L 4 R 3646/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 2193/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3646/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. August 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitgegenstand ist die Wertfestsetzung für eine Untätigkeitsklage im Verfahren über die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 2) im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1) in der Zeit vom 25. April 2008 bis 13. Januar 2011.

Das auf Antrag des Klägers zu 2) vom 23. November 2007 eingeleitete Statusfeststellungsverfahren führte zunächst zu dem Bescheid vom 17. April 2007, in dem die Beklagte feststellte, dass der Kläger zu 2) seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin zu 1) seit dem 01. August 2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Auf den Widerspruch des Klägers zu 2) erging der Teilabhilfebescheid vom 10. November 2011, in dem die Beklagte feststellte, dass der Kläger zu 2) seine Tätigkeit bei der Klägerin zu 1) nunmehr im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausübe. Seit dem 14. Januar 2011 sei zur Beschlussfassung satzungsgemäß Einstimmigkeit erforderlich, damit könne der Kläger Beschlüsse verhindern und maßgeblich Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens nehmen.

Mit der am 27. April 2012 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Untätigkeitsklage begehrten die Kläger einen Widerspruchsbescheid bezüglich des Zeitraumes 25. April 2008 bis 13. Januar 2011.

Nachdem die Beklagte am 24. April 2012 den begehrten Widerspruchsbescheid erlassen und den Widerspruch zurückgewiesen hatte, erklärten die Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Beklagte erklärte sich zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger bereit. Der klägerische Bevollmächtigte übermittelte daraufhin seine Kostennote vom 18. Mai 2012, in der er Kosten aus einem Streitwert von ?ca. Euro 35.000,00? berechnete, entsprechend der letztlich angestrebten Beitragserstattung für den Zeitraum 25. April 2008 bis 13. Januar 2011, hiervon die Hälfte. Beide Kläger seien nicht Versicherte, für den Kläger zu 2) bestehe Sozialversicherungsfreiheit seit 14. Januar 2011. Die Beklagte trat dem entgegen und hielt Kosten aus dem Regelstreitwert von Euro 5.000,00 für angemessen, weil Gegenstand des Verfahrens keine konkrete Beitragsforderung oder -erstattungsforderung gewesen sei.

Nach Hinweis des SG, dass das Verfahren nicht gerichtskostenpflichtig sei, weil der Kläger zu 2) kostenprivilegiert nach § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei, und daher nicht nach Gegenstandswert, sondern nach Betragsrahmengebühren abzurechnen sei, beantragte der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 6. Juli 2012 die Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 33 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Die Kläger gehörten beide nicht zu dem Personenkreis des § 183 SGG. Der Kläger zu 2) sei seit 14. Januar 2011 sozialversicherungsfrei, die Klage sei am 17. April 2012 erhoben worden. Er habe damit zum Zeitpunkt des Klageverfahrens nicht zum Kreis der Versicherten gehöre. Daher sei der Streitwert festzusetzen. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung stehe nicht entgegen, weil beide Kläger gerichtskostenpflichtig seien. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 26. Juli 2006 - B 3 KR 6/06 B - eine gemischte Kostenentscheidung bei objektiver Klagehäufung zugelassen, das müsse bei subjektiver Klagehäufung ebenso gelten, denn mit dem Statusfeststellungsverfahren sei erstrebt worden, die Beiträge zurück zu erhalten. Daher hätten an sich zwei Streitgegenstände vorgelegen, nämlich Erstattung des Arbeitgeberanteils an die Klägerin zu 1) und Erstattung des Arbeitnehmeranteils an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen an den Kläger zu 2), die der Einfachheit halber in einem Klageantrag der Untätigkeitsklage zusammengefasst worden seien.

Mit Beschluss vom 10. August 2012 lehnte das SG die Streitwertfestsetzung ab. Der Kläger zu 2) gehöre zu den Kostenprivilegierten, nämlich den Versicherten im Sinne des § 183 SGG. Zu diesen zähle auch ein Selbstständiger im Streit um seine Versicherungspflicht. Damit sei unerheblich, dass die Beklagte in ihrem Teilabhilfebescheid vom 14. Januar 2011 den Kläger zu 2) für die Zeit ab dem 14. Januar 2011 als nicht versicherungspflichtig beschäftigt bei der Klägerin zu 1) eingestuft habe. Aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung ergebe sich damit die Gerichtskostenfreiheit für das gesamte Verfahren, also auch für die Klägerin zu 1). Dies habe das BSG in seiner Entscheidung vom 29. Mai 2006 - B 2 U 391/05 - ausgeführt.

Gegen den ihm am 17. August 2012 zugestellten Beschluss hat der Bevollmächtigte am 21. August 2012 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er habe nicht die Streitwertfestsetzung nach dem SGG, sondern die Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 33 RVG beantragt. Bis heute sei keine Festsetzung von Beitragsrahmengebühren erfolgt. Das Verfahren sei gerichtskostenpflichtig, denn keiner der Beteiligten sei kostenprivilegiert. Der Fall unterscheide sich von den bisher entschiedenen darin, dass die Frage, ob einer der Kläger Versicherter sei, nicht vom Ausgang des Verfahrens abhänge, denn zum Zeitpunkt der Klagerhebung sei der Kläger zu 2) unstreitig nicht Versicherter gewesen, Streitgegenstand sei ein zurückliegender Zeitraum gewesen. Privilegiert seien aber nur Versicherte, nicht ehemalige Versicherte. Auch folge aus der zitierten BSG-Entscheidung nicht, dass sich die Kostenprivilegierung auch auf die Klägerin zu 1) erstrecke. Dies sei bei der hier vorliegenden subjektiven Klagehäufung nicht anders zu sehen als bei der vom BSG entschiedenen objektiven Klagehäufung.

Die Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend. § 183 SGG sei im Bereich des Kosten- und Gebührenrechts ein Schutzmechanismus für bestimmte Personenkreise, um ihnen den Zugang zu Gericht zu erleichtern. Bis zur Beendigung des Streits über die Versicherungspflicht gehörten auch Personen, die sich gegen einen die Versicherungspflicht feststellenden Bescheid wendeten, zu dem kostenrechtlich privilegierten Personenkreis. Hierzu nicht im Widerspruch stehe die Entscheidung des BSG vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 5/05 R, denn vorliegend hätten die mit Widerspruch angefochtenen, die Versicherungspflicht feststellenden Bescheide noch im Raum gestanden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeakte, die SG-Akte (S 21 R 2193/12) und den Verwaltungsvorgang der Beklagten hingewiesen.

II.

I. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 173 SGG zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Der Senat entscheidet über die Streitwertbeschwerde der Klägerin gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 Gerichtskostengesetz (GKG) durch den Berichterstatter allein, da die angegriffene Streitwertfestsetzung durch den Kammervorsitzenden des Sozialgerichts als Einzelrichterentscheidung i. S. des § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 GKG anzusehen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg; Beschluss vom 07. Februar 2011 - L 11 R 5686/10 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. April 2009 - L 10 B 42/08 P; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. März 2009 - L 1 KR 36/09 B; LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - L 10 R 5747/08; vom 4. August 2009 - L 11 KR 2973/09 W-B und vom 9. Oktober 2009 - L 11 KR 5326/08 W-B; a. A. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. April 2009 - L 5 B 451/08 KA; alle in juris).

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat die Wertfestsetzung zu Recht abgelehnt.

1. Gemäß § 33 RVG setzt das Gericht des Rechtszuges den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert richten oder es an einem solchen Wert fehlt. In einem gerichtskostenfreien Verfahren kommt eine Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Kläger gemäß § 33 Abs. 1 RVG nicht in Betracht. Denn in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, entstehen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG Betragsrahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten (vgl. § 14 RVG). LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. März 2011 - L 8 1107/10 B; in juris). 2. Die Festsetzung eines Streitwerts erfolgt nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 GKG nur dann, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. a) Im vorliegenden Fall ist der Kläger zu 1) Versicherter im Sinne von § 183 Satz 1 SGG und damit kostenprivilegiert. Denn es ist über seinen Status als Versicherter gestritten worden (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 5/05 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. April 2008 - L 16 B 5/07 R; beide in juris). Dass der streitgegenständliche Zeitraum in der Vergangenheit lag und zum Zeitpunkt der Klagerhebung die Tätigkeit des Klägers zu 2) bei der Klägerin zu 1) von der Beklagten als selbstständige gesehen wurde, ändert nichts an der Eigenschaft des Klägers zu 2) als Versichertem im vorliegenden Verfahren. Der Status kann - wie das vorliegende Verfahren zeigt - für unterschiedliche Zeiträume oder unterschiedliche Tätigkeiten verschieden sein. Maßgeblich ist allein, ob Gegenstand des Verfahrens der Status als Versicherter ist. b) Die für den Kläger zu 2) bestehende Gerichtskostenfreiheit erstreckt sich wegen der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch auf die an sich kostenpflichtige Klägerin zu 1) (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 1/06 R; Beschluss vom 26. Juli 2006 - B 3 KR 6/06 B; Urteil vom 29. Mai 2006 - B 2 U 391/05 B; Bayerisches LSG, Beschluss vom 2. März 2010 - L 5 R 109/10 B; alle in juris). Das folgt aus dem Regelungssystem der Kostenentscheidungen nach § 193 SGG und § 197a SGG. Danach gilt grundsätzlich entweder das System für kostenrechtlich privilegierte Beteiligte (§ 183 Satz 1, §§ 184 bis 195 SGG) oder das System für die sonstigen Beteiligten (§ 197a SGG; GKG; §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]). Ist bei einem Streit mit einheitlichem Streitgegenstand in einer Instanz ein kostenrechtlich Privilegierter Hauptbeteiligter (Kläger oder Beklagter), greift - auch bei subjektiver Klagehäufung mit einem nicht Kostenprivilegierten - die Regelung für Kostenprivilegierte ein (vgl. Urteil des Senats vom 30. März 2012 - L 4 R 2043/10; BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006 - B 2 U 391/05 B; beide in juris). aa) Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine objektive Klagehäufung vorliegt, d.h. mehrere im Zusammenhang stehende Klagen gegen denselben Beklagten in einer Klage zusammengefasst verfolgt werden (§ 56 SGG). Besteht in diesem Fall hinsichtlich des einen Streitgegenstands keine Kostenprivilegierung, wohl aber hinsichtlich des anderen, besteht kein Grund, zu einer Kostenprivilegierung für beide Streitgegenstände zu gelangen, obwohl eine Trennung möglich ist (vgl. Urteil des Senat vom 30. März 2012 - L 4 R 2043/10; BSG, Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 1/06 R; beide in juris). Vielmehr ist bei der Kostenentscheidung zwischen den Streitgegenständen zu differenzieren (so auch BSG, Beschluss vom 26. Juli 2006 - B 3 KR 6/06 B; in juris). bb) Das ist hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr liegt eine subjektive Klagehäufung vor, mehrere Kläger klagen gemeinschaftlich (vgl. § 74 SGG i.V.m. § 59 ZPO). Auch wenn sich die Untätigkeitsklage auf den Erlass formal selbstständiger Widerspruchsbescheide richtet, konnte hierüber wegen der Identität der Verfügungssätze dieser Bescheide nur einheitlich entschieden werden. Es liegen daher keine unterschiedlichen Streitgegenstände vor. Ob im Verfahren auf Beitragserstattung - wie vom klägerischen Bevollmächtigten angeführt - eine objektive Klagehäufung vorläge, kann dahinstehen. Mag diese auch letztlich Ziel des Verfahrens sein, war vorliegend allein der Erlass von Widerspruchsbescheiden über den sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit des Klägers zu 2) bei der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 25. April 2008 bis 13. Januar 2011 streitgegenständlich.

3. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

4. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved