L 11 KR 3408/12 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1222/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3408/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Erstattung weiterer Fahrtkosten in Höhe von 50,00 Euro anlässlich einer stationären Behandlung des Klägers.

Der 1946 geborene Kläger ist beidseits oberschenkelamputiert. Wegen eines chronischen Schmerzsyndroms Stadium III nach Gerbershagen befand er sich in stationärer Behandlung im interdisziplinären Schmerzzentrum Fachklinik E ... Der Aufenthalt war ab 14.11.2011 zunächst nur für zwei Wochen geplant und wurde nachträglich für weitere zwei Wochen bis 12.12.2011 verlängert.

Am 13.12.2011 beantragte der Kläger die Übernahme von Fahrtkosten für sechs Fahrten à 128 km mit dem Pkw wegen des Klinikaufenthalts. Die Klinik bestätigte, dass die Anreise mit Pkw und einer Begleitperson erforderlich gewesen sei.

Mit Bescheid vom 21.12.2011 übernahm die Beklagte die Kosten für zwei Fahrten à 125 km in Höhe von 0,20 Euro je Kilometer, insgesamt 50,00 Euro. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Kosten der An- und Abreise seien mit 0,40 Euro pro Kilometer zu übernehmen. Da zunächst nur ein Aufenthalt von 14 Tagen geplant gewesen sei, sei eine erneute An- und Abreise zum Wäschewechsel notwendig gewesen. Insgesamt seien daher drei Mal 100,00 Euro zu erstatten, somit stünden ihm noch 250,00 Euro zu. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 02.02.2012 einen weiteren Betrag von 50,00 Euro für die An- und Abreise. Die Kosten für die Fahrt zum Wäschewechsel könnten nicht erstattet werden. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2012 zurückwies. Die Kosten für Hin- und Rückfahrt am An- und Abreisetag seien übernommen worden. Besuchsfahrten seien keine Leistung der Krankenkassen.

Hiergegen richtet sich die am 08.05.2012 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage. Der Kläger macht weiter geltend, die Fahrt zur Versorgung mit neuer Wäsche sei notwendig gewesen, hierfür seien noch 50,00 Euro zu erstatten. Es sei ihm nicht zumutbar gewesen, weitere 14 Tage in getragener Wäsche und ohne Seife und Rasierschaum in der Klinik zu bleiben.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.07.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Voraussetzung für die Übernahme von Fahrtkosten nach § 60 Abs 1, Abs 2 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei, dass der Versicherte tatsächlich transportiert werde. Vorliegend sei lediglich die Ehefrau des Klägers zur Klinik gefahren und habe diesen mit neuer Kleidung und Hygieneartikeln versorgt. Fahrtkosten naher Angehöriger seien von den Krankenkassen nicht zu übernehmen, dies gehöre nicht zum gesetzlichen Leistungsumfang der Krankenversicherung.

Hiergegen richtet sich die am 07.08.2012 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er macht geltend, der Richter habe die Grundsätze der Beklagten als seine Argumentation dargestellt ohne jegliche Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage. Eigentlich hätte die Beklagte mit der Einweisung in die stationäre Behandlung gar nichts zu tun gehabt, fehlerhaft sei die Angelegenheit als Reha-Verfahren gelaufen. Dieser grobe Fehler könne ihm nicht zur Last gelegt werden. Wenn ein Arzt im Krankenhaus sage, er müsse noch bleiben, könne ein Wäschewechsel doch wohl nicht zu seinen Lasten gehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 145 Abs 1 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zwar zulässig (§ 145 Abs 1 SGG), jedoch in der Sache nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 aaO). Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben; weder stehen wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit, noch ist die erforderliche Berufungssumme angesichts des Beschwerdewerts von 50,00 Euro erreicht. Das SG hat die Berufung im angefochtenen Urteil auch nicht zugelassen, sodass sie der Zulassung durch das LSG bedurft hätte. Eine solche Zulassung kommt vorliegend nicht in Betracht.

Nach § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1.) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtsprechung des BSG seit 20.12.1955, 10 RV 225/54, BSGE 2, 129, 132). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl BSG 16.11.1987, 5b BJ 118/87, SozR 1500 § 160a Nr 60; BSG 16.12.1993, 7 BAr 126/93, SozR 3-1500 § 160a Nr 16; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 RdNrn 28 f.; § 160 RdNrn 6 ff. jeweils mwN). Von einer Klärung ist im Regelfall auszugehen, wenn die Frage höchstrichterlich entschieden ist (BSG 21.11.1983, 9a BVi 7/83, SozR 1500 § 160 Nr 51). Dem steht gleich, wenn zur Auslegung vergleichbarer Regelungen schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichend Anhaltspunkte für die Beantwortung der konkreten Frage geben (BSG 31.03.1993, 13 BJ 215/92, SozR 3-1500 § 146 Nr 2) oder wenn die Beantwortung so gut wie unbestritten ist (BSG 02.03.1976, 12/11 BA 116/75, SozR 1500 § 160 Nr 17) oder von vornherein praktisch außer Zweifel steht (BSG 04.06.1975, 11 BA 4/75, BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4; BSG 30.03.2005, B 4 RA 257/04 B, SozR 4-1500 § 160a Nr 7). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (BSG 26.06.1975, 12 BJ 12/75, SozR 1500 § 160a Nr 7).

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im oben dargestellten Sinn stellen sich hier nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG setzt ein Anspruch auf Fahrtkosten generell voraus, dass der Versicherte transportiert wird (BSG 06.11.2008, B 1 KR 38/07 R, juris). Schon dies war hier nicht der Fall, denn die Ehefrau des Klägers ist zur Klinik und wieder zurück gefahren, um den Kläger mit frischer Wäsche und Hygieneartikeln zu versorgen. Daneben ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 60 Abs 1 Satz 1 SGB V, dass nur Kosten für Fahrten erstattungsfähig sind, die aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich sind. Auch diese Voraussetzung war bei der hier streitigen ?Versorgungsfahrt? offensichtlich nicht gegeben. Die vom Kläger behauptete Unrichtigkeit der Rechtsanwendung im Einzelfall ist in keinem Fall ein Grund, die Berufung zuzulassen.

(2.) Eine Abweichung der Entscheidung des SG von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte (Divergenz) liegt nicht vor. Divergenz bedeutet einen Widerspruch im Rechtssatz oder das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind. Dies setzt begrifflich voraus, dass das SG einen entsprechenden abstrakten Rechtssatz gebildet hat. Es muss die Rechtsfrage entschieden und nicht etwa übersehen haben. Eine Abweichung liegt daher nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung nicht den vom Obergericht aufgestellten Kriterien entspricht, sondern erst, wenn diesen Kriterien widersprochen wird, also andere Maßstäbe entwickelt werden. Nicht eine Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung wegen Divergenz (BSG 29.11.1989, 7 BAr 130/98, SozR 1500 § 160a Nr 67; Leitherer in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 144 RdNr 28). Ein derartiger Widerspruch wird vom Kläger nicht aufgezeigt, er ist auch nicht ersichtlich.

(3.) Ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein Verfahrensmangel liegt nur vor bei einem Verstoß des erstinstanzlichen Gerichts gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, es geht insoweit nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (vgl Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 144 RdNr 32). Ein Verfahrensmangel verpflichtet nur dann zur Zulassung der Berufung, wenn er gerügt ("geltend gemacht") wird. Dafür genügt es, wenn Tatsachen substantiiert vorgetragen werden, aus denen sich der Mangel des Verfahrens ergibt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Der angefochtene Gerichtsbescheid vom 17.07.2012 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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