Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 U 149/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 58/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2012 wird aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Halle Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das erstinstanzliche Verfahren. In diesem hatte er im Wege einer Untätigkeitsklage eine Entscheidung der Beklagten über die Gewährung von Verletztenrente erstrebt.
Der Kläger erlitt am 11. März 2009 einen Arbeitsunfall, in dessen Folge die Beklagte bis zum 30. Mai 2010 Verletztengeld leistete. Mit Schreiben vom 21. Mai 2010 unterrichtete die Beklagte den Kläger darüber, dass sie für die Zeit ab dem 31. Mai 2010 prüfen werde, ob aufgrund des Arbeitsunfalls ein Rentenanspruch bestehe.
Nachfolgend holte die Beklagte von dem Chirurgen Prof. Dr. M. das Gutachten vom 9. Juli 2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 2. August 2010 ein, der auf seinem Fachgebiet im Ergebnis eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vom Hundert (vH) bzw. um 30 vH (ab 8. Juli 2010) annahm. In einem weiteren Gutachten vom 6. März 2011 gelangte der Facharzt für Psychiatrie Dr. B. zur Einschätzung, diese MdE sei durch psychische Beschwerden nicht messbar höher zu bewerten.
Am 19. Oktober 2011 hatte der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Halle Untätigkeitsklage erhoben und zugleich die Bewilligung von PKH beantragt. Zur Begründung war von ihm vorgetragen worden, er habe von der Beklagten trotz deren Mitteilung vom 21. Mai 2010 noch keinen Bescheid erhalten. Damit sei Klage geboten. Mit Bescheid vom 9. November 2011 gewährte die Beklagte dem Kläger vom 31. Mai 2010 an Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 30 vH. Mit Schriftsatz vom 14. November 2011 war der Rechtsstreit daraufhin vom Kläger für in der Hauptsache erledigt erklärt worden. Dem hatte sich die Beklagte unter dem 24. November 2011 (in der Sache) angeschlossen.
Mit Beschluss vom 11. Juni 2012 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten; sie sei bereits unzulässig gewesen. Denn gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei eine Untätigkeitsklage nur zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund nach Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag sachlich nicht beschieden worden sei. Dies gelte auch dann, wenn die Verwaltung, wie vorliegend die Beklagte, von Amts wegen zur Entscheidung verpflichtet sei. Der Kläger habe bei der Beklagten indessen keinen Antrag auf Zahlung von Verletztenrente gestellt.
Der Kläger hat gegen den ihm am 25. Juni 2012 zugestellten Beschluss noch im selben Monat Beschwerde eingelegt und vorgetragen, er habe sich in den Monaten August, September und Oktober 2011 bei Dritten finanzielle Mittel borgen müssen, da er überhaupt keine Leistungen zum Lebensunterhalt erhalten habe. Von November 2011 an habe er Sozialhilfe bezogen. Nachdem die Beklagte im Schreiben vom 21. Mai 2010 eine Entscheidung über eine Verletztenrente zugesichert habe, habe es keines Antrags mehr bedurft. Auf diese Mitteilung habe er sich verlassen.
Der Kläger beantragt seinem Vorbringen nach,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2012 aufzuheben und ihm für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.
Dem Senat haben die Gerichtsakten des SG einschließlich des PKH-Beihefts sowie die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch ansonsten zulässig (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Sie ist auch begründet. Denn der Kläger hat Anspruch auf Gewährung von PKH für das Verfahren vor dem SG.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Ist die Vertretung durch Anwälte – wie hier – nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Anwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn u.a. die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Dabei steht einer PKH-Bewilligung nicht entgegen, dass das Verfahren vor dem SG bereits beendet ist. Denn auch nach Abschluss der Instanz kann eine Bewilligung von PKH rückwirkend auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife – gegebenenfalls auf einen nach diesem, aber vor Instanzende liegenden Zeitpunkt der Bewilligungsreife (§ 117 ZPO), der eingetreten ist, weil sich die Erfolgsaussichten zwischenzeitlich zu Gunsten des Antragstellers verändert haben – in Betracht kommen. Diese Ausnahme hat ihren rechtfertigenden Grund in dem aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch (Art. 20 Abs. 1 GG) herzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten. Es verlangt in erster Linie eine unverzügliche Entscheidung über einen entscheidungsreifen PKH-Antrag. Die mittellose Partei soll rechtzeitig Klarheit darüber erhalten, ob sie von den eigenen außergerichtlichen Kosten freigestellt wird oder insoweit das Risiko trägt, einen Rechtsstreit nur unter Einsatz von Einkommen und Vermögen führen zu können, das der Gesetzgeber in § 115 ZPO dem Existenzminimum zuordnet. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit steuert auch die Auslegung des § 114 ZPO. Würde noch in dem nach Abschluss der Instanz liegenden Zeitpunkt der (verspäteten) Beschwerdeentscheidung als – in diesem Zeitpunkt notwendig zu verneinende – Voraussetzung der PKH-Bewilligung eine "beabsichtigte Rechtsverfolgung" (§ 114 Satz 1 ZPO) verlangt, drohte der bedürftigen Partei eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Kostenbelastung.
Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Rechtsschutzsuchende mit seinem Begehren – wenigstens teilweise – obsiegen wird (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990 – 1 BvR 94/88 u.a. – BVerfGE 81, 347 ff. [356]). PKH kommt dagegen nicht in Betracht, wenn der Erfolg zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur entfernt ist (BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 83/97 R – SozR 3-1500 § 62 Nr. 19). Danach liegt hinreichende Erfolgsaussicht vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Kläger mit seinem Begehren wenigstens zum Teil durchdringt; im Falle streitiger Tatsachen, wenn die behaupteten anspruchsbegründenden Umstände nachweisbar erscheinen.
Gemessen daran lag im Zeitpunkt der mit Klageerhebung gegebenen Bewilligungsreife des PKH-Gesuchs noch eine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Klage vor und erschien sie nicht mutwillig.
Zwar trifft die vom SG im angefochtenen Beschluss dargestellte Voraussetzung, wonach eine Untätigkeitsklage auch dann einen zuvor gestellten Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts erfordert, wenn die Behörde – wie hier die Beklagte nach § 19 Satz 2 SGB IV – von Amts wegen entscheiden muss, im Grundsatz zu. Hintergrund hierfür ist, dass ohne einen Antrag eine Fristbestimmung in der Regel nicht möglich ist. Der Sinn der Fristenregelung des § 88 Abs. 1 SGG besteht darin, der Behörde eine angemessene Zeit für die Entscheidung einzuräumen; verfrühte Klagen sollen in ihrem Interesse und zur Entlastung des Gerichts vermieden werden. Der Betroffene soll die Möglichkeit erhalten, nach Ablauf der gesetzlichen Frist zu klagen, ohne im Einzelnen prüfen zu müssen, ob ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden worden ist. Wird dem Zweck des Antragserfordernisses aber bereits auf anderem Wege Rechnung getragen, drängt sich nicht auf, warum trotzdem ein ausnahmsloses Bedürfnis zur Antragstellung bestehen sollte. So lag der Sachverhalt aber hier. Hinsichtlich der Fristbestimmung bestand nämlich schon deshalb keine Unsicherheit, weil die Beklagte in ihrem Schreiben vom 21. Mai 2010 eine Entscheidung über einen ab dem 31. Mai 2010 bestehenden Rentenanspruch ausdrücklich in Aussicht gestellt hatte. Könnte eine nochmalige Antragstellung für eben diese Entscheidung als reine Förmelei aber durchaus unbeachtlich sein, leuchtet nicht ein, weshalb ein solches Ergebnis für einen – gerade deshalb – unterbliebenen Antrag nicht ebenso gelten sollte. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass die Beklagte zwecks Umsetzung ihrer Ankündigung auch bereits zwei Gutachter eingeschaltet hatte, umso mehr. Mit anderen Worten erscheint der Rechtsstandpunkt des Klägers, wonach er sich auf die Mitteilung der Beklagten vom 21. Mai 2010 verlassen und deswegen keinen Bedarf für eine (nochmalige) Antragstellung gesehen habe, zumindest vertretbar. Sein Vorbringen war folglich geeignet, gerichtlich klären zu lassen, ob ein sachlicher Grund für die geltend gemachte Untätigkeit gegeben war, zumal zwischen dem Eingang des Gutachtens von Dr. B. und dem Erlass des Bescheides am 9. November 2011 acht Monate verstrichen waren, ohne dass seitens der Beklagten ein relevanter Ermittlungsschritt ersichtlich ist. Damit ist den Anforderungen des § 114 Satz 1 ZPO genügt.
Der Kläger ist auch nicht in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits aus seinem Einkommen oder Vermögen aufzubringen.
Er verfügt nach seinen unter dem 17. September 2012 glaubhaft gemachten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen über ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 609,05 EUR (Verletztenrente i.H.v. 273,53 EUR + Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 335,52 EUR). Abzusetzen hiervon ist nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a) ZPO i.V.m. der PKH-Bekanntmachung 2012 vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I, 2796) zunächst ein Grundfreibetrag i.H.v. 411,00 EUR. Darüber hinaus sind die Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. zusammen 299,00 EUR zu berücksichtigen (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO). Bereits danach verbleibt dem Kläger kein einzusetzendes Einkommen. Über heranzuziehendes Vermögen verfügt er nicht.
Die Voraussetzungen für die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nach § 73a SGG i.V.m. § 121 ZPO sind schließlich ebenfalls erfüllt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Halle Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das erstinstanzliche Verfahren. In diesem hatte er im Wege einer Untätigkeitsklage eine Entscheidung der Beklagten über die Gewährung von Verletztenrente erstrebt.
Der Kläger erlitt am 11. März 2009 einen Arbeitsunfall, in dessen Folge die Beklagte bis zum 30. Mai 2010 Verletztengeld leistete. Mit Schreiben vom 21. Mai 2010 unterrichtete die Beklagte den Kläger darüber, dass sie für die Zeit ab dem 31. Mai 2010 prüfen werde, ob aufgrund des Arbeitsunfalls ein Rentenanspruch bestehe.
Nachfolgend holte die Beklagte von dem Chirurgen Prof. Dr. M. das Gutachten vom 9. Juli 2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 2. August 2010 ein, der auf seinem Fachgebiet im Ergebnis eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vom Hundert (vH) bzw. um 30 vH (ab 8. Juli 2010) annahm. In einem weiteren Gutachten vom 6. März 2011 gelangte der Facharzt für Psychiatrie Dr. B. zur Einschätzung, diese MdE sei durch psychische Beschwerden nicht messbar höher zu bewerten.
Am 19. Oktober 2011 hatte der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Halle Untätigkeitsklage erhoben und zugleich die Bewilligung von PKH beantragt. Zur Begründung war von ihm vorgetragen worden, er habe von der Beklagten trotz deren Mitteilung vom 21. Mai 2010 noch keinen Bescheid erhalten. Damit sei Klage geboten. Mit Bescheid vom 9. November 2011 gewährte die Beklagte dem Kläger vom 31. Mai 2010 an Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 30 vH. Mit Schriftsatz vom 14. November 2011 war der Rechtsstreit daraufhin vom Kläger für in der Hauptsache erledigt erklärt worden. Dem hatte sich die Beklagte unter dem 24. November 2011 (in der Sache) angeschlossen.
Mit Beschluss vom 11. Juni 2012 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten; sie sei bereits unzulässig gewesen. Denn gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei eine Untätigkeitsklage nur zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund nach Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag sachlich nicht beschieden worden sei. Dies gelte auch dann, wenn die Verwaltung, wie vorliegend die Beklagte, von Amts wegen zur Entscheidung verpflichtet sei. Der Kläger habe bei der Beklagten indessen keinen Antrag auf Zahlung von Verletztenrente gestellt.
Der Kläger hat gegen den ihm am 25. Juni 2012 zugestellten Beschluss noch im selben Monat Beschwerde eingelegt und vorgetragen, er habe sich in den Monaten August, September und Oktober 2011 bei Dritten finanzielle Mittel borgen müssen, da er überhaupt keine Leistungen zum Lebensunterhalt erhalten habe. Von November 2011 an habe er Sozialhilfe bezogen. Nachdem die Beklagte im Schreiben vom 21. Mai 2010 eine Entscheidung über eine Verletztenrente zugesichert habe, habe es keines Antrags mehr bedurft. Auf diese Mitteilung habe er sich verlassen.
Der Kläger beantragt seinem Vorbringen nach,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2012 aufzuheben und ihm für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.
Dem Senat haben die Gerichtsakten des SG einschließlich des PKH-Beihefts sowie die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch ansonsten zulässig (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Sie ist auch begründet. Denn der Kläger hat Anspruch auf Gewährung von PKH für das Verfahren vor dem SG.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Ist die Vertretung durch Anwälte – wie hier – nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Anwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn u.a. die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Dabei steht einer PKH-Bewilligung nicht entgegen, dass das Verfahren vor dem SG bereits beendet ist. Denn auch nach Abschluss der Instanz kann eine Bewilligung von PKH rückwirkend auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife – gegebenenfalls auf einen nach diesem, aber vor Instanzende liegenden Zeitpunkt der Bewilligungsreife (§ 117 ZPO), der eingetreten ist, weil sich die Erfolgsaussichten zwischenzeitlich zu Gunsten des Antragstellers verändert haben – in Betracht kommen. Diese Ausnahme hat ihren rechtfertigenden Grund in dem aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch (Art. 20 Abs. 1 GG) herzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten. Es verlangt in erster Linie eine unverzügliche Entscheidung über einen entscheidungsreifen PKH-Antrag. Die mittellose Partei soll rechtzeitig Klarheit darüber erhalten, ob sie von den eigenen außergerichtlichen Kosten freigestellt wird oder insoweit das Risiko trägt, einen Rechtsstreit nur unter Einsatz von Einkommen und Vermögen führen zu können, das der Gesetzgeber in § 115 ZPO dem Existenzminimum zuordnet. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit steuert auch die Auslegung des § 114 ZPO. Würde noch in dem nach Abschluss der Instanz liegenden Zeitpunkt der (verspäteten) Beschwerdeentscheidung als – in diesem Zeitpunkt notwendig zu verneinende – Voraussetzung der PKH-Bewilligung eine "beabsichtigte Rechtsverfolgung" (§ 114 Satz 1 ZPO) verlangt, drohte der bedürftigen Partei eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Kostenbelastung.
Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Rechtsschutzsuchende mit seinem Begehren – wenigstens teilweise – obsiegen wird (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990 – 1 BvR 94/88 u.a. – BVerfGE 81, 347 ff. [356]). PKH kommt dagegen nicht in Betracht, wenn der Erfolg zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur entfernt ist (BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 83/97 R – SozR 3-1500 § 62 Nr. 19). Danach liegt hinreichende Erfolgsaussicht vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Kläger mit seinem Begehren wenigstens zum Teil durchdringt; im Falle streitiger Tatsachen, wenn die behaupteten anspruchsbegründenden Umstände nachweisbar erscheinen.
Gemessen daran lag im Zeitpunkt der mit Klageerhebung gegebenen Bewilligungsreife des PKH-Gesuchs noch eine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Klage vor und erschien sie nicht mutwillig.
Zwar trifft die vom SG im angefochtenen Beschluss dargestellte Voraussetzung, wonach eine Untätigkeitsklage auch dann einen zuvor gestellten Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts erfordert, wenn die Behörde – wie hier die Beklagte nach § 19 Satz 2 SGB IV – von Amts wegen entscheiden muss, im Grundsatz zu. Hintergrund hierfür ist, dass ohne einen Antrag eine Fristbestimmung in der Regel nicht möglich ist. Der Sinn der Fristenregelung des § 88 Abs. 1 SGG besteht darin, der Behörde eine angemessene Zeit für die Entscheidung einzuräumen; verfrühte Klagen sollen in ihrem Interesse und zur Entlastung des Gerichts vermieden werden. Der Betroffene soll die Möglichkeit erhalten, nach Ablauf der gesetzlichen Frist zu klagen, ohne im Einzelnen prüfen zu müssen, ob ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden worden ist. Wird dem Zweck des Antragserfordernisses aber bereits auf anderem Wege Rechnung getragen, drängt sich nicht auf, warum trotzdem ein ausnahmsloses Bedürfnis zur Antragstellung bestehen sollte. So lag der Sachverhalt aber hier. Hinsichtlich der Fristbestimmung bestand nämlich schon deshalb keine Unsicherheit, weil die Beklagte in ihrem Schreiben vom 21. Mai 2010 eine Entscheidung über einen ab dem 31. Mai 2010 bestehenden Rentenanspruch ausdrücklich in Aussicht gestellt hatte. Könnte eine nochmalige Antragstellung für eben diese Entscheidung als reine Förmelei aber durchaus unbeachtlich sein, leuchtet nicht ein, weshalb ein solches Ergebnis für einen – gerade deshalb – unterbliebenen Antrag nicht ebenso gelten sollte. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass die Beklagte zwecks Umsetzung ihrer Ankündigung auch bereits zwei Gutachter eingeschaltet hatte, umso mehr. Mit anderen Worten erscheint der Rechtsstandpunkt des Klägers, wonach er sich auf die Mitteilung der Beklagten vom 21. Mai 2010 verlassen und deswegen keinen Bedarf für eine (nochmalige) Antragstellung gesehen habe, zumindest vertretbar. Sein Vorbringen war folglich geeignet, gerichtlich klären zu lassen, ob ein sachlicher Grund für die geltend gemachte Untätigkeit gegeben war, zumal zwischen dem Eingang des Gutachtens von Dr. B. und dem Erlass des Bescheides am 9. November 2011 acht Monate verstrichen waren, ohne dass seitens der Beklagten ein relevanter Ermittlungsschritt ersichtlich ist. Damit ist den Anforderungen des § 114 Satz 1 ZPO genügt.
Der Kläger ist auch nicht in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits aus seinem Einkommen oder Vermögen aufzubringen.
Er verfügt nach seinen unter dem 17. September 2012 glaubhaft gemachten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen über ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 609,05 EUR (Verletztenrente i.H.v. 273,53 EUR + Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 335,52 EUR). Abzusetzen hiervon ist nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a) ZPO i.V.m. der PKH-Bekanntmachung 2012 vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I, 2796) zunächst ein Grundfreibetrag i.H.v. 411,00 EUR. Darüber hinaus sind die Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. zusammen 299,00 EUR zu berücksichtigen (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO). Bereits danach verbleibt dem Kläger kein einzusetzendes Einkommen. Über heranzuziehendes Vermögen verfügt er nicht.
Die Voraussetzungen für die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nach § 73a SGG i.V.m. § 121 ZPO sind schließlich ebenfalls erfüllt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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