesen sein könne, da der geschilderte Tatbestand jeglicher Logik entbehre. Entsprechend der Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages WD 6-3000-030/11 vom 29. Februar 2012 durch René Braun über das Thema: ?Die rückwirkende Ablösung des Fremdrentenrechts für nach 1936 geborene Übersiedler und Flüchtlinge aus der DDR im Rahmen der Rentenüberleitung? habe aus Anlass der Rentenüberleitung keine Verpflichtung für eine rückwirkende Ablösung des FRG bestanden. Eine entsprechende Abwägung zwischen dem Vertrauen der Versicherten in den Bestand der Feststellungsbescheide nach dem FRG und dem Ziel einer einheitlichen Rechtsanwendung habe in den Gesetzgebungsverfahren zum RÜG und RÜ ErgG nicht stattgefunden. Das RÜ-ErgG sei damit begründet worden, dass damit eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung erreicht werde. Das bedeute, dass eine Verwaltungsvereinfachung als Vorwand für einen rückwirkenden Entzug von Vermögenspositionen genommen werde. Tatsächlich habe hier ein Rechtsbruch stattgefunden, der für die Betroffenen zu einer sozialen Katastrophe geführt habe. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. - = BVerfG 53, 257, 289 ff. ausgeführt, dass Versichertenrenten und Rentenanwartschaften aus den gesetzlichen Rentenversicherungen dem Schutz des GG unterliegen würden. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG habe das FRG keine gemäß Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition begründet. Ein eigentumsrechtlicher Schutz dieser Anwartschaften komme nach der Rechtsprechung jedoch dann in Betracht, wenn sie zusammen mit den in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften eine rentenrechtliche Gesamtposition bilden würden. Die FRG-Anwartschaften könnten also verfassungsrechtlich geschützt sein, wenn nach dem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland nennenswerte Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet worden seien. Dies sei allgemein bei den Betroffenen der Fall. Gegen das Urteil des BVerfG werde damit verstoßen. In § 256a Abs. 3a SGB VI sei festgelegt, dass Versicherte, die bis 1990 Erwerbszeiten im Osten zurückgelegt und in die dortigen Rentenkassen eingezahlt hätten, aber ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland gehabt hätten, Rente nach dem FRG-Tabellenwerten erhielten. Dieser Sachverhalt treffe auch auf die ehemaligen DDR-Flüchtlinge zu. Anlass für diese Regelung seien Beschäftigte der Reichsbahn im Westteil Berlins gewesen. Da sie einen ostdeutschen Arbeitgeber gehabt hätten, seien sie formal ebenfalls dem RÜG unterfallen. Der Gesetzesbegründung zufolge hätte dies zu sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen geführt. Ehemaligen DDR-Flüchtlingen würden diese sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnisse aber zugemutet. Auch polnische Aussiedler, die nach dem Abkommen zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland von 1975 Renten nach dem Eingliederungsprinzip erhielten, würden besser behandelt aus deutsche Aussiedler. Norbert Blüm, einer der Väter des RÜG, habe auf Nachfrage am 15. August 2012 geantwortet, dass die alten Ansprüche erhalten blieben. Letztlich sei das RÜG nur insoweit verfassungskonform, so weit es sich ausschließlich an die Bürger des Beitrittsgebiets richte. Die Versprechen der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Übersiedlung, auf die sie, die Betroffenen, hätten vertrauen dürfen, seien gebrochen worden. Zeitnahe Informationen dazu seien an die Betroffenen nicht gegeben worden. Das mit der Rentenüberleitung angestrebte Ziel ein in Deutschland einheitliches Rentenrecht zu schaffen, sei deutlich verfehlt worden. Unter anderem sei das Prinzip der Beitragsbezogenheit mehrfach durchbrochen und Vorgaben aus den Staatsverträgen, die als Gesetzesnormative zu gelten hätten, missachtet worden. Für nahezu alle Versicherten seien für Erwerbszeiten in der DDR 0,7 EP errechnet worden, da alle in der DDR Rentenversicherten versicherte Beiträge auf der Basis eines dauerhaft auf maximal 600,00 Ostmark begrenzten Einkommens bezahlt hätten. Sie seien konstant und unabhängig von jeder Einkommensentwicklung oder Lebensleistung geblieben. Die Beklagte und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sorgten dafür, dass die vom Bundestag im Jahr 1992 verabschiedete Ehrenerklärung (BR-Drucksache 431/92) zur Farce erstarre und diejenigen bestrafe, die in der Ehrenerklärung gewürdigt worden seien. Im Gegensatz dazu dürften sich ausgerechnet diejenigen, die diesen Terror ausgeübt hätten und den Staat Bundesrepublik Deutschland mit all ihren zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft hätten und noch bekämpften, über höchst auskömmliche Renten freuen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Juni 2012 aufzuheben und in Abänderung des Bescheids vom 05. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. März 2012 die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01. September 2011 höhere Altersrente unter Bewertung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten vom 01. September 1965 bis 26. November 1982 nach dem FRG zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids sowie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber unbegründet. Der Gerichtsbescheid des SG vom 19. Juni 2012 sowie der Bescheid der Beklagten vom 05. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. März 2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem FRG anstelle von Beitragszeiten nach § 248 Abs. 3 SGB VI und für sie entsprechende EP nach § 256a SGB VI.

