L 11 KR 3548/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 6256/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3548/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Transport des Eigenblutkonzetrats von der entnehmenden Stelle (Blutbank) zum operierenden Krankenhaus ist Teil der präoperativen Eigenblutgewinnung und gehört wie diese zur Krankenhausbehandlung. Steht fest, dass ein Versicherter Anspruch auf eine bestimmte Leistung (hier: Transport des Eigenblutkonzentrats) hat und ist lediglich zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhaus umstritten, ob diese Leistung mit der Zahlung der Krankenhausvergütung abgegolten ist, muss dieser Streit im Verhältnis zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhausträger geklärt werden. Der Versicherte hat einen Anspruch nur gegen die Krankenkasse, die ggf. in Vorleistung treten muss.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.07.2011 und der Bescheid der Beklagten vom 10.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2010 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 289,00 EUR zu zahlen.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren trägt die Beklagte. Im Übrigen haben die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Frage, wer die Kosten in Höhe von 289,00 EUR für den Transport von Eigenblutkonserven von S. nach D. zu tragen hat.

Die bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin unterzog sich am 02.03.2010 im Klinikum der Beigeladenen zu 1) in D. wegen einer Hüftdysplasie einer 3-fach Beckenosteotomie. Obwohl die Klägerin im Landkreis W. in Baden-Württemberg wohnt, handelte es sich beim Klinikum der Beigeladenen zu 1) nach übereinstimmender Auffassung der Klägerin und der Beklagten um das nächsterreichbare geeignete Krankenhaus iSd § 73 Abs 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Da die Gefahr bestand, dass die Operation mit einem größeren Blutverlust einhergeht, wies die Klinik die Klägerin in einem Merkblatt darauf hin, dass der Verbrauch von Fremdblutkonserven eingeschränkt oder ganz darauf verzichtet werden könne, wenn die Klägerin zuvor 2- oder 3-mal je 500 ml Eigenblut spendet. Die Klägerin machte von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die Blutabnahme erfolgte am 08. und 15.02.2010 im K.hospital in S ... Die Beigeladene zu 1) forderte über ihr Institut für Transfusionsmedizin die Blutspende beim K.hospital S. unter Verwendung eines Formblatts an. Darin wird gebeten, die Rechnung für die Blutkonserven "bis max. 150 EUR pro Entnahme" an das Institut zu überweisen. Den Transport der Konserven und die hieraus entstehenden Kosten übernehme die Patientin bzw deren Krankenkasse. Die Eigenblutkonserve wurde von der Firma des Beigeladenen zu 2) von S. nach D. transportiert. Die Klägerin erhielt vom Beigeladenen zu 2) einen Kostenvoranschlag, eine Rechnung vom 28.01.2010 über 289,00 EUR (inkl 19% MWSt) für den Transport und einen Fahrauftrag. Der Transport der Blutkonserven durch den Beigeladenen zu 2) erfolgte erst, nachdem die Klägerin den von ihr unterschriebenen Fahrauftrag wieder dem Beigeladenen zu 2) übersandt und die Transportkosten auf ein Konto des Beigeladenen zu 2) überwiesen hatte.

Am 02.02.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage der Rechnung des Beigeladenen zu 2) die Erstattung der Transportkosten. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.02.2010 ab. Sämtliche im Zusammenhang mit einer Eigenblutspende entstehenden Aufwendungen gingen zu Lasten der operierenden Klinik und seien mit der Übernahme der Krankenhauskosten (DRG) abgegolten. Dies gelte auch für die Kosten eines möglicherweise erforderlichen Eigenbluttransportes. Eine separate Kostenerstattung müsse daher ausscheiden.

Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin am 26.02.2010 Widerspruch ein. Sie machte geltend, die Auffassung der Beklagten sei unrichtig. Die Transportkosten für Eigenblutkonserven seien nicht mit der Fallpauschale des operierenden Krankenhauses abgegolten. Nach § 2 Abs 2 Nr 2 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) seien nur vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter über die Fallpauschalen abgegolten. Ein Auftrag oder eine Veranlassung des Eigenbluttransports durch das Krankenhaus (Beigeladene zu 1) liege hier jedoch nicht vor. Der Auftrag sei vielmehr von ihr als Patientin an das Transportunternehmen erteilt worden. Bei dem Eigenblut handele es sich um ihr Eigentum und nur sie könne deshalb einen solchen Transportauftrag erteilen. Rechtsgrundlage für die Erstattung der Transportkosten sei § 60 SGB V. Der Widerspruchsausschuss II der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2010 als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Transport von Eigenblutkonserven vom K.hospital S. zum Klinikum D. bestehe nicht. Zum Anspruch auf Krankenhausbehandlung gehöre auch, dass die notwendigen Blutkonserven während der Operation zur Verfügung stünden. Diese Pflicht treffe das behandelnde Krankenhaus als Leistungserbringer. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich um Fremdblutkonserven oder zuvor gespendetes Eigenblut handele. Die Transportkosten für das Eigenblut seien durch die Kostentragung der Beklagten für den stationären Aufenthalt abgegolten. Für eine gesonderte Erstattung des Eigenbluttransportes fehle es an einer Rechtsgrundlage. Ein solcher Anspruch folge auch nicht aus § 60 SGB V. Der Begriff der Fahrkosten in dieser Vorschrift umfasse nur die Kosten für die Verbringung des Versicherten selbst zum Behandlungsort. Der Transport von Gegenständen wie Eigenblutkonserven falle nicht unter diese Regelung. § 60 SGB V normiere abschließend Tatbestände, die eine Kostentragung auslösen können. Dort nicht aufgeführte Konstellationen könnten keinen Anspruch auf Kostenerstattung begründen.

