Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 156/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 231/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 11/17 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 80a Abs. 1 SGB VII ist wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls insoweit verfassungswidrig, als er Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer erfasst.
2. Der Anwendungsbereich von § 80a Abs. 1 SGB VII kann vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Motive in verfassungskonformer Auslegung auf solche Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) beschränkt werden, die ihr Einkommen allein aus der versicherten landwirtschaftlichen Tätigkeit erzielen.
2. Der Anwendungsbereich von § 80a Abs. 1 SGB VII kann vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Motive in verfassungskonformer Auslegung auf solche Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) beschränkt werden, die ihr Einkommen allein aus der versicherten landwirtschaftlichen Tätigkeit erzielen.
1. Die Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 22. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 % ab dem 13. April 2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers aus Verletztenrente infolge eines Arbeitsunfalls.
Der Kläger erlitt am 24. Mai 2008 einen Unfall bei Arbeiten mit einer Kreissäge. In dessen Folge kam es an der linken Hand zu einer vollständigen Abtrennung des Mittelfingers in Höhe des Mittelgliedes und am Zeigefinger zu einem offenen Bruch des Grundgliedes, einer Durchtrennung der Strecksehne in Höhe des Zeigefingergrundgliedes sowie des ellenwärtigen Gefäßnervenbündels in Höhe des körperfernen Grundgliedes. Als wesentliche Unfallfolgen sind ausweislich des Ersten Rentengutachtens vom 2. September 2009 an der linken Hand verblieben eine Teilsteife des Zeigefingers mit Abweichung der Zeigefingerachse um 40° zur Ellenseite hin ab dem Mitglied, eine Beugesteife des Zeigefingermittelgelenkes von 40°, der Verlust des linken Mittelfingers in Höhe des Mittelfingergrundgliedes, ein inkompletter Faustschluss, ein hälftig eingeschränkter Grobgriff sowie eine eingeschränkte Feingeschicklichkeit, Kälteempfindlichkeit und eine deutlich messbare Muskelminderung. Die Sachverständigen Prof. Dr. D. und Dr. E. der BGU WE. bewerteten diese Unfallfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von insgesamt 20 %.
Die versicherte Tätigkeit, während der das vorbezeichnete Unfallereignis stattfand, übte der Kläger für ein landwirtschaftliches Unternehmen aus, dessen Inhaberin die bis dahin ungeteilte Erbengemeinschaft nach F. war; Mitglied dieser Erbengemeinschaft war die Ehefrau des Klägers, nicht aber der Kläger selbst. Im Unfallzeitpunkt stand der Kläger zudem in einem Arbeitsverhältnis zur Firma "G." in QW.
Mit Bescheid vom 22. September 2009 erkannte die Beklagte das Unfallereignis vom 24. Mai 2008 als Arbeitsunfall an und lehnte einen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens die MdE des Klägers nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs, also dem 13. April 2009, nicht um wenigstens 30 % gemindert sei.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2010 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der vollständige Verlust von Zeige- und Mittelfinger mit einer MdE von 25 % zu bewerten sei. Demgegenüber sei der Kläger allerdings "deutlich besser" gestellt, die Sachverständigen seien ohnehin nur aufgrund der bestehenden Kälteempfindlichkeit zur Bewertung mit einer MdE von 20 % gelangt, bei rein orthopädischer Betrachtung wäre lediglich eine MdE von 15 % gerechtfertigt gewesen. Da der Kläger im Unfallzeitpunkt als nicht nur vorübergehend mithelfender Familienangehöriger tätig gewesen sei, entstehe ein Rentenanspruch gem. § 80a SGB VII erst ab einer MdE von 30 %, was auf den Kläger nicht zutreffe.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 17. Dezember 2010, der am 28. Dezember 2010 bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, Klage erhoben und verfolgt sein Rentenbegehren weiter. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass die verbliebenen Unfallfolgen die Bewertung mit einer MdE von 30 % rechtfertigten. Aber selbst wenn man dies nicht annehmen wollte, bestehe ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente, da § 80a SGB VII eine Ungleichbehandlung gegenüber sonstigen Versicherten der Gesetzlichen Unfallversicherung begründe, für die es an einer verfassungsrechtlichen Rechfertigung fehle.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 22. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 %,
hilfsweise nach einer MdE von mindestens 20 %,
ab dem 13. April 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide sowie das Ergebnis ihrer Ermittlungen. Hinsichtlich der Regelung in § 80a SGB VII sei darauf hinzuweisen, dass die Sonderregelung wegen der Sonderstellung der pflichtversicherten landwirtschaftlichen Unternehmer gerechtfertigt sei und zudem einer Forderung der betroffenen Berufsgruppen entspreche.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 11. September 2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im Umfang des Hilfsantrages begründet; der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 % (1.). Aus verfassungsrechtlichen Gründen bedarf es für den Rentenanspruch des Klägers entgegen § 80a Abs. 1 SGB VII nicht des Vorliegens einer MdE von 30 % (2.).
1. Anspruch auf Verletztenrente haben gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles – eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit – um wenigstens 20 % gemindert ist. Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) und b) SGB VII, nämlich Personen, die entweder
"Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner" oder "im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind",
wurde der Anspruch auf Verletztenrente durch § 80a Abs. 1 SGB VII mit Wirkung vom 1. Januar 2008 an strengere Voraussetzungen geknüpft. Solche Versicherte haben
"abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist."
Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls als solches ist aufgrund der Anerkennung des Versicherungsfalles durch die Beklagte nicht streitig. In Frage stehen allein die Bewertung der Unfallfolgen im Hinblick auf die MdE sowie ein daraus folgender Anspruch des Klägers auf Verletztenrente.
Für das Bemessen der MdE haben sich für eine vereinfachte Beurteilung seit langem Grundlagen gebildet. Es handelt sich um Erfahrungswerte zur prozentualen Gewichtung der verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten bei bestimmten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Erfahrungswerte und Empfehlungen gehen nicht auf Analysen des durch die entgangene Erwerbsmöglichkeit typischerweise entstandenen wirtschaftlichen Schadens zurück, sondern sie sind abstrakte Schätzungen. Funktionseinbußen, für die solche Anhaltspunkte fehlen, werden entsprechend den ihnen ähnlichen, für die bereits MdE-Werte veröffentlicht sind, eingestuft. Dieses vereinfachte Verfahren kann als ständige Übung Beachtung beanspruchen (so jüngst BayLSG, Urt. v. 20. Juni 2012 – L 2 U 268/07 – juris Rn. 51). Diese Grundlagen sind zu beachten, weil sie sich aufgrund ihrer immer wiederkehrenden Bestätigung durch Gutachter, Unfallversicherungsträger, Gerichte sowie ihrer Annahme durch die Betroffenen als Wirklichkeits- und Maßstabsgerecht erwiesen haben. Es sind Erfahrungswerte, die nicht zuletzt einer weitgehenden Gleichbehandlung aller Verletzten dienen (so jüngst SG Gießen, Urt. v. 27. April 2012 – S 1 U 29/09 – juris Rn. 18 m.w.Nw. aus der Rspr. des BSG).
Hiernach ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Unfallfolgen des Klägers mit einer MdE von 20 % zu bewerten ist. Nach den aktuellen Erfahrungswerten wird der vollständige Verlust von Zeige- und Mittelfinger mit einer MdE von 25 % bewertet (s. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 566). Demgegenüber ist der Kläger deutlich besser gestellt, da es bei ihm nicht zu einem entsprechenden Totalverlust gekommen ist. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung stellt die verbliebene Fehlstellung des Zeigfingers als solche keine zusätzliche Behinderung dar, die die Gebrauchsfähigkeit der Hand wie eine Totalamputation oder wegen der Achsabweichung auch nicht weitergehend als ein Verlust des Fingers insgesamt ein. Selbst bei Beachtung der Kälteempfindlichkeit erscheint daher die Annahme einer MdE von 20 % als angemessen.
Ausgehend von dieser tatsächlichen Feststellung besteht gem. §§ 80a Abs. 1, 56 Abs. 1 SGB VII kein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente. Denn im Unfallzeitpunkt war der Kläger in einem landwirtschaftlichen Unternehmen tätig, dessen Inhaberin seine Ehefrau als Mitglied der das Unternehmen betreibenden Erbengemeinschaft war und die somit die Stellung als Mitunternehmerin innehatte. Damit ist der Kläger als im Unternehmen mitarbeitender Ehegatte i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) SGB VII anzusehen, so dass für ihn ein Anspruch auf Verletztenrente erst ab einer MdE von 30 % entsteht.
2. Die Klage hat jedoch gleichwohl im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, da § 80a Abs. 1 SGB VII jedenfalls für den hier vorliegenden Sachverhalt und in Bezug auf die Person des Klägers wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG als verfassungswidrig anzusehen ist (sogleich a). Es bedarf jedoch keiner Aussetzung des Verfahrens, verbunden mit einer Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 80 ff. BVerfGG; denn der Anwendungsbereich des § 80a Abs. 1 SGB VII lässt sich in verfassungskonformer Auslegung derart beschränken, dass es für den Kläger bei der Anwendung der allgemeinen Vorschrift des § 56 Abs. 1 SGB VII verbleibt, so dass § 80a Abs. 1 SGB VII keine Entscheidungserheblichkeit für den vorliegenden Rechtsstreit zukommt. (sogleich b).
a) Der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet in seiner gem. Art. 1 Abs. 3 GG auch den parlamentarischen Gesetzgeber bindenden Ausprägung als Rechtsetzungsgleichheit, wesentliche gleiche Sachverhalte einer Ungleichbehandlung zu unterwerfen, ohne dass hierfür ein rechtfertigender Grund vorliegt. Einer solchen verfassungsrechtlichen Rechfertigung bedarf es dann, wenn verschiedene Personen oder Personengruppen rechtlich unterschiedlich behandelt werden und beide Gruppen unter einem gemeinsamen Oberbegriff (genus proximum) gefasst werden können (s. Pieroth/Schlinck, Staatsrecht II – Grundrechte, 25. Aufl. 2009, Rn. 460, 463, 465 ff.).
aa) Vorliegend hat der Gesetzgeber aus dem Kreis aller nach § 2 SGB VII versicherten Personen, die insoweit als Oberbegriff die – neben § 3 und 6 SGB VII – in den Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung Einbezogenen bilden, durch § 80a Abs. 1 SGB VII die in der Landwirtschaft Tätigen einer von allen übrigen Versicherten abweichenden Regelung unterworfen – beschränkt auf den Anspruch auf Verletztenrente. Diesen Versicherten steht ein Rentenanspruch im Falle einer unfallbedingten MdE zwischen 20 % und 30 % nicht (mehr) zu.
Dabei kommt unter rechtlichen Betrachtungen nur die Gesamtheit aller nach § 2 SGB VII Versicherten Personen als Oberbegriff in Betracht. Die Gesetzesbegründung in Bezug auf § 80a Abs. 1 SGB VII könnte hier zwar zunächst Anderes nahelegen. Diese Norm wurde durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) vom 18. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2984 [2985]) mit Wirkung vom 1. Januar 2008 in das SGB VII eingefügt. Sie war nicht Bestandteil des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 16/6520), sondern wurde im Rahmen der Ausschussberatungen erarbeitet und fand sodann Eingang in Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) vom 7. November 2007 (BT-Drs. 16/6984). Zur Begründung des Gesetzentwurfs wird hier ausgeführt (ebd., S. 15):
"Bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung handelt es sich vorrangig um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe der Unternehmer. Dies rechtfertigt besondere Regelungen, die keine Auswirkungen auf die anderen Bereiche der gesetzlichen Unfallversicherung entfalten."
Dies könnte dahin gehend interpretiert werden, dass neben der "herkömmlichen" gesetzlichen Unfallversicherung eine spezielle landwirtschaftliche Unfallversicherung existierte, die eigenen Regeln folgt und sich insofern systematisch wie inhaltlich als aliud darstellt, so dass die daran anknüpfenden Regelungen ihrerseits ebenfalls ein eigens System bilden und daher im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG in Bezug auf die übrigen Versicherten ohne Relevanz sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Richtig ist zwar, dass die gesetzliche Pflichtversicherung von Unternehmern und deren Ehegatten eine Besonderheit darstellt. Jedoch hat der Gesetzgeber im Übrigen daraus keine weiteren Konsequenzen gezogen, indem er etwa auch ein eigenes Leistungsrecht normiert oder der Unfallversicherung der Landwirte eine eigenes Gepräge gegeben hätte. Schon bei rein formaler Betrachtung wird dies durch die systematische Stellung der den Versicherungsschutz begründenden Norm deutlich: Sie ist als "einfache" Nr. 5 in die Liste der qua Gesetz angeordneten Tatbestände eingereiht, ohne dass hier eine besondere Norm, vergleichbar §§ 3 oder 6 SGB VII, geschaffen worden wäre. Bis zum Inkrafttreten des § 80a SGB VII hielt es der Gesetzgeber nicht für angezeigt, insoweit ein eigenes Gesetzesregime für Landwirte zu schaffen (anders als etwa im Bereich der Rentenversicherung). Daher sind auch landwirtschaftliche Unternehmer (und ihre Ehegatten) historisch nur eine Gruppe unter den der Gesetzlichen Unfallversicherung unterstehenden Personen. Daher kommt als verfassungsrechtlich relevanter Oberbegriff nur die Gesamtheit aller nach § 2 SGB VII versicherten Personen in Betracht.
bb) Diese Ungleichbehandlung ist nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigt. Dabei sind an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Je intensiver die Ungleichbehandlung die Betroffenen beeinträchtigt, desto höher sind die Anforderungen an die Rechfertigung der Ungleichbehandlung. Hierzu hat das BVerfG (BVerfGE 107, 27 [46]) ausgeführt:
"Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 88, 5 (12); 88, 87 (96); 101, 54 (101); 103, 310 (318); 105, 73 (110 f.) - dort auch zum Folgenden). Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, "wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt" (vgl. BVerfGE 1, 14 (52); aus der stRspr z.B. BVerfGE 89, 132 (141)). Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz auch dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 (88); 93, 386 (397)). Dafür kommt es wesentlich auch darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 82, 126 (146); 88, 87 (96); 89, 15 (22 f.); 89, 69 (89); 90, 46 (56); 91, 346 (363); 95, 267 (316 f.); 97, 271 (290 f.); 98, 365 (389); 99, 367 (388); vgl. auch BVerfGE 99, 341 (355 f.)). Nähere Maßstäbe und Kriterien lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche präzisieren (stRspr des Zweiten Senats, z.B. BVerfGE 75, 108 (157); 93, 319 (348 f.); 93, 386 (397); 101, 275 (291); 103, 310 (318); 105, 73 (111); vgl. auch aus der Rechtsprechung des Ersten Senats BVerfGE 88, 5 (12 f.); 88, 87 (96 f.); 90, 226 (239))."
Dabei ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber zum Erhalt seiner Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz anders als bei Freiheitsgrundrechten ein weiter Ermessensspielraum zugestanden werden muss und es daher insbesondere nicht verfassungsrechtlicher Prüfung unterliegt, ob die sachgerechteste Lösung gewählt worden ist (Pieroth/Schlinck, Staatsrecht II – Grundrechte, 20. Aufl. 2004, Rn. 478 f. m.w.Nw.).
Im vorliegenden Fall ist angesichts dieses Maßstabes zunächst zu beachten, dass es nicht um einen Fall der Eingriffs-, sondern der Leistungsverwaltung handelt. Der Kläger erleidet durch § 80a Abs. 1 SGB VII keinen Rechtseingriff, vielmehr wird ihm eine Leistung der Gesetzlichen Unfallversicherung, nämlich die Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 bzw. 25 %, vorenthalten, die sonstigen Versicherten zuteil wird. Dies reduziert die "Eingriffs"-Intensität der hier zu beurteilenden Ungleichbehandlung prima facie. Allerdings wird dies dadurch kompensiert, dass die gesetzliche Regelung in Fällen wie dem des Klägers an dessen Eigenschaft als Ehegatte einer Unternehmerin anknüpft und damit auch der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG berührt wird. Dies führt zu einer erhöhten Eingriffsintensität, die eine über das bloße Willkürverbot hinausgehende Rechtfertigungspflicht auslöst. Der Gesetzgeber knüpft hier bezüglich der Ehegatten eines landwirtschaftlichen Unternehmers an deren letztlich unverfügbares Merkmal der Eheschließung an, um eine Ungleichbehandlung zu deren Lasten vorzunehmen. Unabhängig von der Frage, ob dies mit Art. 6 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Schutzgebot für die Ehe vereinbar ist, führt dies jedenfalls im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG dazu, dass der Gesetzgeber einer besonderen Rechtfertigungspflicht unterliegt. Es genügt daher nicht jeder sachliche Grund, den der Gesetzgeber zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung heranzieht; vielmehr müssen sich die Gründe auch als verhältnismäßig im weiteren Sinne darstellen. Dem wird § 80a Abs. 1 SGB VII nicht gerecht.
Die Ausschussbegründung (s.o., BT-Drs. 16/6984, S. 15 f.) führt hierzu aus: "Bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung handelt es sich vorrangig um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe der Unternehmer. Dies rechtfertigt besondere Regelungen, die keine Auswirkungen auf die anderen Bereiche der gesetzlichen Unfallversicherung entfalten.
Bei Verletzungen, die eine MdE von unter 30 v. H. nach sich ziehen, ist bei dem Personenkreis der landwirtschaftlichen Unternehmer, ihrer Ehegatten oder Lebenspartner und der mitarbeitenden Familienangehörigen regelmäßig davon auszugehen, dass kein Erwerbsschaden durch die Verletzungsfolgen eintritt. Daher werden bei niedrigen Erwerbsminderungsstufen (MdE 20 Prozent und 25 Prozent) in der Regel ausschließlich immaterielle Schäden ausgeglichen. Die Verletztenrente hat in diesen Fällen eine dem Schmerzensgeld vergleichbare Funktion. Bei Unternehmern und deren Ehegatten oder Lebenspartnern sowie bei den im Unternehmen mitarbeitenden Familienangehörigen liegt dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung – anders als bei den versicherten Arbeitnehmern – aber keine Ablösung der Unternehmerhaftung zugrunde. Vielmehr handelt es sich um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe, die es nicht geboten sein lässt, im gleichen Umfang wie bei Arbeitnehmern auch immaterielle Schäden abzugelten.
Deshalb soll künftig der Rentenanspruch für Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens, ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner und die im Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen erst ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert einsetzen. Eine Änderung für die in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitnehmer ist dagegen nicht vorgesehen. Es handelt sich dabei um eine bedarfsgerechte Ausformung des geltenden Rechts für pflichtversicherte Unternehmer, die es in keinem anderen Bereich gibt. Mit dieser Änderung wird zudem ein Vorschlag des Berufsstandes aufgegriffen, um die Aufwendungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zu reduzieren und die Beitragszahler finanziell zu entlasten.
Die Ansprüche der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 versicherten Arbeitnehmer sowie der wie Arbeitnehmer tätig werdenden Personen bleiben davon unberührt, für sie entsteht wie bisher der Rentenanspruch bereits ab einer MdE von wenigstens 20 v. H." Daraus ergeben sich nach Auffassung der Entwurfsverfasser vier Gründe für die normierte Ungleichbehandlung:
- Charakter der unternehmerischen Selbsthilfe im Rahmen einer Unternehmer-Pflichtversicherung,
- kein Erwerbsschaden durch Verletzungsfolgen,
- keine Ablösung der Unternehmerhaftung sowie
- Reduzierung der Beitragsbelastung. Diese Gründe rechtfertigen jedoch die Ungleichbehandlung nicht.
(1) Die Erwägung einer eigenständigen Unternehmerpflichtversicherung im System der Gesetzlichen Unfallversicherung trifft faktisch zunächst als solches zu, vermag aber nicht unmittelbar zu begründen, warum dies auch Nachteile für Ehegatten der Unternehmer rechtfertigen soll. Freilich werden diese – anders als in allen anderen Versichertengruppen – aufgrund "bloßer" Eheschließung in den Kreis der Versicherten einbezogen und nehmen auf diese Weise an einer Art um Ehegatten erweiterter unternehmerischer Selbsthilfe teil, ohne dass es etwa wie in § 2 Abs. 2 SGB VII auf eine bestimmte Art oder Umfang der mithelfenden Tätigkeit ankäme. Allerdings bleiben auch hier die zuvor unter aa) dargelegten Umstände relevant: Ein selbstständige "Landwirtschaftliche Unfallversicherung" hat der Gesetzgeber gerade nicht errichtet, zumal, wie die Begründung selbst ausführt, die "Beschäftigten" in der Landwirtschaft weiterhin den allgemeinen Regeln unterliegen sollen. Sodann ist ein inhaltlicher Konnex zwischen dem Charakter als "genossenschaftlicher" Selbsthilfe und einer daraus folgenden Leistungseinschränkung nicht ersichtlich. Eine Rechtfertigung einer Andersbehandlung ergibt sich daraus nicht per se, zumal nicht auf der Rechtsfolgenseite. Denn die mit den Leistungen der Unfallversicherung verfolgte Kompensation von Unfallfolgen erhält nicht dadurch eine andere Gewichtung, dass es sich um eine Selbsthilfe der Versicherten (Unternehmer und Ehegatten) handelt.
(2) Das – unterstellte – Fehlen eines Erwerbsschadens kann die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht rechtfertigen. Diese Erwägung ist nicht vereinbar mit dem Grundprinzip der Verletztenrente. Diese wird gem. § 56 Abs. 1 SGB VII allein nach dem Maßstab der durch den Versicherungsfall verursachten MdE geleistet und ist bei allen Versicherten völlig unabhängig von einer durch die Unfallfolgen etwaig eingetretenen tatsächlichen Erwerbsschadens. Richtig ist zwar, dass die Verletztenrente einen Schadensausgleich darstellt; doch wird dieser im Gegensatz zum konkreten Schadensersatzausgleich im Zivilrecht abstrakt berechnet und enthält insofern auch fiktive Anteile für materielle und immaterielle Schäden (Feddern in: jurisPK-SGB VII, § 80a SGB VII Rn. 8 [Stand: 1.1.2009]). Es bleibt jedoch dabei, dass die MdE-Bewertung keinerlei Bezug zu einem tatsächlichen, konkreten Schaden, sei er immateriell oder materiell, besitzt. Hierbei kommt es gem. § 56 Abs. 2 SGB VII allein auf die "sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens" an, ohne dass es für die Gewährung einer Verletztenrente erforderlich wäre, dass infolge eines Versicherungsfalles tatsächlich ein vermindertes Einkommen für einen Versicherten einträte. Umgekehrt besteht mit Ausnahme der engen Grenzen besonderer Betroffenheit i.S.d. § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII auch kein Anspruch auf erhöhte Leistungen, wenn durch einen Versicherungsfall ein Arbeitsplatzverlust einträte und neue Erwerbsmöglichkeiten nur zu einem erheblich verminderten Entgelt bestünden. Wer also außerhalb des Anwendungsbereichs des § 80a Abs. 1 SGB VII eine unfallbedingte MdE von 20 % erleidet, erhält Verletztenrente auch dann, wenn er wie vor dem Versicherungsfall weiterbeschäftigt wird und gleiches Entgelt erhält.
Folglich dient die Leistung einer Verletztenrente ihrem Charakter nach allein der finanziellen Kompensation der Minderung abstrakter Erwerbsmöglichkeiten durch verminderte Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Arbeitsmarkt. Diese (abstrakten) Erwerbsmöglichkeiten sind aber bei Versicherten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII aber in gleicher Weise eingeschränkt wie bei allen anderen Versicherten auch. Eine Sondersituation der landwirtschaftlichen Unternehmer und ihrer Ehegatten im Hinblick auf einen – unterstellten – Ausfall eines Erwerbsschadens oder die Kompensation nur immaterieller Schäden besteht daher nicht und kann somit auch keine Ungleichbehandlung rechtfertigen.
Die Inkonsequenz der Regelung durch Schlechterstellung nur der Versicherten nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) u. b) auch gegenüber den insofern in derselben Situation befindlichen Unternehmern gem. lit. c) unterstreicht zusätzlich die fehlende Rechtfertigung der Ungleichbehandlung (vgl. Ricke, in: KassKomm, § 80a SGB VII Rn. 2 [Stand: April 2009]).
(3) Die regelmäßig fehlende Ablösung der Unternehmerhaftung im Bereich der Landwirtschaft rechtfertigt die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht. Insofern stellt sich die Aufrechterhaltung des Rentenanspruchs ab einer MdE von 30 % als widersprüchlich dar. Dies gilt hier erneut insoweit, als die Gesetzesbegründung auf – unterstellt – nur immaterielle Schäden Bezug nimmt, die für das System der Verletztenrente ohne Relevanz sind. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, warum die fehlende Ablösung der Unternehmerhaftung im Bereich einer MdE von 30 % oder höher keine Bedeutung mehr haben soll. Angesichts des Charakters der Verletztenrente, abstrakt unfallbedingt verlorene Erwerbsmöglichkeiten zu kompensieren, erweist sich die Aufrechterhaltung des Rentenanspruchs im Umfang des § 80a Abs. 1 SGB VII als systematisch widersprüchlich und damit nicht sachangemessen. Folglich kann die Ungleichbehandlung damit nicht gerechtfertigt werden.
(4) Letztlich kann auch eine Reduzierung der Beitragsbelastung die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Bei der durchzuführenden Abwägung ist einerseits auf die zuvor unter aa) bis cc) dargelegten Umstände zu verweisen. Die hier gegen eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sprechenden Umstände können durch die Erwägung einer bloßen Reduzierung der Beitragslast nicht kompensiert werden.
Hinzu kommt, dass insbesondere die geringen Rentenansprüche, die aus einer MdE von 20 % oder 25 % erwachsen, nicht geeignet erscheinen, zu einer weitgehenden Beitragsreduzierung zu führen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich und wird auch in der Gesetzesbegründung nicht näher belegt, dass und welche Beitragsreduzierung infolge der Leistungseinschränkung zu erwarten sein wird. Daher ist die Begründung insoweit ebenfalls nicht geeignet, eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer zu rechtfertigen.
Somit erweist sich § 80a Abs. 1 SGB VII wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG zumindest im Hinblick auf versicherte Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer als verfassungswidrig.
b) Einer Vorlage an das BVerfG bedarf es gleichwohl nicht.
aa) Gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nur dann einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält, wenn es auf dessen Gültigkeit bei der Entscheidung ankommt. Fehlt es an einer solchen Entscheidungserheblichkeit, ist die Einleitung einer konkreten Normenkontrolle unzulässig. Dabei kommen verschiedene Wege in Betracht, die die Entscheidungserheblichkeit beseitigen können, darunter auch eine verfassungskonforme Auslegung der für verfassungswidrig erachteten Norm durch das zur Entscheidung berufene Gericht. Hierzu hat das BVerfG (BVerfGE 85, 329 [333], bestätigt jüngst im Beschl. v. 4. Juni 2012 – 2 BvL 9/08 u.a. – juris Rn. 90) ausgeführt:
"Ein Gericht kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nach Art. 100 Abs. 1 GG und § 80 Abs. 2 BVerfGG nur einholen, wenn es sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat. Das verlangt eine Erörterung der in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen zu den denkbaren Auslegungsmöglichkeiten (BVerfGE 80, 96 (100)). Der Beschluss muß den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben und die Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Regelung näher darlegen (BVerfGE 80, 59 (65)). Dazu gehört auch die Erörterung einer verfassungskonformen Auslegung, wenn offensichtlich mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen, die zu unterschiedlich starken Eingriffen in grundrechtlich geschützte Positionen führen und den verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts nicht in gleicher Weise ausgesetzt sind (vgl. BVerfGE 80, 68 (72); anders noch BVerfGE 25, 198 (204))."
Damit scheidet die Vorlage an das BVerfG aus, wenn sich im Wege einer verfassungskonformen Auslegung ein Ergebnis erzielen lässt, dass mit dem Grundgesetz in Einklang steht und somit die Entscheidungserheblichkeit der Verfassungswidrigkeit einer Norm entfällt. Denn eine verfassungskonforme Auslegung ist vorrangig in Betracht zu ziehen (s. jüngst BVerfG [2. Kammer des 1. Senats], Beschl. v. 25. September 2012 – 1 BvL 6/11 – juris Rn. 21).
bb) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Aufgrund der unter a) dargelegten Erwägungen ergibt sich als zentrales Argument – unabhängig von seiner Systemwidrigkeit in Bezug auf die Funktion der Verletztenrente –, dass mit Schäden, die eine MdE von unter 30 % bedingen, im Bereich der Landwirtschaft regelmäßig nur immaterielle Schäden abgegolten würden. Selbst wenn also er Ausgangspunkt des Gesetzgebers zugrund gelegt würde, verlöre er seine selbstdefinierte Voraussetzung dann, wenn die Tätigkeit in der Landwirtschaft und die mit ihr verbundenen Einkünfte nicht die Lebensgrundlage eines Unternehmers und/oder seines Ehegatten bildet, sondern diese aus einer anderen Tätigkeit erworben wird. Denn dann kann die Bewertung eines potentiellen oder tatsächlichen "Erwerbsschadens" nicht nur in Bezug auf die landwirtschaftliche Tätigkeit erfolgen, sondern auf die Erwerbstätigkeit insgesamt. Wenn also, wie im Falle des Klägers, der Ehegatte einer landwirtschaftlichen Unternehmerin bei einer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) SGB VII versicherten Tätigkeit einen Arbeitsunfall erleidet, er aber seinen Lebensunterhalt (auch) durch eine sonstige entgeltliche Tätigkeit erzielt, entfällt der entscheidende Grund für die Ungleichbehandlung, wie ihn der Gesetzgeber der streitigen Norm rechtfertigend zugrunde gelegt hat. Entsprechend kann unter Beachtung der gesetzgeberischen Intention der Anwendungsbereich des § 80a Abs. 1 SGB VII betreffend den Rentenanspruch von Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer auf solche Fälle beschränkt werden, in denen der Lebensunterhalt jedenfalls des versicherten Ehegatten allein durch die versicherte landwirtschaftliche Tätigkeit geschaffen wird, während der der Versicherungsfall eingetreten ist. Denn nur dann können die Erwägungen im Hinblick auf das Fehlen eines Erwerbsschadens zutreffen.
Ist der Anwendungsbereich der Norm aber in dieser Weise als beschränkt anzusehen, findet § 80a Abs. 1 SGB VII auf den hier streitgegenständlichen Sachverhalt keine Anwendung. Damit entfällt die Entscheidungserheblichkeit der Frage eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG, denn es käme vorliegend im Falle der Gültigkeit des § 80a Abs. 1 SGB VII zu keiner anderen Endentscheidung als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. jüngst BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 25. September 2012 – 1 BvL 6/11 – juris Rn. 20 m.w.Nw.). Eine Vorlage an das BVerfG scheidet daher aus.
3. Nach alledem verbleibt es bei den allgemeinen Regelungen gem. § 56 Abs. 1 SGB VII, so dass dem Kläger bereits ab einer MdE von 20 % ein Anspruch auf Verletztenrente zusteht. Da die bei ihm vorliegenden Unfallfolgen – wie dargelegt – eine MdE von 20 % rechtfertigen, war die Beklagte zur entsprechend zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei zu berücksichtigen war, dass der Kläger mit seinem Anspruch auf Rentenzahlung grundsätzlich durchgedrungen ist. Dass der Klageantrag der Höhe nach nur eingeschränkt erfolgreich war, tritt dahinter zurück. Es entsprach somit billigem Ermessen, die Beklagte vollumfänglich zur Kostenerstattung zu verpflichten.
2. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers aus Verletztenrente infolge eines Arbeitsunfalls.
Der Kläger erlitt am 24. Mai 2008 einen Unfall bei Arbeiten mit einer Kreissäge. In dessen Folge kam es an der linken Hand zu einer vollständigen Abtrennung des Mittelfingers in Höhe des Mittelgliedes und am Zeigefinger zu einem offenen Bruch des Grundgliedes, einer Durchtrennung der Strecksehne in Höhe des Zeigefingergrundgliedes sowie des ellenwärtigen Gefäßnervenbündels in Höhe des körperfernen Grundgliedes. Als wesentliche Unfallfolgen sind ausweislich des Ersten Rentengutachtens vom 2. September 2009 an der linken Hand verblieben eine Teilsteife des Zeigefingers mit Abweichung der Zeigefingerachse um 40° zur Ellenseite hin ab dem Mitglied, eine Beugesteife des Zeigefingermittelgelenkes von 40°, der Verlust des linken Mittelfingers in Höhe des Mittelfingergrundgliedes, ein inkompletter Faustschluss, ein hälftig eingeschränkter Grobgriff sowie eine eingeschränkte Feingeschicklichkeit, Kälteempfindlichkeit und eine deutlich messbare Muskelminderung. Die Sachverständigen Prof. Dr. D. und Dr. E. der BGU WE. bewerteten diese Unfallfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von insgesamt 20 %.
Die versicherte Tätigkeit, während der das vorbezeichnete Unfallereignis stattfand, übte der Kläger für ein landwirtschaftliches Unternehmen aus, dessen Inhaberin die bis dahin ungeteilte Erbengemeinschaft nach F. war; Mitglied dieser Erbengemeinschaft war die Ehefrau des Klägers, nicht aber der Kläger selbst. Im Unfallzeitpunkt stand der Kläger zudem in einem Arbeitsverhältnis zur Firma "G." in QW.
Mit Bescheid vom 22. September 2009 erkannte die Beklagte das Unfallereignis vom 24. Mai 2008 als Arbeitsunfall an und lehnte einen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens die MdE des Klägers nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs, also dem 13. April 2009, nicht um wenigstens 30 % gemindert sei.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2010 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der vollständige Verlust von Zeige- und Mittelfinger mit einer MdE von 25 % zu bewerten sei. Demgegenüber sei der Kläger allerdings "deutlich besser" gestellt, die Sachverständigen seien ohnehin nur aufgrund der bestehenden Kälteempfindlichkeit zur Bewertung mit einer MdE von 20 % gelangt, bei rein orthopädischer Betrachtung wäre lediglich eine MdE von 15 % gerechtfertigt gewesen. Da der Kläger im Unfallzeitpunkt als nicht nur vorübergehend mithelfender Familienangehöriger tätig gewesen sei, entstehe ein Rentenanspruch gem. § 80a SGB VII erst ab einer MdE von 30 %, was auf den Kläger nicht zutreffe.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 17. Dezember 2010, der am 28. Dezember 2010 bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, Klage erhoben und verfolgt sein Rentenbegehren weiter. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass die verbliebenen Unfallfolgen die Bewertung mit einer MdE von 30 % rechtfertigten. Aber selbst wenn man dies nicht annehmen wollte, bestehe ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente, da § 80a SGB VII eine Ungleichbehandlung gegenüber sonstigen Versicherten der Gesetzlichen Unfallversicherung begründe, für die es an einer verfassungsrechtlichen Rechfertigung fehle.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 22. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 %,
hilfsweise nach einer MdE von mindestens 20 %,
ab dem 13. April 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide sowie das Ergebnis ihrer Ermittlungen. Hinsichtlich der Regelung in § 80a SGB VII sei darauf hinzuweisen, dass die Sonderregelung wegen der Sonderstellung der pflichtversicherten landwirtschaftlichen Unternehmer gerechtfertigt sei und zudem einer Forderung der betroffenen Berufsgruppen entspreche.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 11. September 2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im Umfang des Hilfsantrages begründet; der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 % (1.). Aus verfassungsrechtlichen Gründen bedarf es für den Rentenanspruch des Klägers entgegen § 80a Abs. 1 SGB VII nicht des Vorliegens einer MdE von 30 % (2.).
1. Anspruch auf Verletztenrente haben gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles – eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit – um wenigstens 20 % gemindert ist. Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) und b) SGB VII, nämlich Personen, die entweder
"Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner" oder "im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind",
wurde der Anspruch auf Verletztenrente durch § 80a Abs. 1 SGB VII mit Wirkung vom 1. Januar 2008 an strengere Voraussetzungen geknüpft. Solche Versicherte haben
"abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist."
Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls als solches ist aufgrund der Anerkennung des Versicherungsfalles durch die Beklagte nicht streitig. In Frage stehen allein die Bewertung der Unfallfolgen im Hinblick auf die MdE sowie ein daraus folgender Anspruch des Klägers auf Verletztenrente.
Für das Bemessen der MdE haben sich für eine vereinfachte Beurteilung seit langem Grundlagen gebildet. Es handelt sich um Erfahrungswerte zur prozentualen Gewichtung der verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten bei bestimmten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Erfahrungswerte und Empfehlungen gehen nicht auf Analysen des durch die entgangene Erwerbsmöglichkeit typischerweise entstandenen wirtschaftlichen Schadens zurück, sondern sie sind abstrakte Schätzungen. Funktionseinbußen, für die solche Anhaltspunkte fehlen, werden entsprechend den ihnen ähnlichen, für die bereits MdE-Werte veröffentlicht sind, eingestuft. Dieses vereinfachte Verfahren kann als ständige Übung Beachtung beanspruchen (so jüngst BayLSG, Urt. v. 20. Juni 2012 – L 2 U 268/07 – juris Rn. 51). Diese Grundlagen sind zu beachten, weil sie sich aufgrund ihrer immer wiederkehrenden Bestätigung durch Gutachter, Unfallversicherungsträger, Gerichte sowie ihrer Annahme durch die Betroffenen als Wirklichkeits- und Maßstabsgerecht erwiesen haben. Es sind Erfahrungswerte, die nicht zuletzt einer weitgehenden Gleichbehandlung aller Verletzten dienen (so jüngst SG Gießen, Urt. v. 27. April 2012 – S 1 U 29/09 – juris Rn. 18 m.w.Nw. aus der Rspr. des BSG).
Hiernach ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Unfallfolgen des Klägers mit einer MdE von 20 % zu bewerten ist. Nach den aktuellen Erfahrungswerten wird der vollständige Verlust von Zeige- und Mittelfinger mit einer MdE von 25 % bewertet (s. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 566). Demgegenüber ist der Kläger deutlich besser gestellt, da es bei ihm nicht zu einem entsprechenden Totalverlust gekommen ist. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung stellt die verbliebene Fehlstellung des Zeigfingers als solche keine zusätzliche Behinderung dar, die die Gebrauchsfähigkeit der Hand wie eine Totalamputation oder wegen der Achsabweichung auch nicht weitergehend als ein Verlust des Fingers insgesamt ein. Selbst bei Beachtung der Kälteempfindlichkeit erscheint daher die Annahme einer MdE von 20 % als angemessen.
Ausgehend von dieser tatsächlichen Feststellung besteht gem. §§ 80a Abs. 1, 56 Abs. 1 SGB VII kein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente. Denn im Unfallzeitpunkt war der Kläger in einem landwirtschaftlichen Unternehmen tätig, dessen Inhaberin seine Ehefrau als Mitglied der das Unternehmen betreibenden Erbengemeinschaft war und die somit die Stellung als Mitunternehmerin innehatte. Damit ist der Kläger als im Unternehmen mitarbeitender Ehegatte i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) SGB VII anzusehen, so dass für ihn ein Anspruch auf Verletztenrente erst ab einer MdE von 30 % entsteht.
2. Die Klage hat jedoch gleichwohl im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, da § 80a Abs. 1 SGB VII jedenfalls für den hier vorliegenden Sachverhalt und in Bezug auf die Person des Klägers wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG als verfassungswidrig anzusehen ist (sogleich a). Es bedarf jedoch keiner Aussetzung des Verfahrens, verbunden mit einer Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 80 ff. BVerfGG; denn der Anwendungsbereich des § 80a Abs. 1 SGB VII lässt sich in verfassungskonformer Auslegung derart beschränken, dass es für den Kläger bei der Anwendung der allgemeinen Vorschrift des § 56 Abs. 1 SGB VII verbleibt, so dass § 80a Abs. 1 SGB VII keine Entscheidungserheblichkeit für den vorliegenden Rechtsstreit zukommt. (sogleich b).
a) Der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet in seiner gem. Art. 1 Abs. 3 GG auch den parlamentarischen Gesetzgeber bindenden Ausprägung als Rechtsetzungsgleichheit, wesentliche gleiche Sachverhalte einer Ungleichbehandlung zu unterwerfen, ohne dass hierfür ein rechtfertigender Grund vorliegt. Einer solchen verfassungsrechtlichen Rechfertigung bedarf es dann, wenn verschiedene Personen oder Personengruppen rechtlich unterschiedlich behandelt werden und beide Gruppen unter einem gemeinsamen Oberbegriff (genus proximum) gefasst werden können (s. Pieroth/Schlinck, Staatsrecht II – Grundrechte, 25. Aufl. 2009, Rn. 460, 463, 465 ff.).
aa) Vorliegend hat der Gesetzgeber aus dem Kreis aller nach § 2 SGB VII versicherten Personen, die insoweit als Oberbegriff die – neben § 3 und 6 SGB VII – in den Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung Einbezogenen bilden, durch § 80a Abs. 1 SGB VII die in der Landwirtschaft Tätigen einer von allen übrigen Versicherten abweichenden Regelung unterworfen – beschränkt auf den Anspruch auf Verletztenrente. Diesen Versicherten steht ein Rentenanspruch im Falle einer unfallbedingten MdE zwischen 20 % und 30 % nicht (mehr) zu.
Dabei kommt unter rechtlichen Betrachtungen nur die Gesamtheit aller nach § 2 SGB VII Versicherten Personen als Oberbegriff in Betracht. Die Gesetzesbegründung in Bezug auf § 80a Abs. 1 SGB VII könnte hier zwar zunächst Anderes nahelegen. Diese Norm wurde durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) vom 18. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2984 [2985]) mit Wirkung vom 1. Januar 2008 in das SGB VII eingefügt. Sie war nicht Bestandteil des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 16/6520), sondern wurde im Rahmen der Ausschussberatungen erarbeitet und fand sodann Eingang in Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) vom 7. November 2007 (BT-Drs. 16/6984). Zur Begründung des Gesetzentwurfs wird hier ausgeführt (ebd., S. 15):
"Bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung handelt es sich vorrangig um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe der Unternehmer. Dies rechtfertigt besondere Regelungen, die keine Auswirkungen auf die anderen Bereiche der gesetzlichen Unfallversicherung entfalten."
Dies könnte dahin gehend interpretiert werden, dass neben der "herkömmlichen" gesetzlichen Unfallversicherung eine spezielle landwirtschaftliche Unfallversicherung existierte, die eigenen Regeln folgt und sich insofern systematisch wie inhaltlich als aliud darstellt, so dass die daran anknüpfenden Regelungen ihrerseits ebenfalls ein eigens System bilden und daher im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG in Bezug auf die übrigen Versicherten ohne Relevanz sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Richtig ist zwar, dass die gesetzliche Pflichtversicherung von Unternehmern und deren Ehegatten eine Besonderheit darstellt. Jedoch hat der Gesetzgeber im Übrigen daraus keine weiteren Konsequenzen gezogen, indem er etwa auch ein eigenes Leistungsrecht normiert oder der Unfallversicherung der Landwirte eine eigenes Gepräge gegeben hätte. Schon bei rein formaler Betrachtung wird dies durch die systematische Stellung der den Versicherungsschutz begründenden Norm deutlich: Sie ist als "einfache" Nr. 5 in die Liste der qua Gesetz angeordneten Tatbestände eingereiht, ohne dass hier eine besondere Norm, vergleichbar §§ 3 oder 6 SGB VII, geschaffen worden wäre. Bis zum Inkrafttreten des § 80a SGB VII hielt es der Gesetzgeber nicht für angezeigt, insoweit ein eigenes Gesetzesregime für Landwirte zu schaffen (anders als etwa im Bereich der Rentenversicherung). Daher sind auch landwirtschaftliche Unternehmer (und ihre Ehegatten) historisch nur eine Gruppe unter den der Gesetzlichen Unfallversicherung unterstehenden Personen. Daher kommt als verfassungsrechtlich relevanter Oberbegriff nur die Gesamtheit aller nach § 2 SGB VII versicherten Personen in Betracht.
bb) Diese Ungleichbehandlung ist nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigt. Dabei sind an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Je intensiver die Ungleichbehandlung die Betroffenen beeinträchtigt, desto höher sind die Anforderungen an die Rechfertigung der Ungleichbehandlung. Hierzu hat das BVerfG (BVerfGE 107, 27 [46]) ausgeführt:
"Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 88, 5 (12); 88, 87 (96); 101, 54 (101); 103, 310 (318); 105, 73 (110 f.) - dort auch zum Folgenden). Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, "wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt" (vgl. BVerfGE 1, 14 (52); aus der stRspr z.B. BVerfGE 89, 132 (141)). Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz auch dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 (88); 93, 386 (397)). Dafür kommt es wesentlich auch darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 82, 126 (146); 88, 87 (96); 89, 15 (22 f.); 89, 69 (89); 90, 46 (56); 91, 346 (363); 95, 267 (316 f.); 97, 271 (290 f.); 98, 365 (389); 99, 367 (388); vgl. auch BVerfGE 99, 341 (355 f.)). Nähere Maßstäbe und Kriterien lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche präzisieren (stRspr des Zweiten Senats, z.B. BVerfGE 75, 108 (157); 93, 319 (348 f.); 93, 386 (397); 101, 275 (291); 103, 310 (318); 105, 73 (111); vgl. auch aus der Rechtsprechung des Ersten Senats BVerfGE 88, 5 (12 f.); 88, 87 (96 f.); 90, 226 (239))."
Dabei ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber zum Erhalt seiner Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz anders als bei Freiheitsgrundrechten ein weiter Ermessensspielraum zugestanden werden muss und es daher insbesondere nicht verfassungsrechtlicher Prüfung unterliegt, ob die sachgerechteste Lösung gewählt worden ist (Pieroth/Schlinck, Staatsrecht II – Grundrechte, 20. Aufl. 2004, Rn. 478 f. m.w.Nw.).
Im vorliegenden Fall ist angesichts dieses Maßstabes zunächst zu beachten, dass es nicht um einen Fall der Eingriffs-, sondern der Leistungsverwaltung handelt. Der Kläger erleidet durch § 80a Abs. 1 SGB VII keinen Rechtseingriff, vielmehr wird ihm eine Leistung der Gesetzlichen Unfallversicherung, nämlich die Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 bzw. 25 %, vorenthalten, die sonstigen Versicherten zuteil wird. Dies reduziert die "Eingriffs"-Intensität der hier zu beurteilenden Ungleichbehandlung prima facie. Allerdings wird dies dadurch kompensiert, dass die gesetzliche Regelung in Fällen wie dem des Klägers an dessen Eigenschaft als Ehegatte einer Unternehmerin anknüpft und damit auch der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG berührt wird. Dies führt zu einer erhöhten Eingriffsintensität, die eine über das bloße Willkürverbot hinausgehende Rechtfertigungspflicht auslöst. Der Gesetzgeber knüpft hier bezüglich der Ehegatten eines landwirtschaftlichen Unternehmers an deren letztlich unverfügbares Merkmal der Eheschließung an, um eine Ungleichbehandlung zu deren Lasten vorzunehmen. Unabhängig von der Frage, ob dies mit Art. 6 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Schutzgebot für die Ehe vereinbar ist, führt dies jedenfalls im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG dazu, dass der Gesetzgeber einer besonderen Rechtfertigungspflicht unterliegt. Es genügt daher nicht jeder sachliche Grund, den der Gesetzgeber zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung heranzieht; vielmehr müssen sich die Gründe auch als verhältnismäßig im weiteren Sinne darstellen. Dem wird § 80a Abs. 1 SGB VII nicht gerecht.
Die Ausschussbegründung (s.o., BT-Drs. 16/6984, S. 15 f.) führt hierzu aus: "Bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung handelt es sich vorrangig um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe der Unternehmer. Dies rechtfertigt besondere Regelungen, die keine Auswirkungen auf die anderen Bereiche der gesetzlichen Unfallversicherung entfalten.
Bei Verletzungen, die eine MdE von unter 30 v. H. nach sich ziehen, ist bei dem Personenkreis der landwirtschaftlichen Unternehmer, ihrer Ehegatten oder Lebenspartner und der mitarbeitenden Familienangehörigen regelmäßig davon auszugehen, dass kein Erwerbsschaden durch die Verletzungsfolgen eintritt. Daher werden bei niedrigen Erwerbsminderungsstufen (MdE 20 Prozent und 25 Prozent) in der Regel ausschließlich immaterielle Schäden ausgeglichen. Die Verletztenrente hat in diesen Fällen eine dem Schmerzensgeld vergleichbare Funktion. Bei Unternehmern und deren Ehegatten oder Lebenspartnern sowie bei den im Unternehmen mitarbeitenden Familienangehörigen liegt dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung – anders als bei den versicherten Arbeitnehmern – aber keine Ablösung der Unternehmerhaftung zugrunde. Vielmehr handelt es sich um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe, die es nicht geboten sein lässt, im gleichen Umfang wie bei Arbeitnehmern auch immaterielle Schäden abzugelten.
Deshalb soll künftig der Rentenanspruch für Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens, ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner und die im Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen erst ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert einsetzen. Eine Änderung für die in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitnehmer ist dagegen nicht vorgesehen. Es handelt sich dabei um eine bedarfsgerechte Ausformung des geltenden Rechts für pflichtversicherte Unternehmer, die es in keinem anderen Bereich gibt. Mit dieser Änderung wird zudem ein Vorschlag des Berufsstandes aufgegriffen, um die Aufwendungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zu reduzieren und die Beitragszahler finanziell zu entlasten.
Die Ansprüche der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 versicherten Arbeitnehmer sowie der wie Arbeitnehmer tätig werdenden Personen bleiben davon unberührt, für sie entsteht wie bisher der Rentenanspruch bereits ab einer MdE von wenigstens 20 v. H." Daraus ergeben sich nach Auffassung der Entwurfsverfasser vier Gründe für die normierte Ungleichbehandlung:
- Charakter der unternehmerischen Selbsthilfe im Rahmen einer Unternehmer-Pflichtversicherung,
- kein Erwerbsschaden durch Verletzungsfolgen,
- keine Ablösung der Unternehmerhaftung sowie
- Reduzierung der Beitragsbelastung. Diese Gründe rechtfertigen jedoch die Ungleichbehandlung nicht.
(1) Die Erwägung einer eigenständigen Unternehmerpflichtversicherung im System der Gesetzlichen Unfallversicherung trifft faktisch zunächst als solches zu, vermag aber nicht unmittelbar zu begründen, warum dies auch Nachteile für Ehegatten der Unternehmer rechtfertigen soll. Freilich werden diese – anders als in allen anderen Versichertengruppen – aufgrund "bloßer" Eheschließung in den Kreis der Versicherten einbezogen und nehmen auf diese Weise an einer Art um Ehegatten erweiterter unternehmerischer Selbsthilfe teil, ohne dass es etwa wie in § 2 Abs. 2 SGB VII auf eine bestimmte Art oder Umfang der mithelfenden Tätigkeit ankäme. Allerdings bleiben auch hier die zuvor unter aa) dargelegten Umstände relevant: Ein selbstständige "Landwirtschaftliche Unfallversicherung" hat der Gesetzgeber gerade nicht errichtet, zumal, wie die Begründung selbst ausführt, die "Beschäftigten" in der Landwirtschaft weiterhin den allgemeinen Regeln unterliegen sollen. Sodann ist ein inhaltlicher Konnex zwischen dem Charakter als "genossenschaftlicher" Selbsthilfe und einer daraus folgenden Leistungseinschränkung nicht ersichtlich. Eine Rechtfertigung einer Andersbehandlung ergibt sich daraus nicht per se, zumal nicht auf der Rechtsfolgenseite. Denn die mit den Leistungen der Unfallversicherung verfolgte Kompensation von Unfallfolgen erhält nicht dadurch eine andere Gewichtung, dass es sich um eine Selbsthilfe der Versicherten (Unternehmer und Ehegatten) handelt.
(2) Das – unterstellte – Fehlen eines Erwerbsschadens kann die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht rechtfertigen. Diese Erwägung ist nicht vereinbar mit dem Grundprinzip der Verletztenrente. Diese wird gem. § 56 Abs. 1 SGB VII allein nach dem Maßstab der durch den Versicherungsfall verursachten MdE geleistet und ist bei allen Versicherten völlig unabhängig von einer durch die Unfallfolgen etwaig eingetretenen tatsächlichen Erwerbsschadens. Richtig ist zwar, dass die Verletztenrente einen Schadensausgleich darstellt; doch wird dieser im Gegensatz zum konkreten Schadensersatzausgleich im Zivilrecht abstrakt berechnet und enthält insofern auch fiktive Anteile für materielle und immaterielle Schäden (Feddern in: jurisPK-SGB VII, § 80a SGB VII Rn. 8 [Stand: 1.1.2009]). Es bleibt jedoch dabei, dass die MdE-Bewertung keinerlei Bezug zu einem tatsächlichen, konkreten Schaden, sei er immateriell oder materiell, besitzt. Hierbei kommt es gem. § 56 Abs. 2 SGB VII allein auf die "sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens" an, ohne dass es für die Gewährung einer Verletztenrente erforderlich wäre, dass infolge eines Versicherungsfalles tatsächlich ein vermindertes Einkommen für einen Versicherten einträte. Umgekehrt besteht mit Ausnahme der engen Grenzen besonderer Betroffenheit i.S.d. § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII auch kein Anspruch auf erhöhte Leistungen, wenn durch einen Versicherungsfall ein Arbeitsplatzverlust einträte und neue Erwerbsmöglichkeiten nur zu einem erheblich verminderten Entgelt bestünden. Wer also außerhalb des Anwendungsbereichs des § 80a Abs. 1 SGB VII eine unfallbedingte MdE von 20 % erleidet, erhält Verletztenrente auch dann, wenn er wie vor dem Versicherungsfall weiterbeschäftigt wird und gleiches Entgelt erhält.
Folglich dient die Leistung einer Verletztenrente ihrem Charakter nach allein der finanziellen Kompensation der Minderung abstrakter Erwerbsmöglichkeiten durch verminderte Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Arbeitsmarkt. Diese (abstrakten) Erwerbsmöglichkeiten sind aber bei Versicherten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII aber in gleicher Weise eingeschränkt wie bei allen anderen Versicherten auch. Eine Sondersituation der landwirtschaftlichen Unternehmer und ihrer Ehegatten im Hinblick auf einen – unterstellten – Ausfall eines Erwerbsschadens oder die Kompensation nur immaterieller Schäden besteht daher nicht und kann somit auch keine Ungleichbehandlung rechtfertigen.
Die Inkonsequenz der Regelung durch Schlechterstellung nur der Versicherten nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) u. b) auch gegenüber den insofern in derselben Situation befindlichen Unternehmern gem. lit. c) unterstreicht zusätzlich die fehlende Rechtfertigung der Ungleichbehandlung (vgl. Ricke, in: KassKomm, § 80a SGB VII Rn. 2 [Stand: April 2009]).
(3) Die regelmäßig fehlende Ablösung der Unternehmerhaftung im Bereich der Landwirtschaft rechtfertigt die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht. Insofern stellt sich die Aufrechterhaltung des Rentenanspruchs ab einer MdE von 30 % als widersprüchlich dar. Dies gilt hier erneut insoweit, als die Gesetzesbegründung auf – unterstellt – nur immaterielle Schäden Bezug nimmt, die für das System der Verletztenrente ohne Relevanz sind. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, warum die fehlende Ablösung der Unternehmerhaftung im Bereich einer MdE von 30 % oder höher keine Bedeutung mehr haben soll. Angesichts des Charakters der Verletztenrente, abstrakt unfallbedingt verlorene Erwerbsmöglichkeiten zu kompensieren, erweist sich die Aufrechterhaltung des Rentenanspruchs im Umfang des § 80a Abs. 1 SGB VII als systematisch widersprüchlich und damit nicht sachangemessen. Folglich kann die Ungleichbehandlung damit nicht gerechtfertigt werden.
(4) Letztlich kann auch eine Reduzierung der Beitragsbelastung die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Bei der durchzuführenden Abwägung ist einerseits auf die zuvor unter aa) bis cc) dargelegten Umstände zu verweisen. Die hier gegen eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sprechenden Umstände können durch die Erwägung einer bloßen Reduzierung der Beitragslast nicht kompensiert werden.
Hinzu kommt, dass insbesondere die geringen Rentenansprüche, die aus einer MdE von 20 % oder 25 % erwachsen, nicht geeignet erscheinen, zu einer weitgehenden Beitragsreduzierung zu führen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich und wird auch in der Gesetzesbegründung nicht näher belegt, dass und welche Beitragsreduzierung infolge der Leistungseinschränkung zu erwarten sein wird. Daher ist die Begründung insoweit ebenfalls nicht geeignet, eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer zu rechtfertigen.
Somit erweist sich § 80a Abs. 1 SGB VII wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG zumindest im Hinblick auf versicherte Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer als verfassungswidrig.
b) Einer Vorlage an das BVerfG bedarf es gleichwohl nicht.
aa) Gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nur dann einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält, wenn es auf dessen Gültigkeit bei der Entscheidung ankommt. Fehlt es an einer solchen Entscheidungserheblichkeit, ist die Einleitung einer konkreten Normenkontrolle unzulässig. Dabei kommen verschiedene Wege in Betracht, die die Entscheidungserheblichkeit beseitigen können, darunter auch eine verfassungskonforme Auslegung der für verfassungswidrig erachteten Norm durch das zur Entscheidung berufene Gericht. Hierzu hat das BVerfG (BVerfGE 85, 329 [333], bestätigt jüngst im Beschl. v. 4. Juni 2012 – 2 BvL 9/08 u.a. – juris Rn. 90) ausgeführt:
"Ein Gericht kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nach Art. 100 Abs. 1 GG und § 80 Abs. 2 BVerfGG nur einholen, wenn es sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat. Das verlangt eine Erörterung der in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen zu den denkbaren Auslegungsmöglichkeiten (BVerfGE 80, 96 (100)). Der Beschluss muß den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben und die Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Regelung näher darlegen (BVerfGE 80, 59 (65)). Dazu gehört auch die Erörterung einer verfassungskonformen Auslegung, wenn offensichtlich mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen, die zu unterschiedlich starken Eingriffen in grundrechtlich geschützte Positionen führen und den verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts nicht in gleicher Weise ausgesetzt sind (vgl. BVerfGE 80, 68 (72); anders noch BVerfGE 25, 198 (204))."
Damit scheidet die Vorlage an das BVerfG aus, wenn sich im Wege einer verfassungskonformen Auslegung ein Ergebnis erzielen lässt, dass mit dem Grundgesetz in Einklang steht und somit die Entscheidungserheblichkeit der Verfassungswidrigkeit einer Norm entfällt. Denn eine verfassungskonforme Auslegung ist vorrangig in Betracht zu ziehen (s. jüngst BVerfG [2. Kammer des 1. Senats], Beschl. v. 25. September 2012 – 1 BvL 6/11 – juris Rn. 21).
bb) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Aufgrund der unter a) dargelegten Erwägungen ergibt sich als zentrales Argument – unabhängig von seiner Systemwidrigkeit in Bezug auf die Funktion der Verletztenrente –, dass mit Schäden, die eine MdE von unter 30 % bedingen, im Bereich der Landwirtschaft regelmäßig nur immaterielle Schäden abgegolten würden. Selbst wenn also er Ausgangspunkt des Gesetzgebers zugrund gelegt würde, verlöre er seine selbstdefinierte Voraussetzung dann, wenn die Tätigkeit in der Landwirtschaft und die mit ihr verbundenen Einkünfte nicht die Lebensgrundlage eines Unternehmers und/oder seines Ehegatten bildet, sondern diese aus einer anderen Tätigkeit erworben wird. Denn dann kann die Bewertung eines potentiellen oder tatsächlichen "Erwerbsschadens" nicht nur in Bezug auf die landwirtschaftliche Tätigkeit erfolgen, sondern auf die Erwerbstätigkeit insgesamt. Wenn also, wie im Falle des Klägers, der Ehegatte einer landwirtschaftlichen Unternehmerin bei einer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) SGB VII versicherten Tätigkeit einen Arbeitsunfall erleidet, er aber seinen Lebensunterhalt (auch) durch eine sonstige entgeltliche Tätigkeit erzielt, entfällt der entscheidende Grund für die Ungleichbehandlung, wie ihn der Gesetzgeber der streitigen Norm rechtfertigend zugrunde gelegt hat. Entsprechend kann unter Beachtung der gesetzgeberischen Intention der Anwendungsbereich des § 80a Abs. 1 SGB VII betreffend den Rentenanspruch von Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer auf solche Fälle beschränkt werden, in denen der Lebensunterhalt jedenfalls des versicherten Ehegatten allein durch die versicherte landwirtschaftliche Tätigkeit geschaffen wird, während der der Versicherungsfall eingetreten ist. Denn nur dann können die Erwägungen im Hinblick auf das Fehlen eines Erwerbsschadens zutreffen.
Ist der Anwendungsbereich der Norm aber in dieser Weise als beschränkt anzusehen, findet § 80a Abs. 1 SGB VII auf den hier streitgegenständlichen Sachverhalt keine Anwendung. Damit entfällt die Entscheidungserheblichkeit der Frage eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG, denn es käme vorliegend im Falle der Gültigkeit des § 80a Abs. 1 SGB VII zu keiner anderen Endentscheidung als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. jüngst BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 25. September 2012 – 1 BvL 6/11 – juris Rn. 20 m.w.Nw.). Eine Vorlage an das BVerfG scheidet daher aus.
3. Nach alledem verbleibt es bei den allgemeinen Regelungen gem. § 56 Abs. 1 SGB VII, so dass dem Kläger bereits ab einer MdE von 20 % ein Anspruch auf Verletztenrente zusteht. Da die bei ihm vorliegenden Unfallfolgen – wie dargelegt – eine MdE von 20 % rechtfertigen, war die Beklagte zur entsprechend zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei zu berücksichtigen war, dass der Kläger mit seinem Anspruch auf Rentenzahlung grundsätzlich durchgedrungen ist. Dass der Klageantrag der Höhe nach nur eingeschränkt erfolgreich war, tritt dahinter zurück. Es entsprach somit billigem Ermessen, die Beklagte vollumfänglich zur Kostenerstattung zu verpflichten.
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