Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2514/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4072/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. September 2012 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird endgültig auf EUR 8.095,00 festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen zur Rentenversicherung mit Bescheid vom 04./07. September 2012 für November 2005 bis 28. Oktober 2010 in Höhe von EUR 32.380,06.
Der Antragsteller betreibt ein Unternehmen, das Kurierdienste durchführt, bis 28. Oktober 2010 als Einzelunternehmen. Seit 29. Oktober 2010 wird das Unternehmen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) vom Antragsteller und seinem Sohn A. W.-S. (in Folgenden: A. W.) betrieben. A. W. war bis 31. Dezember 2000 bei der AOK Baden-Württemberg und ist seit 01. Januar 2001 bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Mit Bescheid vom 02. August 2012 stellte die Antragsgegnerin gegenüber A. W. fest, dass er seit dem 29. Oktober 2012 aufgrund der Gewerbeanmeldung und Fortsetzung des Unternehmens des Antragstellers als GbR als Gesellschafter und Geschäftsführer selbstständig tätig sei.
A. W. ist bereits seit 24. März 1999 im Unternehmen tätig. Am 22. November 2005 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die versicherungsrechtliche Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen. A. W. sei Juniorchef, Abteilungsleiter Fuhrpark, Fahrer, wickle Aufträge selbstständig ab und stelle Mitarbeiter ein. Er arbeite sechs oder sieben Tage die Woche, mindestens 72 Stunden für EUR 1.500,00 bis EUR 1.550,00 brutto aufgrund familiärer Rücksichtnahme. Es gebe keinen Arbeitsvertrag.
Mit Bescheiden vom 22. Dezember 2005 stellte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller und A. W. fest, dass dieser seit 24. März 1999 bzw. seit 01. Januar 2001 als mitarbeitender Familienangehöriger nicht der Sozialversicherungspflicht sowie der Versicherungspflicht zur Arbeitsförderung unterliege. Die Beurteilung der Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung vor Beginn der Mitgliedschaft bei ihr am 01. Januar 2001 obliege der damaligen Krankenkasse. Im Dezember 2005 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Erstattung der für A. W. entrichteten Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Die Antragsgegnerin erstattete Beiträge zur Pflegeversicherung und lehnte die Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung ab. Bezüglich der Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung entscheide die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg und die Agentur für Arbeit R. (Bescheid vom 16. Januar 2006). Die Agentur für Arbeit R. erstattete dem Antragsteller und A. W. die vom 24. März 1999 bis 31. Dezember 2005 zur Arbeitslosenversicherung entrichteten Beiträge (Bescheide vom 17. Februar 2006). Am 15. Mai 2006 erstattete die Antragsgegnerin nach ihrem Vortrag in den gerichtlichen Verfahren dem Antragsteller die Rentenversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis 31. Oktober 2005 in Höhe von EUR 13.542,12.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2006 teilte die DRV Baden-Württemberg der Antragsgegnerin unter Hinweis auf eine im Jahr 2002 durchgeführte Betriebsprüfung mit, dass das Vorliegen einer nicht abhängigen Beschäftigung nicht nachgewiesen, A. W. als Beschäftigter gemeldet gewesen sei. Die Bezirksdirektion R. der AOK Baden-Württemberg stellte mit Bescheid vom 28. April 2006 für die Zeit bis 31. Dezember 2000 nach Anhörung des Antragstellers fest, dass das Beschäftigungsverhältnis des A. W. ab 31. März 1999 der Sozialversicherungspflicht unterliege.
Mit Schreiben vom 15. Mai 2006 forderte die DRV Bund die Antragsgegnerin auf, den Bescheid vom 22. Dezember 2005 aufzuheben und festzustellen, dass A. W. auch ab 01. Januar 2001 der Rentenversicherungspflicht unterliege. Die Umstände sprächen für eine abhängige Beschäftigung. Am 21. Dezember 2006 erhob die DRV Bund Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin (S 111 KR 180/07) gegen die Antragsgegnerin mit dem Begehren, den Bescheid vom 22. Dezember 2005 aufzuheben und festzustellen, dass Versicherungspflicht des A. W. zur Rentenversicherung seit 01. Januar 2001 bestehe. Der Antragsteller und A. W. wurden zum Verfahren beigeladen. Mit Urteil vom 27. Oktober 2010 hob das SG Berlin den Bescheid vom 22. Dezember 2005 auf, soweit dieser die Rentenversicherungspflicht negiere, und stellte fest, dass A. W. seit dem 01. Januar 2001 in seiner Tätigkeit im Unternehmen des Antragstellers der Rentenversicherungspflicht unterliege. Im Urteilstenor waren A. W. als Beigeladener zu 1) statt zu 3) und der Antragsteller als Beigeladener zu 2) statt zu 4) unrichtig bezeichnet.
Mit Schreiben vom 02. März 2011 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Verweis auf dieses Urteil auf, nunmehr Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten sowie eine Korrektur der Versicherungspflicht und eine Beitragsberechnung für die Zeit vom 01. November 2005 bis 30. November 2010 vorzunehmen. Ab 01. Dezember 2010 bestehe Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung. Die für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis 31. Oktober 2005 erstatteten Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 13.542,12 seien an sie als Einzugsstelle abzuführen.
