Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AS 3647/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 4894/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. September 2010 sowie die Bescheide des Beklagten vom 19. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2009 aufgehoben.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Oktober und November 2008 teilweise sowie im Januar 2009 ganz und die Erstattung der gewährten Leistungen in Höhe von 1.322,47 Euro wegen Geldeingängen auf dem Girokonto des Klägers.
Der am 13.07.1956 geborene Kläger steht seit dem 01.01.2005 im Leistungsbezug des Beklagten.
Der Kläger bewohnt im in R.-G. eine 2 ½ Zimmer Wohnung mit etwas über 50 m² Wohnfläche und mit Stellplatz; die Warmmiete beträgt 500 Euro (Mietvertrag vom 05.12.2007, Bl. 351 der Verwaltungsakte(VA)). Hierhin ist er am 29.12.2007 aus seiner Wohnung im E.5/1 in Reutlingen (35 m², Warmmiete inklusive Nebenkosten 300 Euro, Strom/Gas 20 Euro, Bl. 4 VA) umgezogen ohne seinen vorherigen Vermieter zu benachrichtigen (Bl. 340 VA) und ohne vorher eine Zusicherung vom Beklagten eingeholt zu haben.
Er betreibt nach seinen Angaben im Nebenerwerb - ca. 2 Stunden in der Woche - das Gewerbe "Leder- und Fellmagazin R. S.", mit dem er rund um Leder Serviceleistungen anbietet (z.B. Lederreinigung, Lederfärbung, Lederreparatur, Oldtimerservice etc. Bl. 84, 421 VA). Nach seinen Ein- und Ausgaberechnungen, die er der Beklagten nach Aufforderung seit 20.11.2006 vorlegte, hat er jeweils wie folgt negative Ergebnisse erzielt:
Ein-Aus 2005 (Bl. 97 VA) -10.362,19 Euro Ein-Aus 2006 (Bl. 96 VA) -6.611,21 Euro Ein-Aus 2007 (Bl. 364 VA) - 4.267,41 Euro Ein-Aus 2008 (Bl. 3 SG, Bl. 2 LSG) - 2.223,88 Euro Ein-Aus 2009 Bl. 542 VA, Bl. 3 LSG) - 13.100,03 Euro
Die Beklagte gewährte dem Kläger zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung von Einkommen aus dem Gewerbebetrieb, nämlich den Regelsatz in Höhe von 345,- Euro und die anerkannten Kosten der Unterkunft in Höhe von 291,- Euro (300 Euro abzüglich 9,- Euro), gesamt 636,- Euro (vgl. Bescheide vom 26.04.2005, Bl. 29/1 VA, vom 05.07.2005, Bl. 30/1 VA, vom 12.10.2005, Bl. 33 VA, vom 03.07.2006, Bl. 85 VA, vom 30.11.2006, Bl. 121 VA).
Durch die im Zusammenhang mit dem Fortzahlungsantrag vom 25.10.2006 vorgelegten Kontoauszüge (Bl. 101 ff) fiel der Beklagten auf, dass auf dem Konto des Klägers verschiedene Einnahmen zu verzeichnen waren, die die Beklagte dem Kläger als Einkommen zurechnete. Mit Änderungsbescheid vom 30.11.2006 berechnete sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung dieser Einnahmen ohne Abzug von Ausgaben als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.10.2006 nach und forderte mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30.11.2006 die gewährten Leistungen in Höhe von 2001,23 Euro zurück (Bl. 125, 132 VA). Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid v. 26.04.2007, Bl. 145 VA). Klage hat der Kläger dagegen nicht erhoben.
Ebenso verfuhr die Beklagte mit den Geldeingängen auf dem Konto des Klägers zwischen Januar und März 2007 (Änderungsbescheide vom 19.06.2007 für die Zeiträume vom 01.11.2006 bis 28.02.2007 und vom 01.03. bis 30.04.2007, Bl. 185 u. 191 VA, Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 01.08.2007 - Rückforderung in Höhe von 995,98 Euro, Bl. 223 VA).
In den folgenden Bewilligungszeiträumen rechnete die Beklagte zunächst ein Durchschnittseinkommen auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 19.06.2007 für die Zeit vom 01.05.2007 bis 31.10.2007, Bl. 200 VA und Bewilligungsbescheid vom 29.10.2007 für die Zeit vom 01.11.2007 bis 31.01.2008, Bl. 273 VA). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und wandte ein, es seien ihm Einnahmen aus Gewerbetätigkeit angerechnet worden, die leider nicht erzielt worden seien (Bl. 296 VA). Ohne weitere Nachweise zu fordern entsprach die Beklagte den Widersprüchen in vollem Umfang. Sie hob darüber hinaus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30.11.2006 über 2001,23 Euro auf (Rücknahmebescheid nach § 44 SGB X vom 14.11.2007, Bl. 319 VA); im Wege der Abhilfe im Widerspruchsverfahren hob sie die Bescheide vom 19.06.2007, den Bescheid vom 29.10.2007 und den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 01.08.2007 über 995,98 Euro auf (Abhilfebescheid vom 14.11.2007, Bl. 321 VA). Für den Zeitraum bis 30.04.2007 wurden dem Kläger folglich die vollen Leistungen (Regelleistung zzgl. der als angemessen anerkannten KdU zuletzt in Höhe von 293,47 Euro) bewilligt, ebenso für die späteren Bewilligungszeiträume (Änderungsbescheide vom 14.11.2007, für die Zeit bis 31.01.2008, Bl. 330, 334 VA). Die Beklagte ging nun anhand der vorgelegten Ein-Aus-Rechnungen davon aus, dass der Kläger keinen Gewinn im Jahresdurchschnitt erzielte und rechnete Einkommen nicht an.
Nach dem spontanen Umzug des Klägers zum 01.01.2008 in die teurere Wohnung in den Giebelsbergweg 2, den der Kläger mit monatelangen Mobbingaktionen des Vermieters erklärte (Bl. 365 VA), berücksichtigte die Beklagte KdU weiterhin nur in bisheriger Höhe von 293,47 Euro (vgl. Bescheide vom 27.03.2008, Bl. 385, 389 VA).
Im Fortzahlungsantrag vom 30.07./01.08.2008 gab der Kläger in der Anlage EK zu seinen Einkommensverhältnissen an, kein Einkommen weder aus einer Beschäftigung noch aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu erzielen (Bl. 401 VA). Er legte seine Kontoauszüge für die Zeit vom 11.03. bis 01.07.2008 vor. Daraus waren Zahlungseingänge aus Rechnungen ersichtlich. Mit Bescheid vom 05.08.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger unverändert ohne Anrechnung von Einkommen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.08.2008 bis 31.01.2009 in Höhe von 644,47 Euro weiter (RL 351 Euro, KdU 293,47 Euro, Bl. 410 VA).
