Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 192 VE 95/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VE 36/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. September 2012 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 30. Juli 2012 gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 wird angeordnet. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin des gesamten vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Rücknahme eines Bescheides über die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) durch den Antragsgegner.
Die 1946 geborene Antragstellerin wurde vom Stadtgericht Berlin mit Urteil vom 31. Oktober 1978 wegen staatsfeindlicher Verbindungen, Beihilfe zu staatsfeindlichen Verbindungen sowie zu Vorbereitungen zum ungesetzlichen Grenzübertritt im schweren Falle und Beihilfe zum versuchten ungesetzlichen Grenzübertritt im schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt, aufgrund einer Amnestie jedoch vorzeitig aus der Haft entlassen. Mit Beschluss vom 4. Februar 1993 – (552 Rh) 4 Js 1730.92 (47/93) hob das Landgericht Berlin dieses Urteil des Stadtgerichts Berlin auf und stellte fest, dass die Antragstellerin in der Zeit vom 8. Mai 1978 bis zum 3. Dezember 1979 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat.
Die Antragstellerin war bereits am 30. April 1981 in den Westteil von Berlin ausgereist. Einen Antrag der Antragstellerin auf Versorgung nach dem Häftlingshilfegesetz in Verbindung mit den Vorschriften des BVG vom 8. Mai 1981 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. Mai 1983 mit der Begründung ab, die von der Antragstellerin geltend gemachten Zahnschäden, Nieren- und Kreislaufbeschwerden, Gelenkschmerzen im Knie sowie eine Infektanfälligkeit seien nicht auf deren Inhaftierung zurückzuführen. Soweit nach der Übersiedlung der Antragstellerin noch psychovegetative Störungen bestanden, seien diese nicht mehr auf die Haft, sondern auf Belastungen im Zusammenhang mit der Ausreise und Integration zurückzuführen. Am 27. Juli 1987 erlitt die Antragstellerin bei einem Frontalzusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug ein Polytrauma mit verschiedenen Frakturen und einer Schädelhirnverletzung.
Am 22. April 2004 beantragte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf eine posttraumatische Belastungsstörung mit schweren Folgen und psychischen Belastungen hervorgerufen durch Zersetzungsmaßnahmen vor, während und nach der Haft sowie psychische Folter, Zwangsarbeit und Beugungsmaßnahmen in der Haft beim Antragsgegner die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem StrRehaG. In einem für die Rentenversicherung erstellten Gutachten vom 17. September 2006 diagnostizierte die Neurologin und Psychiaterin Dr. P bei der Antragstellerin aufgrund einer Untersuchung am 8. September 2006 eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine narzistische Persönlichkeitsstörung und erachtete die Antragstellerin aufgrund ihrer psychischen Besonderheiten als auf dem freien Arbeitsmarkt nicht integrierbar. Das Misstrauen der Antragstellerin würde jegliche zwischenmenschliche Einbindung verhindern. Hinweise auf Simulations- oder Aggravationstendenzen lägen nicht vor. Der Antragsgegner ließ die Antragstellerin in der Folge durch seinen ärztlichen Dienst begutachten. Die Neurologin und Psychiaterin Dr. W empfahl in ihrem Gutachten vom 11. Juni 2007 aufgrund der Untersuchungen der Antragstellerin am 11. und 14. Juni 2007 die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung mit verstärktem Misstrauen als Schädigungsfolge mit einem Grad der Schädigung (GdS) von 40. Es läge das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung mit einer misstrauischen Grundhaltung vor, welches durch eine vordergründig selbstsicher anmutende Verhaltensweise, die mit Affektlabilität einhergehe, kaschiert werde.
Der Antragsgegner erkannte mit Teilbescheid vom 26. Mai 2008 bei der Antragstellerin eine posttraumatische Belastungsstörung mit verstärktem Misstrauen als Schädigungsfolge und zwar hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 21 StrRehaG sowie einen dadurch bedingten GdS von 40 mit einem Anspruch auf Versorgung ab dem 1. April 2004 an. Nach dem Ergebnis des nervenfachärztlichen Gutachtens von Dr. W sei die bei der Antragstellerin vorliegende posttraumatische Belastungsstörung Folge der zu Unrecht erlittenen Haft vom 8. Mai 1978 bis zum 3. Dezember 1979. Es werde noch geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Höherbewertung des GdS sowie die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs vorlägen.