Der Antragsteller legte Widerspruch gegen den Bescheid vom 02. März 2011 ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Beitragsforderung sei verjährt. Das Urteil des SG Berlin sei eindeutig falsch und betreffe trotz Beiladung nicht das Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Antragsgegnerin. Eine Zahlungspflicht sei nicht festgestellt worden. Der Bescheid vom 22. November 2005 sei nicht zurückgenommen worden. Der Terminsvertreter der Antragsgegnerin habe ihm (dem Antragsteller) nach dem Termin vor dem SG Berlin davon abgeraten, Berufung einzulegen. Es werde ein Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestellt und ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch geltend gemacht. Die Widerspruchsstelle der Beklagte wies u.a. diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2011 zurück. Ein Rücknahmebescheid sei nicht zu erlassen.
Der Antragsteller beantragte bereits am 04. Mai 2011 beim SG Reutlingen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen (S 11 KR 1343/11 ER), und erhob nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2011 am 20. Juni 2011 Klage (S 11 KR 1858/11), die noch anhängig ist. Zur Begründung des Anordnungsantrags wiederholte er seine bisherige Auffassung, insbesondere dass weder die Antragsgegnerin noch das SG Berlin die Rücknahme des Bescheids vom 22. Dezember 2005 ausgesprochen hätten. Sollte in dem Bescheid vom 02. März 2011 eine konkludente Rücknahme zu sehen sein, hätte die Antragsgegnerin kein Ermessen ausgeübt, die Rücknahme wäre somit rechtswidrig. Die Antragsgegnerin müsse aufgrund des Urteils des SG Berlin ein Verwaltungsverfahren zur Rücknahme nach § 45 SGB X einleiten. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2011 ordnete das SG Reutlingen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage gegen den Bescheid vom 02. März 2011 und den Widerspruchsbescheid vom (10.) Juni 2011 an, mit denen die Antragsgegnerin die erstatteten Beiträge vom Antragsteller zurückforderte. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide. Mit dem Bescheid vom 02. März 2011 habe die Antragsgegnerin sinngemäß mit entschieden, dass die Beitragserstattung zu Unrecht erfolgt und rückabzuwickeln sei. Das Urteil des SG Berlin enthalte keine Entscheidung über die Rückabwicklung der Beitragserstattung. Das SG Berlin habe den Bescheid vom 22. Dezember 2005 aufgehoben und festgestellt, dass A. W. seit 01. Januar 2001 hinsichtlich seiner Beschäftigung beim Antragsteller der Rentenversicherungspflicht unterlegen habe. Eine Entscheidung über die Aufhebung der Beitragserstattung und die erneute Anforderung von Beiträgen müsse von der Antragsgegnerin noch getroffen werden. Jedenfalls die Beitragserstattung müsse nach § 45 SGB X aufgehoben werden, was insbesondere eine Ermessensprüfung voraussetze. Einer erneuten Beitragserhebung stehe möglicherweise teilweise die Einrede der Verjährung entgegen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wurde mit Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 04. April 2012 - L 5 KR 288/12 ER-B - zurückgewiesen. Die Nachforderung von erstatteten Rentenversicherungsbeiträgen für die Zeit von 01. Januar 2001 bis 31. Oktober 2005 sei voraussichtlich rechtswidrig. Der grundsätzlich aus der Sozialversicherungspflicht folgenden Beitragspflicht stehe vorliegend die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2005 entgegen. Diese Entscheidung sei noch nicht wirksam aufgehoben, da gegen das Urteil des SG Berlin Berufung eingelegt worden sei. Die Gestaltungswirkung von negativen Gestaltungsurteilen trete erst mit der formellen Rechtskraft des Urteils ein. Entsprechendes gelte für den Feststellungsausspruch. Der Bescheid vom 22. Dezember 2005 sei auch nicht außerhalb des Klageverfahrens aufgehoben worden, weil der Bescheid vom 02. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2011 keinen entsprechenden Verfügungssatz enthalte. Zudem wäre eine nach § 45 SGB X zu beurteilende Aufhebung mangels Begründung und Ermessensausübung rechtswidrig.
Das SG Berlin berichtigte mit Beschluss vom 28. Juli 2011 wegen offenbarer Unrichtigkeit Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründe seines Urteils vom 27. Oktober 2010, dass es jeweils statt Beigeladenem zu 1) Beigeladener zu 3) und statt Beigeladenem zu 2) Beigeladener zu 4) heißen müsse. Der Antragsteller und A.W. erhoben beim Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg gegen diesen Beschluss Beschwerde (L 1 KR 228/11 B) und gegen das Urteil vom 27. Oktober 2011 Berufung (L 1 KR 227/11). Dieses wies mit Beschluss vom 29. September 2011 die Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss zurück und verwarf mit Beschluss vom 16. Mai 2012 die Berufung als unzulässig. Die Berufung sei verfristet. Im Übrigen wäre eine zulässige Berufung unbegründet. § 45 SGB X sei nicht anwendbar.
Mit Schreiben vom 16. August 2012 forderte die Antragsgegnerin unter Hinweis auf die inzwischen eingetretene Rechtskraft des Urteils des SG Berlin vom Antragsteller Beitragsnachweise für die noch zu berechnenden Rentenversicherungsbeiträge für den Zeitraum 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010; anderenfalls werde sie eine Schätzung vornehmen. Mit Bescheid vom 04. September 2012 forderte die Antragsgegnerin vom Antragsteller unter Hinweis auf die übersandten Beitragsnachweise Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von EUR 32.380,06 für den Zeitraum November 2005 bis Oktober 2010 nach. Der Antragsteller erhob Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung nahm er auf den Beschluss des SG Reutlingen vom 14. Dezember 2011 - S 11 R 1343/11 - Bezug. Er sei zur Zahlung außerstande, die Beitreibung der Forderung würde ihn in die Insolvenz treiben. Unter dem 07. September 2012 begründete die Antragsgegnerin ihre Auffassung und kündigte bei nicht fristgerechter Zahlung Vollstreckungsmaßnahmen an.
