L 19 AS 479/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 (43) AS 156/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 479/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 90/12 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.01.2012 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin über geschütztes Grundeigentum i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) verfügt.

Die am 00.00.1953 geborene und mittlerweile geschiedene Klägerin ist seit 2001 Alleineigentümerin eines Hausgrundstücks in O, Gemarkung C, Flur 00, Flurstück 00. Das Grundstück ist 471 qm groß. Darauf befindet sich eine 1963 erbaute, vollunterkellerte Doppelhaushälfte mit Wintergarten und Garage. Im Erd- und Dachgeschoss befinden sich eigene Wohneinheiten mit Küche und Bad. Die Erdgeschosswohnung hat eine Wohnfläche von 70 qm, die Dachgeschosswohnung eine Wohnfläche von 59 qm (zusammen 129 qm).

Das Hausgrundstück stand ursprünglich im Eigentum der Eltern der Klägerin, die die Wohnung im Erdgeschoss bewohnten. Die Klägerin bewohnte seinerzeit zusammen mit ihrem früheren Ehemann und ihrer Tochter das Dachgeschoss. 2001 übertrugen die Eltern der Klägerin dieser das Grundstück, wobei zur Bestimmung der Kosten des Grundbuchamts von einem Wert von 210.000 DM ausgegangen wurde. Nunmehr bewohnt die Klägerin das Dachgeschoss allein. Das Erdgeschoss wird von der Tochter der Klägerin, deren Ehemann und deren mittlerweile drei Kindern bewohnt.

Auf dem Grundstück lastet eine Grundschuld über 75.000 EUR, die der Sicherung eines von der Tochter der Klägerin und deren Ehemann Ende 2007 aufgenommenen Darlehens in Höhe von 75.000 EUR dient. Das Darlehen wird in monatlichen Raten von 495,63 EUR getilgt. Zum 31.12.2011 bestand die Darlehensforderung noch in Höhe von 65.073,46 EUR.

Bis zum 11.11.2008 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Am 20.10.2008 beantragte sie Leistungen nach dem SGB II. Sie gab an, es lägen getrennte Haushalte vor. Das Darlehen habe der Renovierung des Hauses gedient. Sie steuere zu dessen Tilgung 220 EUR monatlich bei. Das Haus befinde sich in einem "normalen" baulichen Zustand. Der Beklagte teilte der Klägerin mit, es kämen nur darlehensweise Leistungen in Betracht, worauf die Klägerin um einen Ablehnungsbescheid bat.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.01.2009 ab. Die Klägerin verfüge über verwertbares Vermögen. Darlehensweise Leistungen würden nicht begehrt. Hiergegen legte die Klägerin am 19.01.2009 Widerspruch ein. Es lebten fünf Personen im Haushalt, im Hinblick auf die das Haus durchaus als angemessen anzusehen sei. Der Kredit werde nunmehr allein von der Tochter und deren Ehemann bedient. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2009 zurück. Bei Bodenpreisen von nicht unter 120 EUR/qm in O habe allein das Grundstück einen Wert von 55.000 EUR.

Die Klägerin bezieht seit September 2009 ein monatliches Einkommen, von im Schnitt anfänglich gut 300 EUR, mittlerweile knapp 500 EUR. Auf die mit Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 17.10.2012 eingereichte Aufstellung der Klägerin wird Bezug genommen.