Mit Bescheid vom 4. Mai 2010 entsprach der Antragsgegner im Anschluss an den Erstanerkennungsbescheid vom 26. Mai 2008 dem Antrag der Antragstellerin auf Berufsschadensausgleich ab dem 1. Oktober 2004, lehnte jedoch den Antrag auf Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit ab. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit dem Ziel Widerspruch ein, einen Berufsschadenausgleich auf der Grundlage eines höheren Vergleichseinkommens zu erhalten. Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2010 zurück. Dagegen erhob die Antragstellerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 41 VE 185/10, über die bisher noch nicht entschieden ist.
Am 23. November 2010 stellte die Antragstellerin beim Antragsgegner einen Verschlimmerungsantrag hinsichtlich der aus der Haft resultierenden Schädigungsfolgen. Nach Einholung von Befundberichten des die Antragstellerin behandelnden Allgemeinmediziners H und der Beratungsstelle G ließ der Antragsgegner die Antragstellerin erneut durch die Neurologin und Psychiaterin Dr. W begutachten. Diese regte aufgrund der Untersuchung der Antragstellerin am 26. Januar 2011 eine psychologische Testung durch den klinischen Neuropsychologen Dr. M an. In seinem psychologischen Bericht vom 3. Juni 2011 aufgrund der Untersuchungen der Antragstellerin am 27. Mai 2011 und 3. Juni 2011 führt Dr. M aus, dass die Schilderung spezifischer Beschwerden einer posttraumatischen Belastungsstörung durch die Antragstellerin nicht zuverlässig und von erheblichen, eine sachgerechte Beurteilung unmöglich machenden negativen Antwortverzerrungen bei offenkundigem Begehren gekennzeichnet sei. Dabei teilt der Sachverständige mit, dass eine strukturierte Exploration aufgrund fortgesetzt aggressiven und grenzüberschreitenden Verhaltens der Antragstellerin nicht möglich gewesen sei. Eine grobe Verhaltensstörung beschreibt Dr. M als offenkundig, ob diese jedoch einer primären Persönlichkeitsstörung entspreche, einer organisch bedingten Persönlichkeitsstörung nach Schädel-Hirn-Trauma oder der Verstärkung ersterer durch eine Hirnverletzung, sei angesichts zum Teil grob widersprüchlicher Informationsquellen und der Unkooperativität der Antragstellerin nicht mit ausreichender Sicherheit zu klären. In der Befunderhebung scheine vor allem eine paranoide Persönlichkeit hindurch, ein Psychosyndrom sei objektiviert nachzuweisen. Eine Abgrenzung der Persönlichkeitsstörung zu den erst seit dem Jahre 2004 geltend gemachten Haftschäden könne nicht gelingen, eine Kausalzurechnung müsse aus Sicht des Sachverständigen rein spekulativ bleiben. Es sei zumindest ernsthaft zu bezweifeln, dass bei der Antragstellerin jemals tatsächlich eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen habe. Es verblieben gravierende Zweifel an der Authentizität der Beschwerdeschilderung und der Glaubhaftigkeit der durch die Antragstellerin gemachten Angaben. Abschließend weist der Sachverständige darauf hin, dass er die Antragstellerin vor Beginn der Untersuchung darauf hingewiesen habe, welche Bedeutung hohe Anstrengungsbereitschaft und Aufrichtigkeit in der Beschwerdeschilderung für den Begutachtungsprozess hätten und sich bei Fehlen dieser Voraussetzungen unter Umständen bestimmte gutachterliche Fragen nicht beantworten ließen, so dass davon auszugehen sei, dass die Antragstellerin eine Entscheidung zu negativen Antwortverzerrungen bewusst und eigenverantwortlich getroffen habe. Im Abschluss ihres nervenfachärztlichen Gutachtens vom 21. September 2011 kam die Neurologin und Psychiaterin Dr. W im Anschluss an den Bericht von Dr. M zu dem Schluss, dass davon auszugehen sei, dass die von der Antragstellerin in den Begutachtungsuntersuchungen angegebenen psychischen Beschwerden nicht auf die politische Inhaftierung zurückzuführen seien bzw. dass diese Beschwerden nicht durch spezielle testpsychologische Zusatzuntersuchungen hätten objektiviert werden können. Die empfohlene Schädigungsfolge und -bewertung einer posttraumatischen Belastungsstörung mit verstärktem Misstrauen sei unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse als unrichtig anzusehen. Auch ein Berufsschadensausgleich könne nicht empfohlen werden. Schädigungsunabhängig bestünden ein hirnorganisches Psychosyndrom sowie eine Persönlichkeitsstörung.