Vermutlich im Juni 2008 gelangte ein anonymes Schreiben zur Beklagten, aus dem sich Hinweise auf den Lebensstil des Klägers und auf Nebentätigkeiten ergaben (Bl. 418, 446 VA). Die Beklagte leitete einen Ermittlungsauftrag an die Polizeidirektion Reutlingen und erstattete Anzeige wegen des Verdachts des Betrugs zum Nachteil der öffentlichen Hand (vgl. Bl. 429, 445 VA), beides blieb ergebnislos. Das polizeiliche Ermittlungsverfahren wurde intern am 28.12.2010 abgeschlossen (Bl. 101 RS LSG). Der Kläger hat hierzu im Erörterungstermin angegeben, von einem polizeilichen Ermittlungsverfahren nichts zu wissen.
Mit dem Fortzahlungsantrag vom 28.01.2009 (Bl. 430 VA), in dem er wiederum angab kein Einkommen zu erzielen, legte der Kläger erneut Kontoauszüge vor. Die darin enthaltenen zwei Zahlungseingänge vom 27.10.2008 - Brudermüller Vertriebs GmbH 178,50 Euro, Raumausstattung Reinhardt 59,50 Euro (Bl. 452 VA) - sowie zwei Bareinzahlungen - vom 25.11.2008 in Höhe von 500 Euro (Bl. 453 VA) und vom 09.01.2009 in Höhe von 1.500 Euro - veranlasste die Beklagte zur Anhörung des Klägers wegen eines möglicherweise zu Unrecht erfolgten Leistungsbezugs (Bl. 459 VA). Der Kläger antwortete hierauf nicht.
Die Beklagte änderte daraufhin unter Berücksichtigung der Überweisungsgutschriften und Bareinzahlungen als Einkommen ohne Berücksichtigung von Ausgaben die Bewilligung der Leistungen im Zeitraum vom 01.10. bis 30.11.2008 ab, bewilligte für Januar 2009 keine Leistungen und hob den Bescheid vom 05.08.2008 teilweise auf. Mit dem weiteren Bescheid forderte sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dementsprechend in Höhe von 1.322,47 Euro zurück (streitgegenständliche Änderungs- bzw. Aufhebungs- und Erstattungs-Bescheide vom 19.06.2009, Bl. 475, 479 VA).
Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, entgegen der Vermutung keine Zahlungen erhalten zu haben, die er zu seinem Lebensunterhalt verwenden konnte. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2009 zurückgewiesen. Unter Anrechnung der Überweisungen und Gutschriften auf dem Konto habe sich ein geringerer Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10. bis 30.11.2008 und kein Anspruch auf Leistungen für die Zeit vom 01.01. bis 31.01.2009 ergeben.
In der Folgezeit bewilligte die Beklagte die Leistungen wieder ausnahmslos ohne Anrechnung von Einkommen, obwohl sich auch aus den neu vorgelegten Kontoauszügen Gutschriften auf dem Konto ergaben (vgl. Zahlungseingänge Bl. 492 ff VA, Bescheid vom 30.07.2009, Bl. 500 VA).
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 06.10.2009 hat der Kläger am 05.11.2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, ihm werde unterstellt, Erlöse zur privaten Verwendung erzielt und genutzt zu haben. Das Gegenteil habe er belegt. Seiner Klage legte der Kläger eine Übersicht über Ein- und Ausgaben des Leder- & Fellmagazins Reinhard Senne von 2008 und teilweise 2009 vor, die er nicht weiter erläuterte.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.09.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe sich trotz Aufforderung durch den Beklagten nicht dazu erklärt, worum es sich bei den genannten Beträgen handele. Dies lasse sich auch den von ihm im Gerichtsverfahren vorgelegten Gegenüberstellungen der Ein- und Ausgaben eines Leder- & und Fellmagazins nicht entnehmen. Im Übrigen habe der Kläger im Rahmen der Antragstellung beim Beklagten im Juli 2008 erklärt, er habe keine Einkünfte. Damit habe der Kläger weder belegt, dass es sich bei den Beträgen um Erlöse handele noch, dass dies nicht der Fall sei. Ob er die Beträge im Übrigen ?zur privaten Verwendung" genutzt habe, sei für die Entscheidung unerheblich. Maßgeblich sei allein, dass sie ihm zugeflossen seien und damit zu seiner Verfügung gestanden hätten. Folglich sei davon auszugehen, dass es sich bei den auf dem Konto des Klägers gutgeschriebenen Beträgen um Einnahmen ungeklärter Herkunft handele, die nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen seien und den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II minderten. Die Aufhebung des Bewilligungsbescheides sei insoweit zwingend - auch für die Vergangenheit - und stehe nicht im Ermessen des Beklagten.
Gegen den ihm am 17.09.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, den 18.10.2010 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er sei seiner Mitwirkungspflicht immer nachgekommen. Adressen seiner Kunden und Lieferanten müsse er nicht nennen. Aus der Jahresübersicht gehe eindeutig hervor, dass kein Einkommen zur privaten Verwendung erzielt worden sei. Eine Erläuterung sei nicht verlangt worden und auch nicht nötig. Dass Erlöse auf sein Konto gekommen seien, bestreite er nicht. Ungeklärter Herkunft seien sie jedenfalls nicht. Die Zweckverwendung sei aus der Betriebsabrechnung deutlich. Bei den Bareinzahlungen handele es sich um Bareinnahmen zur Begleichung von Betriebskosten und Lieferantenrechnungen über sein Konto. Hierzu legte er die Ein- und Ausgabenrechnung von 2008 und 2009 komplett vor.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. September 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 19. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 12.05.2011 und am 29.03.2012 zwei Erörterungstermine durchgeführt. Hier hat der Kläger auf Nachfrage angegeben, dass er die Verluste aus selbständiger Tätigkeit durch von Freunden nur zu diesem Zweck geliehenes Geld in Höhe von ca. 15.000,- Euro gedeckt habe. Nähere Angaben mache er hierzu nicht. Die Mietdifferenz von ca. 200,- Euro seit seinem Umzug am 29.12.2007 finanziere er durch persönliche Einsparungen. Seinen persönlichen Bedarf bestreite er durch Verrechnung aus Bareinnahmen und Hilfe von Freunden, die diese für seine selbständige Tätigkeit leisteten. Er zahle schließlich von seinem Konto seine Ausgaben für das Gewerbe.
In der Folge legte er die Rechnungen vom 15.10.2008 an die Firma Brudermüller und die Firma Reinhardt, die Erläuterung zu den Einzahlungen auf sein Girokonto vom 20.07.2011 sowie die Steuererklärungen und Steuerbescheide für 2008 und 2009 vor. Danach ergab sich jeweils unter Abzug eines entsprechenden Verlustvortrags ein zu versteuerndes Einkommen von Null (vgl. Bl. 29 ff LSG).
