Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2995/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3552/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig ist. In der Sache ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 05.01.2010 streitig.
Die 1972 geborene, seit Mai 2009 verwitwete Klägerin meldete sich am 05.01.2010 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. In der Arbeitsbescheini¬gung vom 07.01.2010 war als Arbeitgeber die Firma T., Geschäftsstelle, 78462 Konstanz, angegeben. Dieser gab an, die Klägerin sei vom 01.02.1999 bis 31.12.2009 als Steuerfachangestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 2.500,00 EUR beschäftigt gewesen. Mit Bescheid vom 19.01.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 05.01.2010 mit einem Leistungsbetrag von täglich 25,17 EUR für 360 Tage.
Nachdem eine Mitarbeiterin des JobCenter Landkreis Konstanz der Beklagten mitgeteilt hatte, die Klägerin arbeite seit 01.04.2010 mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei der Firma B. (Kurierdienst) in Konstanz, hob die Beklagte mit Bescheid vom 27.07.2010 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 01.04.2010 auf. Hiergegen erhob die Klägerin am 03.08.2010 Widerspruch mit der Begründung, sie übe lediglich eine Aushilfstätigkeit im Umfang von 5 Wochenstunden aus, für die sie monatlich 150,00 EUR erhalte.
1. Gegen den Bescheid vom 27.07.2010 hat die Klägerin am 10.08.2010 zudem Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben (S 2 AL 2035/10).
In diesem Verfahren hat das SG den Beteiligten mit Verfügung vom 23.07.2012 mitgeteilt, nachdem das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts vom 05.04.2012 länger als 3 Monate von Klägerseite nicht betrieben worden sei und sich daraus Anhaltspunkte auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse ergäben, gelte die Klage als zurückgenommen (§ 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Das Verfahren werde daher eingestellt.
2. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen im Widerspruchsverfahren teilte die Krankenkasse der Klägerin, die A., der Beklagten am 10.08.2010 telefonisch mit, die Klägerin sei dort bis 28.05.2009 familienversichert und danach pflichtversichert als Rentnerin gewesen. Eine Meldung als versicherungspflichtige Beschäftigte vom 01.02.1999 bis 31.12.2009 bei der A. sei nicht registriert.
Mit Schreiben vom 19.08.2010 hörte die Beklagte sodann die Klägerin gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bezüglich einer Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 05.01.2010 an. Der Bevollmächtigte der Klägerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 26.08.2010 mit, die Klägerin sei über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren bei der Firma T. in Konstanz versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Sozialabgaben seien an die AHV in der Schweiz gezahlt worden. Beigefügt war ein Schreiben der AHV/AVS vom 18.09.2008 bezüglich der Ausstellung einer neuen Versicherungskarte an die Klägerin.
Mit weiterem Anhörungsschreiben vom 01.09.2010 führte die Beklagte aus, es gebe Anhaltspunkte, dass die Klägerin für die Firma T. als Gesellschafterin/Geschäftsführerin tätig gewesen sei. Weiterer Gesellschafter sei offenbar Herr K. gewesen. Die Klägerin wurde aufgefordert, den Feststellungsbogen zur Versicherungspflicht von Gesellschaftern/ Geschäftsführern auszufüllen und zu unterschreiben. Am 17.09.2010 legte die Klägerin die am 10.09.2010 ausgestellte Arbeitgeberbescheinigung - Bescheinigung von Versicherungszeiten - EG Art. 67 VO 1408/71 vor, und zwar Seite 1 im Original, Seite 2 als Kopie. Darin wurde ihre Tätigkeit als "Treuhänderin" bezeichnet, angegeben war ein Jahresarbeitsverdienst von 45.000,- Fr. im Jahr 2009, als Monatsverdienst ein korrigierter Betrag von 3.750.- Fr.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29.09.2010 nahm die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 05.01.2010, gestützt auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Absatz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe eine unrichtige Arbeitsbescheinigung eingereicht, weswegen zunächst von einer bis zum 31.12.2009 ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland ausgegangen worden sei. Die inzwischen geltend gemachte arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung in der Schweiz sei zwingend anhand einer durch die Kantonale Arbeitslosenkasse der Schweiz ausgestellte Bescheinigung E 301 und der dazugehörigen Arbeitgeberbescheinigung nachzuweisen, was bisher nicht erfolgt sei. Damit habe die Klägerin die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht erfüllt. Der überzahlte Betrag in Höhe von 4.882,92 EUR sei zu erstatten (§ 50 Abs. 1 SGB X). In der Rechtsbehelfsbelehrung führte die Beklagte aus, dieser Bescheid werde gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
3. Den gleichwohl gegen den Bescheid vom 29.09.2010 am 29.10.2010 erhobenen Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2010 als unzulässig. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29.09.2010 sei gem. § 86 SGG bereits Gegenstand des - ursprünglich gegen den Aufhebungsbescheid vom 27.10.2010 gerichteten - Widerspruchsverfahrens geworden. Ein gesonderter Widerspruch gegen den Bescheid sei deshalb unzulässig.
