L 11 R 5240/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 4379/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5240/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Facharbeiter, der in der ehemaligen DDR in dreijähriger Ausbildung den Beruf des Graveurs erlernt hat, kann sozial zumutbar auf eine Tätigkeit als angelernter Registrator nach Entgeltgruppe 3 der Entgeltordnung zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder verwiesen werden. Derartige Tätigkeiten existieren auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichendem Umfang (Anschluss an LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.2012, L 13 R 6087/09).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.09.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger ausgehend von seinem Rentenantrag vom 28.06.2007 bzw seinem Reha-Antrag vom 03.05.2007 ein Anspruch auf die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, ggf bei Berufsunfähigkeit, ab dem 01.06.2007 bzw 01.05.2007 zusteht.

Der 1953 geborene Kläger erlernte in der ehemaligen DDR in dreijähriger Ausbildung den Beruf eines Graveurs und war als solcher bis 2006 vollschichtig versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 05.11.2006 ist er arbeitsunfähig geschrieben. Nach dem Bezug von Krankengeld bezog der Kläger Arbeitslosengeld.

Am 03.05.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von ambulanten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die die Beklagte dann in Form einer ganztägigen Rehabilitation vom 06.06.2007 bis zum 27.06.2007 im Rehazentrum M. H. in B.-B. durchführte. Im Entlassungsbericht vom 27.06.2007 von Dr. S. werden als Diagnosen ein Outlet-Impingementsyndrom rechte Schulter (Op am 27.02.2007) sowie eine ACG-Arthrose mit lateraler Klavikularesektion am 27.02.2007 genannt. Der Kläger sei als Graveur unter drei Stunden, für leichte Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen, zeitweise im Sitzen, in Tagesschicht und unter Berücksichtigung von Einschränkungen hinsichtlich des Bewegungs-/Haltungsapparates noch unter drei Stunden leistungsfähig. Zur Zeit könne er keine manuelle Tätigkeit mit dem rechten Funktionsarm ausüben, einhändige Tätigkeiten seien nur links möglich.

Am 28.06.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten dann die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Im Auftrag der Beklagten erstattete der Chirurg Dr. R. am 23.08.2007 ein Gutachten über den Kläger. Dieser leide aufgrund der durchgeführten Acromioplastik mit Clavikularesektion an chronischen Schulterschmerzen rechts. Er sei damit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne häufige Überkopfarbeit sechs Stunden und mehr täglich leistungsfähig; ebenso bestehe vollschichtige Leistungsfähigkeit im Beruf eines Graveurs.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11.09.2007 die Gewährung einer Rente ab. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert.

Mit seinem Widerspruch vom 19.09.2007 machte der Kläger geltend, wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr in der Lage zu sein, eine Erwerbstätigkeit vollschichtig zu verrichten. Es sei ihm auch nicht möglich, eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Eine Hoffnung auf Besserung bestehe nicht mehr. Ziel der Therapien sei es, eine endgradige Versteifung der rechten Schulter zu verhindern, um so eine gewisse Alltagstauglichkeit zu gewährleisten und ein wenig Lebensqualität zu sichern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Auch könne er noch seinen letzten Beruf noch ausüben.