Die Beklagte hielt die Erklärung für die Einzahlungen auf dem Konto nicht für ausreichend, insbesondere konnte sie nicht nachvollziehen, dass nur 1.312,21 Euro auf dem Konto eingegangen sein sollen bei Bareinnahmen in Höhe von 14.748,47 Euro. Auf Wunsch der Beklagten legte der Kläger die Kontoauszüge für 2008 komplett und teilweise für 2009 vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
I.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet. Die Beklagte fordert zu Unrecht vom Kläger die Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Überweisungen und Gutschriften vom 27.10.2008, 25.11.2008 und 09.01.2009 auf dem Girokonto des Klägers mindern seinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht. Die Voraussetzungen des § 48 SGB X sind nicht erfüllt.
Streitgegenstand sind der Änderungsbescheid und der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid jeweils vom 19.06.2009 beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2009, mit denen die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum vom 01.08. bis 31.12.2008 reduziert sowie für Januar 2009 aufgehoben hat und eine Erstattungsforderung in Höhe von 1.322,47 Euro gegenüber dem Kläger geltend macht. Dagegen geht der Kläger zutreffend mit der Anfechtungsklage vor. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hierbei der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 54 Rdnr. 33).
II.
Die Bescheide sind rechtwidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten.
Ob als Rechtsgrundlage § 48 SGB X oder § 45 SGB X in Betracht kommt, grenzt sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (Bundessozialgericht (BSG), Urteil v. 21.06.2011 - B 4 AS 22/10 R, juris Rn. 16). Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. § 45 SGB X regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. § 45 SGB X findet also Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll.
Zu beurteilen ist deshalb zunächst die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheids vom 05.08.2008, mit dem die von der Erstattung betroffenen Leistungen in den Monaten Oktober und November 2008 sowie Januar 2009 bewilligt worden waren. Anspruchsvoraussetzung ist zunächst, dass der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsbewilligung nach dem SGB II erfüllt hatte, insbesondere, dass er hilfebedürftig war. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 (i.d.F. des Gesetzes v. 23.12.2007, BGBl. I 3254) iVm § 9 Abs 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes v. 25.07.2006, BGBl. I 1706) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr. 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr. 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Zwar ergeben sich für den Senat Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung am 05.08.2008 aus folgenden Umständen: Der Kläger ist offensichtlich in der Lage, die seit seinem Umzug seit 01.01.2008 durch den Leistungsbezug nicht gedeckten Mietkosten in Höhe von ca. 200 Euro monatlich auch über den streitigen Zeitraum hinaus zu tragen. Die monatlichen Mietzahlungen sind als Abbuchungen seinen Kontoauszügen zu entnehmen. Seine Erklärung hierzu, dass er sich persönlich einschränke, ist nicht glaubhaft, da dies aus der lediglich das Existenzminimum sichernden Regelleistung in Höhe von seinerzeit 351 Euro schlichtweg nicht möglich ist. Auch die Buchungen auf seinem Konto vom 31.08.2007, 05.09.2007, 29,08.2007 und 04.07.2007 (Bl. 233, 235, 239 VA), mit denen Ersatzteile und KFZ-Steuer für einen Porsche 924 bezahlt wurden, lassen Fragen in Bezug auf eine Hilfebedürftigkeit sogar seit 01.01.2005 aufkommen. Zudem wirft Fragen auf, weshalb der Kläger als ALG II-Bezieher vom Finanzamt Reutlingen zu Pfändungen in Höhe von 160 Euro (Buchung vom 06.10.2008, Bl. 451 VA), in Höhe von 881 Euro (Buchung vom 12.12.2008 Bl. 455) und in Höhe von 442,87 Euro (Buchung vom 08.01.2009, Bl. 57 LSG) herangezogen wird und wie er dies zudem ohne Ratenzahlung in drei nicht unerheblichen Beträgen finanzieren kann. Zudem ist der Kläger seit dem Jahr 2005 in der Lage seine seit 2005 dauerhaft erheblich negativen Einnahmen, die sich zuletzt zum Jahresende 2009 auf 13.100,03 Euro beliefen, zu tragen. Hierzu erklärt der Kläger, ausschließlich zur Unterstützung seines Gewerbes Geld von Freunden zu erhalten, was er aber nicht näher offen legt. Ob es sich dabei um Einkommen handelt, das zu berücksichtigen ist oder andernfalls nicht, weil es sich tatsächlich um Zuwendungen Dritter, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch dienen, handelt und diese die Lage des Klägers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht gerechtfertigt wären (vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 05.12.2006 BGBl. I, 2757; § 1 Abs. 1 Nr. 2 ALG II-V i.d.F. v. 17.12.2007 BGBl. I, 2942), lässt sich daher nicht überprüfen. Im Übrigen ist anhand der Kontoauszüge nicht nachvollziehbar, wovon der Kläger gelebt hat, weil über das Konto abgesehen von Mietzahlungen im Wesentlichen keine privaten Buchungen oder Abhebungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts erfolgten, im gesamten Jahr 2008 eine Barabhebung von 1000 Euro und eine Lastschrift des Lebensmitteldiscounters Aldi. Seine Erklärung hierzu, er habe seinen Lebensunterhalt durch Verrechnungen mit den Bareinnahmen seines Gewerbes finanziert, ist nicht nachprüfbar.
Letztlich steht für den Senat jedoch nicht mit der hierfür erforderlichen Gewissheit fest, dass dem Kläger am 05.08.2008 tatsächlich über den ALG II-Bezug hinaus bereite Mittel zur Lebensunterhaltssicherung zur Verfügung gestanden haben, die seine Hilfebedürftigkeit reduziert bzw. gänzlich entfallen lassen haben.
Zum einen kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger am 05.08.2008 über Vermögen in Form eines PKW verfügte. Bei dem oben erwähnten Porsche 924 handelt es sich um einen PKW älterer Bauart. Zudem hat der Kläger am 21.04.2005 gegenüber der Beklagten angegeben, dass der PKW von ihm als Besitzer genutzt werde, er aber auf Grund von Schulden nicht der Eigentümer sei. Weiter ergeben sich aus den Kontoauszügen in 2008 keine Hinweise mehr, dass sich der PKW in den streitigen Monaten noch beim Kläger befand und die entsprechenden Buchungen für den PKW aus dem Jahre 2007 stammen.
