Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 2744/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 978/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2002 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 21.06.2004 in der Fassung des Ergänzungs-bescheides vom 09.05.2012 sowie des Korrekturbescheides vom 30.08.2012 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die von der Beigeladenen für die Klägerin in der Zeit vom 03.12.2001 bis 02.02.2008 verrichtete Tätigkeit selbstständig und nicht im Rahmen eines abhängigen, dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten von Klägerin und Beigeladener.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der Zeit von 03.12.2001 bis 02.02.2008 streitig.
Am 02.10.2001 stellte die Klägerin (damals Pro Vita - Ambulante Krankenpflege – E. E.), die in der ambulanten Pflege schwerstkranker Menschen tätig ist, einen Sammelantrag zur Statusfeststellung für die für sie tätigen "freiberuflichen Mitarbeiter". Sie gab dabei u.a. an, die freien Mitarbeiter seien nicht in eine Schichtplanung der Klägerin eingebunden, sie müssten nicht an Dienstbesprechungen teilnehmen, sie könnten ihre Zeit frei einteilen und würden die Erstgespräche in der Klinik führen. Des Weiteren seien sie nicht weisungsgebunden und der Urlaub unterliege keinerlei Mitspracherecht der Klägerin. Wie viele Dienste der freie Mitarbeiter übernehme, bestimme der freie Mitarbeiter selbst. Die Beigeladene selbst stellte am 04.03.2002 einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Sie gab dabei an, als freiberufliche Krankenschwester seit 01.01.2002 für die Klägerin tätig zu sein. Daneben sei sie fest angestellt im Krankenhaus R ... Für die Tätigkeit bei der Klägerin benutze sie ihren eigenen Pkw. Sie habe eine eigene Preisgestaltung. Nach Anhörung der Beteiligten stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20.12.2002 fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen im Bereich der ambulanten Pflege schwerst-kranker Menschen im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Sie führte darin aus, die Mitarbeiter seien in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden, sie erhielten einseitig im Wege des Direktionsrechts des Arbeitgebers Weisungen, die Zeit, Dauer, Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie Art und Weise der Durchführung beträfen.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und führte aus, die freien Mitarbeiter würden selbst bestimmen, wann, wie oft und wie lange sie arbeiten. Mit den freien Mitarbeitern würden individuelle Stundensätze ausgehandelt, die von Patient zu Patient unterschiedlich sein könnten. Die Beigeladene sei in keinster Weise in die Arbeitsorganisation eingebunden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2004 zurück und führte aus, die Auftragnehmer seien ausschließlich im Namen und auf Rechnung der Klägerin tätig. Die Möglichkeit über die Honorarhöhe zu verhandeln führe nicht zum Vor-liegen einer selbständigen Tätigkeit, da die Auftragnehmerin nach außen als Mitarbeiterin der Klägerin in Erscheinung trete. Im Übrigen sei mit der Tätigkeit der Beigeladenen kein Einsatz eigenen Kapitals verbunden.
Die Klägerin (damals: Pro Vita – Außerklinische Intensivpflege E. E. GmbH & Co KG) hat hiergegen am 13.07.2004 (S 11 RA 5109/04) Klage zum Sozialgericht München erhoben und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Beigeladene entscheide selbst, welche von der Klägerin angebotenen Aufträge (Patienten) sie annehmen wolle. Die Beigeladene müsse keinen Dienstplan vorlegen. Der Stundensatz werde individuell ausgehandelt und könne von Patient zu Patient variieren. Die Beigeladene würde nach zeitlichem Aufwand oder projektbezogen bezahlt, es bestehe keine Pflicht zur Teilnahme an Dienstbesprechungen. Mit Beschluss vom 17.12.2004 wurde Frau C. (vormals S.) zum Verfahren beigeladen. Wegen verschiedener beim Bayerischen Landessozialgericht anhängiger Parallelfälle wurde mit Beschluss vom 11.09.2007 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Das Ver-fahren wurde am 28.10.2008 unter dem Aktenzeichen: S 11 R 2744/08 fortgeführt. Mit Schreiben vom 28.01.1010 teilte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass die Pro Vita – Außerklinische Intensivpflege E. E. GmbH & Co.KG aufgelöst worden sei. Rechtsnachfolgerin sei nunmehr die Pro Vita Verwaltungs-GmbH, die durch Gesellschaf-terbeschluss vom 19.01.2010 in die Firma "A." umfirmiert habe. Mit Bescheid vom 09.05.2012 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen vom 01.01.2003 bis 31.07.2003 bei der Klägerin versicherungspflichtig in der Krankenversicherung, in der Pflegeversicherung, in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ist. Der Bescheid wurde nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens. Im Erörterungstermin vom 17.07.2012 wurde die Beigeladene sowie die Vertreterin der Klägerin ausführlich zu den tatsächlichen Gegebenheiten befragt.