Hiergegen hat der Kläger am 05.12.2007 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und sich auf die Ausführungen des Reha-Entlassungsberichts berufen, wonach er auch für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur unter drei Stunden leistungsfähig sei.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens bei Prof. Dr. L ... Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 43 bis 65 sowie wegen dessen ergänzender Stellungnahme auf Blatt 82 bis 87 der SG-Akte Bezug genommen. Prof. Dr. L., Leiter der Sektion für Schulter und Ellenbogenchirurgie der Orthopädischen Universitätsklinik H., Abteilung Orthopädie I, hat in seinem Gutachten vom 28.05.2008 ausgeführt, beim Kläger bestünden eine Narbenbildung, örtliche Druckschmerzen und eine knöcherne Vorwölbung am linken inneren Kniegelenkspalt bei diskreter Gelenkverschmälerung, ein leichter Rundrücken mit Druckschmerzen und Belastungsstörungen der Lendenwirbelsäule sowie Narbenbildung, hochgradige aktive und endgradige passive Bewegungseinschränkung der rechten Schulter nach chirurgisch versorgter Eckgelenksarthrose. Die vom Kläger demonstrierte weitgehende Gebrauchsunfähigkeit des rechten Armes könne durch objektive Befunde nicht nachvollzogen werden. Es bestünden zudem Verhaltensauffälligkeiten, die Hinweise auf eine so- matoforme Schmerzstörung mit Verdeutlichungstendenz ergäben. Ausgeschlossen seien körperliche Arbeiten mit der Notwendigkeit von regelmäßigen beidhändigen Verrichtungen oberhalb der Schulterhöhe. Der Kläger könne somit seinen zuletzt ausgeübten Beruf vollschichtig für ca 8 Stunden ausführen. Er sei auch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Neben der bisher ausgeübten Berufstätigkeit als Graveur kämen unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen sämtliche leichten und mittelschweren körperlichen Tätigkeiten, daneben auch aufsichtführende, überwachende und administrative Tätigkeiten in Betracht.

In seiner ergänzenden Stellungnahme hat Prof. Dr. L. u a ausgeführt, es bestünden beim Kläger Diskrepanzen zwischen dem aktiven und passiven Bewegungsausmaß der rechten Schulter sowie zwischen der demonstrierten hochgradigen Gebrauchsminderung des Armes und der seitengleich kräftig ausgeprägten Muskulatur.

Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. S. als sachverständige Zeugin. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 88 bis 91 der SG-Akte Bezug genommen. In ihrer Auskunft vom 04.09.2008 hat Dr. S. angegeben, wegen einer nahezu vollständigen Gebrauchsunfähigkeit des Funktionsarmes rechts sei der Kläger nicht mehr in der Lage, seine Tätigkeit auszuüben. Es bestünden manuelle Einschränkungen des rechten Armes, auch das Schreiben mit dem rechten Arm sei nur noch unter drei Stunden möglich. Auch leichte Tätigkeiten könnten nur mit dem linken Arm ausgeführt werden. Der Kläger könne seinen Arm zu einer Tätigkeit nicht mehr auf Tischhöhe einsetzen. Die Leistungsfähigkeit betrage weniger als drei Stunden.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt für Orthopädie, Chirotherapie Dr. B. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 103 bis 129 der SG-Akte Bezug genommen. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 03.01.2009 festgestellt, beim Kläger bestehe im Wesentlichen eine schmerzhafte Impingement-Symptomatik der rechten Schulter mit aktiver und passiver Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes nach operativer Versorgung. Ferner bestehe eine statische Aufbaustörung der Wirbelsäule mit Hohlrundrücken und vermehrter Seitverbiegung sowie teilweiser Bewegungseinschränkung. Am linken Knie bestehe eine subcutane Schwellung mit Verdacht auf Innenmeniskus-Läsion. Grobe Tätigkeiten bis etwa Bauchhöhe seien unter Vermeidung häufiger Rotation der Schulter durchaus weiterhin auszuüben. In seiner Tätigkeit als Graveur, unabhängig von der Arbeitshöhe, sitzend oder stehend, sei eine ausgeprägt feinmotorische Arbeit wie das Gravieren kleinster Zeichen mit linearen aber auch mit Rotationsbewegungen, in einem entsprechenden Zeittakt nicht mehr zuzumuten. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, in seiner bisherigen Tätigkeit als Graveur im arbeitsüblichen Zeittakt mindestens drei Stunden zu arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei eine leichte, zeitweise auch körperlich mittelschwere Arbeit, dem Kläger sehr wohl zuzumuten, da eine Funktionskompensation des rechten Armes durch links möglich erscheine, ferner seien kurzfristige, sich nicht allzu häufig wiederholende Schreibarbeiten mit rechts, zB das Machen von Notizen oder Eintragen von Leistungsdaten, für mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Einschränkungen bestünden darin, dass Vorhaltearbeiten über Bauchhöhe, häufige Rotationsbewegungen in der rechten Schulter mit Außen- und Innenrotation sowie Abduktionsbewegungen vermieden werden müssten. Arbeiten in Brust- und Überkopfhöhe seien nicht zumutbar, entsprechende kurze Zeittaktungen für den Bereich des rechten Unterarmes und der rechten Hand ebenfalls nicht. Ebenso sollten Tätigkeiten mit Tragen, häufigem Bücken sowie Tätigkeiten in kalten, feuchten, zugigen Räumen vermieden werden.