Auch kann der Senat nicht mit der hierfür erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit von bereitem Einkommen des Klägers aus seinem Gewerbebetrieb am 05.08.2008 ausgehen. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II (idF des Gesetzes vom 05.12.2006) sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert, mithin auch Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit. Die Berechnung des Einkommens aus Gewerbebetrieb richtet sich nach § 3 Alg II-V - im streitigen Zeitraum idF vom 17.12.2007. Danach ist bei der Berechnung des Einkommens u.a. aus Gewerbebetrieb von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Alg II-V). Davon sind die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V). Tatsächliche Ausgaben sollen nicht abgesetzt werden, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen. Nachgewiesene Einnahmen können bei der Berechnung angemessen erhöht werden, wenn anzunehmen ist, dass die nachgewiesene Höhe der Einnahmen offensichtlich nicht den tatsächlichen Einnahmen entspricht. Ausgaben können bei der Berechnung nicht abgesetzt werden, soweit das Verhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen in einem auffälligen Missverhältnis steht (§ 3 Abs. 3 Alg II-V). Für jeden Monat ist der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Im Fall des Absatzes 1 Satz 3 gilt als monatliches Einkommen derjenige Teil des Einkommens, der der Anzahl der in den in Absatz 1 Satz 3 genannten Zeitraum fallenden Monate entspricht. Von dem Einkommen sind die Beträge nach § 11 Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch abzusetzen (§ 3 Abs. 4 Alg II-V). Ausgehend hiervon verfügte der Kläger zwar über Einnahmen aus seinem Gewerbebetrieb im Jahr 2008 in Höhe von 11.924,17 Euro, denen aber Ausgaben in Höhe von 14.148,05 Euro gegenüber standen, die zu einem negativen Betriebsergebnis in 2008 geführt haben. Konkrete Anhaltspunkte, die gegen ein negatives Betriebsergebnis sprechen und Grundlage für eine andere Berechnung liefern könnten, ergeben sich für den Senat nicht. Auch ging der Beklagte selbst bei gleicher Sachlage immer davon aus, dass der Kläger keine Gewinne erzielt hat. Zudem liefen auch die von der Beklagten veranlassten polizeilichen Ermittlungen im Hinblick auf einen Sozialleistungsbetrug ins Leere und auch der Steuerbescheid für das Jahr 2008 weist kein zu versteuerndes Einkommen aus.
Zusammenfassend steht für den Senat damit fest, dass der Bewilligungsbescheid vom 05.08.2008 rechtmäßig war. Rechtlich beurteilt sich der vorliegende Sachverhalt deshalb nach § 48 SGB X.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. §§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes vom 21.12.2008 BGBl. I, 2917), 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt wurde, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Diese Voraussetzungen liegen im streitigen Zeitraum nicht vor. Der Kläger hat mit den streitigen vier Zahlungsvorgängen auf seinem Konto kein Einkommen in diesem Sinne erzielt. Eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, wie sie zum Zeitpunkt der Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung vorgelegen haben, ist nicht eingetreten. Für die zwei Überweisungen auf sein Konto - Firmen B. und R. - hat der Kläger die entsprechenden Rechnungen vom 15.10.2008 vorgelegt. Es handelte sich um Zahlungsvorgänge im Zusammenhang mit seinem Gewerbebetrieb, die in seinen Ein- und Ausgabenrechnungen enthalten sind und insgesamt für die Jahre 2008 und 2009 zu negativen Ergebnissen geführt haben, wie auch schon in früheren Zeiten des Leistungsbezugs, was vom Beklagten mit Ausnahme der streitigen Monate Oktober und November 2008 sowie Januar 2009 so akzeptiert worden ist. Die Bareinzahlungen hat der Kläger plausibel damit erklärt, dass es sich um eine ?Umbuchung? seiner Bareinnahmen handelte, um auf seinem Konto Deckung zur Zahlung anderer Vorgänge zu haben. Vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Ausgaben durch die Pfändungen des Finanzamts ist dies erklärbar. Entkräften können hat der Beklagte diese Angaben nicht, zumal sich seine Zweifel an der Höhe der auf das Konto überwiesenen Einnahmen nach Vorlage der kompletten Kontoauszüge für das Jahr 2008 und teilweise 2009 nicht bestätigt haben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es sich entgegen der Angaben des Klägers etwa um Zuwendungen Dritter handelte, die zum Lebensunterhalt zur Verfügung standen, liegen nicht vor. Zur Überzeugung des Senats handelte es sich auch dabei um Bareinnahmen, die im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Klägers zu sehen sind und in das negative Betriebsergebnis eingeflossen sind. Insofern verbietet sich auch die von der Beklagten vorgenommene isolierte monatsweise Betrachtung ausschließlich der Einnahmen auf dem Konto des Klägers, was nicht mit der Berechnung von Einkommen aus Gewerbebetrieb gem. § 11 SGB II i.V.m. § 3 Alg II-V in Einklang steht.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Umkehr der Beweislast, wie von der Beklagten angesprochen, vorliegend nicht in Betracht kommt. Zum einen ist der Senat von den entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptungen überzeugt. Ein ?non liquet?, das zu einer Beweislastentscheidung führen könnte, liegt damit nicht vor. Selbst wenn dem so wäre, obliegt im Rahmen der Aufhebung der Bewilligung einer Leistungsbewilligung der Beklagten die objektive Beweislast für das Vorliegen der Aufhebungsvoraussetzungen, nämlich für das Vorliegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gegenüber denjenigen Verhältnissen, die den ursprünglichen begünstigenden Verwaltungsakt rechtfertigten (BSG, Urteil v. 08.09.2010 - B 11 AL 4/09 R, juris Rnr. 23). Eine Umkehr der Beweislast nach der Sphärentheorie (vgl. hierzu BSGE 96, 238, 245 f = SozR 4-4220 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 24.5.2006, B 11a AL 49/05 R; BSG Urteile vom 13.9.2006, B 11a AL 13/06 R und B 11a AL 19/06 R; BSG Urteil vom 21.3.2007, B 11a AL 21/06 R; BSG Urteil vom 28.8.2007, B 7a AL 10/06 R) kommt nicht in allen Fällen, in denen es um in der Sphäre des Arbeitslosen liegende Tatsachen geht, die die Beklagte in Ermangelung entsprechender Angaben des Arbeitslosen nicht kennt und nicht kennen muss, in Betracht. Eine Umkehr der Beweislast kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn Verhaltensweisen des Arbeitslosen vorliegen, welche zu einer Erschwerung oder Verhinderung der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen führen (BSG, Urteil vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R, juris Rnr. 22). Anhaltspunkte für ein solches Verhalten des Klägers sind nicht ersichtlich, da der Kläger alle von ihm geforderten Angaben gemacht und Unterlagen vorgelegt hat und seinen Mitwirkungspflichten, soweit von dem Beklagten überhaupt gefordert, in vollem Umfang nachgekommen ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Oktober und November 2008 teilweise sowie im Januar 2009 ganz und die Erstattung der gewährten Leistungen in Höhe von 1.322,47 Euro wegen Geldeingängen auf dem Girokonto des Klägers.
Der am 13.07.1956 geborene Kläger steht seit dem 01.01.2005 im Leistungsbezug des Beklagten.
Der Kläger bewohnt im in R.-G. eine 2 ½ Zimmer Wohnung mit etwas über 50 m² Wohnfläche und mit Stellplatz; die Warmmiete beträgt 500 Euro (Mietvertrag vom 05.12.2007, Bl. 351 der Verwaltungsakte(VA)). Hierhin ist er am 29.12.2007 aus seiner Wohnung im E.5/1 in Reutlingen (35 m², Warmmiete inklusive Nebenkosten 300 Euro, Strom/Gas 20 Euro, Bl. 4 VA) umgezogen ohne seinen vorherigen Vermieter zu benachrichtigen (Bl. 340 VA) und ohne vorher eine Zusicherung vom Beklagten eingeholt zu haben.
Er betreibt nach seinen Angaben im Nebenerwerb - ca. 2 Stunden in der Woche - das Gewerbe "Leder- und Fellmagazin R. S.", mit dem er rund um Leder Serviceleistungen anbietet (z.B. Lederreinigung, Lederfärbung, Lederreparatur, Oldtimerservice etc. Bl. 84, 421 VA). Nach seinen Ein- und Ausgaberechnungen, die er der Beklagten nach Aufforderung seit 20.11.2006 vorlegte, hat er jeweils wie folgt negative Ergebnisse erzielt:
Ein-Aus 2005 (Bl. 97 VA) -10.362,19 Euro Ein-Aus 2006 (Bl. 96 VA) -6.611,21 Euro Ein-Aus 2007 (Bl. 364 VA) - 4.267,41 Euro Ein-Aus 2008 (Bl. 3 SG, Bl. 2 LSG) - 2.223,88 Euro Ein-Aus 2009 Bl. 542 VA, Bl. 3 LSG) - 13.100,03 Euro
Die Beklagte gewährte dem Kläger zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung von Einkommen aus dem Gewerbebetrieb, nämlich den Regelsatz in Höhe von 345,- Euro und die anerkannten Kosten der Unterkunft in Höhe von 291,- Euro (300 Euro abzüglich 9,- Euro), gesamt 636,- Euro (vgl. Bescheide vom 26.04.2005, Bl. 29/1 VA, vom 05.07.2005, Bl. 30/1 VA, vom 12.10.2005, Bl. 33 VA, vom 03.07.2006, Bl. 85 VA, vom 30.11.2006, Bl. 121 VA).
Durch die im Zusammenhang mit dem Fortzahlungsantrag vom 25.10.2006 vorgelegten Kontoauszüge (Bl. 101 ff) fiel der Beklagten auf, dass auf dem Konto des Klägers verschiedene Einnahmen zu verzeichnen waren, die die Beklagte dem Kläger als Einkommen zurechnete. Mit Änderungsbescheid vom 30.11.2006 berechnete sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung dieser Einnahmen ohne Abzug von Ausgaben als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.10.2006 nach und forderte mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30.11.2006 die gewährten Leistungen in Höhe von 2001,23 Euro zurück (Bl. 125, 132 VA). Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid v. 26.04.2007, Bl. 145 VA). Klage hat der Kläger dagegen nicht erhoben.
Ebenso verfuhr die Beklagte mit den Geldeingängen auf dem Konto des Klägers zwischen Januar und März 2007 (Änderungsbescheide vom 19.06.2007 für die Zeiträume vom 01.11.2006 bis 28.02.2007 und vom 01.03. bis 30.04.2007, Bl. 185 u. 191 VA, Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 01.08.2007 - Rückforderung in Höhe von 995,98 Euro, Bl. 223 VA).
In den folgenden Bewilligungszeiträumen rechnete die Beklagte zunächst ein Durchschnittseinkommen auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 19.06.2007 für die Zeit vom 01.05.2007 bis 31.10.2007, Bl. 200 VA und Bewilligungsbescheid vom 29.10.2007 für die Zeit vom 01.11.2007 bis 31.01.2008, Bl. 273 VA). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und wandte ein, es seien ihm Einnahmen aus Gewerbetätigkeit angerechnet worden, die leider nicht erzielt worden seien (Bl. 296 VA). Ohne weitere Nachweise zu fordern entsprach die Beklagte den Widersprüchen in vollem Umfang. Sie hob darüber hinaus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30.11.2006 über 2001,23 Euro auf (Rücknahmebescheid nach § 44 SGB X vom 14.11.2007, Bl. 319 VA); im Wege der Abhilfe im Widerspruchsverfahren hob sie die Bescheide vom 19.06.2007, den Bescheid vom 29.10.2007 und den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 01.08.2007 über 995,98 Euro auf (Abhilfebescheid vom 14.11.2007, Bl. 321 VA). Für den Zeitraum bis 30.04.2007 wurden dem Kläger folglich die vollen Leistungen (Regelleistung zzgl. der als angemessen anerkannten KdU zuletzt in Höhe von 293,47 Euro) bewilligt, ebenso für die späteren Bewilligungszeiträume (Änderungsbescheide vom 14.11.2007, für die Zeit bis 31.01.2008, Bl. 330, 334 VA). Die Beklagte ging nun anhand der vorgelegten Ein-Aus-Rechnungen davon aus, dass der Kläger keinen Gewinn im Jahresdurchschnitt erzielte und rechnete Einkommen nicht an.
Nach dem spontanen Umzug des Klägers zum 01.01.2008 in die teurere Wohnung in den Giebelsbergweg 2, den der Kläger mit monatelangen Mobbingaktionen des Vermieters erklärte (Bl. 365 VA), berücksichtigte die Beklagte KdU weiterhin nur in bisheriger Höhe von 293,47 Euro (vgl. Bescheide vom 27.03.2008, Bl. 385, 389 VA).
Im Fortzahlungsantrag vom 30.07./01.08.2008 gab der Kläger in der Anlage EK zu seinen Einkommensverhältnissen an, kein Einkommen weder aus einer Beschäftigung noch aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu erzielen (Bl. 401 VA). Er legte seine Kontoauszüge für die Zeit vom 11.03. bis 01.07.2008 vor. Daraus waren Zahlungseingänge aus Rechnungen ersichtlich. Mit Bescheid vom 05.08.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger unverändert ohne Anrechnung von Einkommen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.08.2008 bis 31.01.2009 in Höhe von 644,47 Euro weiter (RL 351 Euro, KdU 293,47 Euro, Bl. 410 VA).
