Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 250/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1688/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.03.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2109 der Anlage (bzw. seit 01.07.2009 der Anlage 1) zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV, nachfolgend BK 2109).
Der am 1942 geborene Kläger nahm im Jahr 1957 eine Lehre zum Gipser auf, die er im Jahr 1960 abschloss. Anschließend war er als Gipsergeselle und nach Durchlaufen der Meisterschule als angestellter Gipsermeister tätig. Im Jahr 1979 machte er sich selbstständig und arbeitete bis zur Aufgabe der Tätigkeit im Juni 1995 mit drei bis acht Angestellten (bis hierhin siehe u.a. Bl. 40-42, 312, 355 VA).
Beim Kläger liegt eine Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule, insbesondere in den Bewegungssegmenten zwischen dem 5. und 6. sowie dem 6. und 7. Halswirbelkörper mit entsprechenden funktionellen Einschränkungen vor (so im Wesentlichen übereinstimmend: Gutachten von Prof. Dr. R. Bl. 784, 789 VA und PD Dr. B.-A. Bl. 911, 922 VA). Der Kläger führt nicht nur diese Beschwerden auf seine beruflichen Belastungen zurück. In der Vergangenheit machte er - erfolglos - auch die Anerkennung einer Atemwegserkrankung, einer Erkrankung der Sehnenscheide, einer Lärmschwerhörigkeit, von Handgelenks- und Unterarmbeschwerden, einer obstruktiven Ventilationsstörung, einer Hautkrankheit, Blutbildveränderungen, einer chronischen Schleimbeutelerkrankung, eines Meniskusschadens und einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als BK bzw. wie eine BK geltend; hinsichtlich der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule ist derzeit beim Sozialgericht Heilbronn ein Verfahren unter dem Aktenzeichen S 4 U 2245/09 anhängig.
Erstmalig begehrte der Kläger im Januar 1994 die Prüfung, ob seine Wirbelsäulenerkrankung als BK anzuerkennen sei. Hierzu machte er u.a. geltend (vgl Bl. 31, 180 f. VA) langjährig Sackmaterial von 40 bzw. 50 kg pro Sack auf der Schulter getragen zu haben, insbesondere Zementsäcke mit 50 kg und Gipssäcke mit 40 kg sowie Gerüststangen und -bestandteile in Vollholzausfertigung (25 bis 30 kg). Ab den Jahren 1992/93 seien die Sackgewichte auf 25 bis 35 kg reduziert worden. Ferner habe er schwere gefüllte Materialschläuche schleppen und ziehen müssen sowie Überkopfarbeiten ausgeführt. Der Kläger reichte noch verschiedene Unterlagen ein, u.a. zu der in den maßgeblichen Fachkreisen diskutierten Reduzierung der Sackgewichte (Bl. 244 ff. VA, einschließlich Preislisten) und zur Entwicklung der Wochenarbeitszeiten im Baugewerbe der alten Bundesländer seit 1957 (von 48 Stunden bis zurückgehend auf 39 Stunden im Jahr 1990, Bl. 499 VA). Zuletzt im Juni 1998 gab der Kläger gegenüber dem Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten an (Bl. 312 ff VA), von 1957 bis 1969 ca. elf bis zwölf Stunden (an Samstagen ca. fünf Stunden) und von 1969 bis 1995 ca. 13 bis 14 Stunden (an Samstagen ca. acht bis neun Stunden) gearbeitet zu haben. Mit einem zeitlichen Anteil von 10% habe er Lasten von 50 kg und mehr (Sack- und Eimergebinde, gefüllte Mörteleimer, Gipsdielen und -platten, Holzstangen für Gerüste) i.S. der BK 2109 getragen. Der Zeitanteil für das Tragen von Lasten unter 50 kg i.S. der BK 2109 habe ca. 5% betragen. Der Technische Aufsichtsbeamte Dipl.-Ing. H. bezweifelte die Angaben zur Arbeitszeit und zum zeitlichen Anteil des Tragens von schweren Lasten. Tägliche Arbeitszeiten von 13 bis 14 Stunden über einen Zeitraum von 1969 bis 1995 hielt er nicht für möglich. Nach den vom Kläger angegebenen Zeitanteilen für belastende Tragetätigkeiten (auch im Hinblick auf die BK 2108) sei für die eigentlichen Stuckateurarbeiten nur ein Anteil von ca. 25% verblieben. Es bleibe das Geheimnis des Klägers, wie er dann noch Leistungen in seinem Beruf erbringen konnte.
Mit Bescheid vom 14.05.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.1997 lehnte die Beklagte (u.a.) die Anerkennung der BK 2109 ab. Die deswegen vom Kläger erhobene Klage (Sozialgericht Heilbronn S 6 U 1645/97) wies das Sozialgericht mit Urteil vom 10.05.2001 ab. Das Sozialgericht ging davon aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2109 nicht erwiesen seien. Der Kläger habe durch das angeschuldigte Tragen von Säcken auf der Schulter keine Gewichte von regelmäßig 50 kg oder mehr bewegen müssen. Nach den vorgelegten Preislisten der 1980er Jahre habe bereits damals das maximale Gewicht der Säcke regelmäßig bei 40 kg gelegen. Dieses Gewicht stelle noch keine Gefährdung für die Halswirbelsäule dar. Dass Zementsäcke vor 1993 mit 50 kg angegeben worden seien, bestätige lediglich die Auffassung des TAD, dass in einem geringen Zeitanteil Lasten von 50 kg auf der Schulter getragen worden seien. Bei dieser Sachlage könne dahingestellt bleiben, ob das Tragen der Säcke auf der Schulter überhaupt mit der Tätigkeit der Berufsgruppe der Fleischträger, deren Belastungsprofil und deren Schädigungsbild zur Aufnahme der Erkrankung in die BK-Liste geführt habe, vergleichbar gewesen sei.
Am 29.08.2003 stellte der Kläger wegen der Nichtanerkennung der BK 2109 einen Überprüfungsantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 12.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2004 ablehnte.
Deswegen hat der Kläger am 16.12.2004 beim Sozialgericht Heilbronn erneut Klage erhoben (S 7 U 3754/04). Er hat sich insbesondere auf die Auffassung von PD Dr. B.-A. gestützt, der in dem Berufungsverfahren L 10 U 3723/01, das allein die Frage des Vorliegens der BK 2108 betraf, im August 2003 auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten erstellt hatte (Bl. 903 ff. VA). Ihm gegenüber hatte der Kläger Sackgewichte von 35 kg (Gipsfertigputz innen) bis 50 kg (Zementsäcke bis 1996) bestätigt. Ferner seien Mörtelvögel (rechteckiger Kasten mit Mörtel) mit einem Lastgewicht von ca. 50 bis 60 kg in den Jahren 1957 bis 1963 25 Mal pro Schicht auf der Schulter zu tragen gewesen Der Sachverständige vertrat die Auffassung, die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2109 seien beim Kläger gegeben. Bei Annahme einer zeitlichen Belastung im Umfang von 10% der Tätigkeit und sich daraus ergebenden Tragetätigkeiten von 1 bis 1,2 Stunden täglich bei 40 Hüben seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht anzuzweifeln.
Das gerichtliche Verfahren wurde im Hinblick auf das parallel anhängige Verfahren zur Anerkennung der BK 2108 ausgesetzt und im Januar 2008 unter dem Aktenzeichen S 4 U 250/08 wieder aufgenommen.