Am 10. September 2012 beantragte er beim SG Reutlingen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04. und 07. September 2012. Die Antragsgegnerin mache Beitragsforderungen geltend, obwohl der Bescheid vom 22. Dezember 2005 nach wie vor weder vom SG Berlin noch von der Antragsgegnerin zurückgenommen worden sei. Die Rücknahme sei insbesondere nicht mit dem Bescheid vom 02. März 2011 erfolgt. Das SG Berlin habe den Bescheid vom 22. November 2005 ebenfalls nicht aufgehoben, dem Urteilstenor sei allenfalls eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Rücknahme zu entnehmen. Das Urteil setze sich nämlich nicht mit der Vorschrift des § 45 SGB X auseinander, was ansonsten erforderlich gewesen wäre. Das Urteil des SG Berlin habe nur materiell-rechtlichen, keinen verfahrensrechtlichen Charakter. Ein Teil der Forderung (EUR 3.916,80) sei verjährt, da eine Unterbrechung der Verjährung gegenüber dem Antragsteller erst mit dessen Beiladung zum Verfahren vor dem SG Berlin im Jahre 2007 eingetreten sei. Die Beitragsforderung verstoße gegen Treu und Glauben und führe daher zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, denn die Antragsgegnerin habe ihn davon abgehalten, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Er habe den Terminsvertreter der Antragsgegnerin gefragt, ob man gegen das Urteil in Berufung gehen solle. Dieser habe geantwortet, angesichts der Prozesskosten von EUR 5.000,00 werde die Antragsgegnerin das Urteil nicht anfechten, weil ohnehin nicht mehr dabei herauskomme. Diese unzutreffende Einschätzung sei nach Erhalt des schriftlichen Urteils durch die unrichtige Bezeichnung der Beigeladenen weiter verstärkt worden. Im Übrigen stehe die Existenz seines Betriebs auf dem Spiel. Der Bescheid vom 04. September 2012 sei bereits mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig. Die rechtliche Situation sei dieselbe wie beim Beschluss des SG Reutlingen vom 14. Dezember 2011 - S 11 KR 1341/11 ER -. Das obiter dictum des LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 16. Mai 2012, § 45 SGB X sei nicht maßgeblich, weil der Bescheid vom 22. Dezember 2005 nicht bestandskräftig geworden sei, sei unrichtig, denn das Klageverfahren sei zwischen der DRV Bund und der Antragsgegnerin anhängig gewesen, nur in diesem Verhältnis sei der Bescheid nicht unanfechtbar gewesen. Die Antragsgegnerin nehme nicht zur Kenntnis, was das LSG Baden-Württemberg in dem Beschluss vom 04. April 2012 - L 5 KR 288/12 ER-B - festgestellt habe. Der Antragsteller legte eine Monatsbilanz für August 2012 vor, wonach ihm für seinen Lebensunterhalt, außergewöhnliche Auslagen wie Reparaturen und Vorsorge EUR 2.578,00 verblieben.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Das Bestehen der Beitragsschuld sei nach der rechtskräftigen Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg nicht von der Hand zu weisen. Dieses habe im Übrigen auch festgestellt, dass § 45 SGB X nicht anwendbar sei. Belege zur befürchteten Insolvenz seien bisher nicht beigebracht worden. Im Übrigen sei eine Ratenvereinbarung möglich.
Mit Beschluss vom 21. September 2012 wies das SG Reutlingen den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 04./07. September 2012 zurück. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung in dem hier streitigen Zeitraum. Die Schreiben vom 04. und 07. September 2012 stellten einen Verwaltungsakt dar. Die Begründung für die im Bescheid vom 04. September 2012 verfügte Beitragsforderung sei dem Schreiben vom 07. September 2012 und dem vorangegangenen Schriftwechsel zu entnehmen. Gemäß § 42 SGB X sei ein Verwaltungsakt nicht deshalb aufzuheben, weil er verfahrens- oder formfehlerhaft zustande gekommen sei. Die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2005 stehe wegen der aufgrund der formellen Rechtskraft des Urteils des SG Berlin nunmehr eingetretenen Gestaltungswirkung nicht entgegen. Damit sei nunmehr die Statusentscheidung der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2005 hinsichtlich der Rentenversicherungspflicht wirksam aufgehoben. Der Antragsteller und A. W. seien zu diesem Verfahren beigeladen worden. Die Beitragsforderung für den Zeitraum November 2005 bis Oktober 2010 ergebe sich unmittelbar aus der Sozialversicherungspflicht. Verjährung sei nicht eingetreten. Die vierjährige Verjährung nach § 25 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) werde gemäß § 198 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) durch ein Beitragsverfahren gehemmt. Ein Beitragsverfahren in diesem Sinne sei jedes Verwaltungsverfahren gemäß § 8 SGB X, das auf Feststellung der Beitragspflicht nach Grund oder Höhe oder auf die Zahlung der Beiträge gerichtet sei. Auch ein Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht, von dem die Beitragspflicht des Arbeitgebers abhänge, sei ein solches Beitragsverfahren. Da der Antragsteller im November 2005 die versicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des A. W. beantragt habe, was nach Klagerhebung durch die DRV Bund im Dezember 2006 zum Klageverfahren vor dem SG Berlin geführt habe, zu dem der Antragsteller und A. W. beigeladen worden seien, sei eine Hemmung der Verjährung eingetreten. Ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen wirtschaftlichen Belastung des Antragstellers sei nicht vorgetragen, dem könne durch Einräumung von Ratenzahlung begegnet werden.