Vermutlich im Juni 2008 gelangte ein anonymes Schreiben zur Beklagten, aus dem sich Hinweise auf den Lebensstil des Klägers und auf Nebentätigkeiten ergaben (Bl. 418, 446 VA). Die Beklagte leitete einen Ermittlungsauftrag an die Polizeidirektion Reutlingen und erstattete Anzeige wegen des Verdachts des Betrugs zum Nachteil der öffentlichen Hand (vgl. Bl. 429, 445 VA), beides blieb ergebnislos. Das polizeiliche Ermittlungsverfahren wurde intern am 28.12.2010 abgeschlossen (Bl. 101 RS LSG). Der Kläger hat hierzu im Erörterungstermin angegeben, von einem polizeilichen Ermittlungsverfahren nichts zu wissen.
Mit dem Fortzahlungsantrag vom 28.01.2009 (Bl. 430 VA), in dem er wiederum angab kein Einkommen zu erzielen, legte der Kläger erneut Kontoauszüge vor. Die darin enthaltenen zwei Zahlungseingänge vom 27.10.2008 - Brudermüller Vertriebs GmbH 178,50 Euro, Raumausstattung Reinhardt 59,50 Euro (Bl. 452 VA) - sowie zwei Bareinzahlungen - vom 25.11.2008 in Höhe von 500 Euro (Bl. 453 VA) und vom 09.01.2009 in Höhe von 1.500 Euro - veranlasste die Beklagte zur Anhörung des Klägers wegen eines möglicherweise zu Unrecht erfolgten Leistungsbezugs (Bl. 459 VA). Der Kläger antwortete hierauf nicht.
Die Beklagte änderte daraufhin unter Berücksichtigung der Überweisungsgutschriften und Bareinzahlungen als Einkommen ohne Berücksichtigung von Ausgaben die Bewilligung der Leistungen im Zeitraum vom 01.10. bis 30.11.2008 ab, bewilligte für Januar 2009 keine Leistungen und hob den Bescheid vom 05.08.2008 teilweise auf. Mit dem weiteren Bescheid forderte sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dementsprechend in Höhe von 1.322,47 Euro zurück (streitgegenständliche Änderungs- bzw. Aufhebungs- und Erstattungs-Bescheide vom 19.06.2009, Bl. 475, 479 VA).
Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, entgegen der Vermutung keine Zahlungen erhalten zu haben, die er zu seinem Lebensunterhalt verwenden konnte. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2009 zurückgewiesen. Unter Anrechnung der Überweisungen und Gutschriften auf dem Konto habe sich ein geringerer Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10. bis 30.11.2008 und kein Anspruch auf Leistungen für die Zeit vom 01.01. bis 31.01.2009 ergeben.
In der Folgezeit bewilligte die Beklagte die Leistungen wieder ausnahmslos ohne Anrechnung von Einkommen, obwohl sich auch aus den neu vorgelegten Kontoauszügen Gutschriften auf dem Konto ergaben (vgl. Zahlungseingänge Bl. 492 ff VA, Bescheid vom 30.07.2009, Bl. 500 VA).
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 06.10.2009 hat der Kläger am 05.11.2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, ihm werde unterstellt, Erlöse zur privaten Verwendung erzielt und genutzt zu haben. Das Gegenteil habe er belegt. Seiner Klage legte der Kläger eine Übersicht über Ein- und Ausgaben des Leder- & Fellmagazins Reinhard Senne von 2008 und teilweise 2009 vor, die er nicht weiter erläuterte.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.09.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe sich trotz Aufforderung durch den Beklagten nicht dazu erklärt, worum es sich bei den genannten Beträgen handele. Dies lasse sich auch den von ihm im Gerichtsverfahren vorgelegten Gegenüberstellungen der Ein- und Ausgaben eines Leder- & und Fellmagazins nicht entnehmen. Im Übrigen habe der Kläger im Rahmen der Antragstellung beim Beklagten im Juli 2008 erklärt, er habe keine Einkünfte. Damit habe der Kläger weder belegt, dass es sich bei den Beträgen um Erlöse handele noch, dass dies nicht der Fall sei. Ob er die Beträge im Übrigen ?zur privaten Verwendung" genutzt habe, sei für die Entscheidung unerheblich. Maßgeblich sei allein, dass sie ihm zugeflossen seien und damit zu seiner Verfügung gestanden hätten. Folglich sei davon auszugehen, dass es sich bei den auf dem Konto des Klägers gutgeschriebenen Beträgen um Einnahmen ungeklärter Herkunft handele, die nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen seien und den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II minderten. Die Aufhebung des Bewilligungsbescheides sei insoweit zwingend - auch für die Vergangenheit - und stehe nicht im Ermessen des Beklagten.
Gegen den ihm am 17.09.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, den 18.10.2010 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er sei seiner Mitwirkungspflicht immer nachgekommen. Adressen seiner Kunden und Lieferanten müsse er nicht nennen. Aus der Jahresübersicht gehe eindeutig hervor, dass kein Einkommen zur privaten Verwendung erzielt worden sei. Eine Erläuterung sei nicht verlangt worden und auch nicht nötig. Dass Erlöse auf sein Konto gekommen seien, bestreite er nicht. Ungeklärter Herkunft seien sie jedenfalls nicht. Die Zweckverwendung sei aus der Betriebsabrechnung deutlich. Bei den Bareinzahlungen handele es sich um Bareinnahmen zur Begleichung von Betriebskosten und Lieferantenrechnungen über sein Konto. Hierzu legte er die Ein- und Ausgabenrechnung von 2008 und 2009 komplett vor.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. September 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 19. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 12.05.2011 und am 29.03.2012 zwei Erörterungstermine durchgeführt. Hier hat der Kläger auf Nachfrage angegeben, dass er die Verluste aus selbständiger Tätigkeit durch von Freunden nur zu diesem Zweck geliehenes Geld in Höhe von ca. 15.000,- Euro gedeckt habe. Nähere Angaben mache er hierzu nicht. Die Mietdifferenz von ca. 200,- Euro seit seinem Umzug am 29.12.2007 finanziere er durch persönliche Einsparungen. Seinen persönlichen Bedarf bestreite er durch Verrechnung aus Bareinnahmen und Hilfe von Freunden, die diese für seine selbständige Tätigkeit leisteten. Er zahle schließlich von seinem Konto seine Ausgaben für das Gewerbe.
In der Folge legte er die Rechnungen vom 15.10.2008 an die Firma Brudermüller und die Firma Reinhardt, die Erläuterung zu den Einzahlungen auf sein Girokonto vom 20.07.2011 sowie die Steuererklärungen und Steuerbescheide für 2008 und 2009 vor. Danach ergab sich jeweils unter Abzug eines entsprechenden Verlustvortrags ein zu versteuerndes Einkommen von Null (vgl. Bl. 29 ff LSG).