Die Beteiligten haben sich in diesem Termin mit einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 30.08.2012 den Ergänzungsbescheid vom 09.05.2012 hinsichtlich des Tätigkeitszeitraums korrigiert. Der Bescheid wurde gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2004 sowie des Bescheides vom 09.05.2012 und 30.08.2012 zu verurteilen, festzustellen, dass die von der Beigeladenen für die Klägerin ausgeübte Tätigkeit vom 03.12.2001 bis 02.02.2008 kein abhängiges, dem Grunde nach versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis war.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Beigezogen waren die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Klageakte S 11 RA 5109/04.
Auf die beigezogenen Akten und die Klageakte, insbesondere auf das Protokoll des Erörterungstermins wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage ist zulässig.
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Klage ist begründet.
Die von der Beigeladenen für die Klägerin verrichtete Tätigkeit, die im Erbringen von Pflegefachleistungen für Schwerstkranke und beatmete Patienten besteht, ist kein abhängiges, dem Grunde nach versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.
Mit Bescheid vom 09.05.2012 in der Fassung des Korrekturbescheides vom 30.08.2012 hat die Beklagte die ursprünglich nur dem Grunde nach erfolgte Feststellung einer Sozialversicherungspflicht auf die konkrete Feststellung der Versicherungspflicht in den einzel-nen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung erweitert und damit die vom Bundessozialgericht aufgestellten Anforderungen an eine Entscheidung im Statusfeststellungsver-fahren nach § 7a SGB IV erfüllt (vgl. BSG vom 11.03.2009, B 12 R 11/07 R). Die Bescheide wurden Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs.1 SGG.
Gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen sind in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber ein umfassendes Weisungsrecht bzgl. Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung dem Beschäftigten gegenüber hat (vgl. BSG vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R – zitiert nach Juris). Dabei hängt der Grad der persönlichen Abhängigkeit ganz ent-scheidend von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Die abhängige Beschäftigung zeichnet sich durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber aus, er unterliegt dem Direktionsrecht des Arbeitgebers, das sich in Weisung über Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der Arbeit äußert oder durch eine funktionsgerecht dienen-de Teilhabe am Arbeitsprozess durch Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation deutlich wird.
Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit gekennzeichnet durch die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das eigene Unternehmensrisiko. Maßgebliches Kriterium dafür ist, ob eigenes Kapital und/ oder die eigene Arbeitskraft mit dem Risiko auch eines Verlustes ein-gesetzt wird, d.h., ob der Erfolg des Einsatzes von sachlichen oder persönlichen Mitteln ungewiss ist. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend hierfür ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Nachdem das Gericht die Beigeladene sowie die Vertreterin der Klägerin ausführlich zu den tatsächlichen Gegebenheiten befragt hat und alle Indizien im Rahmen der Gesamtbewertung zusammengetragen, gewichtet und abgewogen hat, kommt das Gericht zum Ergebnis, dass die Beigeladene selbständig für die Klägerin tätig war. Die Beigeladene, die in der streitgegenständlichen Zeit hauptberuflich als Krankenschwester in einem Krankenhaus beschäftigt war, hat je nach eigener freier zur Verfügung stehender Zeit der Klä-gerin ihre Arbeitskraft angeboten. Die Klägerin hat dann der Beigeladenen verschiedene Patientenschichten angeboten, aus denen die Beigeladene wiederum auswählen konnte, welchen Patienten sie übernimmt. Die Beigeladene war in der Entscheidung, wie viel Zeit sie der Klägerin anbietet, frei, es gab keine Arbeitszeitvereinbarungen, die die Beigeladene pro Monat hätte einhalten müssen. Die Beigeladene konnte – im Gegensatz zu den festangestellten Mitarbeitern der Klägerin – Aufträge ablehnen und hat dies auch getan. Die Beigeladene musste die Arbeitsleistung auch nicht selbst erbringen, sondern hatte die Möglichkeit, eine Ersatzfachkraft einzusetzen. Als ausgebildete Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin hat sie nicht an den von der Klägerin angebotenen Schu-lungen teilgenommen, die für sie freiwillig waren. Die Beigeladene hat ihrer unwidersprochenen Schilderung zufolge die Pflege ihrer Patienten völlig selbständig organisiert. So hat sie beispielsweise nach der Krankenhausentlassung des Patienten entsprechende Pflegebetten und Beatmungsgeräte besorgt sowie zum Teil auch Ärzte empfohlen, die sich mit der bestimmten Erkrankung des Patienten (Beatmung) auskennen. Die Beigela-dene war auch nicht finanziell von der Klägerin abhängig, nachdem sie hauptberuflich im Krankenhaus R. tätig war. In der Zeit, in der sie für die Klägerin tätig war, war sie auch in der Hospizbegleitung und der Tracheostoma-Beratung, z. T. im Krankenhaus R., tätig.
Die Beigeladene hat – anders als die festangestellten Mitarbeiter der Klägerin – einen eigenen Pkw eingesetzt. Während die festangestellten Mitarbeiter zum Teil einen Dienst-wagen zur Verfügung hatten bzw. einen Zuschlag zum Gehalt bekamen, wenn sie mit dem eigenen Auto fuhren, hat die Beigeladene die Pkw-Kosten, Benzin etc. in ihrer Ein-kommenssteuer-Erklärung geltend gemacht.
Die Beigelade war auch in keiner Weise in den Arbeitsablauf der Klägerin mit eingebunden. Die Beigeladene musste nicht an den Dienstbesprechungen der Klägerin teilnehmen und nicht ihren Urlaub genehmigen lassen.
Die Beigeladene trug auch ein unternehmerisches Risiko. Sie hat mit der Klägerin die Stundensätze ausgehandelt, die je nach Patient variiert haben. Im Falle, dass der Patient an dem Tag, an dem die Beigeladene die Pflege übernommen hatte, ins Krankenhaus musste, erfolgte keine Bezahlung. Die Beigeladene trug auch das Risiko bei eigener Erkrankung kein Geld von der Klägerin zu erhalten.
Art und Umfang der durchzuführenden Pflegetätigkeit bestimmt sich in erster Linie nach den ärztlichen Vorgaben, dem Patientenwunsch und den im Einzelfall bestehenden Behinderungs- und Funktionsausfällen. Die Beigeladene verfügt als Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin über ausreichende Fachkenntnisse um in Eigenver-antwortung und selbständig die Pflege der Patienten durchzuführen. Die Beigeladene hat als fachlich qualifizierte Kraft weisungsfrei die Pflegeleistungen ohne Einordnung in den Betrieb der Klägerin erbracht. Anders als angestellte Pflegekräfte hat sich die Beigelade-ne stets um die Erteilung von Pflegeaufträgen selbst bemühen müssen.
Die Beigeladene hat eine Berufshaftpflichtversicherung mit der speziellen Klausel für Heimbeatmung abgeschlossen, wo hingegen festangestellte Mitarbeiter keine Berufshaftpflichtversicherung brauchen, da in Haftpflichtfällen der Arbeitgeber, also die Klägerin, aufkommt.
Keine Bedenken lassen sich daraus ableiten, dass die Beigeladene die Vergütung von der Klägerin erhalten hat und nicht mit der Krankenkasse selbst abgerechnet hat. In einem anderen Zusammenhang (freie Mitarbeit in krankengymnastischer Praxis) wurde höchst-richterlich (vgl. BSG vom 14.09.1989 – 12 KR 64/87) bereits entschieden, dass diese Abrechnungspraxis allein das Verhältnis Pflegedienst zu den Kassen betrifft.
Das Gericht hat keinen Anlass, an den ausführlichen Schilderungen der Beigeladenen zu den tatsächlichen Verhältnissen der Tätigkeit zu zweifeln. Die Schilderungen wurden von der Vertreterin der Klägerin bestätigt.
Insgesamt ergeben sich bei genauer Prüfung keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene bei der Klägerin abhängig beschäftigt war. Vielmehr ließ sich eine selbständige Tätigkeit nach Befragung der Beteiligten und unter Einbeziehung des umfangreichen Schriftwechsels substantiiert feststellen. Der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2002 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2004 sowie die Bescheide vom 09.05.2012 und 30.08.2012 waren daher aufzuheben und es war festzustellen, dass die von der Bei-geladenen für die Klägerin verrichtete Tätigkeit vom 03.12.2001 bis 02.02.2008 nicht im Rahmen eines abhängigen dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO, § 193 SGG.
Der Streitwert war gemäß § 52 Abs. 2 GKG mit 5.000,00 EUR anzusetzen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten von Klägerin und Beigeladener.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der Zeit von 03.12.2001 bis 02.02.2008 streitig.
Am 02.10.2001 stellte die Klägerin (damals Pro Vita - Ambulante Krankenpflege – E. E.), die in der ambulanten Pflege schwerstkranker Menschen tätig ist, einen Sammelantrag zur Statusfeststellung für die für sie tätigen "freiberuflichen Mitarbeiter". Sie gab dabei u.a. an, die freien Mitarbeiter seien nicht in eine Schichtplanung der Klägerin eingebunden, sie müssten nicht an Dienstbesprechungen teilnehmen, sie könnten ihre Zeit frei einteilen und würden die Erstgespräche in der Klinik führen. Des Weiteren seien sie nicht weisungsgebunden und der Urlaub unterliege keinerlei Mitspracherecht der Klägerin. Wie viele Dienste der freie Mitarbeiter übernehme, bestimme der freie Mitarbeiter selbst. Die Beigeladene selbst stellte am 04.03.2002 einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Sie gab dabei an, als freiberufliche Krankenschwester seit 01.01.2002 für die Klägerin tätig zu sein. Daneben sei sie fest angestellt im Krankenhaus R ... Für die Tätigkeit bei der Klägerin benutze sie ihren eigenen Pkw. Sie habe eine eigene Preisgestaltung. Nach Anhörung der Beteiligten stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20.12.2002 fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen im Bereich der ambulanten Pflege schwerst-kranker Menschen im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Sie führte darin aus, die Mitarbeiter seien in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden, sie erhielten einseitig im Wege des Direktionsrechts des Arbeitgebers Weisungen, die Zeit, Dauer, Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie Art und Weise der Durchführung beträfen.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und führte aus, die freien Mitarbeiter würden selbst bestimmen, wann, wie oft und wie lange sie arbeiten. Mit den freien Mitarbeitern würden individuelle Stundensätze ausgehandelt, die von Patient zu Patient unterschiedlich sein könnten. Die Beigeladene sei in keinster Weise in die Arbeitsorganisation eingebunden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2004 zurück und führte aus, die Auftragnehmer seien ausschließlich im Namen und auf Rechnung der Klägerin tätig. Die Möglichkeit über die Honorarhöhe zu verhandeln führe nicht zum Vor-liegen einer selbständigen Tätigkeit, da die Auftragnehmerin nach außen als Mitarbeiterin der Klägerin in Erscheinung trete. Im Übrigen sei mit der Tätigkeit der Beigeladenen kein Einsatz eigenen Kapitals verbunden.
Die Klägerin (damals: Pro Vita – Außerklinische Intensivpflege E. E. GmbH & Co KG) hat hiergegen am 13.07.2004 (S 11 RA 5109/04) Klage zum Sozialgericht München erhoben und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Beigeladene entscheide selbst, welche von der Klägerin angebotenen Aufträge (Patienten) sie annehmen wolle. Die Beigeladene müsse keinen Dienstplan vorlegen. Der Stundensatz werde individuell ausgehandelt und könne von Patient zu Patient variieren. Die Beigeladene würde nach zeitlichem Aufwand oder projektbezogen bezahlt, es bestehe keine Pflicht zur Teilnahme an Dienstbesprechungen. Mit Beschluss vom 17.12.2004 wurde Frau C. (vormals S.) zum Verfahren beigeladen. Wegen verschiedener beim Bayerischen Landessozialgericht anhängiger Parallelfälle wurde mit Beschluss vom 11.09.2007 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Das Ver-fahren wurde am 28.10.2008 unter dem Aktenzeichen: S 11 R 2744/08 fortgeführt. Mit Schreiben vom 28.01.1010 teilte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass die Pro Vita – Außerklinische Intensivpflege E. E. GmbH & Co.KG aufgelöst worden sei. Rechtsnachfolgerin sei nunmehr die Pro Vita Verwaltungs-GmbH, die durch Gesellschaf-terbeschluss vom 19.01.2010 in die Firma "A." umfirmiert habe. Mit Bescheid vom 09.05.2012 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen vom 01.01.2003 bis 31.07.2003 bei der Klägerin versicherungspflichtig in der Krankenversicherung, in der Pflegeversicherung, in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ist. Der Bescheid wurde nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens. Im Erörterungstermin vom 17.07.2012 wurde die Beigeladene sowie die Vertreterin der Klägerin ausführlich zu den tatsächlichen Gegebenheiten befragt.
Die Beteiligten haben sich in diesem Termin mit einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 30.08.2012 den Ergänzungsbescheid vom 09.05.2012 hinsichtlich des Tätigkeitszeitraums korrigiert. Der Bescheid wurde gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2004 sowie des Bescheides vom 09.05.2012 und 30.08.2012 zu verurteilen, festzustellen, dass die von der Beigeladenen für die Klägerin ausgeübte Tätigkeit vom 03.12.2001 bis 02.02.2008 kein abhängiges, dem Grunde nach versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis war.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Beigezogen waren die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Klageakte S 11 RA 5109/04.
Auf die beigezogenen Akten und die Klageakte, insbesondere auf das Protokoll des Erörterungstermins wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage ist zulässig.
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Klage ist begründet.
Die von der Beigeladenen für die Klägerin verrichtete Tätigkeit, die im Erbringen von Pflegefachleistungen für Schwerstkranke und beatmete Patienten besteht, ist kein abhängiges, dem Grunde nach versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.
Mit Bescheid vom 09.05.2012 in der Fassung des Korrekturbescheides vom 30.08.2012 hat die Beklagte die ursprünglich nur dem Grunde nach erfolgte Feststellung einer Sozialversicherungspflicht auf die konkrete Feststellung der Versicherungspflicht in den einzel-nen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung erweitert und damit die vom Bundessozialgericht aufgestellten Anforderungen an eine Entscheidung im Statusfeststellungsver-fahren nach § 7a SGB IV erfüllt (vgl. BSG vom 11.03.2009, B 12 R 11/07 R). Die Bescheide wurden Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs.1 SGG.
Gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen sind in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber ein umfassendes Weisungsrecht bzgl. Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung dem Beschäftigten gegenüber hat (vgl. BSG vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R – zitiert nach Juris). Dabei hängt der Grad der persönlichen Abhängigkeit ganz ent-scheidend von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Die abhängige Beschäftigung zeichnet sich durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber aus, er unterliegt dem Direktionsrecht des Arbeitgebers, das sich in Weisung über Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der Arbeit äußert oder durch eine funktionsgerecht dienen-de Teilhabe am Arbeitsprozess durch Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation deutlich wird.
Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit gekennzeichnet durch die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das eigene Unternehmensrisiko. Maßgebliches Kriterium dafür ist, ob eigenes Kapital und/ oder die eigene Arbeitskraft mit dem Risiko auch eines Verlustes ein-gesetzt wird, d.h., ob der Erfolg des Einsatzes von sachlichen oder persönlichen Mitteln ungewiss ist. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend hierfür ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Nachdem das Gericht die Beigeladene sowie die Vertreterin der Klägerin ausführlich zu den tatsächlichen Gegebenheiten befragt hat und alle Indizien im Rahmen der Gesamtbewertung zusammengetragen, gewichtet und abgewogen hat, kommt das Gericht zum Ergebnis, dass die Beigeladene selbständig für die Klägerin tätig war. Die Beigeladene, die in der streitgegenständlichen Zeit hauptberuflich als Krankenschwester in einem Krankenhaus beschäftigt war, hat je nach eigener freier zur Verfügung stehender Zeit der Klä-gerin ihre Arbeitskraft angeboten. Die Klägerin hat dann der Beigeladenen verschiedene Patientenschichten angeboten, aus denen die Beigeladene wiederum auswählen konnte, welchen Patienten sie übernimmt. Die Beigeladene war in der Entscheidung, wie viel Zeit sie der Klägerin anbietet, frei, es gab keine Arbeitszeitvereinbarungen, die die Beigeladene pro Monat hätte einhalten müssen. Die Beigeladene konnte – im Gegensatz zu den festangestellten Mitarbeitern der Klägerin – Aufträge ablehnen und hat dies auch getan. Die Beigeladene musste die Arbeitsleistung auch nicht selbst erbringen, sondern hatte die Möglichkeit, eine Ersatzfachkraft einzusetzen. Als ausgebildete Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin hat sie nicht an den von der Klägerin angebotenen Schu-lungen teilgenommen, die für sie freiwillig waren. Die Beigeladene hat ihrer unwidersprochenen Schilderung zufolge die Pflege ihrer Patienten völlig selbständig organisiert. So hat sie beispielsweise nach der Krankenhausentlassung des Patienten entsprechende Pflegebetten und Beatmungsgeräte besorgt sowie zum Teil auch Ärzte empfohlen, die sich mit der bestimmten Erkrankung des Patienten (Beatmung) auskennen. Die Beigela-dene war auch nicht finanziell von der Klägerin abhängig, nachdem sie hauptberuflich im Krankenhaus R. tätig war. In der Zeit, in der sie für die Klägerin tätig war, war sie auch in der Hospizbegleitung und der Tracheostoma-Beratung, z. T. im Krankenhaus R., tätig.
Die Beigeladene hat – anders als die festangestellten Mitarbeiter der Klägerin – einen eigenen Pkw eingesetzt. Während die festangestellten Mitarbeiter zum Teil einen Dienst-wagen zur Verfügung hatten bzw. einen Zuschlag zum Gehalt bekamen, wenn sie mit dem eigenen Auto fuhren, hat die Beigeladene die Pkw-Kosten, Benzin etc. in ihrer Ein-kommenssteuer-Erklärung geltend gemacht.
Die Beigelade war auch in keiner Weise in den Arbeitsablauf der Klägerin mit eingebunden. Die Beigeladene musste nicht an den Dienstbesprechungen der Klägerin teilnehmen und nicht ihren Urlaub genehmigen lassen.
Die Beigeladene trug auch ein unternehmerisches Risiko. Sie hat mit der Klägerin die Stundensätze ausgehandelt, die je nach Patient variiert haben. Im Falle, dass der Patient an dem Tag, an dem die Beigeladene die Pflege übernommen hatte, ins Krankenhaus musste, erfolgte keine Bezahlung. Die Beigeladene trug auch das Risiko bei eigener Erkrankung kein Geld von der Klägerin zu erhalten.
Art und Umfang der durchzuführenden Pflegetätigkeit bestimmt sich in erster Linie nach den ärztlichen Vorgaben, dem Patientenwunsch und den im Einzelfall bestehenden Behinderungs- und Funktionsausfällen. Die Beigeladene verfügt als Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin über ausreichende Fachkenntnisse um in Eigenver-antwortung und selbständig die Pflege der Patienten durchzuführen. Die Beigeladene hat als fachlich qualifizierte Kraft weisungsfrei die Pflegeleistungen ohne Einordnung in den Betrieb der Klägerin erbracht. Anders als angestellte Pflegekräfte hat sich die Beigelade-ne stets um die Erteilung von Pflegeaufträgen selbst bemühen müssen.
Die Beigeladene hat eine Berufshaftpflichtversicherung mit der speziellen Klausel für Heimbeatmung abgeschlossen, wo hingegen festangestellte Mitarbeiter keine Berufshaftpflichtversicherung brauchen, da in Haftpflichtfällen der Arbeitgeber, also die Klägerin, aufkommt.
Keine Bedenken lassen sich daraus ableiten, dass die Beigeladene die Vergütung von der Klägerin erhalten hat und nicht mit der Krankenkasse selbst abgerechnet hat. In einem anderen Zusammenhang (freie Mitarbeit in krankengymnastischer Praxis) wurde höchst-richterlich (vgl. BSG vom 14.09.1989 – 12 KR 64/87) bereits entschieden, dass diese Abrechnungspraxis allein das Verhältnis Pflegedienst zu den Kassen betrifft.
Das Gericht hat keinen Anlass, an den ausführlichen Schilderungen der Beigeladenen zu den tatsächlichen Verhältnissen der Tätigkeit zu zweifeln. Die Schilderungen wurden von der Vertreterin der Klägerin bestätigt.
Insgesamt ergeben sich bei genauer Prüfung keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene bei der Klägerin abhängig beschäftigt war. Vielmehr ließ sich eine selbständige Tätigkeit nach Befragung der Beteiligten und unter Einbeziehung des umfangreichen Schriftwechsels substantiiert feststellen. Der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2002 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2004 sowie die Bescheide vom 09.05.2012 und 30.08.2012 waren daher aufzuheben und es war festzustellen, dass die von der Bei-geladenen für die Klägerin verrichtete Tätigkeit vom 03.12.2001 bis 02.02.2008 nicht im Rahmen eines abhängigen dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO, § 193 SGG.
Der Streitwert war gemäß § 52 Abs. 2 GKG mit 5.000,00 EUR anzusetzen.
Rechtskraft
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