Mit Bescheid von 27. Februar 2012 lehnte der Antragsgegner daraufhin nach vorheriger Anhörung der Antragstellerin deren Verschlimmerungsantrag ab und nahm zugleich den Erstanerkennungsbescheid vom 26. Mai 2008 mit Wirkung ab dem 1. Mai 2012 nach § 45 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurück. Das dem Erstanerkennungsbescheid zugrunde liegende Gutachten beruhe auf Angaben, die von der Antragstellerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig getätigt worden seien. Es sei in hohem Maße wahrscheinlich, dass eine Simulation bzw. Aggravation psychischer Störungen vorliege. Die Antragstellerin habe die Entscheidung zu negativen Antwortverzerrungen bewusst und eigenverantwortlich getroffen. Im Rahmen der Ermessensausübung überwiege in Bezug auf die Zukunft das Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes das Interesse der Antragstellerin am Behaltendürfen der Leistung. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles in Form des Verbrauchs der erhaltenen Leistungen sowie des Alters der Antragstellerin erscheine es jedoch geboten, den Bescheid nicht für die Vergangenheit zurückzunehmen. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 12. März 2012 Widerspruch ein. Einen Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Rücknahmebescheides vom 7. Mai 2012 lehnte der Antragsgegner am 16. Mai 2012 ab. Der Antragsgegner wies den Widerspruch der Antragstellerin mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2012 mit der Begründung zurück, auch eine weitere medizinische Prüfung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens rechtfertige keine abweichende Entscheidung. Dagegen erhob die Antragstellerin am 30. Juli 2012 Anfechtungsklage vor dem Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 192 VE 95/12, über die bisher noch nicht entschieden ist.
Mit weiterem Bescheid vom 27. Februar 2012 nahm der Antragsgegner zudem den Folgebescheid vom 4. Mai 2010 mit Wirkung ab dem 1. Mai 2012 zurück und erklärte diesen Bescheid zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens vor der 41. Kammer des Sozialgerichts Berlin.
Die Antragstellerin hat am 30. Juli 2012 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Berlin gestellt, mit dem sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 4. Juli 2012 sowie eine Aufhebung der Vollziehung des Bescheides begehrte. Zur Begründung trägt sie vor, die rechtsstaatswidrige Inhaftierung sei jedenfalls als eine rechtlich wesentliche Teilursache ihres Gesundheitsschadens zu bewerten. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. M könne weder im Hinblick auf seine fragliche persönliche und fachliche Eignung noch in inhaltlicher Hinsicht überzeugen. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 26. Mai 2008 sei daher nicht nachgewiesen. Darüber hinaus weise der angefochtene Rücknahmebescheid einen Ermessensfehler auf, weil dessen Begründung unvollständig sei und an einem Abwägungsdefizit leide. Der Antragsgegner hätte berücksichtigen müssen, dass die Antragstellerin durch die Rücknahmeentscheidung auf die Gewährung von Grundsicherungsleistungen angewiesen sein werde, woraus sich eine erhebliche Härte für die Antragstellerin ableite.
Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 5. September 2012 abgelehnt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Antragstellerin habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der angefochtene Rücknahmebescheid vom 27. Februar 2012 rechtswidrig sei. Insoweit dürfte erst ein noch einzuholendes Sachverständigengutachten klären können, ob der Erstanerkennungsbescheid vom 26. Mai 2008 rechtswidrig war. Ungeklärt sei weiterhin, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Rücknahme vorlägen, so dass nach vorläufiger Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht festzustellen seien.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin hat die Antragstellerin am 12. September 2012 Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt, mit der sie ihr Begehren hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung weiter verfolgt und ausdrücklich beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. September 2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 30. Juli 2012 gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. September 2012 zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten der Verfahren S 192 VE 95/12 und S 41 VE 185/10 vorgelegen. Diese waren Gegenstand der Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners.
II.
Die nach den §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. September 2012 ist aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 30. Juli 2012 gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 anzuordnen.