Die Beklagte hielt die Erklärung für die Einzahlungen auf dem Konto nicht für ausreichend, insbesondere konnte sie nicht nachvollziehen, dass nur 1.312,21 Euro auf dem Konto eingegangen sein sollen bei Bareinnahmen in Höhe von 14.748,47 Euro. Auf Wunsch der Beklagten legte der Kläger die Kontoauszüge für 2008 komplett und teilweise für 2009 vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
I.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet. Die Beklagte fordert zu Unrecht vom Kläger die Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Überweisungen und Gutschriften vom 27.10.2008, 25.11.2008 und 09.01.2009 auf dem Girokonto des Klägers mindern seinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht. Die Voraussetzungen des § 48 SGB X sind nicht erfüllt.
Streitgegenstand sind der Änderungsbescheid und der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid jeweils vom 19.06.2009 beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2009, mit denen die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum vom 01.08. bis 31.12.2008 reduziert sowie für Januar 2009 aufgehoben hat und eine Erstattungsforderung in Höhe von 1.322,47 Euro gegenüber dem Kläger geltend macht. Dagegen geht der Kläger zutreffend mit der Anfechtungsklage vor. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hierbei der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 54 Rdnr. 33).
II.
Die Bescheide sind rechtwidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten.
Ob als Rechtsgrundlage § 48 SGB X oder § 45 SGB X in Betracht kommt, grenzt sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (Bundessozialgericht (BSG), Urteil v. 21.06.2011 - B 4 AS 22/10 R, juris Rn. 16). Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. § 45 SGB X regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. § 45 SGB X findet also Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll.
Zu beurteilen ist deshalb zunächst die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheids vom 05.08.2008, mit dem die von der Erstattung betroffenen Leistungen in den Monaten Oktober und November 2008 sowie Januar 2009 bewilligt worden waren. Anspruchsvoraussetzung ist zunächst, dass der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsbewilligung nach dem SGB II erfüllt hatte, insbesondere, dass er hilfebedürftig war. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 (i.d.F. des Gesetzes v. 23.12.2007, BGBl. I 3254) iVm § 9 Abs 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes v. 25.07.2006, BGBl. I 1706) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr. 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr. 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Zwar ergeben sich für den Senat Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung am 05.08.2008 aus folgenden Umständen: Der Kläger ist offensichtlich in der Lage, die seit seinem Umzug seit 01.01.2008 durch den Leistungsbezug nicht gedeckten Mietkosten in Höhe von ca. 200 Euro monatlich auch über den streitigen Zeitraum hinaus zu tragen. Die monatlichen Mietzahlungen sind als Abbuchungen seinen Kontoauszügen zu entnehmen. Seine Erklärung hierzu, dass er sich persönlich einschränke, ist nicht glaubhaft, da dies aus der lediglich das Existenzminimum sichernden Regelleistung in Höhe von seinerzeit 351 Euro schlichtweg nicht möglich ist. Auch die Buchungen auf seinem Konto vom 31.08.2007, 05.09.2007, 29,08.2007 und 04.07.2007 (Bl. 233, 235, 239 VA), mit denen Ersatzteile und KFZ-Steuer für einen Porsche 924 bezahlt wurden, lassen Fragen in Bezug auf eine Hilfebedürftigkeit sogar seit 01.01.2005 aufkommen. Zudem wirft Fragen auf, weshalb der Kläger als ALG II-Bezieher vom Finanzamt Reutlingen zu Pfändungen in Höhe von 160 Euro (Buchung vom 06.10.2008, Bl. 451 VA), in Höhe von 881 Euro (Buchung vom 12.12.2008 Bl. 455) und in Höhe von 442,87 Euro (Buchung vom 08.01.2009, Bl. 57 LSG) herangezogen wird und wie er dies zudem ohne Ratenzahlung in drei nicht unerheblichen Beträgen finanzieren kann. Zudem ist der Kläger seit dem Jahr 2005 in der Lage seine seit 2005 dauerhaft erheblich negativen Einnahmen, die sich zuletzt zum Jahresende 2009 auf 13.100,03 Euro beliefen, zu tragen. Hierzu erklärt der Kläger, ausschließlich zur Unterstützung seines Gewerbes Geld von Freunden zu erhalten, was er aber nicht näher offen legt. Ob es sich dabei um Einkommen handelt, das zu berücksichtigen ist oder andernfalls nicht, weil es sich tatsächlich um Zuwendungen Dritter, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch dienen, handelt und diese die Lage des Klägers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht gerechtfertigt wären (vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 05.12.2006 BGBl. I, 2757; § 1 Abs. 1 Nr. 2 ALG II-V i.d.F. v. 17.12.2007 BGBl. I, 2942), lässt sich daher nicht überprüfen. Im Übrigen ist anhand der Kontoauszüge nicht nachvollziehbar, wovon der Kläger gelebt hat, weil über das Konto abgesehen von Mietzahlungen im Wesentlichen keine privaten Buchungen oder Abhebungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts erfolgten, im gesamten Jahr 2008 eine Barabhebung von 1000 Euro und eine Lastschrift des Lebensmitteldiscounters Aldi. Seine Erklärung hierzu, er habe seinen Lebensunterhalt durch Verrechnungen mit den Bareinnahmen seines Gewerbes finanziert, ist nicht nachprüfbar.
Letztlich steht für den Senat jedoch nicht mit der hierfür erforderlichen Gewissheit fest, dass dem Kläger am 05.08.2008 tatsächlich über den ALG II-Bezug hinaus bereite Mittel zur Lebensunterhaltssicherung zur Verfügung gestanden haben, die seine Hilfebedürftigkeit reduziert bzw. gänzlich entfallen lassen haben.
Zum einen kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger am 05.08.2008 über Vermögen in Form eines PKW verfügte. Bei dem oben erwähnten Porsche 924 handelt es sich um einen PKW älterer Bauart. Zudem hat der Kläger am 21.04.2005 gegenüber der Beklagten angegeben, dass der PKW von ihm als Besitzer genutzt werde, er aber auf Grund von Schulden nicht der Eigentümer sei. Weiter ergeben sich aus den Kontoauszügen in 2008 keine Hinweise mehr, dass sich der PKW in den streitigen Monaten noch beim Kläger befand und die entsprechenden Buchungen für den PKW aus dem Jahre 2007 stammen.
