L 6 RA 71/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 RA 5522/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 RA 71/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Erstattungsforderung der Beklagten und die Regelung, ihr für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1997 die Witwenrente wegen anzurechnendem Einkommen nicht mehr auszuzahlen.

Die 1942 geborene Klägerin ist von Beruf Ärztin und beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) beschäftigt. Sie ist die Witwe des 1981 im Beitrittsgebiet verstorbenen Facharztes für Radiologie T B (Versicherter). Ab dem 1. August 1981 erhielt die Klägerin vom FDGB - Kreisvorstand Mitte - Verwaltung der Sozialversicherung eine Witwenrente aus der Sozialversicherung der DDR unter Berücksichtigung der vom Versicherten in der freiwilligen zusätzlichen Rentenversicherung (FZR) sowie der Altersversorgung der Intelligenz (AVI) erworbenen Ansprüche ausgezahlt (Bescheid vom 19. November 1981). Die Zahlung der Witwenrente wurde mit Wirkung ab 1. Januar 1991 gemäß § 26 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28. Juni 1990 (RAG, GBl. I Nr. 38, S. 495) eingestellt.

Am 23. September 1991 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer großen Witwenrente nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für die Zeit ab Januar 1992. Nach Durchführung eines Kontenklärungsverfahrens sowie der Feststellung der Daten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Dezember 1994 in der Fassung des Rentenbescheides vom 30. März 1995 die der Klägerin ab dem 1. Januar 1992 zu gewährende große Witwenrente mit einem Zahlbetrag von 319,02 DM (netto) monatlich ab dem 1. Februar 1995 sowie einem Nachzahlungsbetrag von 13.932,25 DM für den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Januar 1995 fest. Der Rentenberechnung legte sie 59,6149 persönliche Entgeltpunkte (Ost) sowie den Rentenartfaktor von 0,6 zu Grunde. Den hieraus errechneten Rentenbruttobetrag minderte sie um das jeweils anzurechnende Erwerbseinkommen der Klägerin.

Mit Bescheid vom 3. November 1995 stellte die Beklagte u.a. wegen einer Änderung des anzurechnenden Einkommens mit Wirkung ab 1. Januar 1995 die Witwenrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von 356,67 DM (netto) bzw. für die Zeit ab dem 1. Januar 1996 mit 371,85 DM (netto) neu fest. Hiergegen erhob die Klägerin unter Vorlage von Bescheinigungen der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) vom 3. Juli 1995 und 16. November 1995 Widerspruch und machte eine Einkommensminderung wegen des Bezuges von niedrigerem Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 19. Dezember 1994 bis zum 15. Oktober 1995 geltend. Die KKH bestätigte telefonisch die Krankengeld- bzw. Übergangsgeldzahlung in Höhe von kalendertäglich 102,60 DM (1. Januar bis 28. Februar 1995), 105,45 DM (1. März 1995 bis 21. August 1995), 121,28 DM (22. bis 31. August 1995), 124,41 DM (1. bis 19. September 1995) und 108,18 DM (20. September bis 15. Oktober 1995). Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 11. April 1996 bei der Einkommensanrechnung rückwirkend ab dem 1. Januar 1995 das tatsächlich bezogene Kranken- bzw. Übergangsgeld zu Grunde gelegt hatte, erklärte die Klägerin den Widerspruch für erledigt.