Am 06.12.2010 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, Anfang März 2010 habe sie sich im Klinikum D. einer speziellen Hüftoperation unterziehen müssen, die aufgrund der besonderen Operationsmethode von einem zu ihrem Wohnort näher gelegenen Krankenhaus nicht angeboten werde. Wegen des zu erwartenden Blutverlustes sei eine präoperative Eigenblutspende empfohlen worden, die aufgrund der großen Entfernung zwischen Wohn- und Operationsort wohnortnah im K.hospital S. durchgeführt werden sollte. Bei dem Klinikum der Beigeladenen zu 1) in D. handele es sich unbestritten um die nächsterreichbare geeignete Behandlungsmöglichkeit für das bei ihr vorliegende Krankheitsbild. Es existiere im SGB V zwar keine Rechtsvorschrift zur Erstattung von Transportkosten für Eigenblutkonserven, wenn diese wie in ihrem Fall vorab in einer wohnortnahen Blutbank in mehreren Sitzungen dem Körper des Patienten entnommen und durch ein professionelles medizinisches Transportunternehmen in einem einmaligen Sammeltransport an den Ort der Operationsklinik transportiert würden. Hierbei greife der Grundsatz der Schadensminderungspflicht des Versicherten und die Erfüllung des Wirtschaftlichkeitsgebotes der Krankenkasse gemäß den §§ 2, 12 und 70 SGB V. Nach diesen Vorschriften dürften nicht mehr Kosten und Ausgaben produziert werden als unbedingt zwingend erforderlich. Wenn demnach die Krankenkasse gemäß § 60 SGB V im Rahmen der Fahrtkostenerstattung gezwungen sei, ihr ihre Reisekosten für mehrere Hin- und Rückfahrten zuzüglich aufgrund der großen Entfernung eventuell erforderlicher Übernachtungskosten zu bezahlen, so sei sie nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet, die geringeren Kosten für den einmaligen Sammeltransport der fertigen Eigenblutkonserven zu übernehmen. Nach den geltenden Transfusionsgesetzen sei ein Patienteneigentransport nicht zulässig und somit nicht möglich, da es sich bei Blutkonserven um ein temperatursensibles Transportgut handele, welches in geeigneten Transportbehältnissen gekühlt, temperaturkontrolliert und versichert an den Ort der Operation transportiert werden müsse. Hierzu sei sie als medizinischer Laie nicht in der Lage. Im Übrigen habe die Beklagte bereits mehrfach Eigenbluttransporte ihrer Versicherten bezahlt und Kosten an die Firma des Beigeladenen zu 2) überwiesen. In den Jahren von 2006 bis 2008 habe die Beklagte sogar ein Generalabkommen mit dem Unternehmen des Beigeladenen zu 2) unterhalten, aufgrund dessen für derartige Transporte noch nicht einmal ein gesonderter Antrag habe gestellt werden müssen. Die Beklagte habe die Leistungen direkt an die Firma bezahlt. Die Kosten für die Entnahme, Herstellung und Lagerung des Eigenblutes seien zwar schon in den Fallpauschalen der Operationskliniken enthalten, dies gelte aber nur, wenn die Eigenblutspende im eigenen Haus geleistet werde. Nicht in diesen Kosten enthalten seien die Kosten für den Transport der Konserven an den Operationsort.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.07.2011 abgewiesen und im Tenor der Entscheidung die Berufung zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung von 289,00 EUR für den Transport ihrer Blutkonserven von S. nach D. am 01.03.2010 zu. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 60 SGB V iVm § 13 Abs 3 SGB V. Der Kostenerstattungsanspruch scheitere allerdings nicht bereits daran, dass ein kausaler Zusammenhang aufgrund verspäteter Antragstellung der Klägerin bzw fehlenden Abwartens einer Entscheidung der Beklagten durch die Klägerin fehle. Die Klägerin sei nicht bereits im Zeitpunkt des Zugangs des Bescheides der Beklagten vom 10.02.2010 bei ihr zur Zahlung des hier begehrten Betrages verpflichtet gewesen. Sie habe zwar bereits am 08.02.2010 Eigenblut mit dem Ziel gespendet, dieses nach D. transportieren zu lassen. Es sei ihr zu diesem Zeitpunkt aber noch möglich gewesen, das entnommene Blut zur Verwendung bei fremden Menschen freizugeben und damit von ihrem Ziel Abstand zu nehmen, das Blut sich selbst wieder zuführen zu lassen. Sie sei auch der Firma des Beigeladenen zu 2) gegenüber am 10.02.2010 noch keine abschließende Verbindlichkeit eingegangen. Nach der Vereinbarung zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 2) habe dessen Firma den Transport nur durchführen sollen und die Zahlungspflicht der Klägerin erst endgültig werden lassen, wenn die Klägerin zuvor den geforderten Betrag gezahlt habe. Die Klägerin habe es also im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten noch in der Hand gehabt, ihre endgültige Zahlungsverpflichtung gegenüber der Firma des Beigeladenen zu 2) abzuwenden. Der Klägerin habe aber kein Sachleistungsanspruch gegen die Beklagte auf eine isolierte Übernahme der Kosten für den Transport ihres Eigenbluts von S. nach D. zugestanden. Die Voraussetzungen des § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V lägen hier erkennbar nicht vor. Die Klägerin begehre nicht die Übernahme der Kosten für ihre Fahrt zur stationären Behandlung nach D., denn diese habe die Beklagte ihr bereits erstattet. Eine stationäre Behandlung in S. habe nicht stattgefunden. Vielmehr dienten die Blutentnahme in S. und der Transport des Eigenbluts der Vorbereitung der stationären Aufnahme in D. am 02.03.2010. Eine Übernahme der Transportkosten als Fahrtkosten nach § 60 Abs 1 iVm § 133 SGB V scheitere unabhängig von der Frage, ob § 60 Abs 1 SGB V überhaupt über den Katalog des § 60 Abs 2 und Abs 1 Satz 3 iVm den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses hinaus Möglichkeiten der Fahrkostenerstattung eröffne, daran, dass die Firma des Beigeladenen zu 2) auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin kein Leistungserbringer sei, mit dem im maßgeblichen Zeitraum Januar bis März 2010 Verträge im Sinne des § 133 SGB V abgeschlossen worden seien. Eine landesrechtliche Zulassung der Firma des Beigeladenen zu 2) sei ebenfalls nicht ersichtlich. Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V lägen nach dem insofern eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht vor. Zwar sei der Klägerin in S. Blut zur Vorbereitung auf die stationäre Behandlung in D. im Sinne des § 115 a Abs 1 Nr 1 SGB V entnommen und nach D. transportiert worden. § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V sei nach seinem eindeutigen Wortlaut jedoch nur auf Fahrten des Versicherten anwendbar. Die Klägerin selbst sei aber nicht mit dem B. von S. nach D. gefahren. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten in analoger Anwendung des § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V. Die entsprechende Anwendung einer Vorschrift setze das Vorliegen einer planwidrigen Lücke voraus. Daran fehle es hier. Der Transport von Körperbestandteilen zur Vorbereitung einer stationären Behandlung gemäß § 115a SGB V sei anderweitig geregelt. Das Bundessozialgericht (BSG) habe überdies bereits durch Urteil vom 22.06.1994 entschieden, dass die präoperative Eigenblutentnahme der Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs 1 Satz 3 SGB V zuzuordnen sei, also eine Krankenhausleistung darstelle. Wenn eine Eigenblutspende nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sei, habe das Krankenhaus eine solche Eigenblutspende zu veranlassen. Fielen der Ort der Operation und der Ort der Eigenblutentnahme auseinander und gebe es aus Sicht der operierenden Ärzte medizinisch zwingende Gründe, die die Eigenblutentnahme an einen anderen Ort als dem der Operation notwendig machen, so hätten die Krankenhausärzte auch dies zu veranlassen, einschließlich des Transports der Eigenblutkonserve vom Ort der Entnahme zum Ort der Operation. Es handele sich dann sowohl bei der Blutentnahme als auch bei dem Transport um vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter, die gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 und Satz 2 Nr 2 KHEntgG bzw Bundespflegesatzverordnung allgemeine Krankenhausleistungen sind, die durch die vereinbarte Vergütung durch die Krankenkasse des versicherten Patienten abgegolten würden. Dies gelte sowohl für die Eigenblutentnahme selbst als auch für einen vom Krankenhaus veranlassten weil medizinisch notwendigen Transport. Für eine gesonderte Abrechnung/Kostenerstattung der Aufwendungen für den Eigenbluttransport gegenüber dem Versicherten fehle es in einem solchen Fall notwendiger, vom Krankenhaus veranlasster Leistungen Dritter an einer rechtlichen Grundlage.