Hiergegen hat die Klägerin am 09.11.2010 Klage zum SG erhoben (S 2 AL 2864/10). In diesem Klageverfahren hat die Klägerin am 24.01.2011 eine Fotokopie der "Bescheinigung E 301" vom 20.10.2010, ausgestellt von der C., Schweiz, über eine Versicherungszeit vom 01.02.1999 bis 31.12.2009 vorgelegt. Mit Schreiben vom 18.08.2011 hat das SG den Bevollmächtigten der Klägerin aufgefordert, eine Vollmacht und das Original der in Kopie vorgelegten Bescheinigung E 301 vorzulegen sowie die mit Verfügung vom 17.11.2010 gestellten Fragen zu beantworten. Eine Vorlage des Originals der Bescheinigung E 301 erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 05.04.2012 wurde der Bevollmächtigte der Klägerin an die Beantwortung erinnert und darauf hingewiesen, dass die Klage als zurückgenommen gelte, wenn das Verfahren trotz dieser Aufforderung länger als 3 Monate nicht betrieben werde. Nachdem eine Antwort nicht erfolgte, stellte das SG mit Verfügung vom 23.07.2012 fest, dass das Verfahren (S 2 AL 2864/10) erledigt ist.
4. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010 wies die Beklagte den Widerspruch vom 03.08.2010 gegen den Bescheid vom 27.07.2010 in der Fassung des Bescheides vom 29.09.2010 zurück. Auf die Gründe des Widerspruchsbescheids wird Bezug genommen. In der Rechtsbehelfsbelehrung führte die Beklagte aus, gegen die Entscheidung könne beim SG Konstanz schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage erhoben werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 22.11.2010 Klage zum SG erhoben (S 2 AL 2995/10). Der Bevollmächtigte der Klägerin hat vorgetragen, der Vordruck E 301 könne nicht vorgelegt werden, weil dieser im Internet nur auf Deutsch existiere, die AHV in der Schweiz sich aber weigere, ein deutsches Formular auszufüllen mit der Begründung, die Amtssprache sei französisch. Von der Beklagten habe die Klägerin ein Formular in französischer Sprache nicht erhalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.06.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig. Der Streitgegenstand des Verfahrens sei identisch mit dem Streitgegenstand des bereits zuvor in Gang gesetzten Verfahrens S 2 AL 2864/10. Nach § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) könne dieselbe Sache nicht anderweitig anhängig gemacht werden. Während der Rechtshängigkeit sei ein zweites Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Streitgegenstand unzulässig.