Der Klägerin steht die Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung der in der DDR vom 01. September 1965 bis 26. November 1982 zurückgelegten Beitragszeiten als Beitragszeiten nach dem FRG und nicht nach § 248 Abs. 3 SGB VI und hierfür ermittelter EP nach § 256a nicht zu.

Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in EP umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VI). Gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert miteinander vervielfältigt werden. Nach § 248 Abs. 3 SGB VI stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 08. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Gemäß § 256a Abs. 1 SGB VI werden für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 08. Mai 1945 EP ermittelt, indem der mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigte Verdienst (Beitragsbemessungsgrundlage) durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Als Verdienst zählen nach § 256a Abs. 2 Satz 1 SGB VI der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst und die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die jeweils Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, sowie der Verdienst, für den Beiträge zur FZR oder freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung für Zeiten vor dem 01. Januar 1992 oder danach bis zum 31. März 1999 zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 279b SGB VI) gezahlt worden sind. Als Verdienst zählen nach § 256a Abs. 3 Satz 1 SGB VI auch die nachgewiesenen beitragspflichtigen Arbeitsverdienste und Einkünfte vor dem 01. Juli 1990, für die wegen der im Beitrittsgebiet jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenzen oder wegen in einem Sonderversorgungssystem erworbener Anwartschaften Pflichtbeiträge oder Beiträge zur FZR nicht gezahlt werden konnten.

Dementsprechend hat die Beklagte die von der Klägerin in der Zeit vom 01. September 1965 bis zum 26. November 1982 im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach § 248 Abs. 3 SGB VI berücksichtigt und für sie entsprechende EP nach § 256a SGB VI ermittelt. Die Klägerin wird damit - wie grundsätzlich alle anderen, die vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht Beitragszeiten im Beitrittsgebiet zurückgelegt haben - dem Überleitungsprogramm des Einigungsvertrages und der nachfolgenden rentenrechtlichen Bestimmungen unterworfen. Für die Wertbestimmung ihres Rentenrechts ist aufgrund gesetzlich angeordneter Gleichstellung und entsprechend den allgemeinen Grundlagen des bundesdeutschen Rentenrechts das im Beitrittsgebiet individuell beitragsversicherte Erwerbseinkommen maßgeblich. In Anwendung dieser Vorschriften hat die Beklagte die Rente der Klägerin auch zutreffend berechnet. Die Berechnung selbst wird auch von der Klägerin nicht beanstandet.

Der Auffassung der Klägerin, sie gehöre zum Kreis derjenigen, deren EP für Pflichtbeitragszeiten vor dem 19. Mai 1990 weiterhin aufgrund der Anlage 1 bis 16 zum FRG ermittelt würden, kann nicht gefolgt werden (vgl. auch zu den nachfolgenden Ausführungen: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 B 5 R 36/11 R - a.a.O.). Das FRG kommt - entgegen der Annahme des früheren Arbeitsministers Norbert Blüm in seiner Antwort vom 15. August 2012 - nur für diejenigen zur Anwendung die am 18. Mai 1990 einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik ohne das Beitrittsgebiet hatten und vor dem 01. Januar 1937 geboren sind (§ 259a Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Zwar hatte die Klägerin am 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik ohne das Beitrittsgebiet - sie siedelte am 23. Dezember 1982 über -, doch wurde sie erst 1946 geboren.