Am 10.07.2009 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie hat vorgetragen, das Haus sei verwohnt gewesen. Neben Renovierungsarbeiten seien die Haustür und die Heizungsanlage erneuert worden. Für die Frage, ob verwertbares Vermögen vorliege, sei allein ihre Wohnung in den Blick zu nehmen. Soweit auf das ganze Haus abgestellt werde, müsse der Gesamtfläche die Zahl aller Hausbewohner gegenübergestellt werden. Insofern werde Bezug genommen auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.05.2009 - B 8 SO 7/08 R. Durch die Überlassung der Wohnung finde jedenfalls eine Verwertung statt. Ein ähnliches Hausgrundstück auf der gegenüberliegenden Straßenseite, das bereits vollständig saniert gewesen sei, habe über einen Zeitraum von über fünf bis sechs Jahren nicht veräußert werden können. Zwischenzeitlich sei ihr vom Ehemann ihrer Tochter finanziell geholfen worden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 09.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2009 aufzuheben und ihr Leistungen nach dem SGB II in jeweils gesetzlicher Höhe beginnend ab dem 12.11.2008 zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, es liege kein Nachweis über die Verwendung des Darlehens vor. Durch die erfolgte Renovierung sei eine Wertsteigerung eingetreten. Die Verwertung durch Verkauf sei die Regel. Es könne Wohnungseigentum gebildet und sodann die untere Wohnung verkauft werden. Eine Berücksichtigung der Familie der Tochter der Klägerin bei der Frage der Verwertbarkeit scheide aus, da weder eine Bedarfs- noch eine Haushaltsgemeinschaft vorliege.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Wertgutachtens des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Viersen. Ausweislich des Gutachtens, das nach einer Begehung des Hausgrundstücks und nach dem Ertragswertverfahren erstellt wurde, lag der Verkehrswert im Oktober 2008 bei 143.000 EUR, im Oktober 2009 bei 138.000 EUR und im Oktober 2010 bei 136.000 EUR.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27.01.2012 abgewiesen. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig, da sie über verwertbares Vermögen verfüge. Es liege kein angemessenes Hausgrundstück i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II vor. Die gesamte Wohnfläche sei im Hinblick auf die alleinstehende Klägerin unangemessen. Eine Einbeziehung der Familie der Tochter stelle eine Ungleichbehandlung gegenüber solchen Leistungsberechtigten dar, bei denen die Familie nicht mit im Haus wohne. Eine Einbeziehung der weder zur Bedarfs- noch zur Haushaltsgemeinschaft gehöhrenden Familie der Tochter sei im Gesetz nicht vorgesehen. Nach Abzug der Grundschuld bliebe ausgehend vom eingeholten Gutachten ein Betrag übrig, der immer noch deutlich über dem Freibetrag liege. Das Grundstück sei auch innerhalb von sechs Monaten verwertbar. Es werde Bezug genommen auf das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 01.06.2010 - L 6 AS 15/09. Es fänden sich im Internet mehrere Immobilienangebote für O. Das Hausgrundstück der Klägerin liege im Bereich der unteren Preisspanne. Zu bedenken sei außerdem der derzeit günstige Zinssatz für Immobilienkredite. Jedenfalls habe die Klägerin keinerlei Verkaufsbemühungen unternommen. Die Überlassung an die Tochter stelle keine Verwertung dar. Unterlagen über die Verwendung des Darlehens seien nicht vorgelegt worden. Die Verwertung stelle schließlich keine besondere Härte dar.

Gegen das am 28.02.2012 vom Sozialgericht versandte Urteil hat der Bevollmächtigte der Klägerin am 14.03.2012 Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, ihre Beteiligung an der Darlehensrate werde ihr derzeit von ihrer Tochter und deren Ehemann gestundet. Mit der Darlehenssumme seien in Höhe von 33.400 EUR Darlehen umgeschuldet worden, die bereits zuvor für Instandhaltungsmaßnahmen, insbesondere die Erneuerung der Heizung in 2005, eingesetzt worden seien. Viele Maßnahmen seien in Eigenleistung durchgeführt worden. Es lägen noch Rechnungen über Material in Höhe von 11.300 EUR und Rechnungen über Fremdleistungen in Höhe von 12.100 EUR vor. Es sei nicht ersichtlich, warum der Vermögensschutz im Bereich des SGB II geringer sein sollte als im Bereich des SGB XII. Der unterschiedliche Wortlaut von § 90 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) und § 12 SGB II sei daher nicht entscheidend. Im Fall eines Verkaufs mache sich die Klägerin gegenüber ihrer Tochter schadensersatzpflichtig. Bei fehlender Verwertbarkeit seien die Unterkunftskosten wegen der getrennten Haushalte nicht kopfteilig, sondern im Verhältnis der Wohnflächen anzusetzen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.01.2012 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2009 zu verurteilen, ihr ab dem 12.11.2008 Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zuschussweise zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, der vom Bundessozialgericht zum SGB XII entschiedene Fall - BSG Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 7/08 R - sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Dort habe insbesondere ein dinglich gesichertes Wohnrecht vorgelegen. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin sich gegenüber ihrer Tochter im Fall eines Verkaufs schadensersatzpflichtig mache. Weiter sei nicht nachgewiesen, dass das Darlehen ausschließlich der Erhaltung des Hausgrundstückes gedient habe. Immerhin seien 41.600 EUR an den Schwiegersohn ausgezahlt worden. Wegen der maßgeblichen Personen sei auf den Haushalt abzustellen.