In der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2012 hat der Kläger (erneut) ein Foto vorgelegt, auf dem das Tragen eines Zementsacks dokumentiert ist (Bl. 99 SG-Akte). Weiter hat er angegeben, die Wanne mit dem ?Speis? habe 40 bis 50 kg gewogen. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom gleichen Tag abgewiesen. U.a. unter Hinweis auf das Urteil des Landessozialgerichts Hessen vom 20.09.2011 (L 3 U 218/07 in juris, Revisionsverfahren anhängig B 2 U 11/12 R) sowie unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien hat es für die Bejahung einer beruflichen Exposition im Sinne der BK 2109 eine mindestens zehnjährige Tätigkeit mit dem Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr auf der Schulter in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten im Umfang von mindestens einer Stunde bei gleichzeitig nach vorn und seitwärts erzwungener Kopfhaltung für notwendig angesehen. Als Vergleichsmaßstab hat es Fleischträger in Schlachthäusern, die Lasten auf der Schulter oder über Kopf unter Zwangshaltung im Bereich der Halswirbelsäule unter maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur transportieren, sowie damit vergleichbare Belastungen der Lastenträger, die schwere Säcke auf der Schulter tragen, herangezogen. Gestützt auf die Angaben des Klägers zu den Tragebelastungen sowie auf die Stellungnahmen des TAD der Beklagten hat es diese Voraussetzungen nicht für nachgewiesen erachtet. Unter Verweis auf das vorangegangene Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.05.2001 hat es bereits als nicht belegt angesehen, dass der Kläger Säcke mit einem Gewicht von 50 kg und mehr auf der Schulter habe tragen müssen. Aus den vorgelegten Abbildungen und Preislisten ergebe sich ein Maximalgewicht der Säcke von 40 kg. Gleiches gelte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung für den Mörtelvogel. Im Rahmen der Gesamttragebelastungen seien demnach, wie schon im vorangegangenen Urteil ausgeführt, in einem geringen Zeitanteil Lasten von 50 kg auf der Schulter getragen worden. Folglich sei eine dem Belastungsmuster der BK 2109 entsprechende Tätigkeit nicht feststellbar. Das Tragen der Säcke sei auch von der Haltung her nicht mit der Tätigkeit von Fleischträgern vergleichbar.
Gegen das ihm am 22.03.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 23.04.2012 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das vorgelegte Foto belege das Tragen eines Sackes mit 50 kg wie ein Fleischträger. Er habe jahrzehntelang solche Säcke getragen. Erst ab dem Jahr 1992 sei es zu einer Gewichtsreduzierung gekommen. Das Sozialgericht habe es versäumt, konkrete Belastungen festzustellen. Es hätte wegen der Gewichte weiter ermitteln müssen. Zudem habe er auch unförmige Bohlen auf der Schulter tragen müssen. Der Mörtelvogel habe 50 bis 60 kg gewogen und sei bei Ansetzung eines Einzelvorgangs von 25 Arbeitsgängen pro Schicht bereits allein 3¼ Stunden getragen worden. Nach der vom Sozialgericht herangezogenen Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen, das einen Zimmermann betroffen habe, sei eine zeitliche Belastung von 30 Minuten ausreichend. Bei ihm seien zudem seine langen Arbeitszeiten und Überstunden zu berücksichtigen. Ferner habe er auch lange Überkopfarbeiten mit einer der BK 2109 entsprechenden Kopfhaltung ausüben müssen. Hierzu hat der Kläger weitere Fotodokumentationen vorgelegt (Bl. 47 ff. LSG-Akte).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.03.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2004 zu verurteilen, den Bescheid vom 14.05.1996 zurückzunehmen und das Vorliegen der BK 2109 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Heilbronn S 6 U 1645/97 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 14.05.1996 zurückzunehmen. Denn die Voraussetzungen zur Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK 2109 liegen nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, in juris) kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Versicherungsfalles - Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, vgl. § 7 Abs. 1 SGB VII - als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (zum subjektiv-öffentlichen Recht s. das erwähnte Urteil des BSG vom 05.07.2011). Dem entsprechend begehrt der Kläger hier zulässigerweise zum einen die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des die streitige BK 2109 bestandskräftig ablehnenden Bescheides vom 14.05.1996 und zum anderen die Verpflichtung der Beklagten, nach erfolgter Rücknahme dieses Bescheides die streitige BK anzuerkennen.
Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob sich die Prüfung des Anspruchs des Klägers auf eine Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung nach § 44 Abs. 1 oder nach § 44 Abs. 2 SGB X zu richten hat. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass vom einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Da im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 14.05.1996 hinsichtlich der jetzt vom Kläger zur Überprüfung gestellten Frage des Vorliegens der BK 2109 an sich nicht über Leistungen entschieden wurde, könnten Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gesehen werden. Für die Anwendung dieser Regelung (so auch ohne weitere Problematisierung für die streitige Feststellung eines Arbeitsunfalls: BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R in SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 18) spricht jedoch, dass es bei der Feststellung einer BK letztendlich in der Regel doch (indirekt) um Leistungsansprüche geht. Zudem erscheint der die Feststellung einer BK begehrende potentielle Leistungsempfänger insoweit, als ihn § 44 Abs. 1 SGB X gegenüber dem alternativ in Betracht kommenden § 44 Abs. 2 SGB X privilegiert, schutzwürdig. Denn im Anwendungsbereich des Abs. 1 ist eine gebundene Entscheidung über die Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen, während der Behörde im Anwendungsbereich des Abs. 2 ein Ermessensspielraum gewährt wird. Letztlich kann die Frage, ob Abs. 1 oder Abs. 2 des § 44 SGB X anzuwenden ist, offen bleiben, da auch nach § 44 Abs. 2 SGB X Voraussetzung wäre, dass der Bescheid vom 14.05.1996 rechtswidrig ist. Dies ist nicht der Fall
Der Bescheid vom 14.05.1996 ist vielmehr, wie vom Sozialgericht Heilbronn nunmehr schon zwei Mal zutreffend entschieden, rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der BK 2109.
Es kommt im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Versicherungsfall vor (hierfür spricht deutlich die Aufgabe der Tätigkeit im Jahr 1995 und die bereits im Jahr 1994 bei schon damals bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden erfolgte Anzeige einer BK) oder nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist und damit gem. § 212 SGB VII die bis zur Rechtsänderung geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder aber die Regelungen des SGB VII Anwendung finden. Denn an den Voraussetzungen der - zunächst auf § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO beruhenden und nunmehr auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII fort geltenden - BK 2109 einschließlich des Kausalitätserfordernisses hat sich durch das Inkrafttreten des SGB VII nichts geändert.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI (§§ 539, 540, 543 bis 545 RVO) begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII, § 551 Abs. 1 Satz 3 erster Halbsatz RVO). Hierzu zählen nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also die bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule - erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die Voraussetzungen zur Feststellung der streitigen BK sind hier nicht erfüllt. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen (langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter) für die Feststellung der BK 2109 liegen nicht vor.
Unabhängig von der Frage nach Art und Ausmaß der von der BK 2109 erfassten Belastungen im Einzelnen kann die Berufung des Klägers schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Angaben des Klägers zu seinen Hebe- und Tragebelastungen nicht glaubhaft sind. Abgesehen davon, dass der Kläger immer wieder unterschiedliche Angaben zu den Gewichten machte (so z.B. zum Mörtelvogel: 50 bis 60 kg auf Bl. 903 VA gegenüber 40 bis 50 kg in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht) können seine Angaben zum zeitlichen Ausmaß der Tragetätigkeiten nicht zutreffen. Gegenüber Dipl.-Ing. H. (vgl. Bl. 312 ff. VA) gab der Kläger in Bezug auf die BK 2109 an, zu 10 % der Arbeitszeit Lasten mit 50 kg und mehr und zu 5 % Lasten von weniger als 50 kg auf der Schulter getragen, insgesamt also 15 % der Arbeitszeit solche Tragetätigkeiten verrichtet zu haben. Darüber hinaus behauptete er Belastungen durch das Heben und Tragen schwerer Lasten i.S. der BK 2108 im Umfang von 35 % (Lasten über 25 kg), 15 % (Lasten von 10 bis 25 kg) und 10 % (Lasten unter 10 kg), insgesamt also 60 % der Arbeitszeit. Damit errechnet sich - worauf bereits Dipl.-Ing. H. hinwies - ein Arbeitszeitanteil für Hebe- und Tragetätigkeiten von 75 %. Dies würde bedeuten, dass für die eigentliche Tätigkeit als Gipser nur ein Arbeitszeitanteil von 25 % verbliebe, für den der Kläger auch noch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Umfang von 20 % angab. Der Senat teilt deshalb die von Dipl.-Ing. H. geäußerte Einschätzung, dass es das Geheimnis des Klägers bleibt, wie er dann noch die eigentlichen Handwerkerleistungen als Gipser und Stuckateur erbringen konnte. Hinzu kommt, dass es jeglicher Lebenswirklichkeit widerspricht, wenn der Kläger die dargestellten Hebe- und Tragebelastungen auch für die Zeit seiner Selbstständigkeit mit drei bis acht Angestellten (Bl. 355 VA) behauptet. Gleiches gilt in Bezug auf die sich anhand der Angaben des Klägers errechnenden Zeiten für das Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg. Nach den Angaben des Klägers war er von 1957 bis 1969 ca. elf bis zwölf Stunden (an Samstagen ca. fünf Stunden) und von 1969 bis 1995 ca. 13 bis 14 Stunden (an Samstagen ca. acht bis neun Stunden) in seinem Beruf tätig. Nach seinen Angaben zu den Belastungen durch schweres Heben und Tragen (10 % der Arbeitszeit Lasten von mehr als 50 kg, 35 % der Arbeitszeit Lasten über 25 kg und 15 % der Arbeitszeit Lasten von 10 bis 25 kg) hätte er bei elf bis zwölf Stunden täglicher Arbeitszeit also mehr als sieben Stunden täglich, bei 13 bis 14 Stunden nahezu acht Stunden täglich ausschließlich solche Lasten von mehr als 10 kg gehoben und getragen. Auch dies ist nicht glaubhaft. Weitere Ermittlungen sind insoweit nicht möglich. Vielmehr ist die Beurteilung der beruflichen Belastungen wesentlich von glaubhaften Angaben des Versicherten abhängig. Deshalb lässt sich im vorliegenden Fall Art und Ausmaß der tatsächlich durchgeführten Lastenmanipulationen nicht feststellen. Dies geht zu Lasten des Klägers.
