L 13 AL 4273/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 4789/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 4273/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 28. August 2012 aufgehoben.

Dem Kläger wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt G. Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung für das Klageverfahren S 15 AL 4789/10 bewilligt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Sie ist auch begründet; dem Kläger ist für das Klageverfahren S 15 AL 4789/10 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH liegen vor; der Kläger ist nach seinen sich aus der beim SG am 2. November 2010 eingegangenen Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie dem zuletzt vorgelegten Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 28. Dezember 2011 ergebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage gewesen, die Kosten der Prozessführung für das zwischenzeitlich erledigte erstinstanzliche Klageverfahren auch nur zum Teil oder in Raten aufzubringen. Anders als das SG hält der Senat die Vorlage von (weiteren) Kontoauszügen zur Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht für erforderlich. Der Kläger hat bereits mit Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Angaben zu seinem Vermögen gemacht und den jeweiligen Kontostand seines Giro- und Sparkontos durch Vorlage aktueller Kontoauszüge glaubhaft gemacht. Nach Vorlage einer Bescheinigung über den Bezug von Krankengeld und ? nach der Arbeitsaufnahme ? von Gehaltsbescheinigungen hat er zuletzt am 13. Februar 2012 den Bescheid des Jobcenters Landkreis Emmendingen vom 28. Dezember 2011 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bis 31. Mai 2011 vorgelegt. Gleichwohl hat das SG auch hierauf nicht über den PKH-Antrag entschieden, sondern erst nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts zum wiederholten Mal (ohne Fristsetzung) die Vorlage aktueller Kontoauszüge und eines aktuellen Bewilligungsbescheids angefordert ? um dann mit dem angegriffenen Beschluss vom 27. August 2012 den PKH-Antrag ? am Tag vor der Entscheidung in der Hauptsache ? mangels hinreichender Erfolgsaussicht in der Hauptsache abzulehnen. Dem SG ist zwar dahingehend zuzustimmen, dass bei der Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der PKH-Bewilligung geringere Vermögensfreibeträge anzusetzen sind als bei der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Hier hat sich aber bereits aus der am 2. November 2010 vorgelegten Erklärung und den beigefügten Kontoauszügen ergeben, dass der Kläger über kein der Bewilligung von PKH entgegenstehendes Vermögen verfügt. Anhaltspunkte dafür, dass insoweit eine wesentliche Änderung in den Vermögensverhältnissen des Klägers eingetreten wäre, sind nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund hält der Senat die Vorlage weitere Unterlagen zur Glaubhaftmachung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch den Kläger für entbehrlich.

Darüber hinaus war unter Beachtung der oben dargestellten Maßstäbe auch eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage gegeben. Gegenstand der in der Hauptsache geführten Anfechtungsklage ist der den täglichen Zahlbetrag des Arbeitslosengeldes auf nur noch 18,46 Euro (monatlich 553,80 Euro) festsetzende Änderungsbescheid vom 15. Juni 2010 nebst dem eine Auszahlung von kalendertäglich 31,23 Euro an die Beigeladene verfügenden Bescheid vom selben Tag, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. August 2010. Ob sich diese Bescheide im Hinblick auf die vorgenommene Ermessensausübung als rechtmäßig erweisen, erscheint ? nach hier nur vorzunehmender summarischer Prüfung ? zumindest als zweifelhaft; dies genügt, um eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung in der Hauptsache zu bejahen. In welchem Rangverhältnis die Unterhaltsansprüche der vier Kinder des Klägers nach den hier anzuwendenden zivilrechtlichen Bestimmungen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20. Juni 1984 ? 7 RAr 18/83 ? BSGE 57, 59) zueinander stehen, braucht der Senat im Rahmen der Entscheidung über die Bewilligung von PKH nicht zu entscheiden. Jedenfalls war die Beklagte aber gehalten, dem Umstand, dass der Kläger (auch) seiner Tochter M. gegenüber zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet gewesen ist, im Rahmen der Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens Rechnung zu tragen. Diesbezüglich dürfte die Ermessensausübung durch die Beklagte der vorzunehmenden (eingeschränkten) gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Die Beklagte hat bei der erst im Widerspruchsbescheid vorgenommenen Ermessensausübung gänzlich außer Betracht gelassen, dass nach verfügter Abzweigung kein ausreichendes Einkommen mehr verblieben ist, um den Unterhaltsanspruch der Tochter M. zu befriedigen. Sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen wäre angesichts des Umstands, dass die Tochter des Klägers zum Zeitpunkt der Abzweigung hochschwanger und zudem offensichtlich außerstande gewesen ist, mit ihrer Ausbildungsvergütung (432,00 Euro) den eigenen Lebensunterhalt und die von der Beklagten in Ansatz gebrachten hälftigen Mietkosten in Höhe von 280,00 Euro zu tragen, zwingend erforderlich gewesen. Darüber hinaus dürfte sich die getroffene Entscheidung auch insoweit als jedenfalls ermessensfehlerhaft erweisen, als die Beklagte das für die Tochter M. bezogene Kindergeld sowohl auf deren Unterhaltsbedarf als auch auf das Einkommen des Klägers angerechnet hat. Im Ergebnis kann deshalb die für die Bewilligung von PKH erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg der Rechtsverfolgung in der Hauptsache nicht verneint werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht gefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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