Gegen den am 25. September 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 26. September 2012 Beschwerde zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Dieses Verfahren sei die Wiederholung des vom LSG Baden-Württemberg bereits entschiedenen Verfahrens L 5 KR 288/12 ER-B, das notwendig sei, weil die Antragsgegnerin und das SG Reutlingen der Ansicht seien, es betreffe einen neu erlassenen Heranziehungsbescheid nicht. Dies sei formal richtig, die tragenden Gründe des genannten Beschlusses des LSG Baden-Württemberg vom 04. April 2012 würden aber weiterhin gelten. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Dahinstehen könne, ob ein ausdrücklich aufhebender Verfügungssatz im Urteil des SG Berlin unterblieben sei, weil man ihn vergessen habe oder ob dies angesichts der Schwierigkeiten des anzuwendenden § 45 SGB X geschehen sei. Das LSG Baden-Württemberg habe nicht ausgesprochen, dass die Wirkung seines Beschlusses nur bis zur Rechtskraft des Urteils des SG Berlin gelte, weil damals alle Beteiligten davon ausgegangen seien, das Urteil sei bereits rechtskräftig. Bei Richtigkeit der von der Antragsgegnerin und dem SG Reutlingen vertretenen Rechtsansicht zu § 45 SGB X wäre diese Vorschrift überflüssig.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. September 2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04./07. September 2012 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das SG Reutlingen habe zu Recht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Da vorliegend ausschließlich Beiträge zur Rentenversicherung betroffen seien, die nach Aufhebung der Statusentscheidung vom 22. Dezember 2005 angefallen seien, könne aus dem Beschluss des LSG Baden-Württemberg im Verfahren L 5 KR 288/12 ER-B nicht die Rechtswidrigkeit der hier vorliegenden Beitragsforderung gefolgert werden. Ausschlaggebend sei die damals noch nicht bestehende Rechtskraft des Urteils des SG Berlin über die Statusentscheidung gewesen. Eine Beratung des Terminvertreters hinsichtlich der Einlegung von Rechtsmitteln gegen das Urteil des SG Berlin habe nicht stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die Akte L 5 KR 288/12 ER-B, die SG-Akten S 11 KR 1343/11 ER, S 11 KR 2514/12 ER und S 11 KR 1858/11 sowie auf den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der Senat hat das Rubrum hinsichtlich des Antragstellers anders als das SG Reutlingen gefasst. Der Bescheid vom 04. September 2012 richtet sich allein an den Antragsteller und nicht an die GbR. Auch betrifft die Nachforderung der Beiträge zur Rentenversicherung den Zeitraum vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010, in welchem der Antragsteller sein Unternehmen als Einzelunternehmen führte.
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der seit 11. August 2010 geltenden Fassung des Art. 6 Drittes Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 05. August 2010 (BGBl I, S. 1127) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung statthaft, da Gegenstand des Verfahrens die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von EUR 32.380,06 ist und damit der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 von EUR 750,00 überschritten wäre.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das SG Reutlingen hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Beitragsbescheid vom 04./07. September 2012 anzuordnen.
1. Der Senat geht - wie das SG Reutlingen - davon aus, dass ein einheitlicher Beitragsbescheid vom 04./07. September 2012 vorliegt. Unter dem 04. September 2012 erfolgte die Regelung, nämlich die Festsetzung von Beiträgen zur Rentenversicherung für die Zeit vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010 in Höhe von EUR 32.380,06, ohne dass eine Begründung erfolgte. Diese Begründung holte die Antragsgegnerin unter dem 07. September 2012 nach.
2. Dem vom Antragsteller gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 04./07. September 2012 anzuordnen, stehen die Beschlüsse des SG Reutlingen vom 14. Dezember 2011 und des LSG Baden-Württemberg vom 04. April 2012 nicht entgegen. Das vorliegende Antragsverfahren betrifft mit der Nachforderung von Beiträgen zur Rentenversicherung wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des A. W. für die Zeit vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010 einen völlig anderen Streitgegenstand. Streitgegenstand des vorangegangenen Anordnungsverfahrens ist demgegenüber die Frage, ob die Antragsgegnerin die dem Antragsteller für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis 31. Oktober 2005 in Höhe von EUR 13.542,12 erstatteten Beiträge zur Rentenversicherung zurückfordern kann oder nicht. Es handelt sich also nicht - wie der Antragsteller meint - um eine Wiederholung des vorangegangenen Anordnungsverfahrens. Die Gründe, die im vorangegangenen Anordnungsverfahrens zu einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage geführt haben, sind für das vorliegende Anordnungsverfahren unerheblich. Für die Frage, ob die Antragsgegnerin die erstatteten Beiträge zurückfordern kann, ist maßgeblich, ob sie, wenn - was sich den vorliegenden Akten nicht entnehmen lässt - die Erstattung durch Bescheid erfolgt sein sollte, diesen Erstattungsbescheid nach § 45 SGB X zurücknehmen und den gezahlten Betrag nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückfordern kann oder ob sie, wenn die Erstattung nicht durch einen Bescheid erfolgt sein sollte, den gezahlten Betrag nach § 50 Abs. 2 SGB X zurückfordern kann.
3. Rechtsgrundlage für den von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist § 86b Abs. 1 SGG, welche in Anfechtungssachen u.a. die gerichtliche Korrektur der fehlenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage regelt. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
a) Der Widerspruch hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Vorliegend forderte die Antragsgegnerin Beiträge zur Rentenversicherung an.
b) Die Frage, ob eine aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu entscheiden. Maßgeblich ist, ob das Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit schwerer wiegt als das gegenläufige Interesse am Erhalt der aufschiebenden Wirkung. Die Interessenabwägung fällt grundsätzlich von vornherein zu Gunsten der sofortigen Vollziehbarkeit aus, wenn der Widerspruch oder die Klage gegen den Verwaltungsakt aufgrund der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur summarischen Prüfung erkennbar aussichtslos ist. Sie fällt von vornherein für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung aus, wenn der Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung erkennbar rechtswidrig ist. Ist keiner dieser Fälle der erkennbaren Aussichtslosigkeit der Klage oder der erkennbaren Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gegeben, so sind die Beteiligteninteressen anhand sonstiger Umstände im Einzelfall zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen.
Bei Beitragsstreitigkeiten liegen ernstliche Zweifel in Sinne des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG nur dann vor, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Juni 2010 - L 11 R 1903/10 ER-B - nicht veröffentlicht; Beschluss vom 19. Juli 2012 - L 11 R 1789/12 ER-B - in juris). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Vollziehung häufig nicht durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01. Juli 2004 - L 5 B 2/04 KR ER - m.w.N., in juris). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann.
Nach dem gegenwärtigen Stand ist es für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 04./07. September 2012 Erfolg haben wird.
aa) Der Bescheid vom 04./07. September 2012 ist nicht formell rechtswidrig.
Der Bescheid vom 04./07. September 2012 ist entgegen der Auffassung des Antragstellers hinreichend bestimmt. Gemäß § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Erforderlich ist, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und der Betroffene mit den Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten (Krasney in Kasseler Kommentar, Stand 01. April 2012, § 33 SGB X RdNr. 3). Erforderlich ist weiterhin eine bestimmte Kennzeichnung des Adressaten, die hinreichende Bestimmtheit der Regelung eines Einzelfalls, der maßgebende Sachverhalt muss sich aus dem Verwaltungsakt ergeben (Krasney, a.a.O., RdNr. 4ff). Unbestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R -; SozR 4 2600 § 96a Nr. 9). Diesen Vorgaben entspricht der Bescheid vom 04./07. September 2012. Der Bescheid vom 04. September 2012 enthält den Verfügungssatz, die Aufforderung an den Antragsteller, die Beitragsforderung in bestimmter Höhe (EUR 32.083,06) zu zahlen, das ergänzende Schreiben vom 07. September 2012 führt aus, dass Beiträge zur Rentenversicherung für den Zeitraum Dezember 2005 bis Oktober 2010 gefordert sind und die Berechnung auf den vom Antragsteller vorgelegten Beitragsnachweisen beruht. Dass er verpflichtet sein soll, EUR 32.083,06 an Beiträge zur Rentenversicherung für A. W. zu zahlen, hat der Antragsteller auch so verstanden. Denn er wendet sich gegen seine Beitragspflicht, weil er der Auffassung ist, dem stehe der Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2005 entgegen, den die Antragsgegnerin nicht nach § 45 SGB X aufgehoben habe.
Die Beitragsnachforderung ist auch nicht wegen eines Begründungsmangels rechtswidrig. Gemäß § 35 Abs. 1 SGB X ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Der Bescheid vom 04./07. September 2012 enthält keine Aufschlüsselung der Beiträge. Einer Begründung bedarf es nach § 35 Abs. 2 Nr. 2 SGB X nicht, soweit dem Adressaten des Verwaltungsaktes die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder die Begründung für ihn ohne Weiteres erkennbar ist. Dies kann auch aufgrund eines vorangegangenen Schriftwechsels der Fall sein (Krasney in Kasseler Kommentar, RdNr. 9 zu § 35 SGB X). Das gleiche gilt für die Berechnungsgrundlagen einer Beitragsforderung. Die Beitragsnachforderung betraf ausschließlich Beiträge zur Rentenversicherung für den Beschäftigten A. W. im Zeitraum Dezember 2005 bis Oktober 2010 und wurde von der Antragsgegnerin unter Zugrundelegung der vom Antragsteller übersandten Beitragsnachweise, die nach § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV u.a. bereits für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle gelten, berechnet. Damit war die Forderung für den Antragsteller ohne Weiteres nachvollziehbar.
bb) Rechtsgrundlage für die Nachforderung von Beiträgen zur Rentenversicherung für A. W. durch die Antragsgegnerin ist § 28h Abs. 2 SGB IV i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Danach entscheidet die Einzugsstelle über Versicherungspflicht und Beitragshöhe unter anderem in der Rentenversicherung. Versicherungspflichtig in der Rentenversicherung sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI Beschäftigte. Wer abhängig Beschäftigter ist, richtet sich nach § 7 SGB IV.
(a) Dass A. W. beim Antragsteller vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung beschäftigt war, steht aufgrund des Urteils des SG Berlin vom 27. Oktober 2010 rechtskräftig fest, seitdem die Berufung des hiesigen Antragstellers durch Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 16. Mai 2012 als unzulässig verworfen wurde. Entgegen der Ansicht des Antragstellers steht der Versicherungspflicht nicht der Bescheid vom 22. Dezember 2005 entgegen, mit dem die Antragsgegnerin eine selbstständige Tätigkeit des A. W. im Unternehmen des Antragstellers ab 01. Januar 2001 festgestellt hatte. Diese Statusentscheidung ist vom SG Berlin mit Urteil vom 27. Oktober 2010 aufgehoben worden. Der Urteilstenor enthält den Ausspruch, der Bescheid vom 22. Dezember 2005 werde, soweit das Bestehen von Rentenversicherungspflicht negiert werde, aufgehoben. Einer Rücknahme dieses Bescheids durch die Antragsgegnerin bedurfte und bedarf es hinsichtlich der Versicherungspflicht des A. W. in der Rentenversicherung nicht.
Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt werden. Die Anfechtungsklage als Sonderfall der Gestaltungsklage ist eine Aufhebungsklage. Mit ihr kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung beantragt werden. Ein entsprechendes Urteil beseitigt die Wirkungen des Hoheitsakts (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 54 RdNr. 3). Bei der Anfechtungsklage tritt die gestaltende Wirkung mit der Rechtskraft ein, ohne dass es einer Vollstreckung bedarf oder eine solche möglich wäre (Keller, a.a.O., § 131 RdNr. 16).
Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Gemäß § 69 Nr. 3 SGG ist der Beigeladene Beteiligter am Verfahren. Somit waren sowohl der Antragsteller als auch A. W. am Klageverfahren der DRV Bund gegen die hiesige Antragsgegnerin beim SG Berlin durch die dort erfolgte Beiladung beteiligt, so dass die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils auch ihnen gegenüber einsetzte. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes durch Urteil ist eine anderweitige Aufhebung im Sinne von § 39 SGB X (Roos in von Wulffen, SGB X, Komm., 7. Aufl. RdNr. 13 zu § 39). Nach § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
Im Übrigen wäre § 45 SGB X und der daraus folgende Vertrauensschutz auch bei einer Aufhebung des Bescheides durch die Behörde während des laufenden Anfechtungsverfahrens nicht einschlägig. § 49 SGB X sieht vor, dass § 45 Abs. 1 bis 4, §§ 47 und 48 SGB X nicht gelten, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird. Im Falle der Anfechtung eines Verwaltungsaktes durch Dritte entfällt der für begünstigende Verwaltungsakte geltende Bestandsschutz (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, Komm., 7. Aufl., § 49 RdNr. 2).
(b) Der Antragsteller ist Beitragsschuldner. Nach § 174 Abs. 1 SGB VI gelten für die Zahlung der Beiträge unter anderem von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV) entsprechend. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitsgeber zu zahlen. Da A. W. beim Antragsteller im Zeitraum vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010 beschäftigt war, war der Antragsteller in diesem Zeitraum Arbeitgeber.
(c) Die Beiträge für den Zeitraum vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010 sind nicht verjährt.
Gemäß § 25 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung wurden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind spätestens am Fünfzehnten des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der seit 01. Januar 2006 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und SGB VI vom 03. August 2005 (BGBl. I, S. 2269) sind Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 04./07 September 2012 sind danach Beiträge für die Zeit ab September 2008 schon deshalb nicht verjährt, weil die vierjährige Verjährungsfrist nicht abgelaufen ist.
Unabhängig davon war die Verjährung gehemmt. § 198 Satz 2 SGB VI sieht vor, dass ein Beitragsverfahren oder ein Verfahren über einen Rentenanspruch die Verjährung hemmt und die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach Abschluss des Verfahrens endet. Der Begriff des Beitragsverfahrens ist weit auszulegen, darunter fällt auch ein Verfahren bei der Einzugsstelle (Peters in Kasseler Kommentar, § 198 SGB VI RdNr. 4 m.w.N.). Hier begann die Hemmung der Verjährung im November 2005 mit dem Antrag des Antragstellers auf versicherungsrechtliche Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen. Diese dauerte bis zum 16. November 2012 an, nämlich sechs Monate nach der Verwerfung der Berufung des Antragstellers als unzulässig durch Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg, mit dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde.
(d) Eine Verwirkung der Beitragsnachforderung nach Treu und Glauben (zu den Voraussetzungen z.B. BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 1/04 R - SozR 4-2400 § 22 Nr. 2) ist für den Senat nicht erkennbar. Der Vortrag des Antragstellers, der Terminsvertreter der Antragsgegnerin vor dem SG Berlin habe ihm von der Einlegung einer Berufung abgeraten, wird von der Antragsgegnerin bestritten. Dem Antragsteller hätte es unabhängig von Äußerungen des Terminsvertreters der Antragsgegnerin als Beteiligtem am Klageverfahren oblegen, unabhängigen Rechtsrat einzuholen, falls er nicht in der Lage war, seine Interessen selbst wahrzunehmen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt mit 25 v.H. der geltend gemachten Summe von EUR 32.380,06, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 02. Juli 2010 - L 4 R 2129/10 ER-B - nicht veröffentlicht). Somit ergibt sich ein Streitwert von EUR 8.095,00.
6. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird endgültig auf EUR 8.095,00 festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen zur Rentenversicherung mit Bescheid vom 04./07. September 2012 für November 2005 bis 28. Oktober 2010 in Höhe von EUR 32.380,06.
Der Antragsteller betreibt ein Unternehmen, das Kurierdienste durchführt, bis 28. Oktober 2010 als Einzelunternehmen. Seit 29. Oktober 2010 wird das Unternehmen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) vom Antragsteller und seinem Sohn A. W.-S. (in Folgenden: A. W.) betrieben. A. W. war bis 31. Dezember 2000 bei der AOK Baden-Württemberg und ist seit 01. Januar 2001 bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Mit Bescheid vom 02. August 2012 stellte die Antragsgegnerin gegenüber A. W. fest, dass er seit dem 29. Oktober 2012 aufgrund der Gewerbeanmeldung und Fortsetzung des Unternehmens des Antragstellers als GbR als Gesellschafter und Geschäftsführer selbstständig tätig sei.