Am 19.08.2011 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen und trägt ergänzend vor, die Auffassung des SG sei unzutreffend. So habe das Sozialgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 31.03.2009 (Az S 4 KR 163/07) ausdrücklich einen Anspruch auf Kostenübernahme nach § 39 Abs 1 Satz 3 iVm § 60 SGB V bejaht und zudem ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei dem Transport um Körperbestandteile handele, die der Sphäre der Transportkosten des Versicherten gemäß § 60 SGB V zuzurechnen seien. Sie habe den Beschaffungsweg eingehalten und nach Erhalt des Ablehnungsbescheides den Transport rechtzeitig zu ihrem Operationstermin durchführen lassen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG habe sie dem Gericht eine Stellungnahme des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhauswesen (InEK) aus dem Jahr 2007 vorgelegt. Darin werde klargestellt, dass Transportkosten von Eigenblutkonserven im Kalkulationshandbuch nicht berücksichtigt und diese somit nicht in dem von den Kliniken beanspruchten Fallpauschalen und allgemeinen Krankenhauskosten enthalten seien. Diesen Nachweis habe das SG zwar entgegen-, nicht jedoch zur Kenntnis genommen. Das SG unterscheide auch nicht hinreichend deutlich zwischen Spende und Transport von Eigenblutkonserven, Der Vorgang der Eigenblutspende sei unstreitig eine Leistung der Operationsklinik und umfasse regelmäßig Entnahme, Aufbereitung und Einlagerung der Eigenblutkonserven. Dies seien exakt die drei Tätigkeiten, die auch die Operationsklinik erbracht hätte, wenn die Berufungsklägerin sich präoperativ zur Eigenblutspende direkt in die D. Klinik begeben hätte. Hiervon abzugrenzen sei der Eigenbluttransport. Diese Leistung diene der Überbrückung der Strecke vom Spendeort zur Operationsklinik.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.07.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 289,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.07.2011 zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend. Aufgrund einer fehlenden Anspruchsgrundlage bestehe der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht.

Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag.

Ihrer Ansicht nach ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die geltend gemachten Kosten zu erstatten. Es handele sich bei dem Transport des Eigenbluts nicht um Leistungen, die sie veranlasst habe. Patienten, die weiter weg wohnen, erhielten nur den Hinweis, dass für sie grundsätzlich die Möglichkeit bestehe, in der Nähe ihres Heimatortes Blut zu spenden und die so erzeugten Eigenblutkonserven im Vorfeld der anstehenden Operation durch spezialisierte Transportunternehmen zur Klinik bringen zu lassen. Entscheide sich der Patient für eine Spendenabgabe bei einer weiter entfernt liegenden Blutbank, übernehme sie zugleich die Vermittlung einer passenden Blutbank vor Ort. Dies geschehe allerdings erst dann, wenn der Patient eine Kostenzusage seiner Krankenkasse für die Transportkosten beigebracht oder erklärt habe, für diese Kosten selbst aufzukommen. Es sei für sie nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte die Fahrkosten der Klägerin zum Klinikum nach D. erstattet hätte, aber nicht die Kosten für den Transport von Körperbestandteilen der Versicherten übernehmen wollte.

Der Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag.

Der Beigeladene zu 2) trägt vor, die Transportkosten seien von der Klägerin vor Durchführung des Transports an ihn überwiesen worden. Im Jahr 2009 habe er die Abläufe in seinem Unternehmen dahingehend umgestellt, dass er ein System ähnlich dem der Bahn und der Fluggesellschaften eingeführt habe. Danach müsse sich der Patient vor Durchführung des Transportes quasi eine "Fahrkarte" für sein Blut kaufen und auch vollständig bezahlen. Erst wenn der unterschriebene Fahrauftrag vorliege und das Geld auf dem Konto eingegangen sei, werde der Transport durchgeführt. So sei es auch im Fall der Klägerin gewesen. Dies ändere nichts daran, dass die Klägerin den Beschaffungsweg eingehalten habe. Des Weiteren stimme er der Klägerin in ihren Ausführungen in der Berufungsschrift vollumfänglich zu. Die Klägerin habe die Kernpunkte der Fehler in dem erstinstanzlichen Urteil ausführlich ausgearbeitet und verständlich dargestellt. Ferner weise er darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Eigenblutkonserve auch nach der Spende Eigentum des Spenders bleibe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sacherhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der 289,00 EUR, die sie für den Transport des Eigenbluts am 01.03.2010 von S. nach D. an den Beigeladenen zu 2) gezahlt hat.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V. Die Rechtsnorm bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (Alternative 1) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (Alternative 2) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Beide Alternativen setzen voraus, dass der Versicherte einen Anspruch auf die Leistung hat. Denn der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl BSG 06.03.2012, B 1 KR 10/11 R, SozR 4-1100 Art 3 Nr 69 mwN). Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V).

Die präoperative Eigenblutgewinnung gehört zur Krankenhausbehandlung. Sie wird ausschließlich aus Anlass und zur Vorbereitung einer Operation durchgeführt und steht mit dieser in engem zeitlichen Zusammenhang. Der Zuordnung der präoperativen Eigenblutspende, die unter der Verantwortung eines Krankenhausarztes im Hinblick auf eine bevorstehende operative Behandlung durchgeführt wird, zur stationären Behandlung kann nicht entgegengehalten werden, dass die Eigenblutspende ambulant erbracht wird, also vor der stationären "Aufnahme" (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) des Versicherten in das Krankenhaus vorgenommen wird. In Fällen der vorliegenden Art erweist sich die stationäre Aufnahme nicht als maßgebliches Kriterium für die Zuordnung zur ambulanten oder stationären Versorgung der Versicherten (BSG 22.06.1994, 6 RKa 34/93, BSGE 74, 263). Zur Eigenblutgewinnung gehört auch der Transport des Eigenblutkonzentrats von der entnehmenden Stelle (Blutbank) zum operierenden Krankenhaus, wenn die Eigenblutentnahme ausnahmsweise nicht in dem Krankenhaus erfolgt, in dem die Operation durchgeführt wird. In diesem Fall sind sowohl die Blutentnahme als auch der Transport des Eigenblutkonzentrats Teil der vollstationären Behandlung im Klinikum der Beigeladenen zu 1) und deshalb mit der Vergütung der Krankenhausbehandlung abgegolten. Die Zuordnung der Transportkosten zur (vor- bzw voll)stationären Behandlung schließt die Annahme aus, dass es sich um eine von der Beigeladenen zu 1) veranlasste Leistung eines Dritten (§ 2 Abs 2 KHEntgG) handeln könnte (BSG 28.02.2007, B 3 KR 17/06, SozR 4-2500 § 39 Nr 8 RdNr 23). Deshalb ist unerheblich, dass das Klinikum dem Beigeladenen zu 2) keinen konkreten Transportauftrag erteilt hat. Gleiches gilt, wenn die präoperative Eigenblutspende seit 01.01.2003 nicht mehr der vollstationären Versorgung, sondern der vorstationären Versorgung (§ 115a SGB V) zugerechnet werden müsste. Auch die vorstationäre Behandlung ist Teil der Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs 1 SGB V).

Außerdem sind Eigenblutzubereitungen, die - wie im vorliegenden Fall - dazu bestimmt sind, dem Spender im Bedarfsfall bei einer nachfolgenden Operation wieder zugeführt zu werden, Arzneimittel iSd §§ 2 Abs 1 Nr 1, 4 Abs 2 Arzneimittelgesetz (AMG; vgl BVerwG 11.06.1997, 3 B 130/96, juris = NJW 1999, 882 nur Leitsatz) und die Versorgung mit Arzneimitteln ist Bestandteil der Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs 1 Satz 3 SGB V).

Den Anspruch der Klägerin auf Krankenhausbehandlung hat die Beklagte nicht vollständig erfüllt. Nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen grundsätzlich als Sachleistung. Da im vorliegenden Fall gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, den notwendigen Transport des Eigenblutkonzentrats als Sachleistung zu erbringen. Hierzu war die Beklagte nicht in der Lage. Damit hat sie eine Leistung - den Transport des Eigenblutkonzentrats als Bestandteil der Krankenhausbehandlung - zu Unrecht abgelehnt (Fall des Systemversagens). Die Regelung in § 13 Abs 3 SGB V hat den Zweck, den Versicherten so zu stellen, wie er bei Gewährung einer Sachleistung stehen würde (BSG 04.04.2006, B 1 KR 5/05 R, NZS 2007, 84). Zwar könnte die Anforderung der Eigenblutspende durch das operierende Krankenhaus bei einem wohnortnahen Krankenhaus auch als eine vom operierenden Krankenhaus veranlasste Leistung Dritter iSd § 2 Abs 2 KHEntgG gewertet werden. Dafür spricht hier, dass die Beigeladene zu 1) die Blutspende beim K.hospital angefordert hat. Dagegen spricht aber, dass sie gleichzeitig eine Übernahme der Transportkosten ausdrücklich abgelehnt hat. Hinzu kommt, dass die Klägerin aufgrund des vom Beigeladenen zu 2) praktizierten Geschäftsmodells, Leistungen nur gegen Vorkasse zu erbringen, faktisch gar keine andere Wahl hatte, als diesem einen Transportauftrag zu erteilen. Selbst wenn die Beigeladene zu 1) verpflichtet gewesen wäre, den Transport der Eigenblutkonserven beim Beigeladenen zu 2) in Auftrag zu geben, ändert dies nichts daran, dass sie dies ausdrücklich nicht getan hat. Damit hat sie die Klägerin gezwungen, einen Teil der Behandlungskosten vorzufinanzieren. Dieses Verhalten der Beigeladenen zu 1) ist der Beklagten zuzurechnen.

