Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2488/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3466/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16.06.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Klägerin, im Zeitraum vom 01.08.2007 bis 05.09.2008 Rentenversicherungsbeiträge als Empfängerin eines Existenzgründungszuschusses trotz des Bezugs von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu zahlen.
Die 1951 geborene Klägerin bezog von der Agentur für Arbeit F. seit dem 06.09.2005 einen Existenzgründungszuschuss für eine selbständige Tätigkeit als Grafikdesignerin nach § 421 l Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SBG III). Im Hinblick auf die sich daraus ergebende Versicherungspflicht als Selbständige nach § 2 Abs 1 Nr 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zahlte die Klägerin Beiträge zur Rentenversicherung an die Beklagte bis Juli 2007. Im dritten Jahr vom 06.09.2007 bis 05.09.2008 betrug der Existenzgründungszuschuss monatlich 240,- Euro. Weiter erhielt die Klägerin als Teil der Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann zeitweise zusätzliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II von der Arbeitsgemeinschaft B.-H. (Arge). Insoweit hatte die Arge der Beklagten für die Zeit von August bis Dezember 2007 beitragspflichtige Einnahmen von 1018,- Euro gemeldet.
Mit Bescheid vom 26.09.2007 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin den Beitrag zur Ren-tenversicherung für August 2007 auf 79,60 Euro fest und forderte Säumniszuschläge von 0,50 Euro. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und verwies mit diesem auf den Bezug von SGB II-Leistungen. Sie begründete ihren Widerspruch damit, dass Rentenversicherungsbeiträge nicht doppelt zu bezahlen seien. Während des Bezuges von SGB II-Leistungen seien bereits Beiträge zur Rentenversicherung von der Arge gezahlt worden. Nachdem die Beklagte Auskunft bei der Agentur für Arbeit F. eingeholt hatte über die Zahlung des Existenzgründungszuschusses auch im dritten Jahr, wies sie die Klägerin mit Schreiben vom 10.12.2007 darauf hin, dass sie weiterhin der Versicherungspflicht als Selbständige unterliege. Es seien die rückständigen Beiträge ab August 2007 in einer monatlichen Beitragshöhe von 79,60 Euro zu überweisen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2008 wies die Beklagte sodann den Widerspruch der Klägerin erfolglos zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde am 27.02.2008 zwecks Zustellung an die Klägerin mit Einschreiben zur Post gegeben und ging ihr nach ihren Angaben am 29.02.2008 zu.
Mit weiterem Bescheid vom 26.07.2008 hat die Beklagte den Pflichtbeitrag für Juni 2008 in Höhe von 79,60 Euro festgestellt und Säumniszuschläge für Beitragsrückstände vom 01.08.2007 bis 30.06.2008 in Höhe von 8,50 Euro festgesetzt und die Gesamtforderung mit 929,92 Euro beziffert. Mit Bescheid vom 05.09.2008 wurde das Ende der Versicherungspflicht als Selbstständige mit Ablauf des 05.09.2008 festgestellt und die Gesamtforderung für rückständige Beiträge und Säumniszuschläge mit 1.102,39 Euro beziffert.
Am 20.05.2008 ist beim Sozialgericht Freiburg (SG) ein Schreiben der Klägerin vom 17.05.2008 eingegangen, mit dem die Klägerin an ihr Schreiben vom 20.03.2008, Prozesskostenhilfe (PKH)-Antrag und Klage erinnerte. Beigefügt waren dem Schreiben eine Klageschrift mit PKH-Antrag vom 20.03.2008 sowie Doppel sämtlicher Kopien und Unterlagen.
Mit Urteil vom 16.06.2010 hat das SG der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides verwiesen und ergänzend ausgeführt, nach § 2 Satz 1 Nr 10 SGB VI seien selbstständig tätige Personen für die Dauer des Bezuges eines Zuschusses nach § 421 1 SGB III in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Die Klägerin sei danach als selbstständig Tätige versicherungspflichtig gewesen. Sie habe die Beiträge nach § 169 Nr 1 SGB VI selbst zu tragen. Sie sei nicht wegen des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II versicherungspflichtig. Nach § 3 S 1 Nr 3a Halbsatz 1 SGB VI seien versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie von den jeweils zuständigen Trägern nach dem SGB II Arbeitslosengeld II beziehen. Dies gelte jedoch nach § 3 S 1 Nr 3a Buchst e) SGB VI unter anderem nicht für Empfänger von Leistungen, die wie die Klägerin versicherungspflichtig selbstständig tätig seien. Die Rechtsmittelbelehrung enthielt den Hinweis, dass die Berufung der Zulassung bedürfe.
Mit Beschluss vom 09.03.2011 hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen (Az: L 9 R 4222/10 NZB) und ausgeführt, die Rechtsmittelbelehrung sei unzutreffend gewesen, sodass ab dem Zustellungszeitpunkt (05.08.2010) die Jahresfrist für die Einlegung der Berufung laufe.
Am 03.08.2011 hat die Klägerin beim SG Berufung zum LSG eingelegt, PKH beantragt und im Wesentlichen geltend gemacht, die Versicherung nach § 3 Nr 3a SGB VI gehe der Pflichtversicherung nach § 2 Nr 10 SGB VI vor. Dies ergebe sich aus der ratio legis, weshalb auch § 170 Abs 1 Nr 1 SGB VI der Beitragspflicht nach § 169 Nr 1 SGB VI vorgehe. Die Klägerin sei im streitgegenständlichen Zeitraum zur Deckung ihres soziokulturellen Existenzminimums auf ergänzende staatliche Leistungen angewiesen gewesen. Hierbei habe sie aber keine höheren Leistungen als andere Leistungsempfänger erhalten, insbesondere seien von ihrem Einkommen keine Beträge nach § 11 Abs 1 Nr 2 SGB II für selbst zu tragende Sozialversicherungsbeiträge in Abzug gebracht worden. Ein Unterschreiten des Existenzminimums durch die Verpflichtung zur eigenständigen Tragung der Rentenversicherungsbeiträge komme nicht in Betracht. Hilfsweise werde weiter geltend gemacht, dass die Arge auch Versicherungsbeiträge an die Beklagte bewirkt habe, welche sich noch im Vermögen der Beklagten befänden und von der Arge auch nicht zurückgefordert werden könnten. Zwar käme eine Rückabwicklung nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Bereicherungsanspruchs in Betracht (§ 812 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) analog, es bestehe für die Leistung mit den Leistungsbescheiden jedoch ein Rechtsgrund. Die Klägerin sehe die Beitragsschuld durch die Zahlungen der Arge als erfüllt an, weshalb es rechtmissbräuchlich sei, wenn die Beklagte weiter auf einer zusätzlichen Entrichtung eigener Beiträge beharre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16.06.2010 und die Bescheide der Beklagten vom 26.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.02.2008 sowie die Bescheide vom 26.07.2008 und 05.09.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Klägerin einen Existenzgründungszuschuss erhalten habe und nach § 7 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für die Dauer des Bezugs dieses Zuschusses als selbstständig Tätige gelte. Die gesetzliche Versicherungspflicht selbstständig Tätiger und die Versicherungspflicht bei Bezug von Grundsicherungsleistungen stünden in einem Ausschlussverhältnis, § 2 SGB VI gehe der Auffangvorschrift des § 3 SGB VI (Sonstige Versicherte) vor. In Kongruenz zu den korrespondierenden Vorschriften der §§ 2 und 3 SGB VI gehe § 169 SGB VI dem § 170 SGB VI ebenfalls vor. § 170 SGB VI regele als Auffangtatbestand, wer die Beiträge von Versicherten zu tragen habe, welche nicht von §§ 168, 169 SGB VI erfasst würden.
Mit Beschluss vom 17.02.2012 hat der Senat den PKH-Antrag der Klägerin wegen fehlender Erfolgsaussichten der Berufung abgelehnt. In diesem Beschluss hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beklagte hat sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 19.03.2012 moniert, dass jedenfalls der PKH-Beschluss eine dezidierte Auseinandersetzung mit der Berufungsbegründung nicht erkennen lasse.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat kann gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss entscheiden, da die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet erachten und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten.
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1, 66 Abs 2 Satz 1, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 26.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.02.2008 sowie die weiteren Bescheide vom 26.07.2008 und 05.09.2008, die nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind und über die das SG ausdrücklich mit entschieden hat.