Mit Urteil vom 23.09.2010 hat das SG daraufhin die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. Zwar sei dem Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr zumutbar, was Dr. B. schlüssig dargelegt habe, doch müsse sich der Kläger auf eine Tätigkeit als Registrator im öffentlichen Dienst nach der Entgeltgruppe III TVöD, vormals VIII BAT, verweisen lassen. Diese Tätigkeit sei dem Kläger nicht nur sozial sondern auch medizinisch zuzumuten. Denn es handele sich um eine im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ausgeübte Beschäftigung, die überwiegend leichter und nur zeitweise mittel schwerer Art sei. Das Heben und Tragen von Lasten sei auf bis zu 10 kg beschränkt, wobei diese Lasten selten seien; darüber hinaus stünden die üblichen, gängigen Hilfsmittel wie leichte Hand- und Korbwagen zur Verfügung. Eine solche Tätigkeit sei dem Kläger mit den bei ihm festgestellten körperlichen Einschränkungen möglich; insbesondere erachte auch Dr. B. den Kläger für verwaltende Tätigkeiten für vollschichtig leistungsfähig. Der Kläger sei daher nicht berufsunfähig. Er sei auch nicht teilweise oder gar voll erwerbsgemindert, weil seine Leistungsfähigkeit nicht auf weniger als sechs Stunden herabgesunken sei.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 11.10.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.11.2010 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Nach dem Gutachten von Dr. B. sei nicht mehr streitig, dass er seinen Beruf als Graveur nicht mehr ausführen könne. Es werde bestritten, dass er aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen die Tätigkeit eines Registrators ausüben könne. Er sei Graveur und nicht mit irgendwelchen Tätigkeiten eines Registrators in der Vergangenheit befasst gewesen. Es werde bestritten, dass es derartige Stellen in der heutigen Beschäftigtenstruktur des öffentlichen Dienstes überhaupt noch in relevanter Zahl gebe. Ebenso wenig könne er aus gesundheitlichen Gründen auf andere Tätigkeiten verwiesen werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.09.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01.05.2007 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, ggf bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG statthaft und zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 11.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2007. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Nachdem der Kläger bereits mit Schriftsatz vom 14.02.2011 seine Berufung darauf beschränkt hatte, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren, hat er den Streitgegenstand der Berufung begrenzt und die Abweisung seiner auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gerichteten Klage akzeptiert.

Der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung richtet sich für die Zeit bis 31.12.2007 nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Dies folgt aus § 300 Abs 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat.

Versicherte haben nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist dabei, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Die Gesundheit des Klägers ist durch die orthopädischen Erkrankungen beeinträchtigt. Neurologische Erkrankungen, wie von Prof. Dr. L. angedacht, konnten Dr. S. und Dr. B. ausschließen. Auf orthopädischem Gebiet besteht eine schmerzhafte Impingement-Symptomatik der rechten Schulter mit aktiver und passiver Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes nach operativer Versorgung. Ferner besteht eine statische Aufbaustörung der Wirbelsäule mit Hohlrundrücken und vermehrter Seitverbiegung sowie teilweiser Bewegungseinschränkung. Am linken Knie besteht eine subcutane Schwellung mit Verdacht auf Innenmeniskus-Läsion. Dies hat nicht nur Dr. B., sondern auch Prof. Dr. L. so beschrieben.