Unabhängig hiervon würden auch die vom Kläger behaupteten Gewichtsbelastungen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitigen BK 2109 nicht erfüllen.
Mit dem in Rechtsprechung und Literatur bei verschiedenen BKen verwendeten Begriff der arbeitstechnischen Voraussetzungen sind die für die Anerkennung einer Krankheit als BK erforderlichen besonderen Einwirkungen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII gemeint (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, dort zur BK Nr. 2110). Es geht darum, welche Einwirkungen vorgelegen haben und wie sie beschaffen gewesen sein müssen, um von einer beruflichen Ursache der eingetretenen Erkrankung ausgehen zu können. Dabei ist es Aufgabe der Verwaltung und der Gerichte, die im Text der BKV nur unbestimmt beschriebenen Einwirkungen zu präzisieren. Dazu kann die Festlegung gehören, welches Maß an von der BK erfassten Einwirkungen im Verlauf der versicherten Berufstätigkeit mindestens erreicht worden sein muss, damit überhaupt ein Kausalzusammenhang mit der Erkrankung in Betracht kommt. Vielfach verzichtet der Verordnungsgeber bei der Formulierung der BK-Tatbestände bewusst auf die Angabe konkreter Belastungsarten und Belastungsgrenzwerte und verwendet stattdessen auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe (bei der hier streitigen BK ?langjährig?, ?schwer?), um bei der späteren Rechtsanwendung Raum für die Berücksichtigung neuer, nach Erlass der Verordnung gewonnener oder bekannt gewordener wissenschaftlicher Erkenntnisse zu lassen. In solchen Fällen kann aus dem Fehlen einer Angabe zum Grad der erforderlichen Einwirkungen im Wortlaut der BK nicht gefolgert werden, dass die in Rede stehenden Einwirkungen schlechthin, unabhängig von ihrer Intensität und Stärke, als geeignet angesehen werden, Erkrankungen zu verursachen, sofern sie nur entsprechend dem verwendeten unbestimmten Rechtsbegriff - im vom BSG entschiedenen Fall der BK 2110 ?langjährig? - einwirken.
Aus dem Wortlaut der hier streitigen BK Nr. 2109 ergibt sich weder eine zeitliche Mindestanforderung für die Ausübung der gefährdenden Tätigkeit noch eine Konkretisierung des Begriffs der schweren Last. Bei einer solch unbestimmten Fassung der BK sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die Gerichte verpflichtet (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 6/04 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 5 zur BK 2301 - Lärmschwerhörigkeit -) den Inhalt der BK über deren Wortlaut hinaus nach den allgemein anerkannten juristischen Regeln und Methoden (Wortlaut, Zusammenhang, Historie, Zweck) zu bestimmen, auch vor dem Hintergrund, dass der Verordnungsgeber die BKen zum Teil bewusst offen formuliert, damit Verwaltung und Rechtsprechung die sich ändernden Erkenntnisse berücksichtigen können, ohne dass der Wortlaut der Verordnung geändert werden muss. Dem entsprechend fließt auch medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachverstand nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand in die Beurteilung ein (BSG, Urteil vom 27.06.2006, a.a.O.). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. Dazu können einschlägige Publikationen, insbesondere die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums herangezogen werden (BSG, a.a.O.).
In der Amtlichen Begründung zum Gesetz gewordenen Entwurf zur Einführung der BK 2109 (BRDrs. 773/92) wird für Verschleißschäden an der Halswirbelsäule und für Halswirbelsäulensyndrome durch langjähriges Tragen von Lasten auf Fleischträger in Schlachthäusern als typischer Berufsgruppe mit entsprechender Gefährdung hingewiesen, die Lasten auf der Schulter oder über Kopf unter Zwangshaltung im Bereich der Halswirbelsäule und maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur transportieren. Ähnliche Belastungen treten - so die Amtliche Begründung weiter - beim Tragen von schweren Säcken auf der Schulter (z.B. Lastenträgern) auf. Eine nähere Erläuterung ergibt sich aus dem Merkblatt zur BK 2109 (BArbBl. 3/1993, Seite 53). Danach steht unter den beruflichen Faktoren, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule verursachen oder verschlimmern können, fortgesetztes Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, einhergehend mit einer statischen Belastung der zervikalen Bewegungssegmente und außergewöhnlicher Zwangshaltung der Halswirbelsäule, im Vordergrund, wie dies z.B. bei Fleischträgern beobachtet wurde, die Tierhälften oder Tierviertel auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel tragen. Die nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung und das gleichzeitige maximale Anspannen der Nackenmuskulatur führen zu einer Hyperlordosierung und auch zu einer Verdrehung der Halswirbelsäule. Damit wird - so das Merkblatt - eine langjährige (zehn Berufsjahre, bei sehr intensiver Belastung auch kürzer) Tätigkeit mit dem Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr in einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten für erforderlich gehalten. Dies entspricht der - damaligen - tatsächlichen Belastung von Fleisch- und Kohleträgern (s. hierzu Schäfer u.a., Vergleich der Belastungen von Fleisch- und Kohleträgern beim Tragen von Lasten auf der Schulter in Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2008, 20 ff). So wogen Schweinehälften früher 50 bis zu 60 kg, Rinderviertel etwa 70 bis 80 kg, Kohlesäcke etwas über 50 kg.
Im Hinblick auf die als typisch gefährdet anzusehenden und Anlass für die BK 2109 gebenden Fleischträger ist der Referenzwert somit für ein Objekt in Größe und Form einer Schweinehälfte oder eines Rinderviertels (zur Art des Tragens siehe die Bilddokumentation bei Schäfer u.a., a.a.O.) in Übereinstimmung mit dem Merkblatt sowie Literatur und Rechtsprechung mit etwa 50 kg anzunehmen (Urteil des Senats vom 14.07.2011, L 10 U 1580/08 und im Urteil vom 22.05.2003, L 10 U 4524/01; ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 20.09.2011, L 3 U 218/07, LSG Berlin, Urteil vom 17.08.2000, L 3 U 81/97 und Urteil vom 25.03.2003, L 2 U 104/01; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2000, L 6 U 13/97; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.07.1999, L 3 U 202/97; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.1998, L 2 U 883/98 und Urteil vom 17.12.1997, L 10 U 1591/97; Schur/Koch, a.a.O. m.w.N. zur Rechtsprechung; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O.); soweit das Gewicht der Schweinehälften in der Literatur mit 40 kg angesetzt wird (so Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, Anm. 1 zu BK 2109) beruht dies auf den heutigen Gewichten der Schweinehälften, was aber im Hinblick auf die vom Verordnungsgeber in Betracht gezogenen Arbeitsbedingungen früherer Zeit gerade nicht zutrifft (s. hierzu ebenfalls Schäfer, a.a.O.).