Zur Rentenanpassung im Juli 1996 ließ sich die Beklagte von der Klägerin Einkommensnachweise des MDK (Bescheinigung vom 10. Juni 1996 über ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 31.621,03 DM für die Zeit vom 14. Oktober bis zum 31. Dezember 1995, Eingang am 11. Juni 1996) und der KKH (Bescheinigung vom 24. Oktober 1995 über ein Krankengeld in Höhe von 34.506,57 DM für die Zeit vom 1. Januar bis zum 15. Oktober 1995, Eingang am 24. Juni 1996) sowie eine Erklärung über den Bezug von Erwerbsersatzeinkommen ab dem 1. Juli 1996 (Eingang am 3. Juli 1996) vorlegen. Mit Bescheid vom 12. Juli 1996 nahm sie die Rentenanpassung und die Neufeststellung des Anrechnungsbetrages mit Wirkung ab dem 1. Juli 1996 vor. Die Beklagte stellte fest, dass im Hinblick auf die Höhe des anzurechnenden Einkommens die Witwenrente nicht mehr auszuzahlen sei und sich für den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 31. August 1996 eine Überzahlung in Höhe von 1.180,80 DM ergebe, die zu erstatten sei. Bei Ermittlung des anzurechnenden Einkommens sei von einem Arbeitsentgelt in Höhe von 31.621,03 DM für das Jahr 1995 auszugehen. Dieser Betrag sei durch die Anzahl der Monate, in denen es erzielt worden sei, d.h. durch drei, zu teilen. Abzüglich einer Pauschale von 35 % für Sozialversicherungs(SV)-Beiträge und Steuern ergebe sich ein berücksichtigungsfähiges monatliches Einkommen in Höhe von 6.851,22 DM. Davon sei ein Betrag von 2.249,22 DM monatlich anrechenbar, der über dem Rentenbruttobetrag in Höhe von 1.372,81 DM liege.

Dieser Vorgehensweise widersprach die Klägerin unter Vorlage von Kopien ihrer Gehaltsabrechnungen für die Monate Januar, April und November 1995 sowie Januar 1996 und der Verdienstbescheinigungen des MDK vom 16. Oktober 1996 und 17. Februar 1997 (Arbeitsentgelt in Höhe von 33.471,03 DM): Hieraus sei ersichtlich, dass in der die Zeit vom 14. Oktober 1995 bis zum 31. Dezember 1995 umfassenden Verdienstbescheinigung des MDK eine persönliche Zulage von 8.544,90 DM brutto enthalten sei. Diese Zulage dürfe bei der Einkommensanrechnung nicht berücksichtigt werden. Auch habe der MDK das Arbeitsentgelt für das Jahr 1995 zeitlich nicht richtig zugeordnet. Das Entgelt sei nicht in drei, sondern in insgesamt sechs Monaten erzielt worden. Insoweit verweise sie auf die vorgelegten Gehaltsabrechnungen. Unter dem 11. September 1997 listete der MDK die der Klägerin im Jahre 1995 gezahlten Entgelte wie folgend auf:
07/94 Überstunden 1.200,-- DM
04/95 Urlaubsgeld 650,-- DM
11/95 Weihnachtsgeld 8.544,90 DM
10/95 Regelentgelt 4.997,61 DM
11/95 Regelentgelt 8.607,-- DM
12/95 Regelentgelt 8.607,-- DM.

Mit Bescheid vom 12. September 1997 nahm die Beklagte eine erneute Berechnung des Rentenauszahlungsbetrages für die Zeit ab 1. Juli 1996 vor. Hierbei legte sie als anzurechnendes Einkommen einen Betrag von 23.842,38 DM (Regelentgelt der Monate Oktober bis Dezember 1995 zuzüglich 3/12 der Sonderzuwendungen ) zu Grunde. Der sich daraus ergebende Anrechnungsbetrag von 1.575,08 DM monatlich - berechnet wie oben dargestellt - übersteige ebenfalls den monatlichen Rentenbetrag, so dass dieser nicht zur Auszahlung gelange. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 4. November 1997 mit der Begründung zurück, gemäß § 18b Abs. 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) i.V.m. § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV gelte als monatliches Einkommen, wenn Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen in einem Kalenderjahr zusammentreffen würden, nur das Erwerbseinkommen. Somit finde das von Januar bis Oktober 1995 bezogene Krankengeld für die Einkommensanrechnung ab dem 1. Juli 1996 keine Berücksichtigung. Das nachgewiesene Arbeitsentgelt für 1995 sei tatsächlich in den Monaten Oktober bis Dezember 1995 erwirtschaftet worden, so dass die Entgeltsumme durch drei Monate und nicht, wie von der Klägerin begehrt, durch sechs Monate zu teilen sei. Die jährlichen Sonderzuwendungen (Urlaubsgeld / Weihnachtsgeld) seien zu einem Zwölftel zu berücksichtigen.

Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klägerin sich gegen die Erstattungsforderung und die Anordnung der Beklagten, ihr ab dem 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1997 die Witwenrente nicht mehr auszuzahlen, gewandt. Da sie nur während eines kleinen Teils des Jahres 1995 (25 %) ein Erwerbseinkommen erzielt habe, sei es gerechtfertigt, der Einkommensanrechnung ausschließlich das wesentlich niedrigere Erwerbsersatzeinkommen zu Grunde zu legen.

Das SG hat durch Gerichtsbescheid vom 27. Juni 2000 die Klage abgewiesen: Zutreffend habe die Beklagte das im Jahre 1995 erzielte Erwerbseinkommen der Anrechnung nach § 97 Abs. 1 SGB VI zu Grunde gelegt und durch die Anzahl der Monate, in denen es erzielt worden sei (Oktober bis Dezember 1995), geteilt. Die Monate, in denen die Sonderzahlungen erfolgt seien (April/November), seien nicht zu berücksichtigen. Vielmehr seien die Sonderzahlungen zu einem Zwölftel anrechnungsfähiges Monatseinkommen. Die Voraussetzungen für eine von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als zulässig erachtete Ausnahme von dem Grundsatz, dass beim Zusammentreffen von Erwerbsersatzeinkommen und Erwerbseinkommen in einem Kalenderjahr nur das Erwerbseinkommen zu berücksichtigen sei, lägen nicht vor. Im Übrigen habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die auch im vorliegenden Fall zu Grunde liegenden Anrechnungsvorschriften §§ 18a, 18b SGB IV für verfassungsgemäß gehalten.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Unter Bezugnahme auf Kommentarliteratur macht sie insbesondere geltend, die von der Beklagten vorgenommene Berechnungsweise lasse sich nur dann rechtfertigen, wenn das vorübergehend erzielte Erwerbsersatzeinkommen ungefähr dem Nettoerwerbseinkommen entspreche. Dies sei bei ihr jedoch nicht der Fall gewesen. Das Krankengeld habe nur ca. die Hälfte ihres regulären Nettoerwerbseinkommens ausgemacht. Zumindest müsse das Jahresgesamteinkommen aus Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen durch zwölf Monate geteilt werden, so dass sich ein monatlicher Anrechnungsbetrag von 1.027,10 DM ergebe, der eine teilweise Auszahlung ihrer Witwenrente zulasse.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2000 aufzuheben und den Bescheid vom 12. Juli 1996 in Gestalt des Bescheides vom 12. September 1997 sowie des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1997 teilweise - bezüglich der Auszahlungsanordnung und der Erstattungsforderung - aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Auf Nachfrage des Senats hat der MDK Berlin-Brandenburg e.V. unter dem 15. Dezember 2000 mitgeteilt, das tatsächlich der Klägerin gezahlte Bruttoarbeitsentgelt im Jahre 1995 habe 33.471,03 DM betragen. Darin enthalten seien 1.200,00 DM an Vergütung für 1994 geleistete Überstunden, 650,00 DM Urlaubsgeld, 8.544,90 DM Weihnachtsgeld sowie neben der Grundvergütung auch Ortszuschläge für die Monate Oktober (194,52 DM), November (335,00 DM) und Dezember 1995 (335,00 DM).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 143 SGG), jedoch unbegründet.

Gegenstand der hier vorliegenden isolierten Anfechtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Bescheid vom 12. Juli 1996 in Gestalt des Bescheides vom 12. September 1997 sowie des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1997 (§§ 86, 95 SGG). Mit dem Bescheid vom 12. Juli 1996 hat die Beklagte zum einen die von der Klägerin nicht angefochtene Anpassung des Witwenrentenanspruches zum 1. Juli 1996 nach § 65 SGB VI vorgenommen, zum anderen hat sie den Auszahlungsbetrag der Witwenrente (= Null) mit Wirkung ab dem 1. Juli 1996 festgestellt und damit konkludent bezüglich des Zahlungsanspruches eine Aufhebung des Bescheides vom 11. April 1996 für die Zeit ab dem 1. Juli 1996 zum Ausdruck gebracht. Die Aufhebung eines früheren Bescheides muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann durch einen konkludenten, jedoch hinreichend deutlichen Verwaltungsakt erfolgen (vgl. Urteil des BSG vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 56/97 - unveröffentlicht). Aus den Formulierungen des Bescheides kommt - für einen verständigen, objektiven Erklärungsempfänger ebenso wie für die Klägerin - klar erkennbar zum Ausdruck, dass die Beklagte sich von der im Bescheid vom 11. April 1996 ausgewiesenen Höhe des Zahlbetrages lösen wollte, so dass der Bescheid insoweit keine Bindungswirkung (§ 77 SGG) mehr entfalten sollte. Des Weiteren hat die Beklagte in dem Bescheid vom 12. Juli 1996 die Erstattung der für die Monate Juli und August 1996 erfolgten Rentenüberzahlung in Höhe von 1.180,80 DM (603,73 Euro) geltend gemacht. Der Bescheid vom 12. September 1997, in dem die Beklagte die Anrechnung des Erwerbseinkommens und die Feststellung des Auszahlungsbetrages auf Grund korrigierter Arbeitgeberbescheinigungen überprüft hat, ist nach § 86 SGG Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens geworden. Die Neufeststellungen des Rentenauszahlungsbetrages im Zusammenhang mit den ab dem 1. Juli 1997 erfolgten Rentenanpassungen sind von der Klägerin nicht angefochten worden und somit auch nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, so dass hier nur der Anspruch auf teilweise Auszahlung der Witwenrente in der Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1997 im Streit befangen ist.

Wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Die Beklagte hat ohne Rechtsverstoß in Anwendung des § 97 SGB VI rückwirkend ab dem 1. Juli 1996 Arbeitseinkommen auf die Witwenrente der Klägerin in einem Neufeststellungsverfahren nach § 48 SGB X angerechnet, den Bescheid vom 11. April 1996 hinsichtlich der dort festgestellten Höhe des Rentenauszahlungsbetrages aufgehoben und die Zahlung der Rente eingestellt. Die Rentenüberzahlung für die Monate Juli und August 1996 ist ohne Vertrauensschutz und ohne Ermessensausübung durch die Beklagte nach § 50 SGB X von der Klägerin zu erstatten.

Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit u.a. der Betroffene nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt hat, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X).

Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ist Erwerbseinkommen von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentrifft, auf die monatlichen Zahlungsansprüche anzurechnen, soweit es seiner Art nach als anrechenbar in Betracht kommt (§§ 18a bis 18e SGB IV) und nach Abzug pauschalierter Steuern und SV-Beiträge (§ 18b Abs. 5 SGB IV) bestimmte Freibeträge übersteigt (§ 97 Abs. 2 SGB VI). Sachlicher Grund und Grenze der Anrechnung eigenen Erwerbseinkommens auf Hinterbliebenenrenten ist die Fähigkeit der Hinterbliebenen, sich mittels eigenen Erwerbseinkommens ganz oder zumindest teilweise selbst zu unterhalten, so dass es insoweit der Deckung des Unterhaltsbedarfs mittels einer Hinterbliebenenrente nicht bedarf. Abzustellen ist dabei auf das „verfügbare“ Einkommen der Hinterbliebenen (siehe auch Beschluss des BVerfG vom 28. Februar 1998 - 1 BvR 1318/86 - in BVerfGE 97, 271 ff). Hierbei ist nach § 18b Abs. 1 Satz 1 SGB IV das „monatliche Einkommen“ für die Anrechnung maßgebend. Es gilt der Grundsatz, dass nur das im Monat der Rentengewährung tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt angerechnet werden kann (so genannter Wirklichkeitsmaßstab, siehe BSG, Urteil vom 27. Januar 1999 - B 4 RA 20/98 R - in SozR 3-2400 § 18b SGB IV Nr. 1). Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität wird allerdings in der Massenverwaltung davon abgesehen, dass jeweilige in einem bestimmten Kalendermonat erzielte eigene Erwerbseinkommen der Hinterbliebenen der ihr für eben diesen Kalendermonat zustehenden Hinterbliebenenrente gegenüber zu stellen und so den anzurechnenden Betrag jeden Monat neu zu ermitteln. Vielmehr hat der Gesetzgeber sich für eine pauschalierende Berücksichtigung eigenen Erwerbseinkommens dergestalt entschieden, dass im Regelfall auf das Erwerbseinkommen des letzten Kalenderjahres abzustellen ist; aus dem gesamten Jahreseinkommen des Vorjahres ist ein Durchschnittswert zu ermitteln und dieser als prognostiziertes monatliches Einkommen auch des laufenden Kalenderjahres der Anrechnung zu Grunde zu legen. Dieser monatliche Durchschnittswert ist im Einzelnen in der Weise zu ermitteln, dass er eine möglichst wirklichkeitsnahe Schätzung desjenigen Betrages ergibt, den die Rentenberechtigte auch im Kalenderjahr der Anrechnung tatsächlich im Monatsdurchschnitt erzielt. Dies ergibt sich u.a. aus der in § 18b Abs. 4 SGB IV getroffenen Regelung, wonach bei der erstmaligen Feststellung der Rente vom laufenden Erwerbseinkommen auszugehen ist, wenn dieses voraussichtlich um durchschnittlich 10 v.H. geringer ist als das nach § 18b Abs. 2 und 3 SGB IV nach Jahresdurchschnittssätzen ermittelte Einkommen; d.h. auf das Erwerbseinkommen des laufenden Kalendermonats ist dann abzustellen, wenn die im Regelfall zu Grunde liegende Prognose angesichts der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der erstmaligen Rentenfeststellung evident, nämlich im Sinne einer Abweichung um mindestens 10 v.H., unzutreffend wäre. Mit § 18b Abs. 2 Satz 1 SGB IV wurde eine ausdrückliche Bestimmung für den Fall getroffen, dass eine Umlegung des Jahreseinkommens auf zwölf Kalendermonate zu einer realitätsfernen Prognosegrundlage führen würde; danach wird das im letzten Kalenderjahr (insgesamt) erzielte Erwerbseinkommen lediglich durch die Zahl der Kalendermonate geteilt, in denen es erzielt wurde. Diese Berechnungsweise führt insbesondere in den Fällen zu sachgerechten Ergebnissen, in denen eine Hinterbliebene erst im Laufe des letzten Kalenderjahres eine regelmäßige Dauerbeschäftigung (wieder) aufgenommen hat, aus der sie seither ein im wesentlich gleichgebliebenes Erwerbseinkommen erzielt (vgl. BSG in SozR 3-2400 § 18b SGB IV Nr.1). Einkommensänderungen sind erst zum Zeitpunkt der nächsten Rentenanpassung an zu berücksichtigen, § 18d Abs.1 Satz 1 SGB IV. Insoweit hat der Gesetzgeber eine die Rentenberechtigten abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Satz 3 SGB X begünstigende Regelung getroffen. Einer Anhörung des Rentenberechtigten im Neufeststellungsverfahren nach § 48 SGB X bedarf es gemäß § 18e Abs. 6 SGB X nicht.

Die Beklagte hat zu Recht unter Anwendung der vorgenannten Bestimmungen der Einkommensanrechnung für den Rentenbezugszeitraum ab dem 1. Juli 1996 (bis zum 30. Juni 1997) allein das im maßgeblichen Kalenderjahr 1995 von der Klägerin erzielte Erwerbseinkommen zu Grunde gelegt und das im gleichen Jahr erzielte Erwerbsersatzeinkommen (Kranken-/Übergangsgeld) unberücksichtigt gelassen. Nach § 18b Abs. 2 Satz 1 SGB IV gilt als monatliches Einkommen beim Zusammentreffen von Erwerbseinkommen und von Erwerbsersatzeinkommen das Erwerbseinkommen des letzten Kalenderjahres, geteilt durch die Anzahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde. Das Erwerbsersatzeinkommen ist nur dann zu Grunde zu legen, wenn dies durchgehend im letzten Kalenderjahr bezogen worden ist (§ 18b Abs. 2 Satz 3 SGB IV), d.h. daneben keinerlei Erwerbseinkommen vorgelegen hat, oder, wie bei der Klägerin zuvor geschehen (vgl. Bescheid vom 11. April 1996), als nach § 18d Abs. 2 SGB IV relevante Einkommensminderung auf Antrag zu berücksichtigen ist. Diese Tatbestände liegen, bezogen auf die Neufeststellung des Rentenauszahlungsanspruches zum 1. Juli 1996, im Falle der Klägerin jedoch nicht vor. Vielmehr entspricht hier der alleinige Rückgriff auf das im Jahre 1995 erzielte Erwerbseinkommen gerade dem vom Gesetz mit der Anrechnung von Einkommen auf die Witwenrente verfolgten Zweck (dazu bereits oben). Denn das von der Klägerin im Jahre 1995, d.h. von Oktober bis Dezember 1995, in einem auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis erzielte Erwerbseinkommen ist von ihr über den Dezember 1995 hinaus auch weiterhin, d.h. auch im Anrechnungszeitraum ab dem 1. Juli 1996 erzielt worden, da krankheitsbedingte Ausfälle in den Jahren 1996 und 1997 nicht zu verzeichnen sind. Die an Hand von § 18b Abs. 2 Satz 1 SGB IV auf der Grundlage des Erwerbseinkommens des letzten Kalenderjahres zu treffende Prognose bezüglich der Einkommensverhältnisse im Anrechnungszeitraum ist durch die tatsächlichen Verhältnisse im Anrechnungszeitraum bestätigt worden. Ausgehend von dem der Einkommensanrechnung zugrunde liegenden Wirklichkeitsmaßstab hat bei der Klägerin im Anrechnungszeitraum ab dem 1. Juli 1996 kein durch die Witwenrente abzudeckender Unterhaltsbedarf bestanden. Im Übrigen können Einkommensänderungen auf Antrag der Berechtigten vom Zeitpunkt ihres Eintritts an berücksichtigt werden, wenn das Einkommen voraussichtlich um wenigstens 10 v.H. geringer ist als das zu berücksichtigende Einkommen, bei Erwerbseinkommen jedoch nur, wenn dies allein oder zusammen mit Erwerbsersatzeinkommen in einem Zeitraum von mindestens drei aufeinanderfolgenden Kalendermonaten im Durchschnitt um wenigstens 10 v.H. geringer ist als das berücksichtigte Einkommen (§ 18d Abs. 2 SGB IV).

Die Klägerin kann sich auch nicht auf die vom BSG (SozR 3-2400 § 18b SGB IV Nr. 1) für zulässig erachtete Ausnahme von der in § 18b Satz 1 SGB IV getroffenen Regelung berufen. Denn der vom BSG entschiedene Sachverhalt ist nicht mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt der Klägerin, die in einem langjährigen Arbeitsverhältnis stand und auch in der Zukunft ein regelmäßiges monatliches Erwerbseinkommen zu erwarten hatte, vergleichbar. Gegenstand des Verfahrens vor dem BSG war der Fall, dass von der Hinterbliebenen nur in einigen Kalendermonaten Erwerbseinkommen erzielt worden war und auch für die Zukunft davon auszugehen war, dass diese nicht in jedem Kalendermonat eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben werde und ihr in den Kalendermonaten, in denen sie nicht beschäftigt sei, auch keine Lohnersatzleistungen zufließen würden. Der von der Klägerin in Anspruch genommenen Kommentierung (Gemeinschaftskommentar zum SGB IV - GK-SGB IV -, Stand 1992, zu § 18b SGB VI), wonach der Vergleich des Erwerbseinkommens und des Erwerbsersatzeinkommens nach ihren absoluten Beträgen von Bedeutung sein soll, folgt der Senat nicht, da sie dem dargestellten Sachzusammenhang (Wirklichkeitsmaßstab, Prognoseentscheidung) nicht Rechnung trägt und zudem die 1999 aktualisierte höchstrichterliche Rechtsprechung nicht berücksichtigt.

Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der von der Klägerin angegriffenen Regelung § 18b Abs. 2 Satz 1 SGB IV sind für den Senat, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Einkommensanrechnung auf die Hinterbliebenenrenten (vgl. BVerfGE 97, 271), nicht erkennbar.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist für die Klägerin für den Zeitpunkt der Rentenanpassung zum 1. Juli 1996 ein monatlicher Anrechnungsbetrag wegen Einkommen in Höhe von 1.707,89 DM zu ermitteln, der höher ist als der Bruttorentenbetrag von 1.372,81 DM (aktueller Rentenwert - Ost - von 38,38 DM x Rentenartfaktor 0,6 x Anzahl der persönlichen Entgeltpunkte - Ost - in Höhe von 59,6149), so dass die Zahlung der großen Witwenrente zu Recht von der Beklagten eingestellt worden ist. Der Anrechnung zu Grunde zu legen ist gemäß § 18b Abs. 2 Satz 1 SGB IV das vom 14. Oktober 1995 bis zum 31. Dezember 1995 erzielte Erwerbseinkommen (Grundgehalt zuzüglich Ortszuschlag) in Höhe von insgesamt 23.076,13 DM (4.997,61 DM + 194,52 DM + 8.607,00 DM + 335,00 DM + 8.607,00 DM + 335,00 DM). Dieser Betrag ist durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, d.h. durch drei zu teilen, so dass sich ein Monatsbetrag von 7.692,04 DM ergibt. Weiterhin sind von den jährlichen Sonderzahlungen (einmalig gezahltes Arbeitsentgelt) gemäß § 18b Abs. 2 Satz 2 SGB IV i.V.m. § 23a SGB IV jeweils ein Zwölftel bei der Anrechnung zu berücksichtigen, d.h. insgesamt ein Betrag von 766,24 DM (1/12 des Urlaubsgeldes in Höhe von 650,00 DM = 54,17 DM sowie 1/12 des Weihnachtsgeldes in Höhe von 8.544,90 DM = 712,07 DM). Dieser Bruttomonatsbetrag in Höhe von 8.458,28 DM ist gemäß § 18b Abs. 5 Nr. 1 SGB IV für pauschalierte Lohnsteuer und SV-Abzüge um 35 v.H. auf 5.497,88 DM zu kürzen. Dem anrechnungsfähigen Einkommen ist der sich nach § 97 Abs. 2 SGB VI ergebende Freibetrag gegenüber zu stellen. Der Freibetrag beträgt bei Witwenrenten das 26,4-fache des aktuellen Rentenwertes, d.h. hier 1.013,23 DM (26,4 x 38,38 DM), und ist für jedes waisenrentenberechtigte Kind um das 5,6-fache des aktuellen Rentenwertes zu erhöhen, d.h. hier um 214,93 DM (5,6 x 38,38 DM) auf insgesamt 1.228,16 DM. Das anrechnungsfähige Einkommen der Klägerin übersteigt diesen Freibetrag um 4.269,72 DM (5.497,88 DM - 1.228,16 DM). Nach § 97 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind 40 % des den Freibetrag übersteigenden Einkommens auf die Witwenrente anzurechnen, d.h. hier ein Betrag von 1.707,89 DM. Der Anrechnungsbetrag ist höher als der ab 1. Juli 1996 zu zahlende Rentenbruttobetrag, so dass die Beklagte die Neufeststellung des Auszahlungsbetrages vom Zeitpunkt der Rentenanpassung zum 1. Juli 1996 wegen Änderung der für die Rentengewährung maßgeblichen Verhältnisse nach § 48 SGB X i.V.m. § 18d Abs. 1 Satz 1 SGB IV vornehmen durfte. Sie konnte die Neufeststellung auch ohne Ermessensausübung auf die Vergangenheit (ab 1. Juli 1996) erstrecken. Denn nach § 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 SGB X „soll“ der Verwaltungsakt (rückwirkend) vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse u.a. dann aufgehoben werden, wenn nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt wurde, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde. Dies bedeutet, dass bei dem hier vorliegenden typischen Fall der Berücksichtigung laufenden Arbeitseinkommens stets eine rückwirkende Einkommensanrechnung (mit einer ohnehin zu gewährenden „Schonfrist“ von in der Regel einem halben Jahr bis zur nächsten Rentenanpassung) zulässig ist. Anhaltspunkte für einen atypischen Fall, bei dem die Behörde ihr Ermessen hinsichtlich der rückwirkenden Aufhebung auszuüben und im Bescheid darzulegen hat, sind nicht erkennbar. Aus den vorangegangen Rentenbescheiden war der Klägerin die Bedeutung der Art und Höhe ihres laufenden Einkommens für die Ermittlung des Auszahlbetrages der Witwenrente hinreichend bekannt. Die Beklagte konnte den Neufeststellungsbescheid nicht schon frühzeitig im Juni 1996 erlassen, weil die von ihr bereits Anfang Mai 1996 angeforderten Unterlagen zur Einkommenssituation von der Klägerin erst Anfang Juli 1996 (Schreiben der Klägerin vom 1. Juli 1996) vervollständigt worden sind. Die Pflicht der Klägerin, die Überzahlung zu erstatten, folgt zwingend aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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