Die Klägerin ist nach § 169 Nr 1 SGB VI im streitigen Zeitraum verpflichtet, Beiträge zur Rentenversicherung zu leisten. Die Beiträge sind auch der Höhe nach zutreffend festgesetzt worden, was die Klägerin nicht bestreitet. Dabei ergibt sich die Beitragspflicht der Klägerin unmittelbar aus dem Gesetz. Die Klägerin war als Empfängerin eines Existenzgründungszuschusses (§ 421 l SGB III) gemäß § 2 Nr 10 SGB VI (idF des Gesetzes vom 20.04.2007, BGBl I 554) rentenversicherungspflichtig mit der Folge, dass sie gemäß § 169 Nr 1 SGB VI auch die Beiträge selbst zu tragen hatte.
Eine Versicherungspflicht als Empfängerin von Leistungen nach dem SGB II kann daneben nicht eintreten. Dies ergibt sich aus § 3 S 1 Nr 3a Buchst e) SGB VI in der hier ab 01.01.2007 anzuwendenden Fassung (Gesetz vom 24.03.2006, BGBl I 558). Nach § 3 S 1 Nr 3a Halbsatz 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung sind versicherungspflichtig Personen ua in der Zeit, für die sie von den jeweils zuständigen Trägern nach dem Zweiten Buch Arbeitslosengeld II beziehen; dies gilt aber nicht für Empfänger der Leistung, die versicherungspflichtig beschäftigt oder - wie hier - versicherungspflichtig selbständig tätig sind (§ 3 S 1 Nr 3a Halbsatz 2 Buchst e) SGB VI). Dass die Klägerin während des Bezugs des Existenzgründungszuschusses kraft Gesetzes als Selbstständige galt, ergibt sich bereits aus § 7 Abs 4 S 2 SGB IV in der hier ab 01.01.2007 anzuwenden Fassung. § 3 S 1 Nr 3a Halbsatz 2 Buchst e) SGB VI diente mithin der Vermeidung von Doppelversicherungen von Personen, die bereits aus einem anderen Grund in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind (vgl nur Knorr in jurisPK-SGB VI, § 3 RdNr 142). Damit gilt schon nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Vorschrift stets der Vorrang der Versicherungspflicht als Selbstständige nach § 2 Nr 10 SGB VI vor der Versicherungspflicht als Bezieherin von Grundsicherungsleistungen nach § 3 Satz 1 Nr 3a SGB VI.
Nichts anderes ergibt sich aus verfassungsrechtlichen Erwägungen. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin meint, dass durch die Beitragspflicht das Existenzminimum der Klägerin unterschritten werde und daher § 170 Abs 1 Nr 1 SGB VI Vorrang vor der Beitragspflicht nach § 169 Nr 1 SGB VI haben müsse, trifft dies nicht zu. Nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II (idF des Gesetzes vom 20.07.2006, BGBl I 1706) sind Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung vom Einkommen abzusetzen. Damit ist sichergestellt, dass die entsprechende Beitragsbelastung im Rahmen der existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II berücksichtigt wird. Für eine teleologische Reduktion der Vorschriften der §§ 169, 170 SGB VI - wie der Bevollmächtigte der Klägerin anregt - besteht somit keinerlei Bedarf. Ob die Beiträge zur Rentenversicherung im Rahmen der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II dagegen konkret im hier streitigen Zeitraum zutreffend berücksichtigt worden sind und damit die Höhe der bewilligten Leistungen nach dem SGB II zutreffend ist, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Der Senat merkt insoweit nur an, dass die Behauptung, die Beiträge zur Rentenversicherung seien vom anzurechnenden Einkommen nach dem SGB II nicht abgezogen worden, jedenfalls - soweit hier Leistungsbescheide vorliegen - teilweise nicht zutrifft. So wurde im Zeitraum 03.08. bis 30.09.2007 der Existenzgründungszuschuss schon gar nicht als Einkommen angerechnet (Änderungsbescheid vom 05.12.2007) und im Zeitraum 01.02. bis 31.07.2008 wurde ein Rentenversicherungsbeitrag in Höhe von 40,80 Euro vom Einkommen abgesetzt (Änderungsbescheid vom 29.02.2008).
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, für den streitigen Zeitraum seien bereits Beiträge geleistet worden (von der Arge), weshalb die Forderung der Pflichtbeiträge von ihr persönlich treuwidrig sei. Eine Erfüllungswirkung durch die Entrichtung der Beiträge durch die Arge ist hinsichtlich der von der Klägerin geschuldeten Pflichtbeiträge nicht eingetreten, hierfür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Bereicherungsrechtliche Grundsätze entsprechend § 812 BGB sind insoweit auch nicht heranzuziehen, denn das Gesetz sieht in § 26 SGB IV Spezialregelungen für die Beanstandung und Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Klägerin, im Zeitraum vom 01.08.2007 bis 05.09.2008 Rentenversicherungsbeiträge als Empfängerin eines Existenzgründungszuschusses trotz des Bezugs von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu zahlen.