Die Klägerin hat hierauf vorgetragen, die Frage des dinglich gesicherten Wohnrechts sei vom Bundessozialgericht im dort entschiedenen Fall nicht im Rahmen der Angemessenheit geprüft worden, sondern im Rahmen der Verwertbarkeit.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Viersen sowie zwei Stellungnahmen von ortsansässigen Maklern eingeholt, auf die Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig (vgl. BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 99/10 R = juris Rn 11). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.

Streitgegenstand sind nach nochmaliger Klarstellung seitens der Klägerin allein zuschussweise Leistungen nach dem SGB II (vgl. zur Beschränkung des Streitgegenstandes in einem solchen Fall BSG Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 99/11 R = juris Rn 12). In zeitlicher Hinsicht ist Streitgegenstand mangels zwischenzeitlichen weiteren Antrags der Zeitraum vom 12.11.2008 bis zum Tag der Entscheidung (vgl. BSG Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 45/06 R = juris Rn 28).

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert ist. Sie hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

Die Klägerin hat die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht, ist erwerbsfähig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II). Sie ist aber nicht hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II.

Hilfebedürftigkeit ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe sowie Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 6 SGB II). Vom Vermögen sind abzusetzen ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 EUR je vollendetem Lebensjahr (bei Personen, die vor dem 01.01.1958 geboren sind, maximal 9.750 EUR) und ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 EUR (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II).

Die Klägerin ist nicht hilfebedürftig, da sie mit dem in ihrem Eigentum stehenden Hausgrundstück über verwertbares Eigentum verfügt, das den ihr zustehenden Freibetrag übersteigt.

Das Hausgrundstück ist unangemessen i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II.

Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist von der Gesamtwohnfläche des Hauses von 129 qm auszugehen und nicht nur von den von der Klägerin bewohnten 59 qm. Dies folgt aus der Stellung der Klägerin als Alleineigentümerin des gesamten Hausgrundstücks (vgl. BSG Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 158/11 R, Rn 13; Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 99/11 R = juris Rn 16 ff.).

Diese Wohnfläche ist mit derjenigen Fläche zu vergleichen, die sich unter Berücksichtigung der maßgeblichen Anzahl an Personen aus dem Zweiten Wohnungsbaugesetz - II. WobauG - in der Fassung bis zum 31.12.2001 ergibt. Dabei kann in Abhängigkeit von der Personenzahl eine Erhöhung, aber auch eine Reduzierung der Fläche um 20 qm pro Person erfolgen, wobei immer mindestens von zwei Personen auszugehen ist (grundlegend BSG Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R, Rn 14 ff.). Im Fall eines Hausgrundstücks (in Abgrenzung zu Wohnungseigentum) bedeutet dies bei vier Personen 130 qm und mindestens 90 qm (vgl. BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 34/06 R = juris Rn 27).

Diese Flächen sind hier nicht etwa deshalb zu erhöhen, weil sich im Haus der Klägerin zwei Wohnungen befinden. Allerdings sah § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 II. WobauG bei Familienheimen mit zwei Wohnungen eine Grenze von 200 qm vor. Jedenfalls zum Bundessozialhilfegesetz - BSHG - war anerkannt, dass auch Wohngebäude mit zwei Wohnungen dem Schutz des § 88 BSHG unterfallen konnten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 09.02.2005 - 16 A 622/01 = juris Rn 4). Eine Förderung war aber nur dann vorgesehen, wenn die zweite Wohnung abgeschlossen war, § 39 Abs. 1 Satz 3 II. WobauG. Das ist hier ausweislich des dem eingeholten Gutachten beigefügten Grundrisses nicht der Fall. Unabhängig davon hat das Bundessozialgericht in vergleichbaren Fällen eine Anwendung von § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 II. WobauG nicht in Betracht gezogen (vgl. Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 158/11 R = juris Rn 13 und Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 7/08 R = juris Rn 19; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 01.06.2010 - L 6 AS 15/09 = juris Rn 26 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 09.05.2012 - L 12 AS 1464/11 = juris Rn 23).

Soweit auf die Klägerin allein abzustellen ist, übersteigt die tatsächliche Wohnfläche von 129 qm die dann als angemessen anzusehende Wohnfläche von 90 qm. Auch wenn wegen des früheren Zusammenwohnens mit dem früheren Ehemann und der Tochter weiter von drei Personen auszugehen sein sollte (vgl. hierzu BSG Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 99/11 R = juris Rn 19; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 12 Rn 71; Link in Sozialrecht aktuell 2007 S 8, 12), überstiege die tatsächliche Wohnfläche immer noch den dann als angemessen anzusehenden Wert von 110 qm. Dies gilt auch dann noch, wenn die Fläche von 110 qm um 10% erhöht würde (vgl. hierzu BSG Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R = juris Rn 23; Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 7/08 R = juris Rn 19).

Eine Einbeziehung auch der Familie der Tochter der Klägerin, die im Erdgeschoss eine eigene Wohnung bewohnt, kommt dagegen nicht in Betracht.

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat die Frage, ob Angehörige, die in einer eigenen Wohnung im selben Haus leben, in die Beurteilung der Angemessenheit mit einzubeziehen sind, offengelassen (vgl. Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 158/11 R = juris Rn 13). Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat in einem solchen Fall sämtliche Angehörigen mit einbezogen und dort entsprechend die Angemessenheit des Hausgrundstücks bejaht (vgl. Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 7/08 R = juris Rn 18): "Andererseits sind die Eltern der Klägerin Angehörige iS des § 16 Abs 5 Nr 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X)), an dem sich die Auslegung des Begriffs des Angehörigen orientieren kann (vgl dazu in anderem Zusammenhang BSGE 91, 221 ff = SozR 4-4300 § 147 Nr 1, jeweils RdNr 16). Die fünf Personen (Kläger zu 1, Kinder, Eltern) sollen auch nach dem Tod der Klägerin zu 2 das Haus bewohnen."

Nach Auffassung des Senats ist im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf diejenigen Personen abzustellen, mit denen der Leistungsberechtigte in Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft i.S.v. §§ 7 Abs. 3; 9 Abs. 5 SGB II steht (so auch Mecke aaO; Link aaO S 12; vgl. auch Beschluss des Senats vom 15.03.2012 - L 19 AS 2003/11 B). Zwischen der Klägerin und der Familie der Tochter besteht keine solche Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft.

Einzubeziehen sind darüber hinaus Personen, mit denen der Leistungsberechtigte in einem Haushalt lebt - ohne dass eine Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft vorliegt - und bei denen eine Einbeziehung aufgrund gesetzgeberischer Wertentscheidungen außerhalb des SGB II geboten ist. So hat der 7b Senat des BSG (Urteil vom 29.03.2007 - B 7b AS 12/06 R = juris Rn 23) ausgeführt: "Auch wenn die beiden Pflegekinder nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörten, waren sie im Hinblick auf die dargestellte Zwecksetzung des SGB VIII, die Aufnahme von Pflegekindern in Pflegefamilien zu fördern, beim Wohnbedarf zu berücksichtigen." Die Formulierung legt nahe, dass die Einbeziehung von Pflegekindern eine Ausnahme von der Regel darstellt (so wohl auch Radüge in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 12 Rn 132; zu weitgehend demnach Striebinger in Gagel, SGB II/III, Stand: April 2012, § 12 SGB II Rn 80). Hier liegt weder ein gemeinsamer Haushalt noch ein besonderer gesetzlicher Zweck vor, der wie im Fall der Pflegekinder eine Einbeziehung weiterer Personen erforderte.

Der Verweis der Klägerin auf § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Vorschrift unterscheidet sich bereits nach ihrem Wortlaut deutlich von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Der Gesetzgeber hat sich mit § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II gegen eine Angleichung dieser aus der Arbeitslosenhilfe übernommenen Vorschrift (vgl. auch BT-Drs 15/1516 S 46) an das Sozialhilferecht entschieden (vgl. BSG Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R = juris Rn 14, 16; Link aaO S 9). Soweit die Klägerin vorträgt, das SGB II sehe im Vergleich zum SGB XII einen umfassenderen Vermögensschutz vor, weswegen das Gesetz in ihrem Sinne auszulegen sei, überzeugt dies nicht. Der 7b Senat betont, dass der Verzicht auf die Anwendung der sogenannten Kombinationstheorie des Sozialhilferechts eine Privilegierung darstelle, "soweit" der Sozialhilfebezieher eine von der Größe her angemessene Immobilie allein wegen deren unangemessenen Wertes verwerten müsse (Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R = juris Rn 16).

Für eine Maßgeblichkeit der Bedarfs- bzw. Haushaltsgemeinschaft und allenfalls eines gemeinsamen Haushalts spricht der Vergleich mit demjenigen Leistungsberechtigten, der ein vergleichbares Hausgrundstück in Wohnungseigentum umgewandelt hat. Hier dürfte unstreitig eine Verwertung des nicht selbst, sondern von Dritten - auch von Verwandten - bewohnten Wohnungseigentums gefordert werden mit der Folge fehlender Hilfebedürftigkeit. Es ist nicht ersichtlich, warum bei fehlender Teilung die Frage der Hilfebedürftigkeit anders zu beurteilen sein sollte. Gleiches gilt für den Fall eines vom Leistungsberechtigten bewohnten und in seinem Alleineigentum stehenden Mehrparteienhauses. Auch hier kann es für die Frage der Hilfebedürftigkeit nicht darauf ankommen, ob eine oder mehrere der nicht selbst bewohnten Wohnungen von Verwandten bewohnt werden. Das grundsätzliche Abstellen auf die Bedarfs- und Haushaltsgemeinschaft fügt sich zudem in die Systematik des SGB II ein, das für Fragen der Einkommens- und Vermögensanrechnung in § 9 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 SGB II eben auf diese Gemeinschaften abstellt. Wenn im Rahmen dieser Gemeinschaften eine Anrechnung von Einkommen und Vermögen erfolgt, sind Mitglieder dieser Gemeinschaften umgekehrt zugunsten des Leistungsberechtigten bei der Bestimmung der Angemessenheit eines Hausgrundstücks zu berücksichtigen. Eine weitere Ausdehnung dieses Personenkreises ist unter Berücksichtigung der Subsidiarität der Leistungen nach dem SGB II - mit den o.g. Ausnahmen - nicht geboten.

Das Hausgrundstück ist auch verwertbar i.S.v. § 12 Abs. 1 SGB II.

Vermögen ist verwertbar, wenn es verbraucht, übertragen oder belastet werden kann. Der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch nach den rechtlichen Verhältnissen (ständige Rechtsprechung, zuletzt BSG Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 158/11 R = juris Rn 15 m.w.N.). Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensgegenstände, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder weil sie - wie beispielsweise Grundstücke in Folge sinkender Immobilienpreise - über den Marktwert hinaus belastet sind (BSG Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 99/11 R = juris Rn 21 m.w.N.).

Das Hausgrundstück der Klägerin ist nach vorstehenden Kriterien zur Überzeugung des Senats marktgängig. Der Senat folgt dem Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Viersen vom 16.11.2010, der nach den Maßgaben der Wertermittlungsverordnung - WertV - (vgl. hierzu BSG Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R = juris Rn 39) unter Anwendung des Ertragswertverfahrens einen Verkehrswert im Oktober 2008 von 143.000 EUR ermittelte. Die Belastung von allenfalls 75.000 EUR lag und liegt deutlich unter dem Verkehrswert, der nach der ergänzenden Stellungnahme des Gutachterausschusses für Oktober 2012 noch mit gut 130.000 EUR angegeben wird.

Maßstab für die Verwertbarkeit ist grundsätzlich ein Zeitraum von sechs Monaten ist (vgl. BSG Urteile vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R und vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R und 06.12.2007 - B 14/7b AS 46/06 R; a.A. jedenfalls im Fall von Grundeigentum LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 01.06.2010 - L 6 AS 15/09 = juris Rn 40). Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass nicht innerhalb von sechs Monaten das Grundstück verwertbar war. Soweit die Klägerin vorträgt, ein auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindliches und vergleichbares, aber schon saniertes Haus habe über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren nicht verkauft werden können, ist dieser Vortrag weder hinreichend substantiiert noch glaubhaft gemacht. Laut dem eingeholten Gutachten liegt auf der anderen Straßenseite zudem ein Gartenbaubetrieb. Nach der schriftlichen Stellungnahme der G Immobiliengesellschaft mbH sind Doppelhaushälften in der Hubertusstraße aktuell innerhalb von drei bis sechs Monaten zu einem Preis von 136.000 - 140.000 EUR veräußerbar. In den Jahren 2008 und 2009 hätte ein Preisabschlag von 5.000 EUR in Kauf genommen werden müssen. Ob mit der Tochter der Klägerin und deren Familie ein Mietverhältnis bestand, kann dahinstehen. Ein solches begründete weder ein tatsächliches noch nach § 566 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB ein rechtliches Verwertungshindernis.