Gegen den am 27.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.07.2012 Berufung eingelegt, ohne diese weiter zu begründen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Juni 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2010 in der Fassung des Bescheides vom 29. September 2010, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Konstanz S 2 AL 1921/10, S 2 AL 2035/10, S 2 AL 2864/10, S 2 AL 2995/10 und S 2 AL 202/11 sowie der Senatsakten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl von Klägerseite niemand an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Nachdem die mündliche Verhandlung zunächst auf Mittwoch, den 12.12.2012 um 10:30 Uhr terminiert war, hatte der Bevollmächtigte der Klägerin um Terminsverlegung gebeten, da er am gleichen Tag um 14:00 Uhr einen Gerichtstermin in Frankfurt/Main wahrzunehmen habe. Daraufhin wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung nach telefonischer Absprache mit dem Bevollmächtigten der Klägerin vorverlegt auf 09:00 Uhr des gleichen Sitzungstages; der Bevollmächtigte wurde ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 17.11.2012 zu der neu terminierten Verhandlung geladen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Zwar ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, die Anfechtungsklage sei unzulässig, da der Streitgegenstand des Verfahrens identisch sei mit dem Streitgegenstand des bereits zuvor in Gang gesetzten Verfahrens S 2 AL 2864/10, nicht zutreffend. Denn Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die Bescheide vom 27.07.2010 und 29.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2010. Gegenstand des Klageverfahrens S 2 AL 2864/10 war demgegenüber der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2010, mit dem die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.09.2010 als unzulässig verworfen hat, da dieser Bescheid bereits gem. § 86 SGG Gegenstand eines anderweitigen Widerspruchsverfahrens geworden war. Damit lag dem Rechtsstreit S 2 AL 2864/10 ein anderer Streitgegenstand zugrunde.
Die Bescheide vom 27.07.2010 und vom 29.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2010 waren jedoch Gegenstand des Klageverfahrens S 2 AL 2035/10. Gegenstand dieses Klageverfahrens war ursprünglich der Bescheid vom 27.07.2010, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 01.04.2010 aufgehoben hatte. Mangels Durchführung eines Vorverfahrens war die Klage im Zeitpunkt ihrer Erhebung unzulässig. Es lag insbesondere keiner der in § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG geregelten Fälle vor, in denen es eines Vorverfahrens nicht bedarf.
Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Das Vorverfahren stellt eine Prozessvoraussetzung dar, deren Fehlen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist. Allerdings muss das abgeschlossene Vorverfahren nicht schon bei Klageerhebung vorliegen. Fehlt es allein an der Prozessvoraussetzung eines abgeschlossenen Vorverfahrens, ist eine Klage in der Regel nicht unzulässig, sondern das Vorverfahren ist im Prozess nachzuholen (BSG, Beschluss vom 20.07.2011 - B 13 R 97/11 B - juris). Dieses kann nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch noch während des Rechtsstreits in der Tatsacheninstanz nachgeholt werden (BSG, Urteil v. 18.08.1983 - 11 RZLw 1/82 - juris). Bei fehlendem Vorverfahren muss das Gericht den Beteiligten Gelegenheit geben, dieses nachzuholen. Ansonsten liegt ein Verfahrensfehler vor. Wird das Vorverfahren nachgeholt, so wird der dieses abschließende Widerspruchsbescheid Gegenstand des Klageverfahrens in der Tatsacheninstanz (BSG, Urteil v. 31.08.1978 - 4/5 RJ 110/76 - juris).
Die Beklagte hat vorliegend das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 27.07.2010 und den Änderungsbescheid vom 29.09.2010 mit dem Erlass des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2010 abgeschlossen. Im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids war das Klageverfahren S 2 AL 2035/10 noch anhängig, so dass auch der Widerspruchsbescheid Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden ist.
Unbeachtlich ist die unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010, dieser könne mit der Klage angefochten werden. Zutreffend war vielmehr, dass der Widerspruchsbescheid Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens gegen den Ausgangsbescheid vom 27.07.2010 geworden ist. Die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung eröffnet kein gesetzlich ausgeschlossenes Rechtsmittel und berechtigt insbesondere nicht dazu, ein fristgemäß eingelegtes Rechtsmittel, über das rechtskräftig entschieden ist, erneut einzulegen (vgl. VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 00, 647; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 66 Rn. 12a).
Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Dies beruht auf dem Rechtsgrundsatz, dass über einen Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten nur eine gerichtliche Entscheidung ergehen darf (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 94 Rn. 7).
Bei Erlass des angefochtenen Gerichtsbescheids war das Verfahren S 2 AL 2035/10 noch rechtshängig. In diesem Verfahren ging die Betreibensaufforderung des Gerichts dem Bevollmächtigten der Klägerin am 12.04.2012 zu. Eine Erledigung tritt gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG frühestens ein, wenn das Verfahren länger als drei Monate nicht betrieben worden ist. Zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Gerichtsbescheids am 22.06.2012 war dieser Zeitraum noch nicht abgelaufen. Damit war die Entscheidung des SG, die Klage als unzulässig wegen anderweitiger Rechtshängigkeit abzuweisen, im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig.