Aus diesen Gesundheitsbeeinträchtigungen folgen nur qualitative Leistungseinschränkungen, nicht jedoch zeitliche Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Übereinstimmend konnten Dr. L. und Dr. B. darlegen, dass der Kläger noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig, also mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche, auszuüben. Er kann die eingeschränkte Funktion des rechten Armes durch links kompensieren. Insoweit sind ihm auch kurzfristige, sich nicht allzu häufig wiederholende Schreibarbeiten mit rechts, zB das Anfertigen von Notizen oder Eintragen von Leistungsdaten, für mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Qualitative Einschränkungen sind insoweit zu beachten, als Vorhaltearbeiten über Bauchhöhe, häufige Rotationsbewegungen in der rechten Schulter mit Außen- und Innenrotation sowie Abduktionsbewegungen zu vermeiden sind. Arbeiten in Brust- und Überkopfhöhe sind ebenfalls nicht zumutbar, entsprechende kurze Zeittaktungen für den Bereich des rechten Unterarmes und der rechten Hand ebenfalls nicht. Ebenso sind Tätigkeiten mit Tragen, häufigem Bücken sowie Tätigkeiten in kalten, feuchten, zugigen Räumen zu vermeiden. Aus dem Gutachten von Dr. L. und der Auskunft von Dr. S. ergeben sich insoweit keine weitergehenden qualitativen Einschränkungen; der Einschätzung der zeitlichen Leistungsfähigkeit durch die behandelnde Ärztin Dr. S. konnte sich der Senat angesichts der überzeugenden Ausführungen der Gutachter Prof. Dr. L. und Dr. B. nicht anschließen.

Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Damit ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Der Kläger ist dabei auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen.

Der Kläger ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Renten- bzw Rehaantragstellung und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); er hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Soweit der Kläger ausführt, seinen Beruf nicht mehr ausüben zu können und daher Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu haben, folgt ihm der Senat nicht. Denn unabhängig davon, ob der Kläger nun tatsächlich seinen Beruf noch ausüben kann (so Prof. Dr. L.) oder ob er dies gerade nicht mehr kann (so Dr. B.), ist er nicht berufsunfähig. Denn kann er seinen Beruf noch ausüben, ist er schon per se nicht berufsunfähig; kann er dies nicht mehr in dem von § 240 SGB VI geforderten Maß, ist der Kläger aber noch in der Lage, eine Tätigkeit als Registrator mindestens sechs Stunden arbeitstäglich unter den auf dem Arbeitsmarkt üblichen Bedingungen auszuüben.

Kann der Versicherte seinen ?bisherigen Beruf? aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist (?subjektive Zumutbarkeit?) und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann (?objektive Zumutbarkeit?). Ausgangspunkt der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist danach der ?bisherige Beruf?, den der Versicherte ausgeübt hat. Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (BSG 20.08.1997, 13 RJ 39/96, SozR 3-2600 § 43 Nr 17 = juris Rdnr 16). Der Kläger hat in einer dreijährigen Ausbildung den Beruf des Graveurs erlernt und bis zuletzt versicherungspflichtig auch ausgeübt. Er ist daher in die Gruppe der Facharbeiter einzustufen. Von dem zuletzt ausgeübten Beruf hat sich der Kläger durch seine anschließenden Krankheitszeiten nicht gelöst, so dass er nur auf die Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe, vorliegend also der Gruppe der Angelernten, verwiesen werden kann. Zur Überzeugung des Senats ist aber der Kläger insoweit zumutbar auf eine Tätigkeit als angelernter Registrator nach Entgeltgruppe 3 der Entgeltordnung zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu verweisen.

Derartige Tätigkeiten existieren auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichendem Umfang. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 13. Senats des LSG im Urteil vom 25.09.2012 (L 13 R 6087/09, juris) an. Danach existiert allein im süddeutschen Raum im Bereich des öffentlichen Dienstes, der gesetzlichen Krankenkassen sowie der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen eine signifikante Anzahl an entsprechenden Beschäftigungsverhältnissen jenseits der 500, die keine (spezifische) abgeschlossene Berufsausbildung und eine Anlernzeit von maximal drei Monaten erfordern. Das Vorhandensein einer nennenswerten Zahl entsprechender Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt belegt im Übrigen auch die tarifvertragliche Erfassung dieser Tätigkeit im Änderungstarifvertrag Nr 4 vom 02.01.2012 zum TV-L. Gegenstand dieses Änderungstarifvertrages ist die Entgeltordnung zum TV-L, über welche sich die Tarifvertragsparteien am 10.03.2012 geeinigt haben. Diese sieht in ihrem Teil II ?Tätigkeitsmerkmale für bestimmte Beschäftigtengruppen? Ziff 16 detaillierte Eingruppierungsregelungen für Beschäftigte in Registraturen vor, die sich über 8 Entgeltgruppen erstrecken. Vor dem Hintergrund der Einschätzungsprärogative, die den Tarifvertragsparteien bezüglich der Arbeitswirklichkeit zuzuerkennen ist (vgl BSG 12.09.1991, 5 RJ 34/90, SozR 3-2200 § 1246 Nr 17, juris Rdnr 22) dokumentiert bereits diese tarifvertragliche Erfassung die Existenz einer ausreichenden Anzahl an entsprechenden Arbeitsplätzen.

Die Tätigkeit der Registratoren nach Entgeltgruppe 3 umfasst das Vergeben von Aktenzeichen entsprechend geltenden Aktenplänen und -nummern, das Anlegen von Neuakten, das Beachten von Aktenordnungen sowie das Aussondern von Altakten. Dabei achten sie auf die Einhaltung von Aufbewahrungsfristen. Um elektronische Informationen zu archivieren, verwenden Registratoren elektronische Archivsysteme, in denen Dokumente schnell wiedergefunden werden können. Sie speichern und verwalten digitale Dokumente mit spezieller Software. Im Bereich der Aktenhaltung und Registratur sind sie außerdem für die Terminüberwachung und allgemeine Verwaltungsarbeiten verantwortlich (vgl dazu www.berufenet.de). Die hierzu erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse kann der Kläger innerhalb von drei Monaten erwerben, auch wenn er eine verwaltungsnahe bzw kaufmännische Ausbildung nicht absolviert hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger bereits über Kenntnisse im Umgang mit Computern verfügt. Denn von einem Facharbeiter kann jedenfalls erwartet werden, die Grundkompetenz zum Einsatz des PC innerhalb des genannten Zeitraums zu erwerben (Bayerisches LSG 08.02.2012, L 1 R 1005/09, juris Rdnr 50; LSG Niedersachsen-Bremen, 25.11.2009, L 10 R 269/08, juris Rdnr 24). Für die Erlernung der Tätigkeit eines Registrators bedarf es keiner besonderen Voraussetzungen, insbesondere keiner Fachkenntnisse, um innerhalb einer Anlernzeit von vier bis sechs Wochen bis maximal drei Monaten die erforderlichen Kenntnisse, darunter einfache PC-Kenntnisse, zu erwerben (vgl LSG Baden-Württemberg 25.09.2012, L 13 R 6087/09, juris Rdnr 33.).

Desgleichen stehen der Ausübung einer Tätigkeit als Registrator keine gesundheitlichen Umstände entgegen. Die Tätigkeit eines Registrators in der Entgeltgruppe 3 ist geprägt durch Arbeiten im Sitzen (vgl. www.berufenet.de), aber auch im Wechselrhythmus von Sitzen, Gehen und Stehen. In körperlicher Hinsicht sind überwiegend leichte Tätigkeiten zu verrichten. Schweres Heben und Tragen ist nicht notwendig; ggf muss mit Aktenstücken bis 10 kg Gewicht umgegangen werden. Besondere psychische Belastungen kommen nicht vor (vgl zu den körperlichen Anforderungen insgesamt: Bayerisches LSG 08.02.2012 aaO, juris Rdnr 48 und Urteil des 13. Senats aaO). Diesen Anforderungen kann der Kläger genügen. Zwar kann er kurzfristige, sich nicht allzu häufig wiederholende Schreibarbeiten mit rechts durchführen, wie Dr. B. darlegen konnte. Lediglich Vorhaltearbeiten über Bauchhöhe, häufige Rotationsbewegungen in der rechten Schulter mit Außen- und Innenrotation sowie Abduktionsbewegungen, Arbeiten in Brust- und Überkopfhöhe, entsprechende kurze Zeittaktungen für den Bereich des rechten Unterarmes und der rechten Hand sowie Tätigkeiten mit Tragen, häufigem Bücken sowie Tätigkeiten in kalten, feuchten, zugigen Räumen sind zu vermeiden. Derartige Tätigkeiten erfordert eine Registratorentätigkeit grds nicht.

Dass der Kläger eine solche Registratorentätigkeit ausüben kann, erschließt sich dem Senat durch die Gutachten von Prof. Dr. L. und Dr. B ... Letzterer hatte den Kläger für verwaltende Tätigkeiten für leistungsfähig erachtet, insbesondere für Pförtner- und möglicherweise Telefonvermittlungstätigkeiten. Auch wenn Dr. B. eine ?verwaltende delegierende? Tätigkeit dem Kläger ansinnen will, so hat er keine Umstände beschrieben, aus denen sich ergeben könnte, dass eine Registratorentätigkeit nicht mehr möglich wäre. Denn der Kläger hat, wie auch von Prof. Dr. L. beschrieben, eine seitengleiche Schultermuskulatur, was auf eine gleichmäßige Nutzung der Schulterpartie hinweist, also gegen eine umfassende Funktionseinschränkung auch für leichte Tätigkeiten spricht. Auch hat der Kläger bei den Gutachtern demonstriert, dass er sich unter Benutzung beider Hände, der rechten zum Teil als Beihand eingesetzt, entkleiden kann. Auch dies spricht gegen eine umfassende Funktionsuntüchtigkeit des rechten Armes. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger noch eine Registratorentätigkeit mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann.

Die Tätigkeit eines Registrators nach Entgeltgruppe 3 ist dem Kläger auch subjektiv zuzumuten. Als Facharbeiter darf der Kläger grundsätzlich - wie bereits ausgeführt - auf Tätigkeiten verwiesen werden, die zu den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehören oder eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern. Diesen objektiv zumutbaren Verweisungstätigkeiten sind solche Berufe qualitativ gleichwertig, die von den Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag durch ihre tarifliche Einstufung in ihrem qualitativen Wert den Leitberufen gleichgestellt sind (BSG 12.09.1991 aaO juris Rdnr 22 mwN). Die tarifvertragliche Einstufung einer Tätigkeit ist deshalb in der Regel maßgebend für den qualitativen Wert dieser Tätigkeit im Sinne des Mehrstufenschemas, soweit die Einstufung nicht auf qualitätsfremden Merkmalen beruht (BSG aaO). Dies gilt nicht nur für die frühere Einstufung der Registratorentätigkeit in Tätigkeiten die Vergütungsgruppe VIII zum BAT, die als Verweisungstätigkeit grundsätzlich auch einem Facharbeiter zumutbar war (BSG aaO, juris Rdnr 23; BSG 27.11.1991, 5 RJ 91/89, juris Rdnr 15). Dies gilt vielmehr auch im Bereich des zum 01.10.2005 bzw 01.11.2006 in Kraft getretenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD bzw TV-L). Der entsprechenden Rechtsprechung des 13. Senats (aaO) und des 10. Senats des LSG Baden-Württemberg (19.07.2012, L 10 R 1780/11, nicht veröffentlicht) schließt sich der Senat an (ebenso Bayerisches LSG 17.04.2012, L 20 R 19/08, juris Rdnr 75).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved