L 5 R 395/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 9 R 327/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 395/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 3. September 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger 2/3 der Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) um die Qualifikationsgruppeneinstufung der vom Kläger in Russland zurückgelegten Beitragszeiten sowie um die Berechung der dem Kläger zu gewährenden Erwerbsminderungsrente. Umstritten ist dabei insbesondere (noch) die Einstufung der vom Kläger in der Zeit vom 12. Oktober 1977 bis zum 30. September 1983 in Russland ausgeübten Tätigkeit in die Qualifikationsgruppe 4 nach der Anlage 13 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).

Der 1953 in C. (Russland) geborene Kläger kam am 21. April 1997 als anerkannter Spätaussiedler im Sinne von § 4 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) nach Deutschland. Den Eintragungen in seinem (am 21. Juni 1971 ausgestellten) russischen Arbeitsbuch zufolge war der Kläger im Herkunftsgebiet wie folgt beschäftigt:

19.06.1971 bis 24.02.1972 Gas-Elektro-Schweißerlehrling D. Forstindustriebetrieb
25.02.1972 bis 27.04.1972 Kraftfahrer D. Forstindustriebetrieb
06.05.1972 bis 19.06.1974 Wehrdienst Sowjetarmee
23.07.1974 bis 19.11.1974 Kraftfahrer E. Forstindustriebetrieb
20.11.1974 bis 31.03.1976 Kraftfahrer D. Mechanisierte Baukolonne
01.04.1976 bis 30.06.1976 Kraftfahrer D. Bezirks-Dienstleistungskombinat
01.07.1976 bis 11.10.1977 Kraftfahrer Produktionsvereinigung "F. Möbel" bzw. Kraftverkehrsbetrieb der Regionalen Verwaltung der Dienstleistungsbetriebe
12.10.1977 bis 21.10.1992 Busfahrer D. Kombinat der kommunalen Betriebe bzw. Betriebsverwaltung der kommunalen Wohnungswirtschaft
01.11.1992 bis 03.01.1996 Kraftfahrer Feuerwehrabteilung 35 bzw. 61
09.01.1996 bis 14.04.1997 Kraftfahrer D. Reparatur- und Bauabschnitt

Die vom Kläger in Russland zurückgelegten Zeiten wurden im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes (FRG) in die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung übernommen. Im entsprechenden Fragebogen gab der Kläger unter dem 23. April 1999 an, dass er keine Lehre oder Berufsausbildung mit besonderer Qualität absolviert habe. Die Beklagte ordnete die gesamten Fremdrentenzeiten durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 24. Juni 1999 der Qualifikationsgruppe 5 nach der Anlage 13 zum SGB VI zu.

Auf entsprechenden Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger schließlich durch Bescheid vom 11. Mai 2005 für die Zeit ab 1. November 2004 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Nach Erhalt dieses Bescheides stellte der Kläger am 19. Mai 2005 den hier maßgeblichen Überprüfungsantrag und machte unter anderem geltend, dass die Fremdrentenzeiten mit den falschen Bruttoarbeitsentgelten berücksichtigt worden seien. Da er über eine abgeschlossene Ausbildung als Kraftfahrer verfüge und durchgängig als Kraftfahrer mit Facharbeiterstatus tätig gewesen sei, seien die in Russland zurückgelegten Beschäftigungszeiten richtigerweise der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen. Der Kläger legte eine von ihm selbst verfasste Schilderung seines üblichen Arbeitsablaufs vom 19. September 2005 (Bl. 101 RA) und beglaubigte Übersetzungen seiner russischen Fahrerlaubnis (Bl. 102 RA), seiner persönlichen Kraftfahrer-Karte (Bl. 103 RA), seines Zeugnisses über den Erwerb der Qualifikation eines Kraftfahrers der Klasse 3 vom 16. Februar 1972 (Bl. 105 RA), seines Zeugnisses über den Erwerb der Qualifikation eines Kraftfahrers der Klasse 1 vom 25. Oktober 1977 (Bl. 106 RA) sowie seines Zeugnisses über den Erwerb der Qualifikation eines Kraftfahrers der Kategorie E vom 24. Februar 1989 (Bl. 104 RA) vor.