Die Beklagte kann im vorliegenden Fall nicht einwenden, dass sie den Anspruch der Klägerin auf Krankenhausbehandlung durch die Zahlung der dem Krankenhaus zustehenden Vergütung erfüllt hat. Zwar spricht einiges dafür, dass die Krankenhausvergütung auch den hier streitigen Transport der Eigenblutkonserven umfasst. Die ärztliche Behandlung, die Krankenpflege und die Versorgung mit Arzneimitteln gehören zu den allgemeinen Krankenhausleistungen iSd §§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 Satz 1, Abs 2 KHEntgG, die gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 KHEntgG mit den Entgelten nach § 7 Abs 1 Satz 1 KHEntgG vergütet werden. Insoweit dürfte kein Unterschied zu Fremdblutkonserven bestehen, deren Beschaffungskosten ebenfalls vom Krankenhaus zu tragen sind. Auch eine vorstationäre Behandlung wäre neben einer Fallpauschale nicht gesondert berechenbar (§ 8 Abs 2 Satz 3 Nr 3 Hs 2 KHEntgG). Diese Frage bedarf jedoch hier keiner abschließenden Entscheidung. Steht wie im vorliegenden Fall einerseits fest, dass der Versicherte Anspruch auf eine bestimmte Leistung hat (hier: Transport des Eigenblutkonzentrats von S. nach D.) und ist lediglich zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhaus umstritten, ob diese Leistung mit der Zahlung der Krankenhausvergütung abgegolten ist, muss dieser Streit im Verhältnis zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhaus ausgetragen und geklärt werden. Der Versicherte hat einen Leistungsanspruch nur gegenüber seiner Krankenkasse. Diese muss daher ggf in Vorleistung treten und kann anschließend vom Krankenhaus Ersatz verlangen. Als Rechtsgrundlage hierfür kommt ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Betracht, weil das Krankenhaus den auf die Transportkosten entfallenden Teil der Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund auf Kosten der Krankenkasse erlangt hat. Könnte die Beklagte im Verhältnis zur Versicherten den Einwand erheben, dass sie mit der Zahlung der Krankenhausvergütung ihre Leistungspflicht erfüllt hat, wäre die Klägerin insoweit rechtlos gestellt. Einen Anspruch auf Übernahme der Transportkosten nach § 39 Abs 1 Satz 3 iVm § 60 SGB V könnte sie nicht geltend machen. Abgesehen davon, dass damit die Transportkosten doppelt vergütet würden - als Bestandteil der stationären Behandlungskosten sowie als Fahrkosten - bezieht sich § 60 SGB V auf Fahrten der Versicherten selbst (SG Aachen 01.02.2011, S 13 KR 240/10, juris). Gegen die Klinik (Beigeladene zu 1) hätte sie keinen Anspruch, da sich der Anspruch auf Krankenbehandlung nicht gegen das Krankenhaus, sondern (nur) gegen die Krankenkasse richtet, und gegen den Beigeladenen zu 2) hätte sie keinen Anspruch, da sie diesem einen Transportauftrag erteilt hat und der Beigeladene zu 2) deshalb die Leistung nicht ohne Rechtsgrund erlangt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier streitigen Rechtsfragen wird die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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