Hinzu kommen muss eine gewisse Regelmäßigkeit bzw. Häufigkeit des gefährdenden Vorgangs in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten (so das Merkblatt). Bei dieser Frage nach der Dauer der gefährdenden Belastung ist zwar zu beachten, dass bei den typischerweise gefährdeten Fleischträgern dieses Tragen einen der Kernpunkte der Tätigkeit ausmacht (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.01.1997, L 15 U 231/95). Allein hieraus und über Anteile schädigender Tätigkeiten anderer Berufsgruppen bei der BK 2108 (so LSG Berlin, Urteil vom 17.08.2000, L 3 U 81/97: Schwesternhelferinnen eine Stunde täglich) kann jedoch keine zeitliche Mindestbelastung hergeleitet werden. Maßgebend sind vielmehr auch hier die damaligen tatsächlichen Arbeitsumstände. Die reine Tragezeit der Fleisch- und Kohleträger betrug eine halbe bis zu eineinviertel Stunden arbeitstäglich (Schäfer, a.a.O.). Dem entsprechend ist eine Mindestdauer von wenigstens einer halben Stunde reiner Tragetätigkeit die Grenze der zeitlichen Mindestbelastung, bezogen auf mehr als die Hälfte der Arbeitsschichten (restriktiver das Hessische LSG im Urteil vom 20.09.2011, L 3 U 218/07: mindestens eine Stunde pro Arbeitsschicht).
Der Häufigkeit des Tragevorgangs und damit der Anzahl der Hübe vermag der Senat indessen keine Bedeutung zumessen (a.A. Mehrtens/Brandenburg, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.1998, L 2 U 883/98). Anders als bei der BK 2108 spielt das Heben von Lasten bereits nach dem Wortlaut der BK 2109 keine Rolle und das Heben selbst führt auch nicht zu der geforderten, weil gefährdenden Zwangshaltung der Halswirbelsäule.
Unter Beachtung dieser Maßstäbe vermag sich der Senat nicht vom Vorliegen eines Belastungsbildes zu überzeugen, das mit dem vom Verordnungsgeber bei der BK 2109 - vor allem von den Lastgewichten her - zu Grunde gelegten Belastungsbild vergleichbar ist. Denn es lässt sich auch unter Zugrundelegung der vom Kläger behaupteten Gewichtseinheiten nicht feststellen, dass der Kläger Lastgewichte von 50 kg und mehr mindestens eine halbe Stunde bezogen auf mehr als die Hälfte der Arbeitsschichten in der beschriebenen Art und Weise auf der Schulter tragen musste.
Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers hatten lediglich die Zementsäcke bis in die 1990er Jahre ein Gewicht von 50 kg. Andere Säcke hatten nach den insoweit übereinstimmenden mehrmaligen Angaben des Klägers geringere Gewichte (z.B. Bl. 293 VA: Kalk- und Gipssäcke 40 kg). Dies ergibt sich auch aus den vom Sozialgericht Heilbronn schon in der Entscheidung vom 10.05.2001 erwähnten Preislisten. Beispielsweise wird in der Preisliste der Großhandlung in Baustoffen Eberl vom August 1987 nur der Zement in einem 50 kg-Sack angeboten, während insgesamt neun weitere Produkte (u.a. Kalk, Gips und Fertigputz) in 40 kg-Säcken aufgeführt sind (Bl. 266 VA).
Die Angaben des Klägers zum Gewicht des Mörtelvogels schwanken. Während der Kläger früher Gewichte von 50 bis 60 kg angab, hat er zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht im März 2012 ein Gewicht von 40 bis 50 kg angegeben. Aus diesen Angaben ergibt sich auch, dass der Mörtelvogel jeweils individuell befüllt wurde. Angesichts dieser schwankenden Befüllung, die heute nicht mehr nachvollzogen werden kann und der Bandbreite der Angaben des Klägers, kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Mörtelvogel regelmäßig 50 kg und mehr wog. Ermittlungsmöglichkeiten sind insoweit nicht mehr gegeben, da die jeweiligen Befüllungen nicht rekonstruiert werden können.
Auch hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Transports von Gerüstbestandteilen auf den Schultern wurden Lastgewichte von 50 kg und mehr nicht erreicht. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers haben die Gerüstbestandteile 25 bis ca. 30 kg je Einheit gewogen (Bl. 181 VA). Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob beim Transport der Gerüstbestandteile - ?unförmiger Bohlen? - überhaupt die beschriebene notwendige abnorme Zwangshaltung des Kopfes vorlag.
Letzteres kann jedoch klar hinsichtlich des vom Kläger ebenfalls geltend gemachten Transports bzw. Bewegens des Schlauches der Mörtelmaschine (?Mörtelschlauch?), selbst wenn dieser Transport über die Schulter gelegt erfolgte, ausgeschlossen werden. Bei einem Mörtelschlauch handelte es sich um keinen unförmigen Gegenstand, so dass der Transport nicht mit der hier notwendigen außergewöhnlichen Zwangshaltung der Halswirbelsäule verbunden war.
Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger, wie von ihm in der zuletzt vorgelegten Fotodokumentation (Bl. 46-49 LSG-Akte) dargestellt, auch - letztlich vor allem - durch regelmäßige Überkopfarbeiten beim Verputzen von Decken und Gewölben belastet war. Diese Überkopfarbeiten erfüllen jedoch schon im Ansatz nicht das für die BK 2109 vorausgesetzte und hier ausführlich beschriebene Belastungsprofil. Die BK 2109 berücksichtigt nur Tätigkeiten, bei denen Lasten auf den Schultern getragen werden. Dies ist bei den dargestellten Überkopfarbeiten nicht der Fall.
Im Ergebnis bliebe als im Rahmen der BK 2109 zu berücksichtigende Belastung allein das nach den - wie dargelegt aber nicht glaubhaften - Angaben des Klägers über viele Jahre erfolgte Tragen von Zementsäcken übrig. Allein schon angesichts der Vielzahl der sonst noch vom Kläger nach seinen eigenen Angaben zu tragenden Säcke und der übrigen vom Kläger geltend gemachten wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ist der Senat davon überzeugt, dass das Tragen von Zementsäcken über die Jahre nicht in einem zeitlichen Umfang von einer halben Stunde bezogen auf mehr als die Hälfte der Arbeitsschichten anfiel. Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger geltend gemachten Belastungszeiten mit der eigentlichen Tätigkeit des Klägers als Stuckateur nicht zu vereinbaren sind. Dies umso mehr, als der Kläger über Jahre hinweg als selbstständiger Unternehmer über Angestellte verfügte. Der Senat teilt ausdrücklich nicht die Auffassung von PD Dr. B.-A. , der die arbeitstechnischen Voraussetzungen unter Verkennung der hierfür maßgeblichen Kriterien (siehe oben) zu weit zieht, insbesondere in seine Berechnungen zu den zeitlichen Belastungen auch Tragetätigkeiten auf der Schulter mit geringeren Lastgewichten einbezog.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die hier letztlich ohnehin nicht streitentscheidende Frage des anzusetzenden Mindestgewichts wird - wie bereits dargestellt - von verschiedenen Landessozialgerichten gleich beurteilt. Auf die - medizinische Sichtweise - von PD Dr. B.-A. und von Dr. W. (orthopädisches Gutachten nach § 109 SGG vom Februar 1999, Bl. 389 VA), die in Verkennung der oben dargestellten Kriterien vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen ausgingen, kommt es nicht an. Überkopfarbeiten sind - wie ebenfalls bereits ausgeführt - offensichtlich für die Prüfung der Voraussetzungen der BK 2109 ohne Bedeutung. Ein Klärungsbedarf ist insoweit nicht gegeben. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers weiter auf die Frage, ob der Fleischträger mit dem Sackträger absolut vergleichbar sei, hingewiesen hat, stellt der Senat die Vergleichbarkeit gerade nicht in Abrede. Schließlich wird in den Materialien zur BK 2109 auch auf den Kohle(Sack)Träger hingewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2109 der Anlage (bzw. seit 01.07.2009 der Anlage 1) zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV, nachfolgend BK 2109).