Die Beklagte nahm daraufhin gemäß § 44 SGB X mit Wirkung ab 1. November 2004 durch Bescheid vom 14. Dezember 2005 unter geänderter, fortan nicht mehr streitiger Zuordnung der Fremdrentenzeiten des Klägers zu einem anderen Wirtschaftbereich eine Neufeststellung der Erwerbsminderungsrente vor. Zugleich lehnte sie hinsichtlich der Qualifikationsgruppeneinstufung eine Rücknahme des Feststellungsbescheides vom 24. Juni 1999 und des Rentenbescheides vom 11. Mai 2005 mit der Begründung ab, dass eine der erreichten Qualifikation entsprechende Einstufung nur erfolgen dürfe, soweit auch eine der Qualifikation entsprechende Tätigkeit ausgeübt worden sei. Der Kläger habe nach eigenen Angaben die Firmenwagen gefahren sowie den Öl- und Kühlwasserstand kontrolliert, diese seien jedoch nur Teilbereiche der Tätigkeit eines qualifizierten Kraftfahrers. Eine vollwertige höherwertige Tätigkeit sei nicht ausgeübt worden. Deshalb müsse es bei der Einstufung der in Russland zurückgelegten Beschäftigungszeiten in die Qualifikationsgruppe 5 verbleiben. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2006 als unbegründet zurück.

Der Kläger erhob daraufhin am 30. November 2006 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden und machte geltend, dass er Kraftfahrer der Klasse I gewesen sei. Zum Erwerb dieser Befähigung seien der Nachweis einer Lkw-Mechaniker-Ausbildung sowie der Besuch von Lehrgängen für Ökonomie, Lagerhaltung, Disposition, Gefahrenstoffkunde und Sicherheit bei der Frachtbeförderung erforderlich gewesen. Der Kläger gab an, dass er ab 1977 in Russland selbstständig die anfallenden Reparatur- und Wartungsarbeiten an den von ihm gefahrenen Fahrzeugen in durchgeführt habe, weil ein Schlosser nicht zur Verfügung gestanden habe. Seine Qualifikation stehe deshalb derjenigen eines Facharbeiters in nichts nach.

Die Beklagte berief sich demgegenüber darauf, dass im Arbeitsbuch des Klägers als Berufsbezeichnung stets nur "Kraftfahrer" und nicht "Kraftfahrer der Klasse I" eingetragen sei. Es seien dort auch keine Angaben zu den jeweiligen Lohngruppen enthalten. Sie legte ein in einem anderen Rechtsstreit von Prof. Dr. G. (Zentrum für kontinentale Agrar- und Wirtschaftsforschung der Universität ZV.) erstattetes Gutachten vom 28. Januar 1995 vor.

Das Sozialgericht hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. September 2009 persönlich angehört (Bl. 72 GA) und die Beklagte sodann durch Urteil vom 3. September 2009 "unter Abänderung der Bescheide vom 11. Mai 2005 und 14. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2006" verpflichtet, "den Bescheid vom 24. Juni 1999 teilweise zurückzunehmen und unter Zuordnung der Zeit vom 12. Oktober 1977 bis zum 14. April 1997 (außer den Zeiträumen vom 22. Oktober 1992 bis 31. Oktober 1992 und vom 4. Januar 1996 bis 8. Januar 1996) in die Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI die Erwerbsminderungsrente des Klägers ab 1. November 2004 neu festzustellen". Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Kläger ausweislich der vorliegenden Unterlagen in der ehemaligen UdSSR unter anderem die Qualifikation zum Autoschlosser der Kategorie 5 (am 15. Mai 1974) und zum Kraftfahrer der Klasse 1 (am 10. Oktober 1977) erlangt habe. Zur Überzeugung der Kammer handele es sich hierbei um eine Facharbeiterqualifikation im Sinne der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI (vgl. auch Anlage 1 zum FRG, dort A. 1. Leistungsgruppe 1). Dies ergebe sich zum einen daraus, dass es sich im Falle des Klägers um eine langjährige Ausbildung bzw. Weiterbildung zum Berufskraftfahrer handele (von 1972 bis 1977) und zum anderen aus der Tatsache, dass der Kläger ausgebildeter Autoschlosser sei. Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 3. September 2009 habe der Kläger als Kraftfahrer der Klasse 1 einen 25%igen Zuschlag zum Lohn erhalten. Ebenfalls habe der Kläger für die Kammer überzeugend dargelegt, dass er in den Jahren ab 1977 aufgrund seiner Qualifikation selbstständig Reparaturen und Wartungen ausgeführt habe. Die insoweit abweichende Schilderung in der Tätigkeitsbeschreibung vom 19. September 2005 sei vom Kläger – mangels Unterschrift – nicht autorisiert und nach seinen glaubhaften Angaben nicht auf den streitbefangenen Zeitraum bezogen. Die Kammer sehe in Würdigung des Akteninhalts und den Angaben des Klägers gemäß § 4 FRG als glaubhaft gemacht an, dass der Kläger ab dem 12. Oktober 1977, also nach Erlangung der Qualifikation als Kraftfahrer der Klasse 1, durchgängig als Facharbeiter tätig gewesen sei.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 25. November 2009 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 18. Dezember 2009 Berufung eingelegt. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat die Beklagte sich durch Teilanerkenntnis vom 9. Dezember 2009/11. März 2010 verpflichtet,

die Tätigkeiten des Klägers in der Zeit vom 1. Oktober 1983 bis zum 21. Oktober 1992, vom 1. November 1992 bis zum 3. Januar 1996 und vom 9. Januar 1996 bis zum 14. April 1997 der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen und insoweit die Höhe der dem Kläger gewährten Rente ab dem 1. November 2004 neu festzustellen sowie die dem Kläger für das Widerspruchs- und Klageverfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu zwei Dritteln zu übernehmen.

Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. November 2010 angenommen.

Mit ihrer im Übrigen aufrecht erhaltenen Berufung macht die Beklagte geltend, dass eine Einstufung auch der vom 12. Oktober 1977 bis zum 30. September 1983 ausgeübten Tätigkeit in die Qualifikationsgruppe 4 nicht in Betracht kommen könne.

Der Kläger habe keine mehrjährige Berufsausbildung absolviert und auch kein Facharbeiterzeugnis erworben. Die ihm im Rahmen seines Militärdienstes am 25. April 1973 zuerkannte Klassenqualifikation sei einem Facharbeiterbrief nicht gleich zu setzen. Bemerkenswerterweise sei die Klassenqualifikation der 4. Kategorie dem Kläger auch bereits nach 11 Monaten Militärdienst verliehen worden. In dieser kurzen Zeit, in die zweifellos auch noch die militärische Grundausbildung des Klägers gefallen sein müsse, habe der Kläger nicht die vollwertigen Kenntnisse eines Kraftfahrzeugschlossers erworben haben können, wie sie bei einer mehrjährigen (regelmäßig dreijährigen) Berufsausbildung vermittelt werden. Letztlich sei der Kläger nach seinem Militärdienst auch nicht mehr als Kraftfahrzeugschlosser tätig geworden.

Auch bei dem von dem Kläger vom 1. Oktober 1971 bis zum 15. Februar 1972 absolvierten Kraftfahrerlehrgang handele es sich nicht um eine mehrjährige Berufsausbildung. In der Folgezeit habe er im Forstkombinat verschiedene Kraftfahrertätigkeiten ausgeübt, ohne dass erkennbar werde, dass er sich hierbei weiteren Qualifizierungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen unterzogen habe.

Auch die Zuerkennung der Klasse 1 als Kraftfahrer führe für sich allein noch nicht zu einer Facharbeiterqualifikation im Sinne der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI. Wie das Bayerische Landessozialgericht im Urteil vom 6. September 2006 (Az.: L 13 KN 19/03) ausgeführt habe, beinhalte die Zuerkennung der Klasse 1 als Kraftfahrer nicht den Abschluss einer mehrjährigen Berufsausbildung mit Facharbeiterprüfung. Vielmehr könne (allenfalls) davon ausgegangen werden (letztlich sei dies in der Entscheidung offen gelassen worden), dass von der Zuerkennung der Klasse 1 an die einem Facharbeiter entsprechende Tätigkeit als Kraftfahrer ausgegangen worden sei. In diesem Fall bedürfe es bei einer dann vorliegenden Facharbeitertätigkeit ohne Berufsausbildung einer mehrjährigen, mindestens der Dauer der formalen Berufsausbildung entsprechenden (BSG SozR 4-2600 § 256b Nr. 1), wegen der fehlenden strukturierten Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in der Regel aber längeren, das Doppelte einer üblichen Facharbeiterausbildung entsprechenden und damit sechsjährigen vollwertigen Ausübung der Tätigkeit. Die vor Zuerkennung der I. Klasse als Kraftfahrer der II. und III. Klasse ausgeübte Tätigkeit könne hier keine Berücksichtigung finden, da sie bereits Voraussetzung für die Zuerkennung der I. Kategorie gewesen sei und damit keine zusätzliche Berufserfahrung als Kraftfahrer in dieser Kategorie habe vermitteln können (Bayerisches Landessozialgericht, a. a. O.).

Als vertretbar könne es danach – im Sinne des im Berufungsverfahren abgegebenen Teilanerkenntnisses – allenfalls angesehen werden, dass mit Zuerkennung der 1. Klasse, wenn von dem Kläger auch Reparaturarbeiten an den von ihm zu fahrenden Lastkraftwagen ausgeführt worden seien, eine Facharbeitertätigkeit ausgeübt worden sei, die nach langjähriger Berufserfahrung, eben nach sechsjähriger Tätigkeit als Kraftfahrer der 1. Klasse, die Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 4 rechtfertige. Gewisse Zweifel blieben, da bei den Tätigkeiten des Klägers als Busfahrer bzw. als PKW-Fahrer (Cheffahrer) nicht zwingend von einer Tätigkeit auf Facharbeiterebene ausgegangen werden müsse, vielmehr diese Tätigkeiten auch als Anlerntätigkeiten angesehen werden könnten, für die die Qualifikationsgruppe 5 - wie bisher zugeordnet - dann maßgebend sein würde.

Nach überschlägiger Berechnung ergebe sich auf der Grundlage des abgegebenen Teilanerkenntnisses eine Erhöhung der Rente des Klägers um rund 40,00 EUR brutto monatlich, wohingegen eine Neufeststellung der Rente auf der Grundlage des sozialgerichtlichen Urteils voraussichtlich zu einem um rund 60,00 EUR brutto monatlich höheren Rentenanspruch führen würde.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 3. September 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er sieht sich in seiner Auffassung durch die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakten der Beklagten sowie Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 3. September 2009 kann – soweit der Rechtsstreit nicht bereits gemäß § 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch das vom Kläger angenommene Teilanerkenntnis der Beklagten vom 9. Dezember 2009/ 11. März 2010 in der Hauptsache seine Erledigung gefunden hat – nicht aufrecht erhalten werden. Hinsichtlich der – im vorliegenden Verfahren allein noch streitigen – Einstufung der vom Kläger in der Zeit

vom 12. Oktober 1977 bis zum 30. September 1983

ausgeübten Tätigkeit in die Qualifikationsgruppe 5 der Anlage 13 zum SGB VI ist der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2006 nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte auch hinsichtlich dieser Zeiten ihren ursprünglichen – in der Sache bindend gewordenen – Feststellungsbescheid vom 24. Juni 1999 bzw. den Rentenbewilligungsbescheid vom 11. Mai 2005 zurücknimmt und eine günstigere Qualifikationsgruppeneinstufung vornimmt.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Der ursprüngliche Feststellungsbescheid vom 24. Juni 1999 bzw. der Rentenbewilligungsbescheid vom 11. Mai 2005 sind – jedenfalls unter Berücksichtung des Teilanerkenntnisses vom 9. Dezember 2009/11. März 2010 weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden.

Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass die vom Kläger in Russland zurückgelegten Beitragszeiten nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes (FRG) und des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) in die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung zu übernehmen sind.

Durch das FRG werden bestimmte außerhalb des alten Bundesgebiets einschließlich Berlin (West) zurückgelegte Beitrags- und Beschäftigungszeiten den nach Reichsrecht oder Bundesrecht zugebilligten Beitragszeiten mit dem Ziel gleichgestellt, die durch Kriegs- und Nachkriegseinwirkungen außerhalb des Bundesgebietes einschließlich Berlin (West) in ihrer sozialen Sicherheit betroffenen Personen so zu stellen, als ob sie ihr Arbeitsleben und damit auch ihr Versicherungsleben in der Bundesrepublik Deutschland verbracht hätten. Dementsprechend bestimmt § 15 Abs. 1 FRG, dass die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegten Beitragszeiten bei dem fremdrentenberechtigten Personenkreis so behandelt werden, als ob es sich um inländische Beitragszeiten handeln würde. Die Angehörigen des von dieser Vorschrift erfassten Personenkreises sollen nach dem Willen des Gesetzgebers in der Rentenversicherung so behandelt werden, wie ein nach Ausbildung und ausgeübten Beruf vergleichbarer Versicherter, der tatsächlich die Beitragszeiten im Bundesgebiet zurückgelegt hat, stehen würde (sog. Eingliederungsprinzip; vgl. dazu BSG vom 4. Juni 1986 - GS 1/85 = SozR 5050 § 15 FRG Nr. 32 und BSG vom 25. November 1987 – GS 2/85 = SozR 5050 § 15 FRG Nr. 35).

Bei der Übernahme derartiger Fremdrentenzeiten in die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung ist die Höhe des erzielten Lohnes oder Gehaltes grundsätzlich unbeachtlich, weil bei der Ermittlung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage des Versicherten, auf den das FRG anzuwenden ist, nicht auf den wirklichen Arbeitsverdienst im Herkunftsland, sondern auf den Durchschnittsverdienst der gleichen Berufgruppe im Reichs- oder Bundesgebiet abgestellt wird. Vom wirklich erzielten Arbeitsentgelt wollte und konnte der Gesetzgeber nicht ausgehen, weil dessen Umrechnung in Reichsmark bzw. Deutsche Mark wegen der vielfachen Unterschiede in den wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten unter den Herkunftsländern und gegenüber dem Reichs- bzw. Bundesgebiet (Währungs- und Lohnsituation, Verhältnis des Lohnes zur Kaufkraft) unverhältnismäßige Schwierigkeiten ausgelöst und außerdem zu unbilligen Ergebnissen geführt hätte.

Die jeweilige Festlegung der für den einzelnen Versicherten im Rahmen der Rentenberechnung maßgebenden Beitragswerte bzw. Entgeltpunkte erfolgt gemäß § 22 FRG im Rahmen von Verdienstgruppen (Leistungsgruppen bzw. Qualifikationsgruppen), deren Gliederung an Durchschnittswerten orientiert und aus der Amtlichen Verdienststatistik des Statistischen Bundesamtes übernommen worden ist. Hinsichtlich der Fremdrentenzeiten bis zum 31. Dezember 1949 findet dabei – wie ansonsten nur noch nach der vorliegend nicht einschlägigen Übergangsregelung des Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG – die Anlage 1 zum FRG Anwendung, die zur Einstufung verschiedene Leistungsgruppen aufführt. Für die – vorliegend allein streitigen – Fremdrentenzeiten ab 1. Januar 1950 wurde anlässlich der Schaffung eines einheitlichen Rentenrechts in Deutschland hingegen die für glaubhaft gemachte DDR-Beitragszeiten konzipierte Bewertung auf das Fremdrentenrecht übertragen. An der Situation der (Spät-)Aussiedler hat die Vereinigung Deutschlands direkt zwar nichts geändert; aus Gründen der Gleichbehandlung hielt es der Gesetzgeber jedoch für geboten, das Integrationsprinzip des Fremdrentenrechts "fortzuentwickeln" (vgl. die Gesetzesbegründung zum Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) in Bundesrats-Drucksache 197/91, S. 114/115), um die Fremdrentenberechtigten nicht anders (besser?) zu behandeln als die Bevölkerung in den neuen Bundesländern wurde daher festgelegt, die Fremdrentenzeiten – wie DDR-Zeiten, für die die tatsächlichen Entgelte nicht bekannt sind – nach dem neuen Tabellenwerk des SGB VI zu bewerten. Die Vorschrift des § 22 FRG verweist insoweit auf § 256b SGB VI, wonach die Ermittlung der maßgeblichen Entgeltpunkte anhand von Tabellenwerten erfolgt, die sich nach Einstufung in eine Qualifikationsgruppe der Anlage 13 zum SGB VI und nach Zuordnung zu einem (Wirtschafts-) Bereich der Anlage 14 zum SGB VI ergeben.

Nach der Anlage 13 zum SGB VI sind Versicherte in eine der darin im Einzelnen beschriebenen insgesamt fünf Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Haben Versicherte aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben, die üblicherweise denen von Versicherten einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen, so sind sie in diese (höhere) Qualifikationsgruppe einzustufen.

Die (höchste) Qualifikationsgruppe 1 ist vorgesehen für Hochschulabsolventen, d.h. für

1. Personen, die in Form eines Direkt-, Fern-, Abend- oder externen Studiums an einer Universität, Hochschule, Ingenieurhochschule, Akademie oder an einem Institut mit Hochschulcharakter ein Diplom erworben oder ein Staatsexamen abgelegt haben.
2. Personen, denen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder wissenschaftlicher Leistungen ein wissenschaftlicher Grad oder Titel zuerkannt worden ist (z. B. Attestation im Bereich Volksbildung, Dr. h. c., Professor).
3. Inhaber gleichwertiger Abschlusszeugnisse staatlich anerkannter höherer Schulen und Universitäten.

Hierzu zählen nicht Teilnehmer an einem verkürzten Sonderstudium (z. B. Teilstudium), das nicht mit dem Erwerb eines Diploms oder Staatsexamens abschloss.

In die Qualifikationsgruppe 2 einzustufen sind Fachschulabsolventen, d.h.

1. Personen, die an einer Ingenieur- oder Fachschule in einer beliebigen Studienform oder extern den Fachschulabschluss entsprechend den geltenden Rechtsvorschriften erworben haben und denen eine Berufsbezeichnung der Fachschulausbildung erteilt worden ist.
2. Personen, denen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen im Beitrittsgebiet der Fachschulabschluss bzw. eine Berufsbezeichnung der Fachschulausbildung zuerkannt worden ist.
3. Personen, die an staatlich anerkannten mittleren und höheren Fachschulen außerhalb des Beitrittsgebiets eine Ausbildung abgeschlossen haben, die der Anforderung des Fachschulabschlusses im Beitrittsgebiet entsprach, und ein entsprechendes Zeugnis besitzen.
4. Technische Fachkräfte, die berechtigt die Berufsbezeichnung "Techniker" führten, sowie Fachkräfte, die berechtigt eine dem "Techniker" gleichwertige Berufsbezeichnung entsprechend der Systematik der Berufe im Beitrittsgebiet (z. B. Topograph, Grubensteiger) führten.

Hierzu zählen nicht Teilnehmer an einem Fachschulstudium, das nicht zum Fachschulabschluss führte, und Meister, auch wenn die Ausbildung an einer Ingenieur- oder Fachschule erfolgte.

Zur Qualifikationsgruppe 3 gehören Meister, d.h.

Personen, die einen urkundlichen Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister bzw. als Meister des Handwerks besitzen bzw. denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Qualifikation als Meister zuerkannt wurde. Hierzu zählen nicht in Meisterfunktion eingesetzte oder den Begriff "Meister" als Tätigkeitsbezeichnung führende Personen, die einen Meisterabschluss nicht haben (z. B. Platzmeister, Wagenmeister).

Die Qualifikationsgruppe 4 ist demgegenüber vorgesehen für Facharbeiter, d.h.

Personen, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind.

In die Qualifikationsgruppe 5 sind schließlich angelernte und ungelernte Tätigkeiten einzustufen, d.h.

1. Personen, die in der Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung eine Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes abgeschlossen haben und im Besitz eines entsprechenden Zeugnisses sind.
2. Personen, die in einer produktionstechnischen oder anderen speziellen Schulung für eine bestimmte Tätigkeit angelernt worden sind.
3. Personen ohne Ausbildung oder spezielle Schulung für die ausgeübte Tätigkeit.

Während früher Sachverhalte aus allen Herkunftsländern relativ problemlos in die unbestimmten – und damit gebietsneutralen – Rechtsbegriffe der Leistungsgruppendefinitionen der Anlage 1 zum FRG eingegliedert werden konnten, müssen sie nun unter die konkreten Tatbestandsmerkmale der Qualifikationsgruppen, die dem System der beruflichen Bildung der DDR entnommen sind und die in dieser Form in den verschiedenen FRG-Herkunftsgebieten nicht (immer) anzutreffen sind, subsumiert werden. Es müssen also die Merkmale der Qualifikationsgruppen sinngemäß und vor allem sinnvoll auf die Verhältnisse in den Herkunftsländern der Fremdrentenberechtigten übertragen werden, wobei für die Bestimmung der Qualifikationsgruppe jeweils im Einzelfall zu fragen ist, welcher DDR-Qualifikation die im Herkunftsgebiet erworbene Qualifikation entsprochen hat. Das ergibt sich für die Qualifikationsgruppen 1 und 2 ausdrücklich aus der jeweils unter der Ziffer 3 getroffenen Regelung zur Behandlung fremder Berufsqualifikationen. Danach ist eine Einstufung in diese Qualifikationsgruppen vorzunehmen, wenn die fremden Ausbildungsabschlüsse den DDR-Abschlüssen "gleichwertig" waren bzw. "den Anforderungen im Beitrittsgebiet entsprachen". Der Vergleich der fremden Berufsqualifikationen mit denen der DDR kann allerdings nicht auf die beiden ersten Qualifikationsgruppen beschränkt bleiben, sondern muss für alle Qualifikationsgruppen gelten. Es ist demgemäß generell erforderlich, die fremden Berufsqualifikationen und ihr Niveau festzustellen, um sie dann mit den DDR-Qualifikationen vergleichen zu können, wobei ein derartiger Vergleich vielfach dadurch erleichtert wird, dass die Systeme der Berufsbildung in der DDR und in den FRG-Herkunftsgebieten in weiten Bereichen vergleichbare Grundzüge aufwiesen (vgl. im Übrigen Müller, Die Qual mit den Qualifikationsgruppen, in DAngVers 1995, 354 mit Darstellung der länderspezifischen Gesichtspunkte).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 14. Mai 2003 - B 4 RA 26/02 R = SozR 4-2600 § 256b Nr. 1; BSG vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 61/02 R = SozR 4-2600 § 256b Nr. 2 und BSG vom 12. November 2003 - B 8 KN 2/03 R = SozR 4-5050 § 22 Nr. 3, jeweils m.w.N.) ist im Rahmen der Bestimmung der maßgeblichen Qualifikationsgruppe auszugehen von der im Herkunftsgebiet erworbenen beruflichen Ausbildung und Qualifikation unter Beachtung des dort geltenden beruflichen, schulischen und universitären Bildungssystems. Sodann ist zu fragen, welcher Qualifikationsgruppe – übertragen auf die Verhältnisse in der DDR – nach den Kriterien der Lohngruppenstatistik der DDR diese berufliche Ausbildung und Qualifikation materiell entspricht. Dabei kann es – wie das Bundessozialgericht (a.a.O.) herausgearbeitet hat – "dienlich" sein, die Merkmale der jeweiligen Qualifikationsgruppe in dem Sinn zu lesen, dass an die Stelle der DDR das jeweilige Herkunftsland eingesetzt wird.

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 FRG genügt es für die Feststellung der nach diesem Gesetz zu berücksichtigenden Beitragszeiten, dass sie glaubhaft gemacht werden. Wie sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG ergibt, ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Für die Glaubhaftmachung ist es demgemäß ausreichend, wenn bei Würdigung aller Gesamtumstände die gute Möglichkeit besteht, dass sich der Vorgang so, wie es behauptet wird, zugetragen hat, und wenn für das Vorliegen dieser Möglichkeit trotz verbleibender begründeter Zweifel letztlich mehr spricht als dagegen. Der vollständige Beweis (Nachweis) ist demgegenüber regelmäßig erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rechtserheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben (vgl. BSGE 6, 144). Sofern nach dem Ergebnis der Ermittlungen mehrere Qualifikationsgruppen in Betracht kommen, ist in solchen Fällen nach der Zuordnungsvorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 7 FRG im Zweifel die Qualifikationsgruppe mit den niedrigsten Durchschnittsverdiensten des jeweiligen Jahres maßgeblich.

In Anwendung dieser Bestimmungen kann eine Einstufung der vom Kläger in der allein noch streitigen Zeit vom 12. Oktober 1977 bis zum 30. September 1983 ausgeübten Tätigkeit in die Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI entgegen der Beurteilung des Sozialgerichts nicht in Betracht kommen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Tätigkeiten des Klägers – wovon die Beklagte bei Abgabe des vom Kläger angenommenen Teilanerkenntnisses vom 9. Dezember 2009/11. März 2010 ausgegangen ist – hinsichtlich der Zeit ab 1. Oktober 1983 der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen sind. Denn jedenfalls hinsichtlich der vor dem 1. Oktober 1983 liegenden Zeit sind die für eine Zuordnung zu dieser Qualifikationsgruppe ganz offenkundig nicht erfüllt.

Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Qualifikationsgruppe 4 nur für Facharbeiter vorgesehen ist. Hierbei handelt es sich den im Gesetz genannten formellen Qualifikationsmerkmalen zufolge um Personen, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Im Falle des Klägers ist der Erwerb einer solchen förmlichen Qualifikation indes weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Er selbst hat noch nicht einmal behauptet, im Besitz eines Facharbeiterbriefs zu sein oder die Facharbeiterqualifikation aufgrund langjähriger Berufserfahrung zuerkannt bekommen zu haben.

Wie bereits das Bayerische Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 6. September 2006 (Az.: L 13 KN 19/03) ausführlich dargelegt hat, ist der Beruf des Kraftfahrers – anders als derjenige des Berufskraftfahrers – nach dem Ausbildungssystem der ehemaligen DDR kein Facharbeiterberuf, sondern lediglich den angelernten Tätigkeiten im Sinne der Qualifikationsgruppe 5 zuzuordnen. Anhaltspunkte für eine davon abweichende höhere Qualifizierung im Rahmen des Ausbildungssystems der ehemaligen UdSSR liegen nicht vor.

Dass der Kläger nach seinen Angaben in Russland als Kraftfahrer regelmäßig auch Reparaturen und Wartungsarbeiten am eigenen Fahrzeug ausführen musste, ändert nichts daran, dass die Ausbildung zum Kraftfahrer trotz der möglicherweise von den Anforderungen der Kraftfahrerausbildung in der DDR abweichenden Anforderungen an die Fähigkeit zur Wartung und Reparatur von Kraftfahrzeugen nicht als Facharbeiterausbildung klassifiziert worden ist. Eine von der qualifikationsbezogenen Systematik der Berufsausbildung in der ehemaligen UdSSR abweichende Zuordnung sieht Anlage 13 zum SGB VI aber gerade nicht vor.

Zur Ausbildung in der ehemaligen UdSSR ist in diesem Zusammenhang auf Folgendes hinzuweisen: Die Ausbildung von Facharbeitern erfolgte bis in die siebziger Jahre hinein überwiegend in Form einer betrieblichen (kurz) Ausbildung (1958: 74%, 1970: 66%) anstelle einer schulischen Berufsausbildung (vgl. Göring, Anerkennung von Aussiedlerzeugnissen - berufliche Bildung und berufliche Qualifizierung in der UdSSR, Sonderveröffentlichung des Bundesinstituts für Berufsbildung 1992, S. 40). Zwischen diesen Ausbildungswegen bestanden gravierende Niveauunterschiede, die sich auch in der Zuerkennung unterschiedlicher Qualifikations- und Lohnstufen niederschlugen. Die betriebliche Aus- und Weiterbildung war – wie die schulische Berufsausbildung – staatlich geregelt und umfasste verschiedene Formen der Aus- und Weiterqualifizierung wie Einzel- und Gruppenausbildung am Arbeitsplatz, betriebliche Lehrgänge oder den Besuch von Abend- und Schichtschulen.

Die schulische Ausbildung von Facharbeitern erfolgte in der Regel an Berufsschulen (sog. beruflich-technische Schulen) und den in den siebziger Jahren eingeführten mittleren Berufsschulen (sog. mittlere beruflich-technische Schulen). Auch Letztere dienten – insofern abweichend vom beruflichen Bildungssystem der DDR – in erster Linie der Ausbildung für eine betriebliche Tätigkeit und erst in zweiter Linie der Vorbereitung auf ein mögliches Studium, wobei der berufstheoretische Anteil der drei- bis vierjährigen Ausbildung an mittleren Berufsschulen 20% bis 24%, der berufspraktische Anteil 36% bis 40% betrug und damit weit geringer war, als bei Ausbildungen an allgemeinen Berufsschulen, die in ein bis drei Jahren Arbeiter der verschiedenen Qualifikationsstufen ausbildeten (vgl. Kunzmann, Zum Stand und zur Entwicklung der beruflichen Bildung verbunden mit einer mittleren Allgemeinbildung - Eine vergleichende Untersuchung in den europäischen RGW-Ländern, Berlin 1975, S. 46 ff., 122 ff.).

Dass der Kläger eine solche förmliche Ausbildung durchlaufen hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst anhand des Akteninhalts ersichtlich. Vorgelegt wurden lediglich Nachweise über den Besuch der für Kraftfahrer vorgesehenen Lehrgänge. Personen, die – so wie der Kläger durch den Besuch dieser Lehrgänge – im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes ausgebildet worden sind, zählen nach der gesetzlichen Qualifikationsgruppendefinition aber eben gerade nicht zu den Facharbeitern der Qualifikationsgruppe 4. Weder die nach einem entsprechenden Qualifikationskurs zuerkannte Klasse 1 als Kraftfahrer noch die während seines Militärdienstes am 25. April 1973 dem Kläger zuerkannte Klassenqualifikation eines Autoschlossers der 4. Kategorie sind einer mehrjährigen Berufsausbildung gleichzusetzen, die mit der Facharbeiterqualifikation in der ehemaligen DDR vergleichbar wäre.

Die Beklagte geht angesichts dessen zu Recht davon aus, dass eine Zuordnung der Tätigkeiten des Klägers zur Qualifikationsgruppe 4 nur unter dem Gesichtspunkt einer langjährigen Berufserfahrung erfolgen kann. Hierbei ist zu fordern, dass eine qualifizierte Tätigkeit mindestens für eine Dauer verrichtet worden sein muss, die der formalen Berufsausbildung entsprach (Mindestdauer), um die eine vollwertige Berufsausbildung erforderlichen qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben zu können (vgl. BSG vom 10. Juli 1985 - 5a RKn 15/84 = SozR 5050 § 22 Nr.17). Da der Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten neben der Arbeit üblicherweise wesentlich länger als eine gezielte Unterweisung während einer geordneten mehrjährigen Ausbildung dauert, ist insoweit – entsprechend der Zugangsvoraussetzung zur sog. Externenprüfung nach § 45 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) – regelmäßig die doppelte Zeit der üblichen Ausbildung anzusetzen (vgl. LSG Nordrhein- Westfalen vom 10. Januar 1986 - L 14 An 180/84 - und LSG Baden-Württemberg vom 11. August 1988 - L 10 An 550/87), wobei während dieses Zeitraums die qualifizierte Tätigkeit vollwertig ausgeübt worden sein muss; ein automatisches Hineinwachsen in höhere Qualifikationsgruppen ist nicht möglich.

Geht man in diesem Sinne zugunsten des Klägers davon aus, dass er ab dem Zeitpunkt der Zuerkennung der Klasse 1 als Kraftfahrer am 10. Oktober 1977 tatsächlich "in voller Breite" die einem Facharbeiter entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat, so ergibt sich unter Zugrundelegung einer entsprechenden, etwa sechsjährigen vollwertigen Berufspraxis frühestens ab Oktober 1983 die Möglichkeit einer Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 4. Für die vor diesem Zeitpunkt liegenden Tätigkeiten muss es demgegenüber – nicht zuletzt auch, weil begründete Zweifel gegenüber der Annahme verbleiben, dass anlässlich der im Arbeitsbuch aufgeführten Beschäftigungsverhältnisse als Busfahrer und PKW-Fahrer tatsächlich eine Facharbeitertätigkeit in voller Breite ausgeübt worden ist – entsprechend der Zuordnungsvorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 7 FRG auch unter Zugrundelegung einer wohlwollenden Betrachtungsweise bei der Einordnung der Tätigkeit des Klägers in die niedrigere Qualifikationsgruppe 5 verbleiben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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