Die 1951 geborene Klägerin bezog von der Agentur für Arbeit F. seit dem 06.09.2005 einen Existenzgründungszuschuss für eine selbständige Tätigkeit als Grafikdesignerin nach § 421 l Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SBG III). Im Hinblick auf die sich daraus ergebende Versicherungspflicht als Selbständige nach § 2 Abs 1 Nr 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zahlte die Klägerin Beiträge zur Rentenversicherung an die Beklagte bis Juli 2007. Im dritten Jahr vom 06.09.2007 bis 05.09.2008 betrug der Existenzgründungszuschuss monatlich 240,- Euro. Weiter erhielt die Klägerin als Teil der Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann zeitweise zusätzliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II von der Arbeitsgemeinschaft B.-H. (Arge). Insoweit hatte die Arge der Beklagten für die Zeit von August bis Dezember 2007 beitragspflichtige Einnahmen von 1018,- Euro gemeldet.
Mit Bescheid vom 26.09.2007 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin den Beitrag zur Ren-tenversicherung für August 2007 auf 79,60 Euro fest und forderte Säumniszuschläge von 0,50 Euro. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und verwies mit diesem auf den Bezug von SGB II-Leistungen. Sie begründete ihren Widerspruch damit, dass Rentenversicherungsbeiträge nicht doppelt zu bezahlen seien. Während des Bezuges von SGB II-Leistungen seien bereits Beiträge zur Rentenversicherung von der Arge gezahlt worden. Nachdem die Beklagte Auskunft bei der Agentur für Arbeit F. eingeholt hatte über die Zahlung des Existenzgründungszuschusses auch im dritten Jahr, wies sie die Klägerin mit Schreiben vom 10.12.2007 darauf hin, dass sie weiterhin der Versicherungspflicht als Selbständige unterliege. Es seien die rückständigen Beiträge ab August 2007 in einer monatlichen Beitragshöhe von 79,60 Euro zu überweisen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2008 wies die Beklagte sodann den Widerspruch der Klägerin erfolglos zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde am 27.02.2008 zwecks Zustellung an die Klägerin mit Einschreiben zur Post gegeben und ging ihr nach ihren Angaben am 29.02.2008 zu.
Mit weiterem Bescheid vom 26.07.2008 hat die Beklagte den Pflichtbeitrag für Juni 2008 in Höhe von 79,60 Euro festgestellt und Säumniszuschläge für Beitragsrückstände vom 01.08.2007 bis 30.06.2008 in Höhe von 8,50 Euro festgesetzt und die Gesamtforderung mit 929,92 Euro beziffert. Mit Bescheid vom 05.09.2008 wurde das Ende der Versicherungspflicht als Selbstständige mit Ablauf des 05.09.2008 festgestellt und die Gesamtforderung für rückständige Beiträge und Säumniszuschläge mit 1.102,39 Euro beziffert.
Am 20.05.2008 ist beim Sozialgericht Freiburg (SG) ein Schreiben der Klägerin vom 17.05.2008 eingegangen, mit dem die Klägerin an ihr Schreiben vom 20.03.2008, Prozesskostenhilfe (PKH)-Antrag und Klage erinnerte. Beigefügt waren dem Schreiben eine Klageschrift mit PKH-Antrag vom 20.03.2008 sowie Doppel sämtlicher Kopien und Unterlagen.
Mit Urteil vom 16.06.2010 hat das SG der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides verwiesen und ergänzend ausgeführt, nach § 2 Satz 1 Nr 10 SGB VI seien selbstständig tätige Personen für die Dauer des Bezuges eines Zuschusses nach § 421 1 SGB III in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Die Klägerin sei danach als selbstständig Tätige versicherungspflichtig gewesen. Sie habe die Beiträge nach § 169 Nr 1 SGB VI selbst zu tragen. Sie sei nicht wegen des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II versicherungspflichtig. Nach § 3 S 1 Nr 3a Halbsatz 1 SGB VI seien versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie von den jeweils zuständigen Trägern nach dem SGB II Arbeitslosengeld II beziehen. Dies gelte jedoch nach § 3 S 1 Nr 3a Buchst e) SGB VI unter anderem nicht für Empfänger von Leistungen, die wie die Klägerin versicherungspflichtig selbstständig tätig seien. Die Rechtsmittelbelehrung enthielt den Hinweis, dass die Berufung der Zulassung bedürfe.