Unbeachtlich ist, dass zwischenzeitlich die Rechtshängigkeit der ersten Klage durch die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG entfallen ist. Denn durch die Klagerücknahme wird der prozessuale Anspruch auf gerichtliche Entscheidung über den Klagegegenstand verbraucht. Anders als im Zivilprozess, wo gem. § 269 ZPO im Falle der Klagerücknahme der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist, erledigt § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG die Klagerücknahme den Rechtsstreit in der Hauptsache. Dieser Unterschied der Verfahrensordnungen beruht wesentlich darauf, dass der Beklagte - anders als im Zivilprozess - die Rücknahme der Klage nicht verhindern und so eine Entscheidung des Gerichts erzwingen kann, er muss daher auf andere Weise vor einer neuen Klage geschützt werden (BSG, SozR Nr. 9 zu § 102 SGG). Deshalb ist nach einer Klagerücknahme eine neue, auf dasselbe Ziel gerichtete Klage unzulässig (BSG, Urteil v. 09.10.1984 - 12 RK 18/83 - juris). Eine Ausnahme hiervon ist nach der angeführten Rechtsprechung des BSG nur dann möglich, wenn der Kläger auf Anregung des SG die Klage zurückgenommen hat, weil vom Gericht und von der Beklagten zunächst die Durchführung eines Vorverfahrens für erforderlich gehalten wurde (BSG, a.a.O., juris Rn. 13). Dies ist hier jedoch gerade nicht der Fall. Die Klägerin ist vielmehr sowohl von der Beklagten als auch vom SG darauf hingewiesen worden, dass der nachfolgende Widerspruchsbescheid Gegenstand des bereits gegen den Ausgangsbescheid gerichteten Klageverfahrens wird. Angesichts der auch im Berufungsverfahren zu berücksichtigenden Unzulässigkeit der Klage vor dem SG ist dem Senat insoweit eine Prüfung des klägerischen Begehrens in der Sache verwehrt. Der Bevollmächtigte der Klägerin ist mit Schreiben vom 15.11.2012 auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig ist. In der Sache ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 05.01.2010 streitig.
Die 1972 geborene, seit Mai 2009 verwitwete Klägerin meldete sich am 05.01.2010 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. In der Arbeitsbescheini¬gung vom 07.01.2010 war als Arbeitgeber die Firma T., Geschäftsstelle, 78462 Konstanz, angegeben. Dieser gab an, die Klägerin sei vom 01.02.1999 bis 31.12.2009 als Steuerfachangestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 2.500,00 EUR beschäftigt gewesen. Mit Bescheid vom 19.01.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 05.01.2010 mit einem Leistungsbetrag von täglich 25,17 EUR für 360 Tage.
Nachdem eine Mitarbeiterin des JobCenter Landkreis Konstanz der Beklagten mitgeteilt hatte, die Klägerin arbeite seit 01.04.2010 mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei der Firma B. (Kurierdienst) in Konstanz, hob die Beklagte mit Bescheid vom 27.07.2010 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 01.04.2010 auf. Hiergegen erhob die Klägerin am 03.08.2010 Widerspruch mit der Begründung, sie übe lediglich eine Aushilfstätigkeit im Umfang von 5 Wochenstunden aus, für die sie monatlich 150,00 EUR erhalte.
1. Gegen den Bescheid vom 27.07.2010 hat die Klägerin am 10.08.2010 zudem Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben (S 2 AL 2035/10).
In diesem Verfahren hat das SG den Beteiligten mit Verfügung vom 23.07.2012 mitgeteilt, nachdem das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts vom 05.04.2012 länger als 3 Monate von Klägerseite nicht betrieben worden sei und sich daraus Anhaltspunkte auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse ergäben, gelte die Klage als zurückgenommen (§ 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Das Verfahren werde daher eingestellt.
2. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen im Widerspruchsverfahren teilte die Krankenkasse der Klägerin, die A., der Beklagten am 10.08.2010 telefonisch mit, die Klägerin sei dort bis 28.05.2009 familienversichert und danach pflichtversichert als Rentnerin gewesen. Eine Meldung als versicherungspflichtige Beschäftigte vom 01.02.1999 bis 31.12.2009 bei der A. sei nicht registriert.
Mit Schreiben vom 19.08.2010 hörte die Beklagte sodann die Klägerin gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bezüglich einer Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 05.01.2010 an. Der Bevollmächtigte der Klägerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 26.08.2010 mit, die Klägerin sei über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren bei der Firma T. in Konstanz versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Sozialabgaben seien an die AHV in der Schweiz gezahlt worden. Beigefügt war ein Schreiben der AHV/AVS vom 18.09.2008 bezüglich der Ausstellung einer neuen Versicherungskarte an die Klägerin.
Mit weiterem Anhörungsschreiben vom 01.09.2010 führte die Beklagte aus, es gebe Anhaltspunkte, dass die Klägerin für die Firma T. als Gesellschafterin/Geschäftsführerin tätig gewesen sei. Weiterer Gesellschafter sei offenbar Herr K. gewesen. Die Klägerin wurde aufgefordert, den Feststellungsbogen zur Versicherungspflicht von Gesellschaftern/ Geschäftsführern auszufüllen und zu unterschreiben. Am 17.09.2010 legte die Klägerin die am 10.09.2010 ausgestellte Arbeitgeberbescheinigung - Bescheinigung von Versicherungszeiten - EG Art. 67 VO 1408/71 vor, und zwar Seite 1 im Original, Seite 2 als Kopie. Darin wurde ihre Tätigkeit als "Treuhänderin" bezeichnet, angegeben war ein Jahresarbeitsverdienst von 45.000,- Fr. im Jahr 2009, als Monatsverdienst ein korrigierter Betrag von 3.750.- Fr.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29.09.2010 nahm die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 05.01.2010, gestützt auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Absatz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe eine unrichtige Arbeitsbescheinigung eingereicht, weswegen zunächst von einer bis zum 31.12.2009 ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland ausgegangen worden sei. Die inzwischen geltend gemachte arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung in der Schweiz sei zwingend anhand einer durch die Kantonale Arbeitslosenkasse der Schweiz ausgestellte Bescheinigung E 301 und der dazugehörigen Arbeitgeberbescheinigung nachzuweisen, was bisher nicht erfolgt sei. Damit habe die Klägerin die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht erfüllt. Der überzahlte Betrag in Höhe von 4.882,92 EUR sei zu erstatten (§ 50 Abs. 1 SGB X). In der Rechtsbehelfsbelehrung führte die Beklagte aus, dieser Bescheid werde gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
3. Den gleichwohl gegen den Bescheid vom 29.09.2010 am 29.10.2010 erhobenen Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2010 als unzulässig. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29.09.2010 sei gem. § 86 SGG bereits Gegenstand des - ursprünglich gegen den Aufhebungsbescheid vom 27.10.2010 gerichteten - Widerspruchsverfahrens geworden. Ein gesonderter Widerspruch gegen den Bescheid sei deshalb unzulässig.
Hiergegen hat die Klägerin am 09.11.2010 Klage zum SG erhoben (S 2 AL 2864/10). In diesem Klageverfahren hat die Klägerin am 24.01.2011 eine Fotokopie der "Bescheinigung E 301" vom 20.10.2010, ausgestellt von der C., Schweiz, über eine Versicherungszeit vom 01.02.1999 bis 31.12.2009 vorgelegt. Mit Schreiben vom 18.08.2011 hat das SG den Bevollmächtigten der Klägerin aufgefordert, eine Vollmacht und das Original der in Kopie vorgelegten Bescheinigung E 301 vorzulegen sowie die mit Verfügung vom 17.11.2010 gestellten Fragen zu beantworten. Eine Vorlage des Originals der Bescheinigung E 301 erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 05.04.2012 wurde der Bevollmächtigte der Klägerin an die Beantwortung erinnert und darauf hingewiesen, dass die Klage als zurückgenommen gelte, wenn das Verfahren trotz dieser Aufforderung länger als 3 Monate nicht betrieben werde. Nachdem eine Antwort nicht erfolgte, stellte das SG mit Verfügung vom 23.07.2012 fest, dass das Verfahren (S 2 AL 2864/10) erledigt ist.
4. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010 wies die Beklagte den Widerspruch vom 03.08.2010 gegen den Bescheid vom 27.07.2010 in der Fassung des Bescheides vom 29.09.2010 zurück. Auf die Gründe des Widerspruchsbescheids wird Bezug genommen. In der Rechtsbehelfsbelehrung führte die Beklagte aus, gegen die Entscheidung könne beim SG Konstanz schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage erhoben werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 22.11.2010 Klage zum SG erhoben (S 2 AL 2995/10). Der Bevollmächtigte der Klägerin hat vorgetragen, der Vordruck E 301 könne nicht vorgelegt werden, weil dieser im Internet nur auf Deutsch existiere, die AHV in der Schweiz sich aber weigere, ein deutsches Formular auszufüllen mit der Begründung, die Amtssprache sei französisch. Von der Beklagten habe die Klägerin ein Formular in französischer Sprache nicht erhalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.06.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig. Der Streitgegenstand des Verfahrens sei identisch mit dem Streitgegenstand des bereits zuvor in Gang gesetzten Verfahrens S 2 AL 2864/10. Nach § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) könne dieselbe Sache nicht anderweitig anhängig gemacht werden. Während der Rechtshängigkeit sei ein zweites Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Streitgegenstand unzulässig.
Gegen den am 27.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.07.2012 Berufung eingelegt, ohne diese weiter zu begründen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Juni 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2010 in der Fassung des Bescheides vom 29. September 2010, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Konstanz S 2 AL 1921/10, S 2 AL 2035/10, S 2 AL 2864/10, S 2 AL 2995/10 und S 2 AL 202/11 sowie der Senatsakten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl von Klägerseite niemand an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Nachdem die mündliche Verhandlung zunächst auf Mittwoch, den 12.12.2012 um 10:30 Uhr terminiert war, hatte der Bevollmächtigte der Klägerin um Terminsverlegung gebeten, da er am gleichen Tag um 14:00 Uhr einen Gerichtstermin in Frankfurt/Main wahrzunehmen habe. Daraufhin wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung nach telefonischer Absprache mit dem Bevollmächtigten der Klägerin vorverlegt auf 09:00 Uhr des gleichen Sitzungstages; der Bevollmächtigte wurde ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 17.11.2012 zu der neu terminierten Verhandlung geladen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Zwar ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, die Anfechtungsklage sei unzulässig, da der Streitgegenstand des Verfahrens identisch sei mit dem Streitgegenstand des bereits zuvor in Gang gesetzten Verfahrens S 2 AL 2864/10, nicht zutreffend. Denn Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die Bescheide vom 27.07.2010 und 29.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2010. Gegenstand des Klageverfahrens S 2 AL 2864/10 war demgegenüber der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2010, mit dem die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.09.2010 als unzulässig verworfen hat, da dieser Bescheid bereits gem. § 86 SGG Gegenstand eines anderweitigen Widerspruchsverfahrens geworden war. Damit lag dem Rechtsstreit S 2 AL 2864/10 ein anderer Streitgegenstand zugrunde.
Die Bescheide vom 27.07.2010 und vom 29.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2010 waren jedoch Gegenstand des Klageverfahrens S 2 AL 2035/10. Gegenstand dieses Klageverfahrens war ursprünglich der Bescheid vom 27.07.2010, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 01.04.2010 aufgehoben hatte. Mangels Durchführung eines Vorverfahrens war die Klage im Zeitpunkt ihrer Erhebung unzulässig. Es lag insbesondere keiner der in § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG geregelten Fälle vor, in denen es eines Vorverfahrens nicht bedarf.
Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Das Vorverfahren stellt eine Prozessvoraussetzung dar, deren Fehlen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist. Allerdings muss das abgeschlossene Vorverfahren nicht schon bei Klageerhebung vorliegen. Fehlt es allein an der Prozessvoraussetzung eines abgeschlossenen Vorverfahrens, ist eine Klage in der Regel nicht unzulässig, sondern das Vorverfahren ist im Prozess nachzuholen (BSG, Beschluss vom 20.07.2011 - B 13 R 97/11 B - juris). Dieses kann nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch noch während des Rechtsstreits in der Tatsacheninstanz nachgeholt werden (BSG, Urteil v. 18.08.1983 - 11 RZLw 1/82 - juris). Bei fehlendem Vorverfahren muss das Gericht den Beteiligten Gelegenheit geben, dieses nachzuholen. Ansonsten liegt ein Verfahrensfehler vor. Wird das Vorverfahren nachgeholt, so wird der dieses abschließende Widerspruchsbescheid Gegenstand des Klageverfahrens in der Tatsacheninstanz (BSG, Urteil v. 31.08.1978 - 4/5 RJ 110/76 - juris).
Die Beklagte hat vorliegend das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 27.07.2010 und den Änderungsbescheid vom 29.09.2010 mit dem Erlass des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2010 abgeschlossen. Im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids war das Klageverfahren S 2 AL 2035/10 noch anhängig, so dass auch der Widerspruchsbescheid Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden ist.
Unbeachtlich ist die unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010, dieser könne mit der Klage angefochten werden. Zutreffend war vielmehr, dass der Widerspruchsbescheid Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens gegen den Ausgangsbescheid vom 27.07.2010 geworden ist. Die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung eröffnet kein gesetzlich ausgeschlossenes Rechtsmittel und berechtigt insbesondere nicht dazu, ein fristgemäß eingelegtes Rechtsmittel, über das rechtskräftig entschieden ist, erneut einzulegen (vgl. VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 00, 647; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 66 Rn. 12a).
Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Dies beruht auf dem Rechtsgrundsatz, dass über einen Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten nur eine gerichtliche Entscheidung ergehen darf (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 94 Rn. 7).
Bei Erlass des angefochtenen Gerichtsbescheids war das Verfahren S 2 AL 2035/10 noch rechtshängig. In diesem Verfahren ging die Betreibensaufforderung des Gerichts dem Bevollmächtigten der Klägerin am 12.04.2012 zu. Eine Erledigung tritt gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG frühestens ein, wenn das Verfahren länger als drei Monate nicht betrieben worden ist. Zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Gerichtsbescheids am 22.06.2012 war dieser Zeitraum noch nicht abgelaufen. Damit war die Entscheidung des SG, die Klage als unzulässig wegen anderweitiger Rechtshängigkeit abzuweisen, im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig.
Unbeachtlich ist, dass zwischenzeitlich die Rechtshängigkeit der ersten Klage durch die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG entfallen ist. Denn durch die Klagerücknahme wird der prozessuale Anspruch auf gerichtliche Entscheidung über den Klagegegenstand verbraucht. Anders als im Zivilprozess, wo gem. § 269 ZPO im Falle der Klagerücknahme der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist, erledigt § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG die Klagerücknahme den Rechtsstreit in der Hauptsache. Dieser Unterschied der Verfahrensordnungen beruht wesentlich darauf, dass der Beklagte - anders als im Zivilprozess - die Rücknahme der Klage nicht verhindern und so eine Entscheidung des Gerichts erzwingen kann, er muss daher auf andere Weise vor einer neuen Klage geschützt werden (BSG, SozR Nr. 9 zu § 102 SGG). Deshalb ist nach einer Klagerücknahme eine neue, auf dasselbe Ziel gerichtete Klage unzulässig (BSG, Urteil v. 09.10.1984 - 12 RK 18/83 - juris). Eine Ausnahme hiervon ist nach der angeführten Rechtsprechung des BSG nur dann möglich, wenn der Kläger auf Anregung des SG die Klage zurückgenommen hat, weil vom Gericht und von der Beklagten zunächst die Durchführung eines Vorverfahrens für erforderlich gehalten wurde (BSG, a.a.O., juris Rn. 13). Dies ist hier jedoch gerade nicht der Fall. Die Klägerin ist vielmehr sowohl von der Beklagten als auch vom SG darauf hingewiesen worden, dass der nachfolgende Widerspruchsbescheid Gegenstand des bereits gegen den Ausgangsbescheid gerichteten Klageverfahrens wird. Angesichts der auch im Berufungsverfahren zu berücksichtigenden Unzulässigkeit der Klage vor dem SG ist dem Senat insoweit eine Prüfung des klägerischen Begehrens in der Sache verwehrt. Der Bevollmächtigte der Klägerin ist mit Schreiben vom 15.11.2012 auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved