L 11 R 5770/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 565/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5770/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei den Ca-Richtlinien handelt es sich um bloße Verwaltungsvorschriften ohne normative Wirkung. Die Richtlinien bewirken die Selbstbindung der Verwaltung und geben den Anspruchsberechtigten einen Anspruch auf Gleichbehandlung (vgl BSG 20.08.1970, 1 RA 211/68, BSGE 31,258).
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18.11.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt weitere Leistungen zur onkologischen Rehabilitation.

Die am 22.11.1938 geborene Klägerin bezieht seit 01.12.2003 Regelaltersrente. Im Jahr 2008 erkrankte sie an einem Mamma-Karzinom. Nach Abschluss der Primärbehandlung im Oktober 2008 wurde vom 05. bis 26.11.2008 eine Anschlussheilbehandlung in Bad W. durchgeführt. Eine weitere onkologische Rehabilitation erfolgte vom 15.12.2009 bis 05.01.2010 ebenfalls in Bad W ...

Am 15.07.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine weitere onkologische Rehabilitation. Mit Bescheid vom 09.09.2010 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass bei der Klägerin erhebliche Funktionsstörungen durch die Tumorerkrankung selbst oder Komplikationen bzw Therapiefolgen nicht vorlägen. Ihren hiergegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin mit einem Schreiben ihrer Gynäkologin Dr. H. vom 14.10.2010, welche erhebliche Beschwerden wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, starke Gelenk- und Rückenschmerzen und ausgeprägte Zittrigkeit bestätigte. Da durch ambulante Maßnahmen keine Besserung habe erzielt werden können, werde dringend eine stationäre Rehabilitation empfohlen. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der Klägerin lägen tumorbedingte Einschränkungen vor, die durch eine weitere Leistung zur onkologischen Rehabilitation nicht wesentlich beeinflusst werden könnten; erforderlich sei vielmehr eine regelmäßige ambulante Behandlung.

Hiergegen richtet sich die am 16.02.2011 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Die Klägerin macht weiter geltend, unter erheblichen Beschwerden zu leiden, insbesondere starken Gelenk- und Rückenschmerzen, Schlafstörungen und Bluthochdruck. Dr. D. von der Reha-Klinik Bad W. habe ihr schon damals eine weitere Kur empfohlen. Das SG hat den Facharzt für Innere Medizin Dr. V., die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. und die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. H. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. V. hält wegen einer ausgeprägten Angstsymptomatik eine stationäre Maßnahme mit psychoonkologischer Betreuung für dringend indiziert. Dr. B. sieht eine extrapyramidale Bewegungsstörung iS eines Parkinson-Tremors im Vordergrund, außerdem behandele sie die Klägerin wegen ihrer chronifizierten, rezidivierend exazerbierenden depressiven Erkrankung. Da ihr die Klägerin seit so vielen Jahren bekannt sei, sich ihr Zustand aber nicht gebessert habe, halte sie die ambulante Behandlung nicht für ausreichend und empfehle ein psychosomatisch ausgerichtetes Heilverfahren. Dr. H. beschreibt erhöhte Leberwerte, die möglicherweise durch die Einnahme von fünf Blutdruckmedikamenten verursacht seien, außerdem bestünden chronische Fatigue und chronische depressive Verstimmungen. Eine Rehabilitation könne nach ihrer Ansicht den Zustand der Klägerin besser stabilisieren.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.11.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) gestützt und ausgeführt, die Beklagte erbringe nach dieser Vorschrift sonstige Leistungen zur Teilhabe in Form von Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen für Versicherte, Bezieher einer Rente sowie deren Angehörige (onkologische Rehabilitation). Maßgebend seien die gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI für die Erbringung von onkologischen Nachsorgeleistungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen (Ca-Richtlinien). Nach § 1 Abs 2 Ca-Richtlinien würden die Leistungen bis zum Ablauf eines Jahres nach einer beendeten Primärbehandlung gewährt. Darüber hinaus könnten spätestens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung Maßnahmen im Einzelfall erbracht werden, wenn erhebliche Funktionsstörungen entweder durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen bzw Therapiefolgen vorlägen. Vorliegend sei die Strahlenbehandlung im Oktober 2008 beendet worden. Die Klägerin habe demnach nur bis Oktober 2010 dem Grunde nach Anspruch auf die begehrte Rehabilitationsleistung gehabt. Bereits bei Erlass des Widerspruchsbescheids sei die Zwei-Jahresfrist des § 1 Abs 2 Ca-Richtlinien abgelaufen gewesen.

Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf eine medizinische Rehabilitation nach den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zu, was die Beklagte als zuständiger Rehabilitationsträger gemäß § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zu prüfen gehabt hätte. Eine Rehabilitationsmaßnahme nach der einzig in Betracht kommenden Vorschrift des § 40 SGB V komme nicht in Betracht, denn nach § 40 Abs 3 Satz 4 SGB V könnten medizinische Rehabilitationsleistungen grundsätzlich nicht vor Ablauf einer Wartefrist von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten aufgrund öffentlich rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden seien. Etwas anderes gelte nur, wenn eine vorzeitige Leistung aus medizinischen Gründen dringend erforderlich sei. Die Klägerin sei zuletzt bis 05.01.2010 in einer entsprechenden Rehabilitationsmaßnahme gewesen, die Wartefrist sei daher noch nicht abgelaufen. Eine vorzeitige Leistung sei nicht dringend erforderlich. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Gesundheitszustand des Versicherten eine sofortige Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme erfordere, insbesondere bei schweren Erkrankungen, deren unmittelbare Nachwirkungen behandlungsbedürftig seien, etwa bei Anschlussrehabilitationsmaßnahmen. Bei der Klägerin bestehe ein weitgehend stabiler Gesundheitszustand nach einer schweren Mamma-Ca Erkrankung, der nicht unmittelbar im Rahmen einer Rehabilitation behandlungsbedürftig sei. Zwar setzten die sachverständigen Zeugen in eine Rehabilitationsmaßnahme die Hoffnung, dass sich der Gesundheitszustand weiter verbessere. Dies genüge indes nicht, um eine dringende medizinische Indikation zur Durchführung einer Rehabilitationsleistung anzunehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei es der Klägerin zumutbar, bis zum Ablauf der Wartefrist abzuwarten.

Hiergegen richtet sich die am 16.12.2011 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie habe innerhalb der Zwei-Jahresfrist der Ca-Richtlinien die Rehabilitation beantragt. Ihre Blutwerte seien immer im Normalbereich gewesen, erst durch die Einnahme von Arimidex seien die Leberwerte gestiegen, genauso die Müdigkeit und die Schmerzen in den Gelenken und im Rücken.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18.11.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 09.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2011 zu verpflichten, über ihren Antrag auf Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung komme es für die Gewährung einer onkologischen Leistung zur Rehabilitation darauf an, dass der Rehabilitationsantrag innerhalb der Zwei-Jahresfrist nach Ablauf der Primärbehandlung gestellt werde; dies sei hier der Fall. Die vorgetragenen Gesundheitsstörungen seien nicht so erheblich, dass eine erneute stationäre Maßnahme erforderlich sei. Die in den Vordergrund gestellten psychischen Störungen seien bei adäquater ambulanter psychoonkologischer Behandlung und verhaltenstherapeutischer Therapie in der Regel gut beeinflussbar. Es sei nicht ersichtlich, dass entsprechende Maßnahmen ambulant genügend genutzt würden. Die auch mit der Einnahme von Arimidex in Zusammenhang stehenden Beschwerden wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Gelenkbeschwerden seien durch eine dritte onkologische Rehabilitation nicht wesentlich beeinflussbar.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit schriftlich erteiltem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 153 Abs 1 iVm § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig; Gründe für eine Berufungsbeschränkung iSv § 144 Abs 1 Satz 1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist in der Sache indes nicht begründet, denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 09.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Reha-Antrags.

Zuständiger Träger für die hier streitigen medizinischen Leistungen zur Rehabilitation ist ausschließlich die Beklagte. Allein bei ihr hatte die Klägerin im Juli 2010 den hier maßgeblichen Antrag gestellt. Da sie den Antrag nicht weitergeleitet hat, ist ihre Zuständigkeit nach § 14 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 SGB IX begründet; es handelt sich insoweit um eine ausschließliche Zuständigkeit gegenüber der Klägerin. Daraus ergibt sich die Pflicht der Beklagten, Teilhabeleistungen nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen unter Berücksichtigung der besonderen persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Leistungsgesetze zu prüfen (vgl Bundessozialgericht (BSG), 20.09.2009, B 5 R 5/07 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 8).

Einen Anspruch auf eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation nach den allgemeinen Vorschriften des § 15 SGB VI iVm § 26 ff SGB IX hat die Klägerin schon deshalb nicht, weil sie als Bezieherin einer Altersrente als Vollrente nach § 12 Abs 1 Nr 2 SGB VI von den Leistungen zur Teilhabe ausgeschlossen ist.

Nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI können als sonstige Leistungen zur Teilhabe ua für Bezieher einer Rente Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen erbracht werden. Nach § 31 Abs 2 SGB VI setzen diese Leistungen nur voraus, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist bei der Klägerin der Fall, denn sie hat bei Antragstellung die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt (§ 11 Abs 1 Nr 1 SGB VI). Diese Leistungen werden nach § 31 Abs 2 Satz 2 SGB VI nur aufgrund von Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund erbracht, die im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen werden. Maßgebend sind vorliegend die Ca-Richtlinien (idF vom 09.05.2001, gültig ab 01.08.2001). Bei den Ca-Richtlinien handelt es sich um bloße Verwaltungsvorschriften ohne normative Wirkung (Kater in Kasseler Kommentar, SGB VI § 31 RdNr 15). Die Richtlinien bewirken die Selbstbindung der Verwaltung und geben dem Anspruchsberechtigten einen Anspruch auf Gleichbehandlung (vgl BSG 20.08.1970, 1 RA 211/68, BSGE 31, 258).

Die Erbringung der sonstigen Leistungen zur Teilhabe nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI steht sowohl hinsichtlich des ?Ob? als auch des ?Wie? der Erbringung im Ermessen des Rentenversicherungsträgers. Gemäß § 39 Abs 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) besteht jedoch ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, wenn die Voraussetzungen für die Pflicht des Rentenversicherungsträgers zur Ermessensbetätigung erfüllt sind. Es findet insoweit jedoch nur eine gerichtliche Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitskontrolle statt. Das Gericht prüft nach § 54 Abs 2 Satz 2 SGG nur, ob die jeweilige Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 54 RdNr 27 ff mwN). Hat ein Versicherungsträger über die Gewährung von Ermessensleistungen - wie hier - Richtlinien erstellt, so ist die Verwaltung bei ihrer im Einzelfall zu treffenden Entscheidung hieran grundsätzlich gebunden; die Verwaltung übt ihr Ermessen im allgemeinen dann fehlerfrei aus, wenn ihre Entscheidung dem objektiven Inhalt der in den Richtlinien festgelegten Normen entspricht, vorausgesetzt, dass durch die Richtlinien selbst die Grenzen des Ermessens eingehalten sind und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (BSG 20.08.1970, aaO).

Nach § 1 Abs 2 Ca-Richtlinien werden die Leistungen nach Abs 1 (onkologische Nachsorgeleistungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen) bis zum Ablauf eines Jahres nach beendeter Primärbehandlung gewährt. Darüber hinaus können spätestens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung Maßnahmen im Einzelfall erbracht werden, wenn erhebliche Funktionsstörungen entweder durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen bzw Therapiefolgen vorliegen. Persönliche Voraussetzungen sind nach § 2 Ca-Richtlinien: (1.) Die Diagnose muss iSd Abs 1 geklärt sein; § 1 Abs 1 findet bei Vorliegen von Praecancerosen und grundsätzlich bei Ca in situ keine Anwendung. (2.) Hat eine operative oder Strahlenbehandlung stattgefunden, so muss diese Behandlung abgeschlossen sein. Eine noch laufende zytostatische Behandlung ist kein grundsätzlicher Hinderungsgrund für onkologische Nachsorgeleistungen. (3.) Die durch die Erkrankung nach Abs 1 oder deren Therapie bedingten körperlichen, seelischen, sozialen oder beruflichen Behinderungen sollen positiv beeinflussbar sein. Eine ausreichende Belastbarkeit für onkologische Nachsorgeleistungen muss gegeben sein. Der Betreute soll in der Regel allein reisefähig sein.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Ablehnung einer dritten Krebsnachsorgeleistung durch die Beklagte nicht zu beanstanden. Allerdings steht nicht schon die Versäumung der Zwei-Jahresfrist dem Anspruch entgegen, wie das SG meint. Die Klägerin hat die Leistung innerhalb des von § 1 Abs 2 Satz 2 Ca-Richtlinien vorgesehenen Zeitfensters von zwei Jahren nach Abschluss der Primärbehandlung (Oktober 2008) beantragt. Dies reicht aus, wie auch die Beklagte einräumt. Bei engem Verständnis der Vorschrift in dem Sinne, dass die Reha-Maßnahme nur bis zum Ablauf der Zwei-Jahresfrist zu erbringen ist, würde in streitigen Fällen gerichtlicher Rechtsschutz allein wegen notwendiger medizinischer Ermittlungen häufig leerlaufen. Dies wäre mit dem Sinn des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB VI nicht zu vereinbaren.

Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass erhebliche Funktionsstörungen iSv § 1 Abs. 2 Satz 2 Ca-Richtlinien aufgrund der Tumorerkrankung, durch Komplikationen oder Therapiefolgen nicht vorliegen. Die Klägerin leidet sowohl nach den vorliegenden Entlassungsberichten der 2008 und 2009/2010 durchgeführten Reha-Maßnahmen als auch nach den schriftlichen Aussagen ihrer behandelnden Ärzte an einem Erschöpfungssyndrom, depressiver Erkrankung, Osteopenie, Hypertonie und Parkinson-Tremor bei Zustand nach Mamma-Karzinom. Erhebliche körperliche Funktionseinschränkungen, die mit der Krebserkrankung in Zusammenhang stehen, sind nach alledem nicht ersichtlich. Die Klägerin ist zwar nachvollziehbar aufgrund der schweren Krebserkrankung psychisch beeinträchtigt, jedoch ist weder die häusliche Versorgung noch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben problematisch (so der Entlassungsbericht vom 11.01.2010). Eine Verschlechterung der Symptomatik hat weder die Klägerin noch einer der behandelnden Ärzte geltend gemacht; vielmehr ist hier von einer weitgehend stabilen Situation auszugehen. Bei der behandelnden Nervenärztin stand die als rezidivierend exazerbierend beschriebene depressive Erkrankung nie im Vordergrund, es ist auch nicht ersichtlich, dass insoweit die ambulanten Möglichkeiten ausgeschöpft wären. Auch aus der Aussage des Hausarztes Dr. V., der von einem chronifizierten dysthym-depressiven Syndrom ausgeht, ergibt sich nichts anderes.

Die nach Mitteilung der behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie bei ihr immer im Vordergrund der Symptomatik stehende Bewegungsstörung iS eines Parkinson-Tremors steht nicht in Zusammenhang mit der Krebserkrankung. Soweit die Klägerin Nebenwirkungen des von ihr einzunehmenden Medikaments Arimidex wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Gelenkbeschwerden beklagt, sind diese, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, durch eine dritte onkologische Rehabilitation nicht wesentlich beeinflussbar. Nach alledem ist die von den behandelnden Ärzten teilweise angenommene dringende Erforderlichkeit einer weiteren Reha-Maßnahme aufgrund der mitgeteilten Diagnosen und Befunde nicht nachvollziehbar, so dass sich der Senat deren Einschätzung insoweit nicht anschließen kann. Die Ablehnung des Antrags durch die Beklagte ist nach alledem im Einklang mit den Ca-Richtlinien erfolgt und somit nicht zu beanstanden. Ermessensfehler liegen nicht vor.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Bewilligung einer Reha-Maßnahme auf der Grundlage von § 40 SGB V, für die gemäß der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 40 Abs 4 SGB V der Nachrang der gesetzlichen Krankenversicherung im Falle der onkologischen Rehabilitation nicht gilt. Dem steht, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, bereits die Wartefrist des § 40 Abs 3 Satz 4 SGB V entgegen. Nach dieser Vorschrift können medizinische Rehabilitationsleistungen grundsätzlich nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, wie dies hier bei der letzten am 05.01.2010 beendeten Reha-Maßnahme der Fall war. Eine Ausnahme ist nur dann vorgesehen, wenn eine vorzeitige Leistung aus dringenden medizinischen Gründen im Einzelfall erforderlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des SG auf Seite 8 bis 10 des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug und weist die Berufung insoweit aus diesen Gründen zurück (§ 153 Abs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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