Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 65/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 234/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auch die rein private Gartenpflege stellt ein landwirtschaftliches Unternehmen gemäß § 123 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII dar.
2. Bei den in der Ausnahmeregelung des § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII genannten Haus- und Ziergärten muss es sich um Kleingärten handeln.
3. Insoweit besteht keine feste Größenbegrenzung von 2.500 qm. Abzustellen ist vielmehr auf den Umfang des Arbeitsaufwands, der im jeweiligen Einzelfall mit der gärtnerischen Nutzung verbunden ist (Anschluss an Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.01.2011 – L 3 U 138/10) – hier Versicherungspflicht bejaht bei einer Grundstücksgröße von ca. 7.570 qm.
2. Bei den in der Ausnahmeregelung des § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII genannten Haus- und Ziergärten muss es sich um Kleingärten handeln.
3. Insoweit besteht keine feste Größenbegrenzung von 2.500 qm. Abzustellen ist vielmehr auf den Umfang des Arbeitsaufwands, der im jeweiligen Einzelfall mit der gärtnerischen Nutzung verbunden ist (Anschluss an Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.01.2011 – L 3 U 138/10) – hier Versicherungspflicht bejaht bei einer Grundstücksgröße von ca. 7.570 qm.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1945 geborene Kläger ist Eigentümer eines 7.701 qm großen Grundstücks in A-Stadt (Hessen). Dieses ist mit einem Wohngebäude bebaut. Der größte Teil des Grundstücks (insgesamt 7.570 qm) wird als Ziergarten und für Rasenflächen genutzt. Mit Bescheid vom 09.09.2008 stellte die Beklagte fest, angesichts der Größe des Gartens handele es sich hierbei um ein landwirtschaftliches Unternehmen. Es bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung, wobei die Beklagte der zuständige Träger sei. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht Widerspruch. Diesen stützte er später auf die Ansicht, dass es sich in seinem Fall um einen Haus- und Ziergarten handele, für den eine Ausnahme von der Versicherungspflicht eingreife. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 wurde der Widerspruch von der Beklagten zurückgewiesen. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung seien erfüllt. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass Gärten, deren Grundfläche 0,25 ha übersteige, unabhängig von ihrer konkreten Nutzung als landwirtschaftliche Unternehmen anzusehen seien.
Dagegen hat der Kläger am 23.07.2009 (Eingangsdatum) Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, in seinem Fall sei eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.06.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Beklagtenakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.06.2009 ist nicht aufzuheben, denn er ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Für den Kläger besteht als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte ist insoweit der zuständige Sozialversicherungsträger.
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten ist § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) in Verbindung mit § 123 SGB VII. Danach sind in der gesetzlichen Unfallversicherung Personen kraft Gesetzes versichert, die Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind. Der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmens im unfallversicherungsrechtlichen Sinn wird in § 123 Abs. 1 SGB VII legaldefiniert. Danach handelt es sich in erster Linie um Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, aber auch um solche, die der Park- und Gartenpflege dienen. Im vorliegenden Fall steht nicht die planmäßige Bewirtschaftung im Mittelpunkt der klägerischen Nutzung des streitgegenständlichen Gartens. Dieser dient nicht in erster Linie der Gewinnung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, sondern immateriellen Zwecken wie dem Lärmschutz zur Straße hin und der Verschönerung des Anwesens. Daher handelt es sich um ein landwirtschaftliches Unternehmen gemäß § 123 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII (Gartenpflege). Der Kläger ist als Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der betreffende Garten befindet, auch Unternehmer im unfallversicherungsrechtlichen Sinn. Dies ist gemäß § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Im vorliegenden Fall profitiert der Kläger als Eigentümer des betreffenden Grundstücks von dessen Aufwertung durch die Gartenpflege. Auf eine Gewerbsmäßigkeit der landwirtschaftlichen Betätigung kommt es dagegen nicht an.
Die Kammer folgt auch nicht der Ansicht von Ricke (in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 123 SGB VII, Randnr. 29), der meint, Gärten von Einfamilienhäusern seien regelmäßig keine eigenständigen Unternehmen, sondern lediglich Hilfsunternehmen im Sinne des § 131 SGB VII. Diese Rechtsauffassung hat soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung bislang keinen Widerhall gefunden. Die Kammer hält sie nicht für überzeugend, da es in Fällen wie dem Vorliegenden an einem Hauptunternehmen fehlt. Der Wortlaut des § 131 SGB VII geht von verschiedenartigen Unternehmensbestandteilen aus, wonach das Hauptunternehmen den Schwerpunkt bildet und das Hilfsunternehmen überwiegend den Zwecken anderer Unternehmensbestandteile dient. Eine derartige Bezeichnung für einen Privathaushalt, verbunden mit dessen Aufspaltung in verschiedene Unternehmensbestandteile, die demselben Rechtsträger angehören, erschiene der erkennenden Kammer lebensfremd und willkürlich. Zudem würde eine solche Auslegung der streitentscheidenden Normen dazu führen, dass die Ausnahmevorschrift in § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII für Haus- und Ziergärten weitgehend bedeutungslos wäre. Dies konzediert auch Ricke (a.a.O.). Ein solches Auslegungsergebnis vermag jedoch nicht zu überzeugen, da dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, eine überflüssige Regelung schaffen zu wollen. Andernfalls ließe sich auch die breite Kasuistik zu § 123 Abs. 2 SGB VII (siehe nur die im Folgenden genannten Entscheidungen) nicht erklären.
Im vorliegenden Fall ist auch keiner der Ausnahmefälle des § 123 Abs. 2 SGB VII gegeben. Danach sind landwirtschaftliche Unternehmen nicht:
1. Haus- und Ziergärten,
2. andere Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes.
Letztgenannte Vorschrift greift im vorliegenden Fall offensichtlich nicht ein, da das Bundeskleingartengesetz für die Größe des Kleingartens einen Richtwert von 400 qm enthält. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich in seinem Fall aber auch nicht um einen Haus- und Ziergarten im Sinne des § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Allerdings ist der unmittelbare Wortlaut der Regelung erfüllt. Sowohl nach dem allgemeinen als auch nach dem unfallversicherungsrechtlichen Sprachgebrauch handelt es sich bei einem Hausgarten um einen solchen, der unmittelbar am oder um ein Wohnhaus herum gelegen ist oder sich in dessen unmittelbarer Nähe befindet und dessen Erzeugnisses ausschließlich oder ganz überwiegend für den häuslichen Bedarf bestimmt sind. Ziergärten dienen nur dazu, sich an ihrem Aussehen zu erfreuen. Sie sollen keinen Ertrag bringen, dessen Anfall in geringem Ausmaß allerdings unschädlich ist. Diese Grundvoraussetzungen sieht die Kammer als erfüllt an. Sie folgt insoweit den Angaben des Klägers, die dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12.10.2012 gemacht hat. Danach handelt es sich um einen Ziergarten, der bis auf den Ertrag weniger Obstbäume ausschließlich der Verschönerung des Grundstücks zu dienen bestimmt ist. Er ist auch unmittelbar um das Wohnhaus des Klägers herum gelegen. Diese klägerischen Angaben zur Sache werden auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen und finden darüber hinaus eine Bestätigung in dem vom Kläger mit der Klageschrift übersandten Luftbild seines Anwesens.
Die Kammer ist jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass der klägerische Garten mit seiner Gesamtfläche von ca. 7.570 qm zu groß ist, um als Haus- und Ziergarten im Sinne des § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gelten zu können. Dass insofern überhaupt eine Größenbeschränkung gilt, lässt sich dem Gesetzestext nicht auf den ersten Blick entnehmen. Nach Ansicht der Kammer ergibt sich dieses Ergebnis jedoch mit hinreichender Deutlichkeit aus der Formulierung "andere Kleingärten" in § 123 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII, die erkennen lässt, dass es sich auch bei den in § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII genannten Haus- und Ziergärten um Kleingärten handeln soll (wenn auch nicht um solche im Sinne des Bundeskleingartengesetzes).
Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht insoweit aus Sicht der Kammer allerdings keine feste Größenbegrenzung. Ein fester Grenzwert von 2.500 qm, wie ihn die Beklagte ihrer Verwaltungsentscheidung zugrunde gelegt hat (ebenso etwa Sächsisches LSG, Urteil vom 11.04.2002 – L 2 U 103/01 LW), lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers, einen solchen Grenzwert einzuführen, wenn er dies für sachgerecht hielte. Dem Norminterpreten ist eine solche abstrakte Grenzziehung verwehrt.
Die Kammer folgt vielmehr der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (siehe Urteil vom 30.01.2011 – L 3 U 138/10), das unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung überzeugend begründet hat, dass eine Grundstücksgröße von mehr als 2.500 qm kein starres Ausschlusskriterium ist. Abzustellen ist vielmehr auf den Umfang des Arbeitsaufwands, der im jeweiligen Einzelfall mit der gärtnerischen Nutzung verbunden ist. Indizien, dass auch ein Garten, der größer ist als 2.500 qm, als Haus- und Ziergarten anzusehen ist, können danach etwa das Vorliegen größerer Rasenflächen sein. Auch mag in ländlichen Gegenden die Grenze für einen Hausgarten generell höher anzusetzen sein als in städtischen Wohnvierteln.
Im vorliegenden Fall geht das Gericht zugunsten des Klägers von einer geringen Nutzungsintensität seines Gartens aus, die mit einem unterdurchschnittlichen Arbeitsaufwand für dessen Pflege verbunden ist. Auch handelt es sich bei dem Wohnort des Klägers eher um eine ländlich geprägte Umgebung. Gleichwohl hat die Kammer den klägerischen Garten nicht mehr als kleineren Haus- und Ziergarten im Sinne der oben erarbeiteten Definition angesehen. Maßgebend für diese Entscheidung war zum einen die absolute Gartengröße, die den allgemein anerkannten Orientierungswert von 2.500 qm (vgl. außer den bereits genannten Quellen etwa noch Bayerisches LSG, Urteil vom 16.05.2006 – L 3 U 261/04, Schmitt, SGB VII, 4. Auflage 2009, § 123 Randnr. 25, Köhler, in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 3. Auflage 2010, § 123 Randnr. 37) um das Dreifache überschritten ist. Selbst wenn man von den Schätzungen des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgeht, die insgesamt zu gering ausgefallen sind, da sie in ihrer Summe die Gesamt-Grundstücksgröße deutlich unterschreiten, ist nicht zu verkennen, dass es sich bei der Nutzung im konkreten Einzelfall um einen unterdurchschnittlichen Arbeitsaufwand für ein Grundstück dieser Größe handelt. Der Arbeitsaufwand überschreitet dennoch denjenigen, der für die Pflege eines üblichen kleinen Haus- und Ziergartens erforderlich ist, erheblich. Der Aufwand für das Mähen der Rasenflächen (geschätzt bis zu 3.500 qm) steigt proportional mit der Bodenfläche an. Hecken und feste Gehölze (geschätzt etwa 2.000 qm) müssen gepflanzt, gepflegt, geschnitten und gegebenenfalls gefällt werden. Für die Staudenbeete (geschätzt etwa 500 qm) hat auch der Kläger einen größeren Pflegeaufwand konzediert. Insgesamt sind damit auf dem klägerischen Grundstück umfangreichere Tätigkeiten erforderlich, als sie für übliche kleinere Haus- und Ziergärten typisch sind. Dies rechtfertigt die Unterstellung unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung durch den Gesetzgeber.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten privilegierten Personen gehören. Gemäß § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Sozialgerichten für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich hinterbliebene Leistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind, kostenfrei. Im vorliegenden Fall ist der Kläger zwar nach dem oben Gesagten Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung. Er klagt indes nicht in seiner Eigenschaft als Versicherter (wie etwa im Rechtsstreit über die Gewährung von Leistungen), sondern in seiner Eigenschaft als Unternehmer, der gemäß § 150 SGB VII zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 2 U 16/10 R). Das Ergebnis der Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
Die Streitwertfestsetzung, die die Kammer nach entsprechender Anhörung der Beteiligten vorgenommen hat, beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG. Im vorliegenden Fall war der Auffangstreitwert von 5000 Euro zugrunde zulegen, da der Sach- und Streitstand für eine abweichende Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1945 geborene Kläger ist Eigentümer eines 7.701 qm großen Grundstücks in A-Stadt (Hessen). Dieses ist mit einem Wohngebäude bebaut. Der größte Teil des Grundstücks (insgesamt 7.570 qm) wird als Ziergarten und für Rasenflächen genutzt. Mit Bescheid vom 09.09.2008 stellte die Beklagte fest, angesichts der Größe des Gartens handele es sich hierbei um ein landwirtschaftliches Unternehmen. Es bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung, wobei die Beklagte der zuständige Träger sei. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht Widerspruch. Diesen stützte er später auf die Ansicht, dass es sich in seinem Fall um einen Haus- und Ziergarten handele, für den eine Ausnahme von der Versicherungspflicht eingreife. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 wurde der Widerspruch von der Beklagten zurückgewiesen. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung seien erfüllt. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass Gärten, deren Grundfläche 0,25 ha übersteige, unabhängig von ihrer konkreten Nutzung als landwirtschaftliche Unternehmen anzusehen seien.
Dagegen hat der Kläger am 23.07.2009 (Eingangsdatum) Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, in seinem Fall sei eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.06.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Beklagtenakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.06.2009 ist nicht aufzuheben, denn er ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Für den Kläger besteht als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte ist insoweit der zuständige Sozialversicherungsträger.
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten ist § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) in Verbindung mit § 123 SGB VII. Danach sind in der gesetzlichen Unfallversicherung Personen kraft Gesetzes versichert, die Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind. Der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmens im unfallversicherungsrechtlichen Sinn wird in § 123 Abs. 1 SGB VII legaldefiniert. Danach handelt es sich in erster Linie um Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, aber auch um solche, die der Park- und Gartenpflege dienen. Im vorliegenden Fall steht nicht die planmäßige Bewirtschaftung im Mittelpunkt der klägerischen Nutzung des streitgegenständlichen Gartens. Dieser dient nicht in erster Linie der Gewinnung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, sondern immateriellen Zwecken wie dem Lärmschutz zur Straße hin und der Verschönerung des Anwesens. Daher handelt es sich um ein landwirtschaftliches Unternehmen gemäß § 123 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII (Gartenpflege). Der Kläger ist als Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der betreffende Garten befindet, auch Unternehmer im unfallversicherungsrechtlichen Sinn. Dies ist gemäß § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Im vorliegenden Fall profitiert der Kläger als Eigentümer des betreffenden Grundstücks von dessen Aufwertung durch die Gartenpflege. Auf eine Gewerbsmäßigkeit der landwirtschaftlichen Betätigung kommt es dagegen nicht an.
Die Kammer folgt auch nicht der Ansicht von Ricke (in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 123 SGB VII, Randnr. 29), der meint, Gärten von Einfamilienhäusern seien regelmäßig keine eigenständigen Unternehmen, sondern lediglich Hilfsunternehmen im Sinne des § 131 SGB VII. Diese Rechtsauffassung hat soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung bislang keinen Widerhall gefunden. Die Kammer hält sie nicht für überzeugend, da es in Fällen wie dem Vorliegenden an einem Hauptunternehmen fehlt. Der Wortlaut des § 131 SGB VII geht von verschiedenartigen Unternehmensbestandteilen aus, wonach das Hauptunternehmen den Schwerpunkt bildet und das Hilfsunternehmen überwiegend den Zwecken anderer Unternehmensbestandteile dient. Eine derartige Bezeichnung für einen Privathaushalt, verbunden mit dessen Aufspaltung in verschiedene Unternehmensbestandteile, die demselben Rechtsträger angehören, erschiene der erkennenden Kammer lebensfremd und willkürlich. Zudem würde eine solche Auslegung der streitentscheidenden Normen dazu führen, dass die Ausnahmevorschrift in § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII für Haus- und Ziergärten weitgehend bedeutungslos wäre. Dies konzediert auch Ricke (a.a.O.). Ein solches Auslegungsergebnis vermag jedoch nicht zu überzeugen, da dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, eine überflüssige Regelung schaffen zu wollen. Andernfalls ließe sich auch die breite Kasuistik zu § 123 Abs. 2 SGB VII (siehe nur die im Folgenden genannten Entscheidungen) nicht erklären.
Im vorliegenden Fall ist auch keiner der Ausnahmefälle des § 123 Abs. 2 SGB VII gegeben. Danach sind landwirtschaftliche Unternehmen nicht:
1. Haus- und Ziergärten,
2. andere Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes.
Letztgenannte Vorschrift greift im vorliegenden Fall offensichtlich nicht ein, da das Bundeskleingartengesetz für die Größe des Kleingartens einen Richtwert von 400 qm enthält. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich in seinem Fall aber auch nicht um einen Haus- und Ziergarten im Sinne des § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Allerdings ist der unmittelbare Wortlaut der Regelung erfüllt. Sowohl nach dem allgemeinen als auch nach dem unfallversicherungsrechtlichen Sprachgebrauch handelt es sich bei einem Hausgarten um einen solchen, der unmittelbar am oder um ein Wohnhaus herum gelegen ist oder sich in dessen unmittelbarer Nähe befindet und dessen Erzeugnisses ausschließlich oder ganz überwiegend für den häuslichen Bedarf bestimmt sind. Ziergärten dienen nur dazu, sich an ihrem Aussehen zu erfreuen. Sie sollen keinen Ertrag bringen, dessen Anfall in geringem Ausmaß allerdings unschädlich ist. Diese Grundvoraussetzungen sieht die Kammer als erfüllt an. Sie folgt insoweit den Angaben des Klägers, die dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12.10.2012 gemacht hat. Danach handelt es sich um einen Ziergarten, der bis auf den Ertrag weniger Obstbäume ausschließlich der Verschönerung des Grundstücks zu dienen bestimmt ist. Er ist auch unmittelbar um das Wohnhaus des Klägers herum gelegen. Diese klägerischen Angaben zur Sache werden auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen und finden darüber hinaus eine Bestätigung in dem vom Kläger mit der Klageschrift übersandten Luftbild seines Anwesens.
Die Kammer ist jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass der klägerische Garten mit seiner Gesamtfläche von ca. 7.570 qm zu groß ist, um als Haus- und Ziergarten im Sinne des § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gelten zu können. Dass insofern überhaupt eine Größenbeschränkung gilt, lässt sich dem Gesetzestext nicht auf den ersten Blick entnehmen. Nach Ansicht der Kammer ergibt sich dieses Ergebnis jedoch mit hinreichender Deutlichkeit aus der Formulierung "andere Kleingärten" in § 123 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII, die erkennen lässt, dass es sich auch bei den in § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII genannten Haus- und Ziergärten um Kleingärten handeln soll (wenn auch nicht um solche im Sinne des Bundeskleingartengesetzes).
Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht insoweit aus Sicht der Kammer allerdings keine feste Größenbegrenzung. Ein fester Grenzwert von 2.500 qm, wie ihn die Beklagte ihrer Verwaltungsentscheidung zugrunde gelegt hat (ebenso etwa Sächsisches LSG, Urteil vom 11.04.2002 – L 2 U 103/01 LW), lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers, einen solchen Grenzwert einzuführen, wenn er dies für sachgerecht hielte. Dem Norminterpreten ist eine solche abstrakte Grenzziehung verwehrt.
Die Kammer folgt vielmehr der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (siehe Urteil vom 30.01.2011 – L 3 U 138/10), das unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung überzeugend begründet hat, dass eine Grundstücksgröße von mehr als 2.500 qm kein starres Ausschlusskriterium ist. Abzustellen ist vielmehr auf den Umfang des Arbeitsaufwands, der im jeweiligen Einzelfall mit der gärtnerischen Nutzung verbunden ist. Indizien, dass auch ein Garten, der größer ist als 2.500 qm, als Haus- und Ziergarten anzusehen ist, können danach etwa das Vorliegen größerer Rasenflächen sein. Auch mag in ländlichen Gegenden die Grenze für einen Hausgarten generell höher anzusetzen sein als in städtischen Wohnvierteln.
Im vorliegenden Fall geht das Gericht zugunsten des Klägers von einer geringen Nutzungsintensität seines Gartens aus, die mit einem unterdurchschnittlichen Arbeitsaufwand für dessen Pflege verbunden ist. Auch handelt es sich bei dem Wohnort des Klägers eher um eine ländlich geprägte Umgebung. Gleichwohl hat die Kammer den klägerischen Garten nicht mehr als kleineren Haus- und Ziergarten im Sinne der oben erarbeiteten Definition angesehen. Maßgebend für diese Entscheidung war zum einen die absolute Gartengröße, die den allgemein anerkannten Orientierungswert von 2.500 qm (vgl. außer den bereits genannten Quellen etwa noch Bayerisches LSG, Urteil vom 16.05.2006 – L 3 U 261/04, Schmitt, SGB VII, 4. Auflage 2009, § 123 Randnr. 25, Köhler, in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 3. Auflage 2010, § 123 Randnr. 37) um das Dreifache überschritten ist. Selbst wenn man von den Schätzungen des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgeht, die insgesamt zu gering ausgefallen sind, da sie in ihrer Summe die Gesamt-Grundstücksgröße deutlich unterschreiten, ist nicht zu verkennen, dass es sich bei der Nutzung im konkreten Einzelfall um einen unterdurchschnittlichen Arbeitsaufwand für ein Grundstück dieser Größe handelt. Der Arbeitsaufwand überschreitet dennoch denjenigen, der für die Pflege eines üblichen kleinen Haus- und Ziergartens erforderlich ist, erheblich. Der Aufwand für das Mähen der Rasenflächen (geschätzt bis zu 3.500 qm) steigt proportional mit der Bodenfläche an. Hecken und feste Gehölze (geschätzt etwa 2.000 qm) müssen gepflanzt, gepflegt, geschnitten und gegebenenfalls gefällt werden. Für die Staudenbeete (geschätzt etwa 500 qm) hat auch der Kläger einen größeren Pflegeaufwand konzediert. Insgesamt sind damit auf dem klägerischen Grundstück umfangreichere Tätigkeiten erforderlich, als sie für übliche kleinere Haus- und Ziergärten typisch sind. Dies rechtfertigt die Unterstellung unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung durch den Gesetzgeber.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten privilegierten Personen gehören. Gemäß § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Sozialgerichten für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich hinterbliebene Leistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind, kostenfrei. Im vorliegenden Fall ist der Kläger zwar nach dem oben Gesagten Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung. Er klagt indes nicht in seiner Eigenschaft als Versicherter (wie etwa im Rechtsstreit über die Gewährung von Leistungen), sondern in seiner Eigenschaft als Unternehmer, der gemäß § 150 SGB VII zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 2 U 16/10 R). Das Ergebnis der Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
Die Streitwertfestsetzung, die die Kammer nach entsprechender Anhörung der Beteiligten vorgenommen hat, beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG. Im vorliegenden Fall war der Auffangstreitwert von 5000 Euro zugrunde zulegen, da der Sach- und Streitstand für eine abweichende Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet.
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