Mit Beschluss vom 09.03.2011 hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen (Az: L 9 R 4222/10 NZB) und ausgeführt, die Rechtsmittelbelehrung sei unzutreffend gewesen, sodass ab dem Zustellungszeitpunkt (05.08.2010) die Jahresfrist für die Einlegung der Berufung laufe.
Am 03.08.2011 hat die Klägerin beim SG Berufung zum LSG eingelegt, PKH beantragt und im Wesentlichen geltend gemacht, die Versicherung nach § 3 Nr 3a SGB VI gehe der Pflichtversicherung nach § 2 Nr 10 SGB VI vor. Dies ergebe sich aus der ratio legis, weshalb auch § 170 Abs 1 Nr 1 SGB VI der Beitragspflicht nach § 169 Nr 1 SGB VI vorgehe. Die Klägerin sei im streitgegenständlichen Zeitraum zur Deckung ihres soziokulturellen Existenzminimums auf ergänzende staatliche Leistungen angewiesen gewesen. Hierbei habe sie aber keine höheren Leistungen als andere Leistungsempfänger erhalten, insbesondere seien von ihrem Einkommen keine Beträge nach § 11 Abs 1 Nr 2 SGB II für selbst zu tragende Sozialversicherungsbeiträge in Abzug gebracht worden. Ein Unterschreiten des Existenzminimums durch die Verpflichtung zur eigenständigen Tragung der Rentenversicherungsbeiträge komme nicht in Betracht. Hilfsweise werde weiter geltend gemacht, dass die Arge auch Versicherungsbeiträge an die Beklagte bewirkt habe, welche sich noch im Vermögen der Beklagten befänden und von der Arge auch nicht zurückgefordert werden könnten. Zwar käme eine Rückabwicklung nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Bereicherungsanspruchs in Betracht (§ 812 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) analog, es bestehe für die Leistung mit den Leistungsbescheiden jedoch ein Rechtsgrund. Die Klägerin sehe die Beitragsschuld durch die Zahlungen der Arge als erfüllt an, weshalb es rechtmissbräuchlich sei, wenn die Beklagte weiter auf einer zusätzlichen Entrichtung eigener Beiträge beharre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16.06.2010 und die Bescheide der Beklagten vom 26.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.02.2008 sowie die Bescheide vom 26.07.2008 und 05.09.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Klägerin einen Existenzgründungszuschuss erhalten habe und nach § 7 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für die Dauer des Bezugs dieses Zuschusses als selbstständig Tätige gelte. Die gesetzliche Versicherungspflicht selbstständig Tätiger und die Versicherungspflicht bei Bezug von Grundsicherungsleistungen stünden in einem Ausschlussverhältnis, § 2 SGB VI gehe der Auffangvorschrift des § 3 SGB VI (Sonstige Versicherte) vor. In Kongruenz zu den korrespondierenden Vorschriften der §§ 2 und 3 SGB VI gehe § 169 SGB VI dem § 170 SGB VI ebenfalls vor. § 170 SGB VI regele als Auffangtatbestand, wer die Beiträge von Versicherten zu tragen habe, welche nicht von §§ 168, 169 SGB VI erfasst würden.
Mit Beschluss vom 17.02.2012 hat der Senat den PKH-Antrag der Klägerin wegen fehlender Erfolgsaussichten der Berufung abgelehnt. In diesem Beschluss hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beklagte hat sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 19.03.2012 moniert, dass jedenfalls der PKH-Beschluss eine dezidierte Auseinandersetzung mit der Berufungsbegründung nicht erkennen lasse.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat kann gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss entscheiden, da die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet erachten und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten.
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1, 66 Abs 2 Satz 1, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 26.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.02.2008 sowie die weiteren Bescheide vom 26.07.2008 und 05.09.2008, die nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind und über die das SG ausdrücklich mit entschieden hat.
Die Klägerin ist nach § 169 Nr 1 SGB VI im streitigen Zeitraum verpflichtet, Beiträge zur Rentenversicherung zu leisten. Die Beiträge sind auch der Höhe nach zutreffend festgesetzt worden, was die Klägerin nicht bestreitet. Dabei ergibt sich die Beitragspflicht der Klägerin unmittelbar aus dem Gesetz. Die Klägerin war als Empfängerin eines Existenzgründungszuschusses (§ 421 l SGB III) gemäß § 2 Nr 10 SGB VI (idF des Gesetzes vom 20.04.2007, BGBl I 554) rentenversicherungspflichtig mit der Folge, dass sie gemäß § 169 Nr 1 SGB VI auch die Beiträge selbst zu tragen hatte.
Eine Versicherungspflicht als Empfängerin von Leistungen nach dem SGB II kann daneben nicht eintreten. Dies ergibt sich aus § 3 S 1 Nr 3a Buchst e) SGB VI in der hier ab 01.01.2007 anzuwendenden Fassung (Gesetz vom 24.03.2006, BGBl I 558). Nach § 3 S 1 Nr 3a Halbsatz 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung sind versicherungspflichtig Personen ua in der Zeit, für die sie von den jeweils zuständigen Trägern nach dem Zweiten Buch Arbeitslosengeld II beziehen; dies gilt aber nicht für Empfänger der Leistung, die versicherungspflichtig beschäftigt oder - wie hier - versicherungspflichtig selbständig tätig sind (§ 3 S 1 Nr 3a Halbsatz 2 Buchst e) SGB VI). Dass die Klägerin während des Bezugs des Existenzgründungszuschusses kraft Gesetzes als Selbstständige galt, ergibt sich bereits aus § 7 Abs 4 S 2 SGB IV in der hier ab 01.01.2007 anzuwenden Fassung. § 3 S 1 Nr 3a Halbsatz 2 Buchst e) SGB VI diente mithin der Vermeidung von Doppelversicherungen von Personen, die bereits aus einem anderen Grund in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind (vgl nur Knorr in jurisPK-SGB VI, § 3 RdNr 142). Damit gilt schon nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Vorschrift stets der Vorrang der Versicherungspflicht als Selbstständige nach § 2 Nr 10 SGB VI vor der Versicherungspflicht als Bezieherin von Grundsicherungsleistungen nach § 3 Satz 1 Nr 3a SGB VI.
Nichts anderes ergibt sich aus verfassungsrechtlichen Erwägungen. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin meint, dass durch die Beitragspflicht das Existenzminimum der Klägerin unterschritten werde und daher § 170 Abs 1 Nr 1 SGB VI Vorrang vor der Beitragspflicht nach § 169 Nr 1 SGB VI haben müsse, trifft dies nicht zu. Nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II (idF des Gesetzes vom 20.07.2006, BGBl I 1706) sind Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung vom Einkommen abzusetzen. Damit ist sichergestellt, dass die entsprechende Beitragsbelastung im Rahmen der existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II berücksichtigt wird. Für eine teleologische Reduktion der Vorschriften der §§ 169, 170 SGB VI - wie der Bevollmächtigte der Klägerin anregt - besteht somit keinerlei Bedarf. Ob die Beiträge zur Rentenversicherung im Rahmen der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II dagegen konkret im hier streitigen Zeitraum zutreffend berücksichtigt worden sind und damit die Höhe der bewilligten Leistungen nach dem SGB II zutreffend ist, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Der Senat merkt insoweit nur an, dass die Behauptung, die Beiträge zur Rentenversicherung seien vom anzurechnenden Einkommen nach dem SGB II nicht abgezogen worden, jedenfalls - soweit hier Leistungsbescheide vorliegen - teilweise nicht zutrifft. So wurde im Zeitraum 03.08. bis 30.09.2007 der Existenzgründungszuschuss schon gar nicht als Einkommen angerechnet (Änderungsbescheid vom 05.12.2007) und im Zeitraum 01.02. bis 31.07.2008 wurde ein Rentenversicherungsbeitrag in Höhe von 40,80 Euro vom Einkommen abgesetzt (Änderungsbescheid vom 29.02.2008).
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, für den streitigen Zeitraum seien bereits Beiträge geleistet worden (von der Arge), weshalb die Forderung der Pflichtbeiträge von ihr persönlich treuwidrig sei. Eine Erfüllungswirkung durch die Entrichtung der Beiträge durch die Arge ist hinsichtlich der von der Klägerin geschuldeten Pflichtbeiträge nicht eingetreten, hierfür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Bereicherungsrechtliche Grundsätze entsprechend § 812 BGB sind insoweit auch nicht heranzuziehen, denn das Gesetz sieht in § 26 SGB IV Spezialregelungen für die Beanstandung und Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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