Der am 1942 geborene Kläger nahm im Jahr 1957 eine Lehre zum Gipser auf, die er im Jahr 1960 abschloss. Anschließend war er als Gipsergeselle und nach Durchlaufen der Meisterschule als angestellter Gipsermeister tätig. Im Jahr 1979 machte er sich selbstständig und arbeitete bis zur Aufgabe der Tätigkeit im Juni 1995 mit drei bis acht Angestellten (bis hierhin siehe u.a. Bl. 40-42, 312, 355 VA).
Beim Kläger liegt eine Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule, insbesondere in den Bewegungssegmenten zwischen dem 5. und 6. sowie dem 6. und 7. Halswirbelkörper mit entsprechenden funktionellen Einschränkungen vor (so im Wesentlichen übereinstimmend: Gutachten von Prof. Dr. R. Bl. 784, 789 VA und PD Dr. B.-A. Bl. 911, 922 VA). Der Kläger führt nicht nur diese Beschwerden auf seine beruflichen Belastungen zurück. In der Vergangenheit machte er - erfolglos - auch die Anerkennung einer Atemwegserkrankung, einer Erkrankung der Sehnenscheide, einer Lärmschwerhörigkeit, von Handgelenks- und Unterarmbeschwerden, einer obstruktiven Ventilationsstörung, einer Hautkrankheit, Blutbildveränderungen, einer chronischen Schleimbeutelerkrankung, eines Meniskusschadens und einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als BK bzw. wie eine BK geltend; hinsichtlich der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule ist derzeit beim Sozialgericht Heilbronn ein Verfahren unter dem Aktenzeichen S 4 U 2245/09 anhängig.
Erstmalig begehrte der Kläger im Januar 1994 die Prüfung, ob seine Wirbelsäulenerkrankung als BK anzuerkennen sei. Hierzu machte er u.a. geltend (vgl Bl. 31, 180 f. VA) langjährig Sackmaterial von 40 bzw. 50 kg pro Sack auf der Schulter getragen zu haben, insbesondere Zementsäcke mit 50 kg und Gipssäcke mit 40 kg sowie Gerüststangen und -bestandteile in Vollholzausfertigung (25 bis 30 kg). Ab den Jahren 1992/93 seien die Sackgewichte auf 25 bis 35 kg reduziert worden. Ferner habe er schwere gefüllte Materialschläuche schleppen und ziehen müssen sowie Überkopfarbeiten ausgeführt. Der Kläger reichte noch verschiedene Unterlagen ein, u.a. zu der in den maßgeblichen Fachkreisen diskutierten Reduzierung der Sackgewichte (Bl. 244 ff. VA, einschließlich Preislisten) und zur Entwicklung der Wochenarbeitszeiten im Baugewerbe der alten Bundesländer seit 1957 (von 48 Stunden bis zurückgehend auf 39 Stunden im Jahr 1990, Bl. 499 VA). Zuletzt im Juni 1998 gab der Kläger gegenüber dem Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten an (Bl. 312 ff VA), von 1957 bis 1969 ca. elf bis zwölf Stunden (an Samstagen ca. fünf Stunden) und von 1969 bis 1995 ca. 13 bis 14 Stunden (an Samstagen ca. acht bis neun Stunden) gearbeitet zu haben. Mit einem zeitlichen Anteil von 10% habe er Lasten von 50 kg und mehr (Sack- und Eimergebinde, gefüllte Mörteleimer, Gipsdielen und -platten, Holzstangen für Gerüste) i.S. der BK 2109 getragen. Der Zeitanteil für das Tragen von Lasten unter 50 kg i.S. der BK 2109 habe ca. 5% betragen. Der Technische Aufsichtsbeamte Dipl.-Ing. H. bezweifelte die Angaben zur Arbeitszeit und zum zeitlichen Anteil des Tragens von schweren Lasten. Tägliche Arbeitszeiten von 13 bis 14 Stunden über einen Zeitraum von 1969 bis 1995 hielt er nicht für möglich. Nach den vom Kläger angegebenen Zeitanteilen für belastende Tragetätigkeiten (auch im Hinblick auf die BK 2108) sei für die eigentlichen Stuckateurarbeiten nur ein Anteil von ca. 25% verblieben. Es bleibe das Geheimnis des Klägers, wie er dann noch Leistungen in seinem Beruf erbringen konnte.
Mit Bescheid vom 14.05.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.1997 lehnte die Beklagte (u.a.) die Anerkennung der BK 2109 ab. Die deswegen vom Kläger erhobene Klage (Sozialgericht Heilbronn S 6 U 1645/97) wies das Sozialgericht mit Urteil vom 10.05.2001 ab. Das Sozialgericht ging davon aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2109 nicht erwiesen seien. Der Kläger habe durch das angeschuldigte Tragen von Säcken auf der Schulter keine Gewichte von regelmäßig 50 kg oder mehr bewegen müssen. Nach den vorgelegten Preislisten der 1980er Jahre habe bereits damals das maximale Gewicht der Säcke regelmäßig bei 40 kg gelegen. Dieses Gewicht stelle noch keine Gefährdung für die Halswirbelsäule dar. Dass Zementsäcke vor 1993 mit 50 kg angegeben worden seien, bestätige lediglich die Auffassung des TAD, dass in einem geringen Zeitanteil Lasten von 50 kg auf der Schulter getragen worden seien. Bei dieser Sachlage könne dahingestellt bleiben, ob das Tragen der Säcke auf der Schulter überhaupt mit der Tätigkeit der Berufsgruppe der Fleischträger, deren Belastungsprofil und deren Schädigungsbild zur Aufnahme der Erkrankung in die BK-Liste geführt habe, vergleichbar gewesen sei.
Am 29.08.2003 stellte der Kläger wegen der Nichtanerkennung der BK 2109 einen Überprüfungsantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 12.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2004 ablehnte.
Deswegen hat der Kläger am 16.12.2004 beim Sozialgericht Heilbronn erneut Klage erhoben (S 7 U 3754/04). Er hat sich insbesondere auf die Auffassung von PD Dr. B.-A. gestützt, der in dem Berufungsverfahren L 10 U 3723/01, das allein die Frage des Vorliegens der BK 2108 betraf, im August 2003 auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten erstellt hatte (Bl. 903 ff. VA). Ihm gegenüber hatte der Kläger Sackgewichte von 35 kg (Gipsfertigputz innen) bis 50 kg (Zementsäcke bis 1996) bestätigt. Ferner seien Mörtelvögel (rechteckiger Kasten mit Mörtel) mit einem Lastgewicht von ca. 50 bis 60 kg in den Jahren 1957 bis 1963 25 Mal pro Schicht auf der Schulter zu tragen gewesen Der Sachverständige vertrat die Auffassung, die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2109 seien beim Kläger gegeben. Bei Annahme einer zeitlichen Belastung im Umfang von 10% der Tätigkeit und sich daraus ergebenden Tragetätigkeiten von 1 bis 1,2 Stunden täglich bei 40 Hüben seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht anzuzweifeln.
Das gerichtliche Verfahren wurde im Hinblick auf das parallel anhängige Verfahren zur Anerkennung der BK 2108 ausgesetzt und im Januar 2008 unter dem Aktenzeichen S 4 U 250/08 wieder aufgenommen.
In der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2012 hat der Kläger (erneut) ein Foto vorgelegt, auf dem das Tragen eines Zementsacks dokumentiert ist (Bl. 99 SG-Akte). Weiter hat er angegeben, die Wanne mit dem ?Speis? habe 40 bis 50 kg gewogen. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom gleichen Tag abgewiesen. U.a. unter Hinweis auf das Urteil des Landessozialgerichts Hessen vom 20.09.2011 (L 3 U 218/07 in juris, Revisionsverfahren anhängig B 2 U 11/12 R) sowie unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien hat es für die Bejahung einer beruflichen Exposition im Sinne der BK 2109 eine mindestens zehnjährige Tätigkeit mit dem Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr auf der Schulter in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten im Umfang von mindestens einer Stunde bei gleichzeitig nach vorn und seitwärts erzwungener Kopfhaltung für notwendig angesehen. Als Vergleichsmaßstab hat es Fleischträger in Schlachthäusern, die Lasten auf der Schulter oder über Kopf unter Zwangshaltung im Bereich der Halswirbelsäule unter maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur transportieren, sowie damit vergleichbare Belastungen der Lastenträger, die schwere Säcke auf der Schulter tragen, herangezogen. Gestützt auf die Angaben des Klägers zu den Tragebelastungen sowie auf die Stellungnahmen des TAD der Beklagten hat es diese Voraussetzungen nicht für nachgewiesen erachtet. Unter Verweis auf das vorangegangene Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.05.2001 hat es bereits als nicht belegt angesehen, dass der Kläger Säcke mit einem Gewicht von 50 kg und mehr auf der Schulter habe tragen müssen. Aus den vorgelegten Abbildungen und Preislisten ergebe sich ein Maximalgewicht der Säcke von 40 kg. Gleiches gelte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung für den Mörtelvogel. Im Rahmen der Gesamttragebelastungen seien demnach, wie schon im vorangegangenen Urteil ausgeführt, in einem geringen Zeitanteil Lasten von 50 kg auf der Schulter getragen worden. Folglich sei eine dem Belastungsmuster der BK 2109 entsprechende Tätigkeit nicht feststellbar. Das Tragen der Säcke sei auch von der Haltung her nicht mit der Tätigkeit von Fleischträgern vergleichbar.
Gegen das ihm am 22.03.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 23.04.2012 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das vorgelegte Foto belege das Tragen eines Sackes mit 50 kg wie ein Fleischträger. Er habe jahrzehntelang solche Säcke getragen. Erst ab dem Jahr 1992 sei es zu einer Gewichtsreduzierung gekommen. Das Sozialgericht habe es versäumt, konkrete Belastungen festzustellen. Es hätte wegen der Gewichte weiter ermitteln müssen. Zudem habe er auch unförmige Bohlen auf der Schulter tragen müssen. Der Mörtelvogel habe 50 bis 60 kg gewogen und sei bei Ansetzung eines Einzelvorgangs von 25 Arbeitsgängen pro Schicht bereits allein 3¼ Stunden getragen worden. Nach der vom Sozialgericht herangezogenen Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen, das einen Zimmermann betroffen habe, sei eine zeitliche Belastung von 30 Minuten ausreichend. Bei ihm seien zudem seine langen Arbeitszeiten und Überstunden zu berücksichtigen. Ferner habe er auch lange Überkopfarbeiten mit einer der BK 2109 entsprechenden Kopfhaltung ausüben müssen. Hierzu hat der Kläger weitere Fotodokumentationen vorgelegt (Bl. 47 ff. LSG-Akte).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.03.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2004 zu verurteilen, den Bescheid vom 14.05.1996 zurückzunehmen und das Vorliegen der BK 2109 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Heilbronn S 6 U 1645/97 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 14.05.1996 zurückzunehmen. Denn die Voraussetzungen zur Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK 2109 liegen nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, in juris) kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Versicherungsfalles - Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, vgl. § 7 Abs. 1 SGB VII - als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (zum subjektiv-öffentlichen Recht s. das erwähnte Urteil des BSG vom 05.07.2011). Dem entsprechend begehrt der Kläger hier zulässigerweise zum einen die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des die streitige BK 2109 bestandskräftig ablehnenden Bescheides vom 14.05.1996 und zum anderen die Verpflichtung der Beklagten, nach erfolgter Rücknahme dieses Bescheides die streitige BK anzuerkennen.
Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob sich die Prüfung des Anspruchs des Klägers auf eine Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung nach § 44 Abs. 1 oder nach § 44 Abs. 2 SGB X zu richten hat. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass vom einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Da im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 14.05.1996 hinsichtlich der jetzt vom Kläger zur Überprüfung gestellten Frage des Vorliegens der BK 2109 an sich nicht über Leistungen entschieden wurde, könnten Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gesehen werden. Für die Anwendung dieser Regelung (so auch ohne weitere Problematisierung für die streitige Feststellung eines Arbeitsunfalls: BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R in SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 18) spricht jedoch, dass es bei der Feststellung einer BK letztendlich in der Regel doch (indirekt) um Leistungsansprüche geht. Zudem erscheint der die Feststellung einer BK begehrende potentielle Leistungsempfänger insoweit, als ihn § 44 Abs. 1 SGB X gegenüber dem alternativ in Betracht kommenden § 44 Abs. 2 SGB X privilegiert, schutzwürdig. Denn im Anwendungsbereich des Abs. 1 ist eine gebundene Entscheidung über die Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen, während der Behörde im Anwendungsbereich des Abs. 2 ein Ermessensspielraum gewährt wird. Letztlich kann die Frage, ob Abs. 1 oder Abs. 2 des § 44 SGB X anzuwenden ist, offen bleiben, da auch nach § 44 Abs. 2 SGB X Voraussetzung wäre, dass der Bescheid vom 14.05.1996 rechtswidrig ist. Dies ist nicht der Fall
Der Bescheid vom 14.05.1996 ist vielmehr, wie vom Sozialgericht Heilbronn nunmehr schon zwei Mal zutreffend entschieden, rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der BK 2109.
Es kommt im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Versicherungsfall vor (hierfür spricht deutlich die Aufgabe der Tätigkeit im Jahr 1995 und die bereits im Jahr 1994 bei schon damals bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden erfolgte Anzeige einer BK) oder nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist und damit gem. § 212 SGB VII die bis zur Rechtsänderung geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder aber die Regelungen des SGB VII Anwendung finden. Denn an den Voraussetzungen der - zunächst auf § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO beruhenden und nunmehr auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII fort geltenden - BK 2109 einschließlich des Kausalitätserfordernisses hat sich durch das Inkrafttreten des SGB VII nichts geändert.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI (§§ 539, 540, 543 bis 545 RVO) begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII, § 551 Abs. 1 Satz 3 erster Halbsatz RVO). Hierzu zählen nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also die bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule - erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die Voraussetzungen zur Feststellung der streitigen BK sind hier nicht erfüllt. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen (langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter) für die Feststellung der BK 2109 liegen nicht vor.
Unabhängig von der Frage nach Art und Ausmaß der von der BK 2109 erfassten Belastungen im Einzelnen kann die Berufung des Klägers schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Angaben des Klägers zu seinen Hebe- und Tragebelastungen nicht glaubhaft sind. Abgesehen davon, dass der Kläger immer wieder unterschiedliche Angaben zu den Gewichten machte (so z.B. zum Mörtelvogel: 50 bis 60 kg auf Bl. 903 VA gegenüber 40 bis 50 kg in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht) können seine Angaben zum zeitlichen Ausmaß der Tragetätigkeiten nicht zutreffen. Gegenüber Dipl.-Ing. H. (vgl. Bl. 312 ff. VA) gab der Kläger in Bezug auf die BK 2109 an, zu 10 % der Arbeitszeit Lasten mit 50 kg und mehr und zu 5 % Lasten von weniger als 50 kg auf der Schulter getragen, insgesamt also 15 % der Arbeitszeit solche Tragetätigkeiten verrichtet zu haben. Darüber hinaus behauptete er Belastungen durch das Heben und Tragen schwerer Lasten i.S. der BK 2108 im Umfang von 35 % (Lasten über 25 kg), 15 % (Lasten von 10 bis 25 kg) und 10 % (Lasten unter 10 kg), insgesamt also 60 % der Arbeitszeit. Damit errechnet sich - worauf bereits Dipl.-Ing. H. hinwies - ein Arbeitszeitanteil für Hebe- und Tragetätigkeiten von 75 %. Dies würde bedeuten, dass für die eigentliche Tätigkeit als Gipser nur ein Arbeitszeitanteil von 25 % verbliebe, für den der Kläger auch noch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Umfang von 20 % angab. Der Senat teilt deshalb die von Dipl.-Ing. H. geäußerte Einschätzung, dass es das Geheimnis des Klägers bleibt, wie er dann noch die eigentlichen Handwerkerleistungen als Gipser und Stuckateur erbringen konnte. Hinzu kommt, dass es jeglicher Lebenswirklichkeit widerspricht, wenn der Kläger die dargestellten Hebe- und Tragebelastungen auch für die Zeit seiner Selbstständigkeit mit drei bis acht Angestellten (Bl. 355 VA) behauptet. Gleiches gilt in Bezug auf die sich anhand der Angaben des Klägers errechnenden Zeiten für das Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg. Nach den Angaben des Klägers war er von 1957 bis 1969 ca. elf bis zwölf Stunden (an Samstagen ca. fünf Stunden) und von 1969 bis 1995 ca. 13 bis 14 Stunden (an Samstagen ca. acht bis neun Stunden) in seinem Beruf tätig. Nach seinen Angaben zu den Belastungen durch schweres Heben und Tragen (10 % der Arbeitszeit Lasten von mehr als 50 kg, 35 % der Arbeitszeit Lasten über 25 kg und 15 % der Arbeitszeit Lasten von 10 bis 25 kg) hätte er bei elf bis zwölf Stunden täglicher Arbeitszeit also mehr als sieben Stunden täglich, bei 13 bis 14 Stunden nahezu acht Stunden täglich ausschließlich solche Lasten von mehr als 10 kg gehoben und getragen. Auch dies ist nicht glaubhaft. Weitere Ermittlungen sind insoweit nicht möglich. Vielmehr ist die Beurteilung der beruflichen Belastungen wesentlich von glaubhaften Angaben des Versicherten abhängig. Deshalb lässt sich im vorliegenden Fall Art und Ausmaß der tatsächlich durchgeführten Lastenmanipulationen nicht feststellen. Dies geht zu Lasten des Klägers.