Auch kann der Senat nicht mit der hierfür erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit von bereitem Einkommen des Klägers aus seinem Gewerbebetrieb am 05.08.2008 ausgehen. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II (idF des Gesetzes vom 05.12.2006) sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert, mithin auch Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit. Die Berechnung des Einkommens aus Gewerbebetrieb richtet sich nach § 3 Alg II-V - im streitigen Zeitraum idF vom 17.12.2007. Danach ist bei der Berechnung des Einkommens u.a. aus Gewerbebetrieb von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Alg II-V). Davon sind die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V). Tatsächliche Ausgaben sollen nicht abgesetzt werden, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen. Nachgewiesene Einnahmen können bei der Berechnung angemessen erhöht werden, wenn anzunehmen ist, dass die nachgewiesene Höhe der Einnahmen offensichtlich nicht den tatsächlichen Einnahmen entspricht. Ausgaben können bei der Berechnung nicht abgesetzt werden, soweit das Verhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen in einem auffälligen Missverhältnis steht (§ 3 Abs. 3 Alg II-V). Für jeden Monat ist der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Im Fall des Absatzes 1 Satz 3 gilt als monatliches Einkommen derjenige Teil des Einkommens, der der Anzahl der in den in Absatz 1 Satz 3 genannten Zeitraum fallenden Monate entspricht. Von dem Einkommen sind die Beträge nach § 11 Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch abzusetzen (§ 3 Abs. 4 Alg II-V). Ausgehend hiervon verfügte der Kläger zwar über Einnahmen aus seinem Gewerbebetrieb im Jahr 2008 in Höhe von 11.924,17 Euro, denen aber Ausgaben in Höhe von 14.148,05 Euro gegenüber standen, die zu einem negativen Betriebsergebnis in 2008 geführt haben. Konkrete Anhaltspunkte, die gegen ein negatives Betriebsergebnis sprechen und Grundlage für eine andere Berechnung liefern könnten, ergeben sich für den Senat nicht. Auch ging der Beklagte selbst bei gleicher Sachlage immer davon aus, dass der Kläger keine Gewinne erzielt hat. Zudem liefen auch die von der Beklagten veranlassten polizeilichen Ermittlungen im Hinblick auf einen Sozialleistungsbetrug ins Leere und auch der Steuerbescheid für das Jahr 2008 weist kein zu versteuerndes Einkommen aus.
Zusammenfassend steht für den Senat damit fest, dass der Bewilligungsbescheid vom 05.08.2008 rechtmäßig war. Rechtlich beurteilt sich der vorliegende Sachverhalt deshalb nach § 48 SGB X.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. §§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes vom 21.12.2008 BGBl. I, 2917), 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt wurde, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Diese Voraussetzungen liegen im streitigen Zeitraum nicht vor. Der Kläger hat mit den streitigen vier Zahlungsvorgängen auf seinem Konto kein Einkommen in diesem Sinne erzielt. Eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, wie sie zum Zeitpunkt der Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung vorgelegen haben, ist nicht eingetreten. Für die zwei Überweisungen auf sein Konto - Firmen B. und R. - hat der Kläger die entsprechenden Rechnungen vom 15.10.2008 vorgelegt. Es handelte sich um Zahlungsvorgänge im Zusammenhang mit seinem Gewerbebetrieb, die in seinen Ein- und Ausgabenrechnungen enthalten sind und insgesamt für die Jahre 2008 und 2009 zu negativen Ergebnissen geführt haben, wie auch schon in früheren Zeiten des Leistungsbezugs, was vom Beklagten mit Ausnahme der streitigen Monate Oktober und November 2008 sowie Januar 2009 so akzeptiert worden ist. Die Bareinzahlungen hat der Kläger plausibel damit erklärt, dass es sich um eine ?Umbuchung? seiner Bareinnahmen handelte, um auf seinem Konto Deckung zur Zahlung anderer Vorgänge zu haben. Vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Ausgaben durch die Pfändungen des Finanzamts ist dies erklärbar. Entkräften können hat der Beklagte diese Angaben nicht, zumal sich seine Zweifel an der Höhe der auf das Konto überwiesenen Einnahmen nach Vorlage der kompletten Kontoauszüge für das Jahr 2008 und teilweise 2009 nicht bestätigt haben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es sich entgegen der Angaben des Klägers etwa um Zuwendungen Dritter handelte, die zum Lebensunterhalt zur Verfügung standen, liegen nicht vor. Zur Überzeugung des Senats handelte es sich auch dabei um Bareinnahmen, die im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Klägers zu sehen sind und in das negative Betriebsergebnis eingeflossen sind. Insofern verbietet sich auch die von der Beklagten vorgenommene isolierte monatsweise Betrachtung ausschließlich der Einnahmen auf dem Konto des Klägers, was nicht mit der Berechnung von Einkommen aus Gewerbebetrieb gem. § 11 SGB II i.V.m. § 3 Alg II-V in Einklang steht.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Umkehr der Beweislast, wie von der Beklagten angesprochen, vorliegend nicht in Betracht kommt. Zum einen ist der Senat von den entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptungen überzeugt. Ein ?non liquet?, das zu einer Beweislastentscheidung führen könnte, liegt damit nicht vor. Selbst wenn dem so wäre, obliegt im Rahmen der Aufhebung der Bewilligung einer Leistungsbewilligung der Beklagten die objektive Beweislast für das Vorliegen der Aufhebungsvoraussetzungen, nämlich für das Vorliegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gegenüber denjenigen Verhältnissen, die den ursprünglichen begünstigenden Verwaltungsakt rechtfertigten (BSG, Urteil v. 08.09.2010 - B 11 AL 4/09 R, juris Rnr. 23). Eine Umkehr der Beweislast nach der Sphärentheorie (vgl. hierzu BSGE 96, 238, 245 f = SozR 4-4220 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 24.5.2006, B 11a AL 49/05 R; BSG Urteile vom 13.9.2006, B 11a AL 13/06 R und B 11a AL 19/06 R; BSG Urteil vom 21.3.2007, B 11a AL 21/06 R; BSG Urteil vom 28.8.2007, B 7a AL 10/06 R) kommt nicht in allen Fällen, in denen es um in der Sphäre des Arbeitslosen liegende Tatsachen geht, die die Beklagte in Ermangelung entsprechender Angaben des Arbeitslosen nicht kennt und nicht kennen muss, in Betracht. Eine Umkehr der Beweislast kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn Verhaltensweisen des Arbeitslosen vorliegen, welche zu einer Erschwerung oder Verhinderung der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen führen (BSG, Urteil vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R, juris Rnr. 22). Anhaltspunkte für ein solches Verhalten des Klägers sind nicht ersichtlich, da der Kläger alle von ihm geforderten Angaben gemacht und Unterlagen vorgelegt hat und seinen Mitwirkungspflichten, soweit von dem Beklagten überhaupt gefordert, in vollem Umfang nachgekommen ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved