L 6 U 76/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 137/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 76/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. September 2009 wird aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2006 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Arbeitsunfall vom 4. November 2005 auch den Riss des vorderen Kreuzbandes links umfasst.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung einer vorderen Kreuzbandruptur links als zusätzlicher (Gesundheitserst-)Schaden eines Arbeitsunfalls.

Laut den Angaben im D-Arztbericht vom 7. November 2005 sowie den Mitteilungen in der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 16. November 2005 rutschte der 1960 geborene Kläger am 4. November 2005 um 10.30 Uhr bei versicherter Tätigkeit beim Absteigen von einem Telefonmast mit den Steigeisen ab, glitt ca. 1 m herunter und stieß mit dem linken Knie gegen den Mast. Die am darauffolgenden Montag aufgesuchte Chirurgin und D-Ärztin Dr. A. fand eine Weichteilschwellung des linken Kniegelenks, eine Kontusionsmarke an der Innen- und Außenseite des linken Kniegelenks sowie einen Belastungsschmerz. Der Kläger humple stark. Er gebe einen Dehnungsschmerz im Bereich der Collateralbänder an; eine nachweisbare Aufklappbarkeit liege nicht vor. Eine Schublade sei nicht sicher auslösbar. Röntgenologisch bestehe kein Frakturnachweis. Erkennbar seien degenerative Veränderungen im Bereich des medialen Tibiakopfes. Als Diagnose hielt Dr. A. eine Distorsion des linken Kniegelenks fest.

Am 11. November 2005 suchte der Kläger die Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Städtischen Klinikums M. auf. Der Chefarzt Privatdozent (PD) Dr. D. und der Oberarzt Dr. R. verwiesen auf das am selben Tag erstellte Magnetresonanztomogramm (MRT), das nach der Auswertung des Radiologen Dr. E. eine frische Fraktur des medialen Tibiakopfes mit Fragmentabsprengung, eine komplette Ruptur des vorderen Kreuzbandes links in der Mitte mit Retraktion der Bandenden, ein postraumatisches Ödem des subkutanen Fettgewebes, eine Einblutung im Bereich der Seitenbänder ohne deren Ruptur sowie einen degenerativen Korbhenkelriss des Innenmeniskus erbracht hatte. Klinisch fänden sich eine geringe Knieschwellung ohne eindeutigen Erguss, ein fester Seitenbandapparat und sowohl extensionsnah als auch in 90°-Beugung eine vordere Schublade. Die Ärzte schätzten ein, dass die Unfallanamnese eigentlich gegen eine Gefährdung des Kreuzbandes spreche. Da der Unfall somit nicht als alleinige Ursache der vorgefundenen Gesundheitsschäden verantwortlich sein könne, sei der Kläger zu eventuellen früheren Verletzungen befragt worden. Dabei habe er angegeben, 1980 während seines Grundwehrdienstes eine Knieverletzung mit längerer Behandlungsbedürftigkeit erlitten zu haben. Unter Umständen komme diese als Ursache des Kreuzbandrisses in Frage.

In seiner Hergangsschilderung vom 20. November 2005 gab der Kläger gegenüber der Beklagten zum Unfallablauf an, er sei beim Absteigen vom Mast heruntergerutscht und durch sein Gurtsystem aufgefangen worden. Dabei sei er mit der Innenseite des linken Knies gegen den Mast bzw. die Kabelschutzeisen geschlagen. Die Füße seien in den Steigeisen fixiert und die Beine senkrecht gewesen. Er sei mit dem Kniegelenk nach innen geknickt, das sich in Streckung befunden habe.

In ihren Zwischenberichten vom 23. November und 12. Dezember 2005 meinte auch Dr. A., dass eine alte Verletzung aus dem Jahre 1980 unter Umständen für die vordere Kreuzbandruptur verantwortlich sein könne.

Dr. V. als beratender Arzt der Beklagten schätzte ein, der Kläger habe sich beim Unfall eine Tibiakopffraktur links ohne relevante Beteiligung der Gelenkfläche bei vorbestehender Kreuzbandruptur und relativ deutlichen degenerativen Veränderungen der Knorpelflächen und des Innenmeniskus zugezogen. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit sei für sechs Wochen zu veranschlagen. Eine geplante Kreuzbandplastik gehe nicht zu Lasten der Beklagten. In ihrer beratenden Stellungnahme vom 26. Dezember 2005 kam die Radiologin Dr. L. zu dem Schluss, die Kreuzbandruptur sei bildmorphologisch eher als alt einzuordnen, da nur noch ein distaler Stumpf und kein typisches laterales bone bruise bestehe. Die Innenmeniskus- und Knorpelveränderungen seien degenerativer Natur.

Am 11. Januar 2006 wurde das Knie des Klägers im Städtischen Klinikum M. arthroskopiert. Laut dem Entlassungsbericht vom 20. Februar 2006 hätten sich intraoperativ ein Meniskuseinriss im Hinterhornbereich sowie eine alte Kreuzbandruptur mit femoralem Ausriss des Kreuzbandes gezeigt, wobei das ehemals proximale Ende fest an der Tibiafläche angewachsen sei.

Mit Bescheid vom 8. Februar 2006 erkannte die Beklagte den Unfall vom 4. November 2005 mit einer nicht dislozierten (verschobenen) Tibiakopffraktur und einer insoweit bis zum 16. Dezember 2005 bestehenden Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit als Arbeitsunfall an.

Hiergegen erhob der Kläger am 22. Februar 2006 Widerspruch und verwies mit Schreiben vom 22. März 2006 ergänzend darauf, dass bei einem am 7. März 2006 gefertigten weiteren MRT ein freier Gelenkkörper gefunden worden sei. Überdies sei die von PD Dr. D. verneinte erhebliche Gewalteinwirkung unzutreffend. Das Anschlagen des Kniegelenks an den Mast sei beim Abrutschen mit 80 kg Körpergewicht – was physikalisch gesehen einem freien Fall entspreche – erfolgt und damit durchaus mit erheblicher Gewalt verbunden gewesen.

Der von der Beklagten nochmals hinzugezogene Dr. V. schätzte unter dem 14. April 2006 ein, der jetzt gefundene freie Gelenkkörper sei nicht wesentlich dem Unfall zuzuordnen, da er weder bei der primären MRT-Untersuchung noch im Rahmen der Arthroskopie am 11. Januar 2006 festgestellt worden sei.

Am 12. Juli 2006 wurde beim Kläger eine weitere Kniegelenksarthroskopie mit (u.a.) Resektion des vorderen Kreuzbandstumpfes vorgenommen (Epikrise vom 21. Juli 2006).

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 14. November 2006 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und vorgetragen, er sei beim Hinabsteigen vom Mast abgerutscht, bis etwa 1 m heruntergefallen und dann durch das Gurtsystem und die Steigeisen aufgefangen worden. Durch dieses abrupte Abfangen sei er mit dem linken inneren Knie gegen den Mast oder die aus Metallrohren bestehende Steigleitung geprallt. Beim Aufprall habe er sein gesamtes Eigengewicht abgefangen. Zwar habe er 1980 eine Kniegelenkverletzung erlitten. Eine längere Behandlungsbedürftigkeit habe jedoch nicht bestanden. Er habe sich beim Auftreten lediglich das Knie verdreht und sich einen Tag im medizinischen Stützpunkt seiner Einheit befunden.

In ihrem vom Kläger vorgelegten Schreiben vom 10. Mai 2007 haben der Chefarzt der Klinik für Orthopädie des Fachkrankenhauses V.-G. Dr. W. und der Oberarzt dieser Einrichtung Dr. E. die Einschätzung abgegeben, dass der Kreuzbandriss in ursächlichem Zusammenhang zum Arbeitsunfall stehe. Hierfür spreche der Ereignishergang. So habe der Kläger bei der Erstvorstellung am 4. April 2006 angegeben, ein Steigeisen sei abgerutscht, er sei ca. 1 m in die Tiefe gestürzt, vom erneut wieder fassenden Steigeisen sowie der Sicherungsleine am Mast gehalten worden und habe dabei ein Distorsionstrauma am linken Kniegelenk erlitten. Ein derartiger Unfallhergang sei geeignet, eine vordere Kreuzbandruptur zu verursachen. Die gefundene Ruptur sei auch nicht als Altschaden zu werten. So habe 1980 lediglich ein leichtes Distorsionstrauma mit kurzzeitiger konservativer Therapie und wieder erreichter voller Funktionsfähigkeit des linken Kniegelenks vorgelegen. Bei einem Altschaden sei bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einer Gonarthrose III. Grades als Folgeschaden einer jahrelangen Instabilität zu rechnen gewesen, was nach den erfolgten Arthroskopien jedoch nicht der Fall sei. Auch der MRT-Befund vom 11. November 2005 stütze einen vor dem Arbeitsunfall erlittenen Kreuzbandriss nicht eindeutig. Mit einem vor dem 4. November 2005 bestehenden einklemmenden Kreuzbandstumpf sei es dem Kläger nicht möglich gewesen, ein flüssiges Gangbild zu demonstrieren.

Aus dem ebenfalls vom Kläger übersandten Operationsbericht vom 12. Juli 2006 geht u.a. ein vorderer Kreuzbandstumpf, der als Narbencyclops bei Streckung im oberen Teil der Notch (Raum zwischen inneren und äußeren Oberschenkelknorren) einklemme und somit eine Streckbehinderung bewirke, hervor. Bei der Inspektion des medialen Gelenkkompartiments zeige sich kein wesentlicher Knorpelschaden über der Femurrolle sowie über dem Tibiakopf.

Die Beklagte hat nochmals Dr. V. konsultiert, der unter dem 14. August 2007 ausgeführt hat, der von den Dres. W. und E. beschriebene Unfallhergang sei geeignet, eine vordere Kreuzbandruptur zu verursachen. Der bei der Arthroskopie am 12. Juli 2006 festgestellte Kreuzbandstumpf könne tatsächlich einem Ereignis von November 2005 zuzuordnen sein. Die erstbehandelnden Ärzte seien aber von einem Altschaden ausgegangen. Erhebliche Diskrepanzen bestünden bezüglich des Zustandes der Knorpelflächen. Während dem MRT vom 11. November 2005 nach Dr. L. eine Chondromalazie II. bis III. Grades zu entnehmen sei, werde der Knorpel im Rahmen der acht Monate später durchgeführten Arthroskopie als unauffällig beschrieben. Seien die Knorpelflächen tatsächlich unauffällig, könne dies für einen frischen Kreuzbandschaden sprechen. Habe ein Vorschaden im Sinne einer alten, vernarbten Kreuzbandruptur vorgelegen, müsse aufgrund der nachgewiesenen Begleitverletzungen mit Wahrscheinlichkeit von einer wesentlichen Teilursächlichkeit des Unfallereignisses ausgegangen werden.

Das SG hat den Operationsbericht vom 11. Januar 2006 sowie den MRT-Befund vom 7. März 2006 beigezogen. Danach hätten sich intraoperativ kein pathologischer Befund der medialen und lateralen Gelenkkapsel sowie keine Knorpelläsion im Bereich der medialen und lateralen Femurcondyle gezeigt. Auch an der tibialen Gelenkfläche sei keine Knorpelläsion anzutreffen. Ein Knorpeldefekt finde sich lediglich neben der Eminentia (Knochenhöcker) der medialen Tibiagelenkfläche. Das vordere Kreuzband sei femoral komplett abgerissen, habe sich in der Eminentiaregion auf die Tibiafläche gelegt, sei hier fest angewachsen und könne mit dem Tasthaken nicht gelöst werden. Radiologisch hatte Dr. E. u.a. unmittelbar dorsal des Außenmeniskushinterhorns einen freien Gelenkkörper befundet.

Die Beklagte hat die hierzu erstellten Stellungnahmen Dr. V.s und Dr. L.s vom 26. Februar sowie 25. März bzw. 15. März 2008 vorgelegt, wonach Dr. L. bei ihrer Bewertung geblieben ist und Dr. V. die Einholung eines Zusammenhangsgutachtens empfohlen hat. Der am 11. Januar 2006 beschriebene Kreuzbandbefund könne durchaus dem Unfall zuzurechnen sein, da eine ältere Verletzung bei im Wesentlichen unauffälligen Knorpelflächen unwahrscheinlich sei. Unter Berücksichtigung der relativ eindeutigen radiologischen Einschätzung seien auch eine Ruptur entstandener Narbenzüge und damit die Manifestation eines Vorschadens denkbar.

Das SG hat vom Kläger das von dem Chirurgen Dr. S. im Auftrag eines privaten Versicherers erstellte Gutachten vom 20. Februar 2008 nach ambulanter Untersuchung am 14. Februar 2008 beigezogen. Hierin hat Dr. S. als Gesundheitsstörungen den Verlust des vorderen Kreuzbandes nach lang zurückliegender Ruptur und Zustand nach Entfernung des Kreuzbandstumpfs, den Teilverlust des Innenmeniskus, eine Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks mit Streckdefizit bei freier Beugefähigkeit, eine muskulär nicht vollständig kompensierte Kapsel-Bandlockerung des linken Kniegelenks in vorderer Richtung und des Innenseitenbandes, eine Muskelminderung des linken Beines, Narben am linken Bein sowie röntgenologische Veränderungen des linken Kniegelenks beschrieben. Diese Gesundheitsstörungen seien Ausdruck eines lange vorbestehenden Kniebinnenschadens. Hierfür spreche, dass nach den eindeutigen Angaben des Städtischen Klinikums M. bei der Arthroskopie am 11. Januar 2006 keine Zeichen einer frischen Verletzung gefunden worden seien. Zum Unfallablauf hat Dr. S. eine Schadensanzeige vom 19. Mai 2006 wiedergegeben, wonach der Kläger vom Fernmeldemast abgerutscht und vom Sicherheitsgurt aufgefangen worden sei. Dabei sei er mit der Innenseite des linken Knies an den Mast geschlagen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG von Dr. E. nach ambulanter Untersuchung am 11. März 2009 das Gutachten vom 26. März 2009 erstatten lassen. Dieser hat zum Unfallablauf festgehalten, dass der Kläger auf dem metallischen Drahtführungsschacht mit einem Steigeisen abgerutscht sei, woraufhin er ca. 1 m herabstürzte und vom erneut fassenden linken Steigeisen sowie von dem Sicherungsgurtsystem am Mast gehalten worden sei. Hierbei sei es zu einem Anprall und einem Verdrehen des linken Kniegelenks gekommen. Dr. E. hat dargelegt, ein solcher Unfallhergang sei geeignet, eine vordere Kreuzbandruptur zu verursachen. Die abgelaufene Krafteinwirkung widerspiegele insbesondere die Fraktur des Tibiakopfes. Um eine solche Verletzung herbeiführen zu können, bedürfte es einer erheblichen äußeren Gewalt. Hingegen fehlten beim Ereignis von 1980 Hinweise auf ein komplexes Distorsionstrauma mit ausreichender kinetischer Energie zur Zerreißung des Kreuzbandes. Insoweit habe der Kläger auf Nachfrage angegeben, er habe sich beim Überqueren der Sturmbahn von einem bereits überwundenen etwa mannshohen Hindernis aus hängender Körperposition in einem Fuß-Boden-Abstand von 20 bis 30 cm fallen lassen und dabei das linke Bein verknackst. Daraufhin sei er im medizinischen Stützpunkt der Kaserne vorstellig geworden, wo außer einer körperlichen Untersuchung keine weitere Diagnostik erfolgt sei. Nach eintägiger Überwachung sei er am übernächsten Tag wieder voll dienstfähig entlassen worden. Ein Unfallzusammenhang werde auch durch den Operationsbericht vom 11. Januar 2006 gestützt. Danach habe der mediale Femurcondylus nämlich keinen Knorpelschaden aufgewiesen. Nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand gehe eine mehrjährige Instabilität des Kniegelenks infolge fehlendem vorderen Kreuzband aber mit einem Gelenkknorpelverschleiß einher, der sich typischerweise an der inneren Oberschenkelrolle befinde. Da ein solcher Knorpelschaden verneint wurde, sei eine mehrjährige vordere Kreuzbandruptur auszuschließen. Das im Bericht beschriebene feste Anwachsen des Kreuzbandes auf der Eminentia lasse keine Aussagen zur zeitlichen Zuordnung des Geschehens zu. Zudem sei eine vordere Kreuzbandruptur neun Wochen nach einem Unfall in der Regel so weit konsolidiert, dass keine Ergussbildung sowie keine frischen Unterblutungszeichen mehr im Bandbereich nachzuweisen seien. Entsprechende Hinweise, die im weiteren Verlauf im Rahmen körpereigener regenerativer und resorptiver Mechanismen verschwänden, seien nur unmittelbar nach einem Unfall anzutreffen. Deshalb würden vordere Kreuzbandplastiken in den allermeisten Fällen auch erst im so genannten freien Intervall vorgenommen, da hier keine akuten Verletzungszeichen des Kniegelenks mehr vorlägen und somit Komplikationen infolge Verklebungen im Gelenk usw. möglichst niedrig gehalten werden könnten. Bei vorderen Kreuzbandplastiken im frühen Intervall, also ca. sechs bis acht Wochen nach einem akuten Riss, zeigten sich identische Veränderungen, wie sie im Operationsbericht vom 11. Januar 2006 niedergelegt seien. Überdies lasse sich die in der Epikrise vom 20. Februar 2006 enthaltene Formulierung eines alten Abrisses des Kreuzbandes auch unschwer auf einen neun Wochen zuvor geschehenen Unfall beziehen. Als klinischen Befund zum linken Kniegelenk hat der Sachverständige eine Kapselschwellung (Beinumfang in Höhe der Kniescheibenmitte: links 37 cm, rechts 35 cm), eine vordere Schublade, einen positiven Lachmann-Test, ein in 30° Beugestellung aufklappbares mediales Seitenband, einen deutlichen Patelladruck- und -verschiebeschmerz, eine Extension/Flexion von 0/25/140°, ein deutliches Schonhinken links an einer Unterarmgehstütze sowie eine Umfangminderung links gegenüber rechts 20 cm oberhalb sowie 15 cm unterhalb des inneren Kniegelenkspalts von jeweils 3 cm erhoben (ähnlich bei Dr. S.). Die hieraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit sei vom Unfall bis zum 1. März 2006 um 100 vom Hundert (vH), bis zum 1. September 2006 um 50 vH und seither um 30 vH zu bewerten.

Die Beklagte hat Dr. V. nochmals Stellung nehmen lassen, der unter dem 15. Juni 2009 ausgeführt hat, der von Dr. E. herangezogene Unfallablauf sei unstrittig geeignet, eine vordere Kreuzbandruptur zu verursachen. Auch die weiteren von ihm angeführten Gründe seien nachvollziehbar und im Verhältnis zu Dr. S. überzeugender. Es sei jedoch ein erheblicher Unterschied, ob der Kläger den Mast heruntergerutscht oder 1 m nach unten gefallen und dann wieder vom Steigeisen gefasst worden sei. In der Regel sei den zeitnahen Angaben größere Bedeutung zuzumessen. Die Bemessung der aktuell bestehenden Befunde mit einer MdE um 30 vH sei zwar wohlwollend, letztlich aber vertretbar.

Mit Urteil vom 17. September 2009 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Zunächst hätten die Dres. A., L. und S. den Kreuzbandriss als alt bezeichnet. Dies korreliere mit den Angaben im Operationsbericht vom 11. Januar 2006, in dem keine frischen Verletzungszeichen beschrieben worden seien. Das Gericht gehe davon aus, dass ein Kreuzbandende nicht innerhalb von zwei Monaten nach dem Unfall an die Tibiafläche anwachse. Vielmehr beweise dies einen vorbestehenden Schaden. Zudem sei der Unfallhergang nicht geeignet, einen Kreuzbandriss herbeizuführen. Insoweit sei den Dres. D., R. und V. zu folgen, wobei das Gericht von einem Festhalten des Klägers am Mast und nicht von der im weiteren Verfahrensverlauf gemachten Hergangsschilderung ausgehe. Demgegenüber sei den Ausführungen von Dr. E. nicht zu folgen, der unkritisch die späteren Angaben des Klägers zum Unfallablauf zugrunde gelegt habe, die vom Kläger selbst eingeräumte Knieverletzung aus dem Jahr 1980 negiere und vor dem Unfall bestehende Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Knies schlicht bestreite.

Gegen das ihm am 23. September 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Oktober 2009 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Soweit sich das SG bei seiner Bewertung des Kreuzbandrisses als alt auf die von ihm zitierten Ärzte berufe, sei zu beachten, dass Dr. S. die unstreitig frische Tibiakopffraktur offenbar entgangen sei und Dr. A. bei ihrer Diagnose insoweit falsch gelegen habe. Dr. E. habe ausdrücklich dargelegt, dass das Anwachsen des Kreuzbandes an der Tibiafläche einer frischen Ruptur nicht entgegen stehe. Über diese sachverständige Wertung habe sich das SG ohne eigene diesbezügliche Kompetenz hinweggesetzt. Zudem habe es Dr. E. zu Unrecht eine Unterschlagung des Ereignisses von 1980 unterstellt. Im Gegenteil habe gerade dieser hierzu eine eigenständige Anamnese erhoben und geschlussfolgert, dass der damalige Unfallhergang ungeeignet sei, eine vordere Kreuzbandruptur zu verursachen. Überdies sei der vom Gericht angenommene Vorschaden nicht im Vollbeweis belegt. Selbst wenn aber ein solcher unterstellt werde, sei nicht begründbar, dass der Riss des Kreuzbandes auch ohne das Unfallereignis vom 4. November 2005 etwa zur gleichen Zeit spontan oder bei alltagsüblichen Belastungen aufgetreten wäre. Denn das Herabrutschen vom Mast stelle kein alltägliches Ereignis dar. Schließlich sei durch ihn nie eine widersprüchliche Unfallschilderung erfolgt. Die wesentlichen Tatsachen habe er jeweils gleichlautend bekundet. Auch die Angabe gegenüber Dr. A., dass er sich am Mast festgehalten habe, bedeute nicht gleichzeitig eine Verlangsamung des Falls.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. September 2009 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2006 abzuändern und festzustellen, dass der Arbeitsunfall vom 4. November 2005 auch den Riss des vorderen Kreuzbandes links umfasst.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich dem Urteil des SG an und bleibt bei ihrer Ansicht.

Im Termin der mündlichen Verhandlung am 19. September 2012 hat der Kläger u.a. erklärt, er habe sich zwecks Absteigens an den Mast herangezogen, um das Gurtsystem nachzuführen. Dadurch, dass der Gurt vorher genug Platz zur Arbeit am Mast lassen müsse, sei er nach dem Heranziehen vor dem Abstieg zunächst nicht gespannt gewesen. Zum Abstieg halte man sich nicht am Mast selbst, sondern mit den Händen am Gurt fest, der über seine Mechanik am Mast befestigt sei. Er sei wohl mit den Steigeisen an die Schutzeisen geraten, abgerutscht und durch das Gurtsystem und ein Steigeisen, das sich wieder am Mast verfangen habe, aufgefangen worden. Dabei sei das Knie gegen den Mast geschlagen. Danach habe er etwas hochklettern müssen, um den Gurt zu lockern; anders sei ein Abstieg vom Mast nicht möglich gewesen. Möglicherweise habe er anfangs auch vergessen, das erneute Greifen eines Steigeisens zu erwähnen. Ohne Steigeisen ließen sich Arbeiten am Mast nicht vornehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung hat Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2006 beschwert den Kläger im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Denn die Beklagte hat es unzutreffend abgelehnt, den Riss des vorderen Kreuzbandes links als weiteren (Gesundheitserst-)Schaden des Arbeitsunfalls vom 4. November 2005 anzuerkennen.

Nachgewiesene Gesundheitsstörungen sind einem Arbeitsunfall zuzurechnen, wenn zwischen dem Unfallereignis und ihnen – entweder direkt oder vermittelt durch einen beim Arbeitsunfall eingetretenen Gesundheitserstschaden – ein Ursachenzusammenhang im Sinne von § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) besteht. Dabei gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, sodass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht. Dabei setzt die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende "Theorie der wesentlichen Bedingung" in Eingrenzung der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jede nicht hinwegzudenkende Bedingung (conditiosinequanon) kausal ist, voraus, dass das versicherte Geschehen wegen seiner besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich beteiligt war. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (Gesundheitsschaden/Erkrankung) wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind insbesondere die Art und das Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, der zeitliche Verlauf, die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm. Erst nachdem feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache für einen Erfolg ist, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage nach einer wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Urteil vom 17. Februar 2009 – B 2 U 18/07 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 31; Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 31/11 R – juris).

Ausgehend hiervon liegt eine ernste Zweifel ausschließende, überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass das versicherte Geschehen vom 4. November 2005 wesentliche Ursache für den durch das MRT vom 11. November 2005 sowie die Arthroskopie vom 11. Januar 2006 gesicherten Riss des linken vorderen Kreuzbandes war. Bei dieser Bewertung stützt sich der Senat vor allem auf die Darlegungen von Dr. E., der sich gründlich und ausführlich mit den vorliegenden Tatsachen auseinandergesetzt und seine gutachtlichen Schlussfolgerungen schlüssig begründet hat. Seiner (medizinischen) Argumentation hat sich auch Dr. V. uneingeschränkt angeschlossen und diese ausdrücklich als überzeugend eingestuft.

Zunächst ist die versicherte Verrichtung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn als Bedingung des Kreuzbandrisses wirksam geworden, da das Unfallereignis vom 4. November 2005 ohne gleichzeitiges Entfallen dieser Gesundheitsstörung nicht hinweggedacht werden kann. Dies ergibt sich aus der Beurteilung Dr. E.s, die vordere Kreuzbandruptur resultiere aus der Krafteinwirkung des Sturzes. Danach gilt dies zwar unter Umständen, jedoch gibt Dr. E. als einen maßgeblichen solchen Umstand eine Rotationsbewegung des Knies durch erneutes Fassen des Steigeisens an. Genau davon ist der Senat überzeugt. Schon in ihrer Stellungnahme vom 10. Mai 2007 haben im Übrigen die Dres. W. und E. einen Ursachenzusammenhang ausdrücklich bejaht.

Unterstützt wird diese Bewertung dadurch, dass das Unfallgeschehen einem Hergang entspricht, wie er laut Dr. E. nach geltenden wissenschaftlichen Erkenntnissen als geeignet zur Herbeiführung einer traumatischen Kreuzbandruptur angesehen wird. Dabei geht der Senat von einem Ablauf aus, wie ihn der Kläger gegenüber dem Sachverständigen nochmals beschrieben hat. Durchgreifende Zweifel daran, dass sich das Unfallereignis tatsächlich so abgespielt hat, verbleiben beim Senat gerade auch nach der Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht.

Danach rutschte der Kläger mit einem Steigeisen am Mast ab, fiel ca. 1 m in die Tiefe, wurde vom erneut fassenden Steigeisen sowie dem Gurtsystem am Mast gehalten und prallte mit dem linken Kniegelenk gegen den Mast.

Ein solcher Ablauf entspricht in seinen wesentlichen Elementen entgegen der Ansicht der Beklagten auch den früheren Angaben des Klägers. So enthält als erste authentische Unfalldarstellung des Klägers seine Erklärung vom 20. November 2005 die Angabe, dass er beim Absteigen vom Mast herunterrutschte, durch sein Gurtsystem aufgefangen wurde und dabei mit dem linken Knie gegen den Mast bzw. die Kabelschutzeisen schlug. Bereits zu diesem Zeitpunkt wies der Kläger auf die entsprechende Frage ausdrücklich darauf hin, dass seine Füße in den Steigeisen fixiert waren. Dass dies im Rahmen zusammenhängender Schilderungen des Klägers zu dieser Zeit keine Rolle spielte, spricht lediglich dafür, dass der Kläger selbst diesem Umstand damals keine gewichtige Bedeutung beimaß. Für die Würdigung kommt es aber nicht entscheidend auf seine laienhafte Bewertung, sondern auf die geschilderten Tatsachen an. Zudem erklärte der Kläger bereits im Rahmen seines Widerspruchs mit Schreiben vom 22. März 2006, dass das Anschlagen des Knies an den Mast beim Abrutschen im – physikalisch gesehen – freien Fall geschah, was er in der mündlichen Verhandlung auch schlüssig damit begründet hat, dass ein Festhalten am Mast allgemein vermieden wird.

Zwar ist ein erneutes Greifen des Steigeisens im Mast weder im D-Arztbericht vom 7. November 2005 noch im Bericht des Städtischen Klinikums M. vom 17. November 2005 aufgeführt, wenngleich letzterer die Benutzung von Steigeisen zumindest erwähnt. Entscheidende Bedeutung ist diesem Umstand aber deshalb nicht zuzumessen, weil das in den genannten Berichten zugrunde gelegte schlichte Herunterrutschen und Festhalten am Mast schon die aufgetretene Tibiakopffraktur nicht hinreichend erklärt. Nach den unwidersprochenen Darlegungen von Dr. E. ist hierfür nämlich eine erhebliche Gewalteinwirkung erforderlich, die er in dem erneuten Greifen des Steigeisens und Aufgefangenwerden im Sicherungsgurt sieht. Davon ist auch der Senat überzeugt. Nur die damit einhergehende Verwindungsbewegung im Kniegelenk mit nachfolgendem Anschlagen des Knies an den Mast birgt danach genügend Energie, um den Bruch des Schienbeinkopfes zu bewirken.

Auch anlässlich seiner Erstvorstellung im Fachkrankenhaus V.-G. am 4. April 2006 ist der Kläger ausweislich der Angaben der Dres. W. und E. im Schreiben vom 10. Mai 2007 von seiner Darstellung des Unfallhergangs nicht abgewichen und hat mitgeteilt, dass er – mit einem Steigeisen – vom Mast abrutschte, ca. 1 m in die Tiefe stürzte (ebenso D-Arztbericht), vom erneut fassenden Steigeisen sowie der Sicherungsleine am Mast gehalten wurde und mit dem linken Knie gegen den Mast schlug. Auch die von Dr. S. zitierte Schilderung in der Schadensanzeige vom 19. Mai 2006 ist nicht wesentlich anders. Denn auch hiernach rutschte der Kläger vom Mast ab, wurde vom Sicherheitsgurt aufgefangen und schlug dabei mit dem linken Knie gegen den Mast. Damit liegen innerhalb weniger Wochen gegenüber verschiedenen Personen im Wesentlichen übereinstimmende Angaben des Klägers vor, nämlich ein Abrutschen vom Mast, ein Aufgefangenwerden vom wieder greifenden Steigeisen und Gurtsystem sowie ein Anschlagen des linken Knies an den Mast. Hieran hat der Kläger auch im gesamten Gerichtsverfahren festgehalten, ohne dass irgendeine Orientierung an ärztlicherseits als geeignet bzw. ungeeignet angesehenen Unfallszenarien ersichtlich ist.

Der Senat folgt deshalb der lebensnahen Bewertung von Dr. E., der diesen Unfallablauf ausdrücklich als geeigneten Verletzungsmechanismus zur Zerreißung eines vorderen Kreuzbandes bezeichnet hat. Zweifel hieran hat auch Dr. V. nicht geäußert, sondern eine solche Schlussfolgerung vielmehr als unstreitig bezeichnet.

Darüber hinaus stellt das Unfallereignis auch eine wesentliche Ursache des Kreuzbandrisses dar, was etwa durch das Verhalten des Klägers nach dem Unfall sowie die erhobenen Befunde wahrscheinlich gemacht wird. So begab sich der Kläger am Montagmorgen nach dem Unfall zu Dr. A., die eine Weichteilschwellung des linken Kniegelenks, eine Kontusionsmarke an der Innen- und Außenseite des linken Kniegelenks, einen Belastungsschmerz bei starkem Humpeln des Klägers sowie ein – wenngleich nicht ganz sicheres – Schubladenphänomen als Hinweis auf einen Kreuzbandschaden fand und die (Arbeits-)Diagnose einer Distorsion des linken Kniegelenks stellte. Bereits vier Tage später sind dann durch das MRT vom 11. November 2005 seitens Dr. E. neben der kompletten Ruptur des vorderen Kreuzbandes links als weitere frische Substrate der Unfalleinwirkung eine Fraktur des medialen Tibiakopfes mit Fragmentabsprengung, ein Ödem im subkutanen Fettgewebe sowie eine Einblutung im Bereich der Seitenbänder gesichert.

Auch die am 11. Januar 2006 intraoperativ angetroffene Situation mit dem komplett von der Oberschenkelknochenrolle abgerissenen und an der Tibiafläche angewachsenen vorderen Kreuzband spricht entgegen der Wertung von Dr. S. nicht gegen die Wahrscheinlichkeit der Verursachung. Vielmehr ist der Senat entsprechend den plausiblen Darlegungen Dr. E.s vom Gegenteil überzeugt. Unter Bezugnahme auf die geltenden wissenschaftlichen Erkenntnisse hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass eine mehrjährige Instabilität des Kniegelenks infolge fehlenden vorderen Kreuzbandes mit einem Gelenkknorpelverschleiß einhergeht, der sich typischerweise an der inneren Oberschenkelrolle manifestiert. Ein derartiger Knorpelschaden war beim Kläger jedoch nicht vorhanden. Denn sowohl im Rahmen der Operation am 11. Januar 2006 als auch derjenigen am 12. Juli 2006 war kein wesentlicher Knorpelschaden über der Femurrolle sowie über dem Tibiakopf zu finden, wodurch die von Dr. L. aus dem MRT vom 11. November 2005 entnommene anderslautende Annahme, die in dieser Form allerdings schon Dr. E. nicht daraus abgeleitet hatte, entkräftet ist. Es leuchtet ein, wenn Dr. E. aus diesem Umstand den Schluss zieht, dass beim Kläger eine jahrelang bestehende vordere Kreuzbandruptur auszuschließen ist. Schließlich leuchtet es auch ein, dass der Kläger für die langfristig ausgeübten Kletterarbeiten als ungeeignet hätte auffallen müssen, wenn der Kreuzbandriss schon langjährig vorbestanden hätte. Gegen all diese Überlegungen wendet sich auch Dr. V. für die Beklagte nicht.

Auch aus dem im Operationsbericht vom 11. Januar 2006 beschriebenen festen Anwachsen des Kreuzbandes auf der Eminentia lässt sich nicht auf einen Vorschaden rückschließen. Insoweit hat Dr. E. nämlich – ebenfalls durch Dr. V. unwidersprochen – ausgeführt, dass hieraus deshalb keine eindeutige zeitliche Zuordnung zu gewinnen ist, weil eine vordere Kreuzbandruptur neun Wochen nach einem Unfall in der Regel so weit konsolidiert ist, dass keine Ergussbildung und keine frischen Unterblutungszeichen mehr im Bandbereich nachzuweisen sind. Entsprechende Indizien sind laut dem Sachverständigen nur unmittelbar nach einem Unfall anzutreffen und verschwinden im weiteren Verlauf infolge körpereigener regenerativer Abläufe. Bei vorderen Kreuzbandplastiken im frühen Intervall, also etwa sechs bis acht Wochen nach einem akuten Riss, zeigen sich identische Veränderungen, wie sie im Operationsbericht vom 11. Januar 2006 beschrieben sind. Dieser Aussage des Sachverständigen misst der Senat deshalb besonderes Gewicht bei, weil Dr. E. sich bei dieser Erkenntnis als operativ tätiger Chirurg auf eigene Erfahrung stützen kann. Überdies lässt sich der in der Epikrise vom 20. Februar 2006 verwendete Ausdruck eines alten Kreuzbandabrisses nach der von Dr. V. ebenfalls nicht in Zweifel gezogenen Einschätzung des Sachverständigen auch mit einem neun Wochen zuvor geschehenen Unfall vereinbaren.

Zweifel an der Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs verbleiben beim Senat auch nicht im Hinblick auf die Auswertung des MRT vom 11. November 2005 durch Dr. L ... Anstatt des von ihr befundeten distalen Kreuzbandstumpfs hatte Dr. E. zuvor ein in der Mitte gerissenes Kreuzband mit Retraktion der Bandenden beschrieben. Intraoperativ konnte keine dieser beiden Auswertungen bestätigt werden. Denn am 11. Januar 2006 fand sich ein femoral komplett abgerissenes Kreuzband, das sich auf die Tibiafläche gelegt hatte und dessen ehemals proximales Ende dort fest angewachsen war, wie durch eine Tasthakenprobe belegt worden ist. Für die Richtigkeit dieses arthroskopischen Befundes spricht insbesondere die am 12. Juli 2006 durchgeführte zweite Knieoperation. Laut operativer Diagnose und Therapie erfolgte diese nämlich insbesondere auch, um das einklemmende Kreuzbandteil zu entfernen und das Streckdefizit zu beseitigen. Bei einem auf der Tibiafläche angewachsenen Kreuzband erscheint dessen Einschlagen in die Gelenkmechanik und eine dadurch bewirktes Einklemmen ungleich plausibler, als bei einem bereits lange vor dem 4. November 2005 lediglich vorhandenen retrahierten Reststumpf. Hinzu kommt, dass angesichts der ständigen Klettertätigkeit des Klägers in einen solchen Fall nicht erklärlich ist, weshalb zuvor keine Einklemmbeschwerden auftraten. Einer weiteren Klärung des MRT-Befundes bedurfte es nicht. Der Senat hält nach zweifacher anderweitiger Befundung für bewiesen, dass die operativ gesicherten Befunde dort jedenfalls nicht abgebildet sind. Dr. E. schließt aber nachvollziehbar aus, dass die beschriebenen bildgebenden Situationen seine Zusammenhangseinschätzung in Frage stellen. Eine Veränderung der Befunde erst nach Fertigung des MRT ist auszuschließen, weil nicht ersichtlich ist, wie sich ein retrahiertes Kreuzband so auf die Tibia legen und dort festwachsen könnte, dass sich bei der Operation im Januar 2006 keinerlei beschriebene Verkürzung mehr zeigt. Soweit Dr. L. aus dem Fehlen eines lateralen bone bruise Schlüsse auf ein höheres Alter des Risses ziehen will, überzeugt die Einschätzung Dr. E.s im Operationsbericht vom 12. Juli 2006, in den meisten Fällen eines vorderen Kreuzbandrisses finde sich das bone bruise – wie auch beim Kläger – am medialen Schienbeinkopf. Ein Hinweis auf die frische Einwirkung einer geeigneten Unfallmechanik liegt danach jedenfalls vor.

Damit fehlt der Ansatz für die von Dr. S. angenommene Schadensanlage. Ein solcher lässt sich entgegen der Vermutung der Dres. D., R. und A. insbesondere auch nicht aus dem 1980 während des Wehrdienstes des Klägers geschehenen Ereignis herleiten, wie aus den Überlegungen Dr. E.s zu Folgeverschleiß und Einschränkung des beruflichen Einsatzes für diesen Fall folgt. Zudem spricht gegen die zweifelsfreie genaue Wiedergabe der Angaben des Klägers im Bericht von PD Dr. D. und Dr. R. deren offen ausgesprochenes Vorverständnis, wegen des vermeintlichen Alters des Kreuzbandrisses nach einer anderen Ursache suchen zu wollen. Nach den Angaben des Klägers gegenüber Dr. E. war das Ereignis aus dessen Sicht zur Verursachung des Schadens ungeeignet. Dem ist auch Dr. V. nicht entgegen getreten.

Insgesamt verbleibt danach kein Raum für einen neben dem Unfallgeschehen naturwissenschaftlich wirksam gewordenen Vorschaden bzw. eine Schadensanlage. Im Ergebnis stellt sich also die Frage des Entfalls der Wesentlichkeit des Ursachenzusammenhangs infolge (weit) überragender Bedeutung einer konkurrierenden Ursache schon nicht mehr. Zudem hat Dr. V. insoweit einleuchtend angemerkt, dass angesichts der nachgewiesenen Begleitverletzungen dann mit Wahrscheinlichkeit von einer wesentlichen Teilursächlichkeit des Unfallereignisses ausgegangen werden müsste, wofür ebenso der Umstand sprechen würde, dass der Unfall vom 4. November 2005 gerade keinem alltagsüblichen Geschehen entspricht (vgl. zum hierbei relevanten Aspekt der so genannten Gelegenheitsursache nur BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 8/06 R – juris)

Nach alledem war der Berufung stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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