Die Verwertung des Hausgrundstücks stellt schließlich keine besondere Härte i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II dar.

Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 1. Alt SGB II liegt vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstands steht. Dazu ist der Verkaufspreis dem Substanzwert gegenüberzustellen. Bei der Verwertung von Immobilien lässt sich aber - anders als möglicherweise bei anderen Gegenständen - eine absolute Grenze für ein deutliches Missverhältnis nicht ziehen. Auch können marktgängige Wertschwankungen bei Immobilien eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit nicht begründen. Entsprechend der Rechtsprechung zum Recht der Arbeitslosenhilfe ist daher Prüfungsmaßstab bei der Verwertung von Immobilienvermögen, ob dieses nur mit erheblichen wirtschaftlichen Verlusten veräußert werden kann (BSG Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 99/11 R = juris Rn 23 f. m.w.N.). Anhaltspunkte für einen erheblichen wirtschaftlichen Verlust liegen nicht vor. 2001 wurde dem Hausgrundstück von der Klägerin und ihren Eltern ein Wert von lediglich 210.000 DM = 107.371 EUR beigemessen. Die nachgewiesenen Aufwendungen für die zwischenzeitlichen Renovierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen liegen bei 23.400 EUR. Auch bei Berücksichtigung des vollen Darlehensbetrags von 75.000 EUR läge im Vergleich zum Verkehrswert von 143.000 EUR im Oktober 2008 und gut 130.000 EUR im Oktober 2012 zur Überzeugung des Senats noch kein erheblicher wirtschaftlicher Verlust vor. Das gleiche gilt, wenn dem Verkehrswert nach dem Ertragswertverfahren der Verkehrswert nach dem Sachwertverfahren (2008: gut 137.000 EUR, 2012: gut 153.000 EUR) gegenübergestellt würde. Selbst wenn ein deutliches Missverhältnis festgestellt werden könnte, stünde der Annahme einer besonderen Härte entgegen, dass die Klägerin das Grundstück unentgeltlich erlangt hat (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 09.05.2012 - L 12 AS 1464/11 = juris Rn 27).

Eine besondere Härte i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 2. Alt SGB II setzt, da nur außergewöhnliche Umstände maßgebend sind, die nicht schon durch die ausdrücklichen gesetzlichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden, solche Gegebenheiten voraus, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen, als eine einfache Härte und die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (BSG Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 99/11 R = juris Rn 28 m.w.N.). Unabhängig davon, ob die Höhe des im Fall einer Verwertung verbleibenden Betrags überhaupt eine Rolle spielt (dagegen LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 01.06.2010 - L 6 AS 15/09 = juris Rn 43), bliebe hier auch nach Abzug der dinglich gesicherten Darlehensschuld ein erheblicher Betrag übrig. Abgesehen davon, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Entscheidung das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist die Nähe zum Renteneintrittsalter allein ebenfalls nicht ausreichend (vgl. BSG Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 35/08 R = juris Rn 20 mit Verweis auf BT-Drs 15/1749 S 32 zur Verwertung von Kapitallebensversicherungen; vgl. auch BSG Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 66/06 R = juris Rn 24 und Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 2/09 R = juris Rn 26 zur Ablehnung einer besonderen Härte wegen Kurzzeitigkeit des Leistungsbezugs). Auch aus der möglicherweise bestehenden Pflicht zum Verkauf des Hausgrundstücks als einziger die Hilfebedürftigkeit ausschließender Verwertungsform ergäbe sich keine besondere Härte (vgl. BSG Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 99/11 R = juris Rn 28). Schließlich sieht der Senat keine "besondere" Härte darin, dass die Klägerin im Fall eines Verkaufs das elterliche Hausgrundstück nicht für ihre Tochter würde erhalten können.

Das mit dem Hausgrundstück zur Verfügung stehende Vermögen übersteigt den der Klägerin zustehenden Freibetrag nach § 12 Abs. 2 SGB II deutlich. Ausgehend von dem zuletzt festgestellten Verkehrswert nach dem Ertragswertverfahren von gut 130.000 EUR verbliebe selbst bei Abzug der vollen anfänglichen Darlehenssumme von 75.000 EUR ein Betrag von 55.000 EUR, während sich der Freibetrag auf (nunmehr 59 x 150 EUR = 8.850 EUR + 750 EUR = 9.600 EUR) beläuft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil der Senat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Rechtskraft
Aus
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