Das FRG vom 25. Februar 1960 findet auf die Klägerin auch nicht unmittelbar Anwendung. Zwar hatte die Klägerin als bis zum 18. Mai 1990 Zugezogene bei Zuzug in das Bundesgebiet eine Anwartschaft auf Berücksichtigung ihrer im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG in dieser Fassung. Nach dem seinerzeit vom Gedanken der Eingliederung geprägten FRG sollten die Berechtigten nach Möglichkeit so gestellt werden, als hätten sie ihr Versicherungsleben nicht in der DDR, sondern in der Bundesrepublik Deutschland verbracht (vgl. § 17 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 FRG a.F.). Demnach wurde bei Anrechnung in der DDR zurückgelegter Beitragszeiten die für den Versicherten maßgebende Rentenbemessungsgrundlage nach Maßgabe der Anlage 1 zum FRG auf der Grundlage von Tabellenwerten ermittelt (§ 22 Abs. 1 FRG in der vom 01. Januar 1984 bis 30. Juni 1990 geltenden a.F.). Entsprechendes ergab sich auch aus den der Klägerin bei der Übersiedlung im Jahr 1982 erteilten Informationen. Im Zuge der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands wurde das FRG jedoch geändert und die rentenrechtliche Stellung der Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR wesentlich neu gestaltet. So schließt nunmehr der durch Art. 14 Nr. 14a RÜG zum 01. Januar 1992 neu gefasste § 15 Abs. 1 FRG die Anwendbarkeit des FRG auf im Beitrittsgebiet zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten aus. Ebenso wurde mit Art. 14 Nr. 16b RÜG zum 01. Januar 1992 § 17 Abs. 1 FRG a.F. gestrichen. Gleichzeitig fügte der Gesetzgeber neue Vorschriften in das SGB VI ein. Bereits die hier zum 01. Januar 1992 in Kraft getretenen Neuregelungen sahen eine Anwendung des FRG in Abhängigkeit von einem Rentenbeginn vor dem 01. Januar 1996 nur noch übergangsweise vor (§ 259a SGBVI i.d.F. des Art. 1 Nr. 75 RÜG). Schon hiervon war die Klägerin nicht mehr erfasst. Im Jahr 1993 erfolgte dann rückwirkend zum 01. Januar 1992 die Begrenzung auf den nunmehr noch erfassten Personenkreis (§ 259a SGBVI i.d.F. des Art. 1 Nr. 16 Buchst. b Rü-ErgG). Auch vor dem 19. Mai 1990 Zugezogene wurden damit vom Anwendungsbereich des FRG ausgenommen und im Zuge der Angleichung der Lebensverhältnisse den allgemeinen Bewertungsvorschriften des einheitlichen Rentenrechts in beiden Teilen Deutschlands unterworfen, wenn sie nach dem 01. Januar 1937 geboren waren.

Hiergegen bestehen nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14. Dezember 2011 B 5 R 36/11 R - a.a.O.), der der Senat, wie schon in seinem Urteil vom 19. Oktober 2012 - L 4 R 905/11 - (nicht veröffentlicht) folgt, keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Ersetzung der Regelungen des FRG durch eine fiktive Zuerkennung von in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragsversicherten Entgelten nach Maßgabe der allgemeinen Regelungen des Überleitungsgesetzes verstößt nicht gegen das allgemeine rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Rechtsstaatsprinzip und Grundrechte begrenzen die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht jedoch nicht so weit, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen. Die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - a.a.O.).

Es liegt auch hier keine unzulässige Rückwirkung vor. Eine echte Rückwirkung ist dann gegeben, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift oder wenn der Beginn seiner zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch die Verkündung rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist (vgl. BVerfG, Beschluss des 1. Senats vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u.a. - = SozR 4-5050 § 22b Nr. 9). Eine solche echte Rückwirkung liegt hier nicht vor. Die Ersetzung der FRG-Regelungen für den Personenkreis, dem die Klägerin angehört, beschränkt sich auf künftig entstehende Rentenrechte.

Die Ersetzung der FRG-Regelung bewirkt auch keine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung. Eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung ist dann anzunehmen, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet oder wenn die Rechtsfolgen einer Norm zwar erst nach ihrer Verkündung eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung ?ins Werk gesetzt? worden sind. Eine derartige unechte Rückwirkung ist nur ausnahmsweise unzulässig (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - a.a.O.). Eine solche Konstellation ist hier indessen nicht zu bejahen. Der Wert künftiger Rentenrechte durch die Rechtsordnung hatte keine Ausgestaltung erfahren, die für alle Zeiten eine verfestigte Anspruchsposition begründet hätte. Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung ist von einem systemimmanenten Zwang zur Veränderung beherrscht. Dies gilt hier erst recht, da infolge des Untergangs der DDR in erheblichem Umfang rentenrechtliche Folgen des Zweiten Weltkriegs bewältigt werden mussten. Insbesondere ist eine gesicherte Anspruchsposition nicht für Personen wie die Klägerin begründet worden, die der Systemwechsel rund fünfzehn Jahre vor der frühest denkbaren Entstehung eines Rechts auf Altersrente traf und die daher auch in der Lage waren, in nicht unbedeutendem Umfang weitere Rentenanwartschaften in der Bundesrepublik Deutschland aufzubauen.

Die Klägerin war auch nicht aus anderen Gründen vor einer Änderung der Rechtslage geschützt. Eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung des Bürgers, er werde bei unverändertem Fortbestand der Rechtslage in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, ist mangels hinreichender Konkretisierung kein solches geschütztes Recht. Die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05. Februar 2002 -2 BvR 305/93 u.a. - = BVerfGE 105, 17, 40).

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Die vom Gesetzgeber gewählte Stichtagsregelung, wonach es nur für die vor dem 01. Januar 1937 Geborenen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am 18. Mai 1990 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet hatten, bei der Anwendung des alten Rechts bleibt, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dem Gesetzgeber ist es durch Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Die Wahl des Zeitpunkts muss sich nur am gegebenen Sachverhalt orientieren (BVerfG, Urteil vom 07. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u.a. = SozR 3-5761 Allg Nr. 1). Das ist hier der Fall. Mit der Einigung Deutschlands stand der Gesetzgeber vor der Aufgabe, die in der DDR erworbenen rentenrechtlichen Ansprüche und Anwartschaften in das bundesdeutsche System zu integrieren. Dies konnte mit diesem Zeitpunkt grundsätzlich in der Weise geschehen, dass bei der Bestimmung des Werts von Rentenrechten nach dem SGB VI von den im Beitrittsgebiet versicherten Erwerbseinkommen ausgegangen wurde. Hiervon wurde auch weitestgehend Gebrauch gemacht, während auf andere Grundlagen für die Rentenwertfestsetzung nur noch übergangsweise und in eng umgrenzten Ausnahmefällen zurückgegriffen wurde. Wegen der schon mit Abschluss des Vertrags vom 18. Mai 1990 begründeten Exportierbarkeit der DDR-Renten bestand nur noch in begrenztem Umfang ein Bedürfnis nach einer übergangsweisen Anwendung des FRG. Dies wurde daher auf den Personenkreis begrenzt, der am Tag des Vertragsabschlusses seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den alten Bundesländern hatte, während umgekehrt alle Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erst nach diesem Zeitpunkt begründet hatten, nunmehr die von dem bisher für sie zuständigen Rentenversicherungsträger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften berechnete Rente für die dort zurückgelegten Zeiten erhielten. Mit dem Beitritt der neuen Länder zur Bundesrepublik und dem Inkrafttreten eines einheitlichen Rentenrechts zum 01. Januar 1992 schwand das Bedürfnis danach, Übersiedler im Wege besonderer staatlicher Fürsorge weiter dadurch individuell in das Sozialgefüge der Bundesrepublik Deutschland zu integrieren, dass sie fiktiv so behandelt wurden, als hätten sie ihr bisheriges Erwerbsleben in der Bundesrepublik verbracht. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Bundesrepublik am 18. Mai 1990 führte zunächst aus Gründen des Vertrauensschutzes nur noch bei Rentenbeginn vor dem 01. Januar 1996 (§ 259a SGB VI i.d.F. des RÜG), dann aus Gründen der Vereinfachung nur noch bei einem Geburtsdatum vor dem 01. Januar 1937 (§ 259a SGB VI i.d.F. des Rü-ErgG) zur Anwendung der alten Rechtslage. Hierbei handelt es sich um sachlich gerechtfertigte Gründe, die für das Funktionieren einer Massenverwaltung wie der gesetzlichen Rentenversicherung unerlässlich sind (vgl. schon BSG, Urteil vom 29. Juli 1997 - 4 RA 56/95 - in Juris). Die vom Gesetzgeber wie bei jeder Stichtagsregelung vorzunehmende Abwägung, wonach für die bis 1937 Geborenen, damals relativ rentennahen Jahrgängen dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und damit einer typisierenden Regelung und nicht einer individuell ausgestalteten Regelung der Vorzug gegeben wurde, ist nicht zu beanstanden. Für den Personenkreis der ab 1937 Geborenen wirkten sich die Neuregelungen grundsätzlich erst allmählich aus. Erst wenn für den Einzelnen der Versicherungsfall (regelmäßig mit Vollendung des 65. Lebensjahres, d.h. für am 01. Januar 1937 Geborene am 01. Januar 2002) eintritt, erfassen ihn die Neuregelungen. Bis dahin bestand im Regelfall die Möglichkeit, sich auf die Neuerungen einzustellen.

Eine verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht darin zu sehen, dass die Klägerin nicht in ein Zusatzversorgungssystem der DDR einbezogen war und auch nicht fiktiv nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG einzubeziehen ist, da sie am 30. Juni 1990 nicht mehr Bürgerin der DDR war. Der an das Inkrafttreten des Neueinbeziehungsverbots des § 22 Rentenangleichungsgesetz (RAnglG) anknüpfende Stichtag des 30. Juni 1990 für eine fiktive Einbeziehung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Einheit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 1921/04 u.a. - = SozR 4-8560 § 22 Nr. 1). Dass die Klägerin nicht in das Zusatzversorgungssystem der DDR einbezogen war, beruhte auf ihrem eigenen Entschluss, nicht in das Zusatzversorgungssystem einzuzahlen, da sie die Ausreise plante. Ein gesetzliches Verbot wie etwa für bestimmte Reichsbahn- und Postbeschäftigte bestand für sie jedoch nicht. Dies rechtfertigt die von der Regelung für bestimmte Reichsbahn- und Postbeschäftigte abweichende Regelung für den Personenkreis, dem die Klägerin angehört.

Auch soweit für polnische Aussiedler noch das FRG zur Anwendung kommt, liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Mit der Einigung Deutschlands mussten sämtliche in der DDR erworbenen rentenrechtlichen Ansprüche und Anwartschaften in das bundesdeutsche System integriert werden, während aus Polen nur einzelne Vertriebene, Spätaussiedler oder Deutsche im Sinne des Art. 116 GG die Möglichkeit hatten und haben in die Bundesrepublik Deutschland überzusiedeln und in das bundesdeutsche System einbezogen werden mussten und müssen. Dies stellt einen sachlichen Grund für eine abweichende Behandlung dar.

Die mit dem RÜG und dem Rü-ErgG eingeführten Regelungen der Ermittlung von EP nach §§ 256 ff. SGB VI verstoßen auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Die Klägerin hat mit ihrer Übersiedlung keine dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterliegende Rentenanwartschaft erworben. Durch das FRG begründete Rentenansprüche und -anwartschaften unterliegen jedenfalls dann nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn ihnen ausschließlich Beitrags- und Beschäftigungszeiten zugrunde liegen, die in den Herkunftsgebieten erbracht oder zurückgelegt wurden (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 u.a. = SozR 4-5050 § 22 Nr. 5). Zwar unterfallen nach der Rechtsprechung des BVerfG rentenrechtliche Positionen grundsätzlich dem Eigentumsschutz (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 u.a., a.a.O.). Regelmäßige Voraussetzung ist allerdings, dass sie im Geltungsbereich des GG erworben wurden. Im Falle der durch das FRG begründeten Rechte fehlt es am Erfordernis der an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Eigenleistung, die für die Anerkennung einer sozialversicherungsrechtlichen Rechtsposition als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unverzichtbar ist. Nur als Äquivalent einer nicht unerheblichen eigenen Leistung, die der besondere Grund für die Anerkennung als Eigentumsposition ist, erfahren rentenversicherungsrechtliche Ansprüche und Anwartschaften den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - a.a.O.). Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht wenn zu den in der DDR erworbenen Anwartschaften weitere in der Bundesrepublik Deutschland erworbene Rentenanwartschaften hinzutreten. Dies ändert nichts daran, dass die in der DDR erfolgten Zahlungen nicht an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erfolgten und damit nicht dem Eigentumsschutz unterfallen.

Aber auch wenn man die aus dem FRG abgeleiteten Ansprüche und Anwartschaften dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. den in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften zu einer rentenrechtlichen Einheit unterstellen wollte, hätte der Gesetzgeber mit dem RÜG und dem Rü-ErgG von seiner Befugnis zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums einen verfassungsgemäßen Gebrauch gemacht. Soweit in schon bestehende Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zum Privatversicherungsverhältnis von Anfang an nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs beruht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - a.a.O. unter Hinweis auf Beschluss des BVerfG vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 u.a., a.a.O.).

Der in der gesetzlichen Regelung liegende Eingriff in die Rechtsposition der nach dem FRG Berechtigten ist schließlich auch durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Mit dem Untergang der DDR und dem Beitritt der neuen Länder hatte die fiktive Bewertung von im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG ihre Legitimation verloren. Gleichzeitig stellte sich mit dem massiven Anstieg der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung die Frage nach der Finanzierbarkeit des Systems. §§ 256a, 259a SGB VI dienen demnach dazu, ein an einheitlichen Grundprinzipien orientiertes Rentenrecht zu schaffen und die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - a.a.O. m.w.N.).

Die Regelungen genügen auch dem Gebot der Erforderlichkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Gesetzgeber ein milderes, die Betroffenen weniger belastendes Mittel zur Verfügung stand, mit dem er seine Ziele ebenso gut hätte erreichen können (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - a.a.O.).

Auch die im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn erforderliche Abwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an dem Inkrafttreten der angegriffenen Regelungen das Interesse der Betroffenen an dem Fortbestehen der Ermittlung von EP nach dem FRG überwiegt. Ob die Neuregelung für die Betroffenen mit Nachteilen behaftet ist oder sich vorteilhaft auswirkt, hängt wesentlich von der individuellen Erwerbsbiographie ab. Die Rentenwertfeststellung nach dem individuell beitragsversicherten Erwerbseinkommen ist im Einzelfall etwa möglicherweise günstiger, wenn ein Versicherter Mitglied der FZR war. Auch ist zu berücksichtigen, dass § 254d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für Personen, die - wie die Klägerin - am 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet hatten, die Rentenwertfeststellung unter Zugrundelegung des günstigeren aktuellen Rentenwerts (West) gewährleistet wurde. Zu beachten ist auch die 40%ige Rentenminderung, die der Wert von FRG-Rentenanwartschaften erwarten musste, und es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Anwartschaften zum Teil nicht auf Eigenleistungen beruhten. Ist es aber zur Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung geboten, rentenrechtliche Positionen zu verändern, so kann der soziale Bezug, der dem Gesetzgeber größere Gestaltungsfreiheit bei Eingriffen gibt, dazu berechtigen, in Abwägung zwischen Leistungen an Versicherte und Belastungen der Solidargemeinschaft vor allem jene Positionen zu verkürzen, die Ausdruck besonderer Vergünstigungen sind. Dies ist hier in Bezug auf die Anwartschaftsteile der Fall, denen Beitrags- und Beschäftigungszeiten außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland zugrunde liegen (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 u.a. -a.a.O.).

Letztlich ist auch das Interesse derjenigen Berechtigten an der Beibehaltung der Rentenwertermittlung für die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG grundsätzlich nicht höher zu bewerten als es die Gemeinwohlgründe sind, die den Gesetzgeber bei der Neugestaltung bestimmt haben. Die betroffenen Personen durften nicht damit rechnen, dass sie über die gesamte Zeit ihres Versicherungsverhältnisses bis zum Beginn ihrer Rente nicht mehr von Umgestaltungen betroffen sein würden. Es musste den Betroffenen einsichtig sein, dass die Einigung Deutschlands nicht ohne Auswirkungen auch für sie bleiben würde. Sie mussten damit rechnen, dass der Gesetzgeber auf diese Situation durch eine Veränderung des Rentenversicherungsrechts auch zu ihren Lasten reagieren würde. Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit § 259a SGB I eine nicht zu beanstandende Übergangsregelung geschaffen (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 B 5 R 36/11 R - a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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