Nach § 86 b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend kommt der Anfechtungsklage der Antragstellerin vom 30. Juli 2012 gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 entgegen § 86 a Absatz 1 Satz 1 SGG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu, weil nach § 86 a Absatz 2 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts – zu denen die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem StrRehaG in Verbindung mit dem BVG zählt – bei Verwaltungsakten entfällt, die – wie vorliegend – eine laufende Leistung entziehen.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht nach § 86 b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist in den Fällen des § 86 a Absatz 2 Nr. 2 SGG, dass das Interesse des durch den Verwaltungsakt Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das kraft Gesetzes als vorrangig angesehene öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt (vgl. zum Ganzen nur Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage 2012, Rn.12c zu § 86 b SGG mw.N.). Danach ist die aufschiebende Wirkung einer Klage jedenfalls dann anzuordnen, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und damit die Anfechtungsklage voraussichtlich zu dessen Aufhebung führen wird, weil ein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht bestehen kann.
Nach der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung spricht gegenwärtig mehr für einen Erfolg der Anfechtungsklage der Antragstellerin als dagegen. Eine Rücknahme des Erstanerkennungsbescheides vom 26. Mai 2008 nach § 45 SGB X setzt zunächst voraus, dass der Erstanerkennungsbescheid von Anfang an rechtswidrig war. Diese Frage wird sich – wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – letztlich erst nach medizinischer Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten klären lassen. Allerdings erlauben auch der psychologische Bericht des Sachverständigen Dr. M und das sich diesem anschließende Gutachten der Sachverständigen Dr. W bisher keine Überzeugungsbildung dahingehend, dass die ursprüngliche Bewilligung rechtswidrig war. Vielmehr ist es nach Aussage von Dr. M nur zumindest ernsthaft zu bezweifeln, dass bei der Antragstellerin jemals tatsächlich eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen hat, und verbleiben gravierende Zweifel an der Authentizität der Beschwerdeschilderung und der Glaubhaftigkeit der durch die Antragstellerin gemachten Angaben. Ein dergestalt beschriebener Zweifel vermag keine sichere Überzeugung zu vermitteln, so dass unter Berücksichtigung der objektiven Beweislast derzeit mehr gegen als für eine ursprüngliche Rechtswidrigkeit des Erstanerkennungsbescheides vom 26. Mai 2008 spricht. Jedenfalls ist derzeit nicht erkennbar, dass die Antragstellerin tatsächlich zumindest grob fahrlässig im Rahmen der Begutachtungsuntersuchungen am 11. und 14. Juni 2007 in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben getätigt hat, auf denen der Erstanerkennungsbescheid beruht, so dass nach dem derzeitigen Kenntnisstand eine Rücknahme nicht wird auf § 45 Absatz 2 Nr. 2 SGB X gestützt werden können. Dr. M führt in seinem Bericht zwar aus, dass er die Antragstellerin vor den Untersuchungen am 27. Mai 2011 und 3. Juni 2011 ausdrücklich auf die Bedeutung wahrheitsgemäßer Angaben hingewiesen habe. Ob daraus der von Dr. M gezogene Schluss abgeleitet werden kann, allein aufgrund dieses Hinweises seien fehlerhafte Angaben durch die Antragstellerin bewusst erfolgt, erscheint vor dem Hintergrund des Krankheitsbildes der Antragstellerin zumindest zweifelhaft. Eine Aussage über das Vorliegen wenigstens grober Fahrlässigkeit im Juni 2007 ist damit jedenfalls nicht getroffen worden. Ohne eine Feststellung zumindest grober Fahrlässigkeit ist darüber hinaus bereits die dann geltende Zweijahresfrist für eine Rücknahme nach § 45 Absatz 3 Satz 1 SGB X abgelaufen. Dadurch vermag sich der Rücknahmebescheid nach derzeitigem Kenntnisstand auch nicht im Wege einer Umdeutung nach § 43 Absatz 1 SGB X als Aufhebung nach § 48 Absatz 1 Satz 1 SGB X als rechtmäßig zu erweisen, weil insoweit über § 48 Absatz 4 Satz 1 SGB X dieselben Fristen zur Anwendung gelangen. Anhaltspunkte für eine Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes der Antragstellerin sind den vorliegenden medizinischen Unterlagen darüber hinaus nicht zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Absatz 1 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Rücknahme eines Bescheides über die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) durch den Antragsgegner.