Unabhängig hiervon würden auch die vom Kläger behaupteten Gewichtsbelastungen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitigen BK 2109 nicht erfüllen.
Mit dem in Rechtsprechung und Literatur bei verschiedenen BKen verwendeten Begriff der arbeitstechnischen Voraussetzungen sind die für die Anerkennung einer Krankheit als BK erforderlichen besonderen Einwirkungen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII gemeint (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, dort zur BK Nr. 2110). Es geht darum, welche Einwirkungen vorgelegen haben und wie sie beschaffen gewesen sein müssen, um von einer beruflichen Ursache der eingetretenen Erkrankung ausgehen zu können. Dabei ist es Aufgabe der Verwaltung und der Gerichte, die im Text der BKV nur unbestimmt beschriebenen Einwirkungen zu präzisieren. Dazu kann die Festlegung gehören, welches Maß an von der BK erfassten Einwirkungen im Verlauf der versicherten Berufstätigkeit mindestens erreicht worden sein muss, damit überhaupt ein Kausalzusammenhang mit der Erkrankung in Betracht kommt. Vielfach verzichtet der Verordnungsgeber bei der Formulierung der BK-Tatbestände bewusst auf die Angabe konkreter Belastungsarten und Belastungsgrenzwerte und verwendet stattdessen auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe (bei der hier streitigen BK ?langjährig?, ?schwer?), um bei der späteren Rechtsanwendung Raum für die Berücksichtigung neuer, nach Erlass der Verordnung gewonnener oder bekannt gewordener wissenschaftlicher Erkenntnisse zu lassen. In solchen Fällen kann aus dem Fehlen einer Angabe zum Grad der erforderlichen Einwirkungen im Wortlaut der BK nicht gefolgert werden, dass die in Rede stehenden Einwirkungen schlechthin, unabhängig von ihrer Intensität und Stärke, als geeignet angesehen werden, Erkrankungen zu verursachen, sofern sie nur entsprechend dem verwendeten unbestimmten Rechtsbegriff - im vom BSG entschiedenen Fall der BK 2110 ?langjährig? - einwirken.
Aus dem Wortlaut der hier streitigen BK Nr. 2109 ergibt sich weder eine zeitliche Mindestanforderung für die Ausübung der gefährdenden Tätigkeit noch eine Konkretisierung des Begriffs der schweren Last. Bei einer solch unbestimmten Fassung der BK sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die Gerichte verpflichtet (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 6/04 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 5 zur BK 2301 - Lärmschwerhörigkeit -) den Inhalt der BK über deren Wortlaut hinaus nach den allgemein anerkannten juristischen Regeln und Methoden (Wortlaut, Zusammenhang, Historie, Zweck) zu bestimmen, auch vor dem Hintergrund, dass der Verordnungsgeber die BKen zum Teil bewusst offen formuliert, damit Verwaltung und Rechtsprechung die sich ändernden Erkenntnisse berücksichtigen können, ohne dass der Wortlaut der Verordnung geändert werden muss. Dem entsprechend fließt auch medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachverstand nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand in die Beurteilung ein (BSG, Urteil vom 27.06.2006, a.a.O.). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. Dazu können einschlägige Publikationen, insbesondere die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums herangezogen werden (BSG, a.a.O.).
In der Amtlichen Begründung zum Gesetz gewordenen Entwurf zur Einführung der BK 2109 (BRDrs. 773/92) wird für Verschleißschäden an der Halswirbelsäule und für Halswirbelsäulensyndrome durch langjähriges Tragen von Lasten auf Fleischträger in Schlachthäusern als typischer Berufsgruppe mit entsprechender Gefährdung hingewiesen, die Lasten auf der Schulter oder über Kopf unter Zwangshaltung im Bereich der Halswirbelsäule und maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur transportieren. Ähnliche Belastungen treten - so die Amtliche Begründung weiter - beim Tragen von schweren Säcken auf der Schulter (z.B. Lastenträgern) auf. Eine nähere Erläuterung ergibt sich aus dem Merkblatt zur BK 2109 (BArbBl. 3/1993, Seite 53). Danach steht unter den beruflichen Faktoren, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule verursachen oder verschlimmern können, fortgesetztes Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, einhergehend mit einer statischen Belastung der zervikalen Bewegungssegmente und außergewöhnlicher Zwangshaltung der Halswirbelsäule, im Vordergrund, wie dies z.B. bei Fleischträgern beobachtet wurde, die Tierhälften oder Tierviertel auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel tragen. Die nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung und das gleichzeitige maximale Anspannen der Nackenmuskulatur führen zu einer Hyperlordosierung und auch zu einer Verdrehung der Halswirbelsäule. Damit wird - so das Merkblatt - eine langjährige (zehn Berufsjahre, bei sehr intensiver Belastung auch kürzer) Tätigkeit mit dem Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr in einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten für erforderlich gehalten. Dies entspricht der - damaligen - tatsächlichen Belastung von Fleisch- und Kohleträgern (s. hierzu Schäfer u.a., Vergleich der Belastungen von Fleisch- und Kohleträgern beim Tragen von Lasten auf der Schulter in Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2008, 20 ff). So wogen Schweinehälften früher 50 bis zu 60 kg, Rinderviertel etwa 70 bis 80 kg, Kohlesäcke etwas über 50 kg.
Im Hinblick auf die als typisch gefährdet anzusehenden und Anlass für die BK 2109 gebenden Fleischträger ist der Referenzwert somit für ein Objekt in Größe und Form einer Schweinehälfte oder eines Rinderviertels (zur Art des Tragens siehe die Bilddokumentation bei Schäfer u.a., a.a.O.) in Übereinstimmung mit dem Merkblatt sowie Literatur und Rechtsprechung mit etwa 50 kg anzunehmen (Urteil des Senats vom 14.07.2011, L 10 U 1580/08 und im Urteil vom 22.05.2003, L 10 U 4524/01; ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 20.09.2011, L 3 U 218/07, LSG Berlin, Urteil vom 17.08.2000, L 3 U 81/97 und Urteil vom 25.03.2003, L 2 U 104/01; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2000, L 6 U 13/97; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.07.1999, L 3 U 202/97; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.1998, L 2 U 883/98 und Urteil vom 17.12.1997, L 10 U 1591/97; Schur/Koch, a.a.O. m.w.N. zur Rechtsprechung; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O.); soweit das Gewicht der Schweinehälften in der Literatur mit 40 kg angesetzt wird (so Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, Anm. 1 zu BK 2109) beruht dies auf den heutigen Gewichten der Schweinehälften, was aber im Hinblick auf die vom Verordnungsgeber in Betracht gezogenen Arbeitsbedingungen früherer Zeit gerade nicht zutrifft (s. hierzu ebenfalls Schäfer, a.a.O.).
Hinzu kommen muss eine gewisse Regelmäßigkeit bzw. Häufigkeit des gefährdenden Vorgangs in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten (so das Merkblatt). Bei dieser Frage nach der Dauer der gefährdenden Belastung ist zwar zu beachten, dass bei den typischerweise gefährdeten Fleischträgern dieses Tragen einen der Kernpunkte der Tätigkeit ausmacht (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.01.1997, L 15 U 231/95). Allein hieraus und über Anteile schädigender Tätigkeiten anderer Berufsgruppen bei der BK 2108 (so LSG Berlin, Urteil vom 17.08.2000, L 3 U 81/97: Schwesternhelferinnen eine Stunde täglich) kann jedoch keine zeitliche Mindestbelastung hergeleitet werden. Maßgebend sind vielmehr auch hier die damaligen tatsächlichen Arbeitsumstände. Die reine Tragezeit der Fleisch- und Kohleträger betrug eine halbe bis zu eineinviertel Stunden arbeitstäglich (Schäfer, a.a.O.). Dem entsprechend ist eine Mindestdauer von wenigstens einer halben Stunde reiner Tragetätigkeit die Grenze der zeitlichen Mindestbelastung, bezogen auf mehr als die Hälfte der Arbeitsschichten (restriktiver das Hessische LSG im Urteil vom 20.09.2011, L 3 U 218/07: mindestens eine Stunde pro Arbeitsschicht).
Der Häufigkeit des Tragevorgangs und damit der Anzahl der Hübe vermag der Senat indessen keine Bedeutung zumessen (a.A. Mehrtens/Brandenburg, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.1998, L 2 U 883/98). Anders als bei der BK 2108 spielt das Heben von Lasten bereits nach dem Wortlaut der BK 2109 keine Rolle und das Heben selbst führt auch nicht zu der geforderten, weil gefährdenden Zwangshaltung der Halswirbelsäule.
Unter Beachtung dieser Maßstäbe vermag sich der Senat nicht vom Vorliegen eines Belastungsbildes zu überzeugen, das mit dem vom Verordnungsgeber bei der BK 2109 - vor allem von den Lastgewichten her - zu Grunde gelegten Belastungsbild vergleichbar ist. Denn es lässt sich auch unter Zugrundelegung der vom Kläger behaupteten Gewichtseinheiten nicht feststellen, dass der Kläger Lastgewichte von 50 kg und mehr mindestens eine halbe Stunde bezogen auf mehr als die Hälfte der Arbeitsschichten in der beschriebenen Art und Weise auf der Schulter tragen musste.
Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers hatten lediglich die Zementsäcke bis in die 1990er Jahre ein Gewicht von 50 kg. Andere Säcke hatten nach den insoweit übereinstimmenden mehrmaligen Angaben des Klägers geringere Gewichte (z.B. Bl. 293 VA: Kalk- und Gipssäcke 40 kg). Dies ergibt sich auch aus den vom Sozialgericht Heilbronn schon in der Entscheidung vom 10.05.2001 erwähnten Preislisten. Beispielsweise wird in der Preisliste der Großhandlung in Baustoffen Eberl vom August 1987 nur der Zement in einem 50 kg-Sack angeboten, während insgesamt neun weitere Produkte (u.a. Kalk, Gips und Fertigputz) in 40 kg-Säcken aufgeführt sind (Bl. 266 VA).
Die Angaben des Klägers zum Gewicht des Mörtelvogels schwanken. Während der Kläger früher Gewichte von 50 bis 60 kg angab, hat er zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht im März 2012 ein Gewicht von 40 bis 50 kg angegeben. Aus diesen Angaben ergibt sich auch, dass der Mörtelvogel jeweils individuell befüllt wurde. Angesichts dieser schwankenden Befüllung, die heute nicht mehr nachvollzogen werden kann und der Bandbreite der Angaben des Klägers, kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Mörtelvogel regelmäßig 50 kg und mehr wog. Ermittlungsmöglichkeiten sind insoweit nicht mehr gegeben, da die jeweiligen Befüllungen nicht rekonstruiert werden können.
Auch hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Transports von Gerüstbestandteilen auf den Schultern wurden Lastgewichte von 50 kg und mehr nicht erreicht. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers haben die Gerüstbestandteile 25 bis ca. 30 kg je Einheit gewogen (Bl. 181 VA). Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob beim Transport der Gerüstbestandteile - ?unförmiger Bohlen? - überhaupt die beschriebene notwendige abnorme Zwangshaltung des Kopfes vorlag.
Letzteres kann jedoch klar hinsichtlich des vom Kläger ebenfalls geltend gemachten Transports bzw. Bewegens des Schlauches der Mörtelmaschine (?Mörtelschlauch?), selbst wenn dieser Transport über die Schulter gelegt erfolgte, ausgeschlossen werden. Bei einem Mörtelschlauch handelte es sich um keinen unförmigen Gegenstand, so dass der Transport nicht mit der hier notwendigen außergewöhnlichen Zwangshaltung der Halswirbelsäule verbunden war.
Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger, wie von ihm in der zuletzt vorgelegten Fotodokumentation (Bl. 46-49 LSG-Akte) dargestellt, auch - letztlich vor allem - durch regelmäßige Überkopfarbeiten beim Verputzen von Decken und Gewölben belastet war. Diese Überkopfarbeiten erfüllen jedoch schon im Ansatz nicht das für die BK 2109 vorausgesetzte und hier ausführlich beschriebene Belastungsprofil. Die BK 2109 berücksichtigt nur Tätigkeiten, bei denen Lasten auf den Schultern getragen werden. Dies ist bei den dargestellten Überkopfarbeiten nicht der Fall.
Im Ergebnis bliebe als im Rahmen der BK 2109 zu berücksichtigende Belastung allein das nach den - wie dargelegt aber nicht glaubhaften - Angaben des Klägers über viele Jahre erfolgte Tragen von Zementsäcken übrig. Allein schon angesichts der Vielzahl der sonst noch vom Kläger nach seinen eigenen Angaben zu tragenden Säcke und der übrigen vom Kläger geltend gemachten wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ist der Senat davon überzeugt, dass das Tragen von Zementsäcken über die Jahre nicht in einem zeitlichen Umfang von einer halben Stunde bezogen auf mehr als die Hälfte der Arbeitsschichten anfiel. Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger geltend gemachten Belastungszeiten mit der eigentlichen Tätigkeit des Klägers als Stuckateur nicht zu vereinbaren sind. Dies umso mehr, als der Kläger über Jahre hinweg als selbstständiger Unternehmer über Angestellte verfügte. Der Senat teilt ausdrücklich nicht die Auffassung von PD Dr. B.-A. , der die arbeitstechnischen Voraussetzungen unter Verkennung der hierfür maßgeblichen Kriterien (siehe oben) zu weit zieht, insbesondere in seine Berechnungen zu den zeitlichen Belastungen auch Tragetätigkeiten auf der Schulter mit geringeren Lastgewichten einbezog.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die hier letztlich ohnehin nicht streitentscheidende Frage des anzusetzenden Mindestgewichts wird - wie bereits dargestellt - von verschiedenen Landessozialgerichten gleich beurteilt. Auf die - medizinische Sichtweise - von PD Dr. B.-A. und von Dr. W. (orthopädisches Gutachten nach § 109 SGG vom Februar 1999, Bl. 389 VA), die in Verkennung der oben dargestellten Kriterien vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen ausgingen, kommt es nicht an. Überkopfarbeiten sind - wie ebenfalls bereits ausgeführt - offensichtlich für die Prüfung der Voraussetzungen der BK 2109 ohne Bedeutung. Ein Klärungsbedarf ist insoweit nicht gegeben. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers weiter auf die Frage, ob der Fleischträger mit dem Sackträger absolut vergleichbar sei, hingewiesen hat, stellt der Senat die Vergleichbarkeit gerade nicht in Abrede. Schließlich wird in den Materialien zur BK 2109 auch auf den Kohle(Sack)Träger hingewiesen.
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