Die 1946 geborene Antragstellerin wurde vom Stadtgericht Berlin mit Urteil vom 31. Oktober 1978 wegen staatsfeindlicher Verbindungen, Beihilfe zu staatsfeindlichen Verbindungen sowie zu Vorbereitungen zum ungesetzlichen Grenzübertritt im schweren Falle und Beihilfe zum versuchten ungesetzlichen Grenzübertritt im schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt, aufgrund einer Amnestie jedoch vorzeitig aus der Haft entlassen. Mit Beschluss vom 4. Februar 1993 – (552 Rh) 4 Js 1730.92 (47/93) hob das Landgericht Berlin dieses Urteil des Stadtgerichts Berlin auf und stellte fest, dass die Antragstellerin in der Zeit vom 8. Mai 1978 bis zum 3. Dezember 1979 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat.
Die Antragstellerin war bereits am 30. April 1981 in den Westteil von Berlin ausgereist. Einen Antrag der Antragstellerin auf Versorgung nach dem Häftlingshilfegesetz in Verbindung mit den Vorschriften des BVG vom 8. Mai 1981 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. Mai 1983 mit der Begründung ab, die von der Antragstellerin geltend gemachten Zahnschäden, Nieren- und Kreislaufbeschwerden, Gelenkschmerzen im Knie sowie eine Infektanfälligkeit seien nicht auf deren Inhaftierung zurückzuführen. Soweit nach der Übersiedlung der Antragstellerin noch psychovegetative Störungen bestanden, seien diese nicht mehr auf die Haft, sondern auf Belastungen im Zusammenhang mit der Ausreise und Integration zurückzuführen. Am 27. Juli 1987 erlitt die Antragstellerin bei einem Frontalzusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug ein Polytrauma mit verschiedenen Frakturen und einer Schädelhirnverletzung.
Am 22. April 2004 beantragte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf eine posttraumatische Belastungsstörung mit schweren Folgen und psychischen Belastungen hervorgerufen durch Zersetzungsmaßnahmen vor, während und nach der Haft sowie psychische Folter, Zwangsarbeit und Beugungsmaßnahmen in der Haft beim Antragsgegner die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem StrRehaG. In einem für die Rentenversicherung erstellten Gutachten vom 17. September 2006 diagnostizierte die Neurologin und Psychiaterin Dr. P bei der Antragstellerin aufgrund einer Untersuchung am 8. September 2006 eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine narzistische Persönlichkeitsstörung und erachtete die Antragstellerin aufgrund ihrer psychischen Besonderheiten als auf dem freien Arbeitsmarkt nicht integrierbar. Das Misstrauen der Antragstellerin würde jegliche zwischenmenschliche Einbindung verhindern. Hinweise auf Simulations- oder Aggravationstendenzen lägen nicht vor. Der Antragsgegner ließ die Antragstellerin in der Folge durch seinen ärztlichen Dienst begutachten. Die Neurologin und Psychiaterin Dr. W empfahl in ihrem Gutachten vom 11. Juni 2007 aufgrund der Untersuchungen der Antragstellerin am 11. und 14. Juni 2007 die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung mit verstärktem Misstrauen als Schädigungsfolge mit einem Grad der Schädigung (GdS) von 40. Es läge das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung mit einer misstrauischen Grundhaltung vor, welches durch eine vordergründig selbstsicher anmutende Verhaltensweise, die mit Affektlabilität einhergehe, kaschiert werde.
Der Antragsgegner erkannte mit Teilbescheid vom 26. Mai 2008 bei der Antragstellerin eine posttraumatische Belastungsstörung mit verstärktem Misstrauen als Schädigungsfolge und zwar hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 21 StrRehaG sowie einen dadurch bedingten GdS von 40 mit einem Anspruch auf Versorgung ab dem 1. April 2004 an. Nach dem Ergebnis des nervenfachärztlichen Gutachtens von Dr. W sei die bei der Antragstellerin vorliegende posttraumatische Belastungsstörung Folge der zu Unrecht erlittenen Haft vom 8. Mai 1978 bis zum 3. Dezember 1979. Es werde noch geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Höherbewertung des GdS sowie die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs vorlägen.
Mit Bescheid vom 4. Mai 2010 entsprach der Antragsgegner im Anschluss an den Erstanerkennungsbescheid vom 26. Mai 2008 dem Antrag der Antragstellerin auf Berufsschadensausgleich ab dem 1. Oktober 2004, lehnte jedoch den Antrag auf Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit ab. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit dem Ziel Widerspruch ein, einen Berufsschadenausgleich auf der Grundlage eines höheren Vergleichseinkommens zu erhalten. Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2010 zurück. Dagegen erhob die Antragstellerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 41 VE 185/10, über die bisher noch nicht entschieden ist.
Am 23. November 2010 stellte die Antragstellerin beim Antragsgegner einen Verschlimmerungsantrag hinsichtlich der aus der Haft resultierenden Schädigungsfolgen. Nach Einholung von Befundberichten des die Antragstellerin behandelnden Allgemeinmediziners H und der Beratungsstelle G ließ der Antragsgegner die Antragstellerin erneut durch die Neurologin und Psychiaterin Dr. W begutachten. Diese regte aufgrund der Untersuchung der Antragstellerin am 26. Januar 2011 eine psychologische Testung durch den klinischen Neuropsychologen Dr. M an. In seinem psychologischen Bericht vom 3. Juni 2011 aufgrund der Untersuchungen der Antragstellerin am 27. Mai 2011 und 3. Juni 2011 führt Dr. M aus, dass die Schilderung spezifischer Beschwerden einer posttraumatischen Belastungsstörung durch die Antragstellerin nicht zuverlässig und von erheblichen, eine sachgerechte Beurteilung unmöglich machenden negativen Antwortverzerrungen bei offenkundigem Begehren gekennzeichnet sei. Dabei teilt der Sachverständige mit, dass eine strukturierte Exploration aufgrund fortgesetzt aggressiven und grenzüberschreitenden Verhaltens der Antragstellerin nicht möglich gewesen sei. Eine grobe Verhaltensstörung beschreibt Dr. M als offenkundig, ob diese jedoch einer primären Persönlichkeitsstörung entspreche, einer organisch bedingten Persönlichkeitsstörung nach Schädel-Hirn-Trauma oder der Verstärkung ersterer durch eine Hirnverletzung, sei angesichts zum Teil grob widersprüchlicher Informationsquellen und der Unkooperativität der Antragstellerin nicht mit ausreichender Sicherheit zu klären. In der Befunderhebung scheine vor allem eine paranoide Persönlichkeit hindurch, ein Psychosyndrom sei objektiviert nachzuweisen. Eine Abgrenzung der Persönlichkeitsstörung zu den erst seit dem Jahre 2004 geltend gemachten Haftschäden könne nicht gelingen, eine Kausalzurechnung müsse aus Sicht des Sachverständigen rein spekulativ bleiben. Es sei zumindest ernsthaft zu bezweifeln, dass bei der Antragstellerin jemals tatsächlich eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen habe. Es verblieben gravierende Zweifel an der Authentizität der Beschwerdeschilderung und der Glaubhaftigkeit der durch die Antragstellerin gemachten Angaben. Abschließend weist der Sachverständige darauf hin, dass er die Antragstellerin vor Beginn der Untersuchung darauf hingewiesen habe, welche Bedeutung hohe Anstrengungsbereitschaft und Aufrichtigkeit in der Beschwerdeschilderung für den Begutachtungsprozess hätten und sich bei Fehlen dieser Voraussetzungen unter Umständen bestimmte gutachterliche Fragen nicht beantworten ließen, so dass davon auszugehen sei, dass die Antragstellerin eine Entscheidung zu negativen Antwortverzerrungen bewusst und eigenverantwortlich getroffen habe. Im Abschluss ihres nervenfachärztlichen Gutachtens vom 21. September 2011 kam die Neurologin und Psychiaterin Dr. W im Anschluss an den Bericht von Dr. M zu dem Schluss, dass davon auszugehen sei, dass die von der Antragstellerin in den Begutachtungsuntersuchungen angegebenen psychischen Beschwerden nicht auf die politische Inhaftierung zurückzuführen seien bzw. dass diese Beschwerden nicht durch spezielle testpsychologische Zusatzuntersuchungen hätten objektiviert werden können. Die empfohlene Schädigungsfolge und -bewertung einer posttraumatischen Belastungsstörung mit verstärktem Misstrauen sei unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse als unrichtig anzusehen. Auch ein Berufsschadensausgleich könne nicht empfohlen werden. Schädigungsunabhängig bestünden ein hirnorganisches Psychosyndrom sowie eine Persönlichkeitsstörung.
Mit Bescheid von 27. Februar 2012 lehnte der Antragsgegner daraufhin nach vorheriger Anhörung der Antragstellerin deren Verschlimmerungsantrag ab und nahm zugleich den Erstanerkennungsbescheid vom 26. Mai 2008 mit Wirkung ab dem 1. Mai 2012 nach § 45 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurück. Das dem Erstanerkennungsbescheid zugrunde liegende Gutachten beruhe auf Angaben, die von der Antragstellerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig getätigt worden seien. Es sei in hohem Maße wahrscheinlich, dass eine Simulation bzw. Aggravation psychischer Störungen vorliege. Die Antragstellerin habe die Entscheidung zu negativen Antwortverzerrungen bewusst und eigenverantwortlich getroffen. Im Rahmen der Ermessensausübung überwiege in Bezug auf die Zukunft das Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes das Interesse der Antragstellerin am Behaltendürfen der Leistung. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles in Form des Verbrauchs der erhaltenen Leistungen sowie des Alters der Antragstellerin erscheine es jedoch geboten, den Bescheid nicht für die Vergangenheit zurückzunehmen. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 12. März 2012 Widerspruch ein. Einen Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Rücknahmebescheides vom 7. Mai 2012 lehnte der Antragsgegner am 16. Mai 2012 ab. Der Antragsgegner wies den Widerspruch der Antragstellerin mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2012 mit der Begründung zurück, auch eine weitere medizinische Prüfung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens rechtfertige keine abweichende Entscheidung. Dagegen erhob die Antragstellerin am 30. Juli 2012 Anfechtungsklage vor dem Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 192 VE 95/12, über die bisher noch nicht entschieden ist.
Mit weiterem Bescheid vom 27. Februar 2012 nahm der Antragsgegner zudem den Folgebescheid vom 4. Mai 2010 mit Wirkung ab dem 1. Mai 2012 zurück und erklärte diesen Bescheid zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens vor der 41. Kammer des Sozialgerichts Berlin.
Die Antragstellerin hat am 30. Juli 2012 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Berlin gestellt, mit dem sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 4. Juli 2012 sowie eine Aufhebung der Vollziehung des Bescheides begehrte. Zur Begründung trägt sie vor, die rechtsstaatswidrige Inhaftierung sei jedenfalls als eine rechtlich wesentliche Teilursache ihres Gesundheitsschadens zu bewerten. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. M könne weder im Hinblick auf seine fragliche persönliche und fachliche Eignung noch in inhaltlicher Hinsicht überzeugen. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 26. Mai 2008 sei daher nicht nachgewiesen. Darüber hinaus weise der angefochtene Rücknahmebescheid einen Ermessensfehler auf, weil dessen Begründung unvollständig sei und an einem Abwägungsdefizit leide. Der Antragsgegner hätte berücksichtigen müssen, dass die Antragstellerin durch die Rücknahmeentscheidung auf die Gewährung von Grundsicherungsleistungen angewiesen sein werde, woraus sich eine erhebliche Härte für die Antragstellerin ableite.
Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 5. September 2012 abgelehnt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Antragstellerin habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der angefochtene Rücknahmebescheid vom 27. Februar 2012 rechtswidrig sei. Insoweit dürfte erst ein noch einzuholendes Sachverständigengutachten klären können, ob der Erstanerkennungsbescheid vom 26. Mai 2008 rechtswidrig war. Ungeklärt sei weiterhin, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Rücknahme vorlägen, so dass nach vorläufiger Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht festzustellen seien.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin hat die Antragstellerin am 12. September 2012 Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt, mit der sie ihr Begehren hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung weiter verfolgt und ausdrücklich beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. September 2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 30. Juli 2012 gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. September 2012 zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten der Verfahren S 192 VE 95/12 und S 41 VE 185/10 vorgelegen. Diese waren Gegenstand der Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners.
II.
Die nach den §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. September 2012 ist aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 30. Juli 2012 gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 anzuordnen.
Nach § 86 b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend kommt der Anfechtungsklage der Antragstellerin vom 30. Juli 2012 gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 entgegen § 86 a Absatz 1 Satz 1 SGG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu, weil nach § 86 a Absatz 2 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts – zu denen die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem StrRehaG in Verbindung mit dem BVG zählt – bei Verwaltungsakten entfällt, die – wie vorliegend – eine laufende Leistung entziehen.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht nach § 86 b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist in den Fällen des § 86 a Absatz 2 Nr. 2 SGG, dass das Interesse des durch den Verwaltungsakt Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das kraft Gesetzes als vorrangig angesehene öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt (vgl. zum Ganzen nur Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage 2012, Rn.12c zu § 86 b SGG mw.N.). Danach ist die aufschiebende Wirkung einer Klage jedenfalls dann anzuordnen, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und damit die Anfechtungsklage voraussichtlich zu dessen Aufhebung führen wird, weil ein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht bestehen kann.
Nach der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung spricht gegenwärtig mehr für einen Erfolg der Anfechtungsklage der Antragstellerin als dagegen. Eine Rücknahme des Erstanerkennungsbescheides vom 26. Mai 2008 nach § 45 SGB X setzt zunächst voraus, dass der Erstanerkennungsbescheid von Anfang an rechtswidrig war. Diese Frage wird sich – wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – letztlich erst nach medizinischer Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten klären lassen. Allerdings erlauben auch der psychologische Bericht des Sachverständigen Dr. M und das sich diesem anschließende Gutachten der Sachverständigen Dr. W bisher keine Überzeugungsbildung dahingehend, dass die ursprüngliche Bewilligung rechtswidrig war. Vielmehr ist es nach Aussage von Dr. M nur zumindest ernsthaft zu bezweifeln, dass bei der Antragstellerin jemals tatsächlich eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen hat, und verbleiben gravierende Zweifel an der Authentizität der Beschwerdeschilderung und der Glaubhaftigkeit der durch die Antragstellerin gemachten Angaben. Ein dergestalt beschriebener Zweifel vermag keine sichere Überzeugung zu vermitteln, so dass unter Berücksichtigung der objektiven Beweislast derzeit mehr gegen als für eine ursprüngliche Rechtswidrigkeit des Erstanerkennungsbescheides vom 26. Mai 2008 spricht. Jedenfalls ist derzeit nicht erkennbar, dass die Antragstellerin tatsächlich zumindest grob fahrlässig im Rahmen der Begutachtungsuntersuchungen am 11. und 14. Juni 2007 in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben getätigt hat, auf denen der Erstanerkennungsbescheid beruht, so dass nach dem derzeitigen Kenntnisstand eine Rücknahme nicht wird auf § 45 Absatz 2 Nr. 2 SGB X gestützt werden können. Dr. M führt in seinem Bericht zwar aus, dass er die Antragstellerin vor den Untersuchungen am 27. Mai 2011 und 3. Juni 2011 ausdrücklich auf die Bedeutung wahrheitsgemäßer Angaben hingewiesen habe. Ob daraus der von Dr. M gezogene Schluss abgeleitet werden kann, allein aufgrund dieses Hinweises seien fehlerhafte Angaben durch die Antragstellerin bewusst erfolgt, erscheint vor dem Hintergrund des Krankheitsbildes der Antragstellerin zumindest zweifelhaft. Eine Aussage über das Vorliegen wenigstens grober Fahrlässigkeit im Juni 2007 ist damit jedenfalls nicht getroffen worden. Ohne eine Feststellung zumindest grober Fahrlässigkeit ist darüber hinaus bereits die dann geltende Zweijahresfrist für eine Rücknahme nach § 45 Absatz 3 Satz 1 SGB X abgelaufen. Dadurch vermag sich der Rücknahmebescheid nach derzeitigem Kenntnisstand auch nicht im Wege einer Umdeutung nach § 43 Absatz 1 SGB X als Aufhebung nach § 48 Absatz 1 Satz 1 SGB X als rechtmäßig zu erweisen, weil insoweit über § 48 Absatz 4 Satz 1 SGB X dieselben Fristen zur Anwendung gelangen. Anhaltspunkte für eine Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes der Antragstellerin sind den vorliegenden medizinischen Unterlagen darüber hinaus nicht zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Absatz 1 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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