A. W. ist bereits seit 24. März 1999 im Unternehmen tätig. Am 22. November 2005 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die versicherungsrechtliche Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen. A. W. sei Juniorchef, Abteilungsleiter Fuhrpark, Fahrer, wickle Aufträge selbstständig ab und stelle Mitarbeiter ein. Er arbeite sechs oder sieben Tage die Woche, mindestens 72 Stunden für EUR 1.500,00 bis EUR 1.550,00 brutto aufgrund familiärer Rücksichtnahme. Es gebe keinen Arbeitsvertrag.
Mit Bescheiden vom 22. Dezember 2005 stellte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller und A. W. fest, dass dieser seit 24. März 1999 bzw. seit 01. Januar 2001 als mitarbeitender Familienangehöriger nicht der Sozialversicherungspflicht sowie der Versicherungspflicht zur Arbeitsförderung unterliege. Die Beurteilung der Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung vor Beginn der Mitgliedschaft bei ihr am 01. Januar 2001 obliege der damaligen Krankenkasse. Im Dezember 2005 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Erstattung der für A. W. entrichteten Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Die Antragsgegnerin erstattete Beiträge zur Pflegeversicherung und lehnte die Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung ab. Bezüglich der Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung entscheide die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg und die Agentur für Arbeit R. (Bescheid vom 16. Januar 2006). Die Agentur für Arbeit R. erstattete dem Antragsteller und A. W. die vom 24. März 1999 bis 31. Dezember 2005 zur Arbeitslosenversicherung entrichteten Beiträge (Bescheide vom 17. Februar 2006). Am 15. Mai 2006 erstattete die Antragsgegnerin nach ihrem Vortrag in den gerichtlichen Verfahren dem Antragsteller die Rentenversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis 31. Oktober 2005 in Höhe von EUR 13.542,12.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2006 teilte die DRV Baden-Württemberg der Antragsgegnerin unter Hinweis auf eine im Jahr 2002 durchgeführte Betriebsprüfung mit, dass das Vorliegen einer nicht abhängigen Beschäftigung nicht nachgewiesen, A. W. als Beschäftigter gemeldet gewesen sei. Die Bezirksdirektion R. der AOK Baden-Württemberg stellte mit Bescheid vom 28. April 2006 für die Zeit bis 31. Dezember 2000 nach Anhörung des Antragstellers fest, dass das Beschäftigungsverhältnis des A. W. ab 31. März 1999 der Sozialversicherungspflicht unterliege.
Mit Schreiben vom 15. Mai 2006 forderte die DRV Bund die Antragsgegnerin auf, den Bescheid vom 22. Dezember 2005 aufzuheben und festzustellen, dass A. W. auch ab 01. Januar 2001 der Rentenversicherungspflicht unterliege. Die Umstände sprächen für eine abhängige Beschäftigung. Am 21. Dezember 2006 erhob die DRV Bund Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin (S 111 KR 180/07) gegen die Antragsgegnerin mit dem Begehren, den Bescheid vom 22. Dezember 2005 aufzuheben und festzustellen, dass Versicherungspflicht des A. W. zur Rentenversicherung seit 01. Januar 2001 bestehe. Der Antragsteller und A. W. wurden zum Verfahren beigeladen. Mit Urteil vom 27. Oktober 2010 hob das SG Berlin den Bescheid vom 22. Dezember 2005 auf, soweit dieser die Rentenversicherungspflicht negiere, und stellte fest, dass A. W. seit dem 01. Januar 2001 in seiner Tätigkeit im Unternehmen des Antragstellers der Rentenversicherungspflicht unterliege. Im Urteilstenor waren A. W. als Beigeladener zu 1) statt zu 3) und der Antragsteller als Beigeladener zu 2) statt zu 4) unrichtig bezeichnet.
Mit Schreiben vom 02. März 2011 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Verweis auf dieses Urteil auf, nunmehr Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten sowie eine Korrektur der Versicherungspflicht und eine Beitragsberechnung für die Zeit vom 01. November 2005 bis 30. November 2010 vorzunehmen. Ab 01. Dezember 2010 bestehe Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung. Die für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis 31. Oktober 2005 erstatteten Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 13.542,12 seien an sie als Einzugsstelle abzuführen.
Der Antragsteller legte Widerspruch gegen den Bescheid vom 02. März 2011 ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Beitragsforderung sei verjährt. Das Urteil des SG Berlin sei eindeutig falsch und betreffe trotz Beiladung nicht das Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Antragsgegnerin. Eine Zahlungspflicht sei nicht festgestellt worden. Der Bescheid vom 22. November 2005 sei nicht zurückgenommen worden. Der Terminsvertreter der Antragsgegnerin habe ihm (dem Antragsteller) nach dem Termin vor dem SG Berlin davon abgeraten, Berufung einzulegen. Es werde ein Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestellt und ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch geltend gemacht. Die Widerspruchsstelle der Beklagte wies u.a. diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2011 zurück. Ein Rücknahmebescheid sei nicht zu erlassen.
Der Antragsteller beantragte bereits am 04. Mai 2011 beim SG Reutlingen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen (S 11 KR 1343/11 ER), und erhob nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2011 am 20. Juni 2011 Klage (S 11 KR 1858/11), die noch anhängig ist. Zur Begründung des Anordnungsantrags wiederholte er seine bisherige Auffassung, insbesondere dass weder die Antragsgegnerin noch das SG Berlin die Rücknahme des Bescheids vom 22. Dezember 2005 ausgesprochen hätten. Sollte in dem Bescheid vom 02. März 2011 eine konkludente Rücknahme zu sehen sein, hätte die Antragsgegnerin kein Ermessen ausgeübt, die Rücknahme wäre somit rechtswidrig. Die Antragsgegnerin müsse aufgrund des Urteils des SG Berlin ein Verwaltungsverfahren zur Rücknahme nach § 45 SGB X einleiten. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2011 ordnete das SG Reutlingen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage gegen den Bescheid vom 02. März 2011 und den Widerspruchsbescheid vom (10.) Juni 2011 an, mit denen die Antragsgegnerin die erstatteten Beiträge vom Antragsteller zurückforderte. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide. Mit dem Bescheid vom 02. März 2011 habe die Antragsgegnerin sinngemäß mit entschieden, dass die Beitragserstattung zu Unrecht erfolgt und rückabzuwickeln sei. Das Urteil des SG Berlin enthalte keine Entscheidung über die Rückabwicklung der Beitragserstattung. Das SG Berlin habe den Bescheid vom 22. Dezember 2005 aufgehoben und festgestellt, dass A. W. seit 01. Januar 2001 hinsichtlich seiner Beschäftigung beim Antragsteller der Rentenversicherungspflicht unterlegen habe. Eine Entscheidung über die Aufhebung der Beitragserstattung und die erneute Anforderung von Beiträgen müsse von der Antragsgegnerin noch getroffen werden. Jedenfalls die Beitragserstattung müsse nach § 45 SGB X aufgehoben werden, was insbesondere eine Ermessensprüfung voraussetze. Einer erneuten Beitragserhebung stehe möglicherweise teilweise die Einrede der Verjährung entgegen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wurde mit Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 04. April 2012 - L 5 KR 288/12 ER-B - zurückgewiesen. Die Nachforderung von erstatteten Rentenversicherungsbeiträgen für die Zeit von 01. Januar 2001 bis 31. Oktober 2005 sei voraussichtlich rechtswidrig. Der grundsätzlich aus der Sozialversicherungspflicht folgenden Beitragspflicht stehe vorliegend die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2005 entgegen. Diese Entscheidung sei noch nicht wirksam aufgehoben, da gegen das Urteil des SG Berlin Berufung eingelegt worden sei. Die Gestaltungswirkung von negativen Gestaltungsurteilen trete erst mit der formellen Rechtskraft des Urteils ein. Entsprechendes gelte für den Feststellungsausspruch. Der Bescheid vom 22. Dezember 2005 sei auch nicht außerhalb des Klageverfahrens aufgehoben worden, weil der Bescheid vom 02. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2011 keinen entsprechenden Verfügungssatz enthalte. Zudem wäre eine nach § 45 SGB X zu beurteilende Aufhebung mangels Begründung und Ermessensausübung rechtswidrig.
Das SG Berlin berichtigte mit Beschluss vom 28. Juli 2011 wegen offenbarer Unrichtigkeit Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründe seines Urteils vom 27. Oktober 2010, dass es jeweils statt Beigeladenem zu 1) Beigeladener zu 3) und statt Beigeladenem zu 2) Beigeladener zu 4) heißen müsse. Der Antragsteller und A.W. erhoben beim Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg gegen diesen Beschluss Beschwerde (L 1 KR 228/11 B) und gegen das Urteil vom 27. Oktober 2011 Berufung (L 1 KR 227/11). Dieses wies mit Beschluss vom 29. September 2011 die Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss zurück und verwarf mit Beschluss vom 16. Mai 2012 die Berufung als unzulässig. Die Berufung sei verfristet. Im Übrigen wäre eine zulässige Berufung unbegründet. § 45 SGB X sei nicht anwendbar.
Mit Schreiben vom 16. August 2012 forderte die Antragsgegnerin unter Hinweis auf die inzwischen eingetretene Rechtskraft des Urteils des SG Berlin vom Antragsteller Beitragsnachweise für die noch zu berechnenden Rentenversicherungsbeiträge für den Zeitraum 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010; anderenfalls werde sie eine Schätzung vornehmen. Mit Bescheid vom 04. September 2012 forderte die Antragsgegnerin vom Antragsteller unter Hinweis auf die übersandten Beitragsnachweise Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von EUR 32.380,06 für den Zeitraum November 2005 bis Oktober 2010 nach. Der Antragsteller erhob Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung nahm er auf den Beschluss des SG Reutlingen vom 14. Dezember 2011 - S 11 R 1343/11 - Bezug. Er sei zur Zahlung außerstande, die Beitreibung der Forderung würde ihn in die Insolvenz treiben. Unter dem 07. September 2012 begründete die Antragsgegnerin ihre Auffassung und kündigte bei nicht fristgerechter Zahlung Vollstreckungsmaßnahmen an.
Am 10. September 2012 beantragte er beim SG Reutlingen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04. und 07. September 2012. Die Antragsgegnerin mache Beitragsforderungen geltend, obwohl der Bescheid vom 22. Dezember 2005 nach wie vor weder vom SG Berlin noch von der Antragsgegnerin zurückgenommen worden sei. Die Rücknahme sei insbesondere nicht mit dem Bescheid vom 02. März 2011 erfolgt. Das SG Berlin habe den Bescheid vom 22. November 2005 ebenfalls nicht aufgehoben, dem Urteilstenor sei allenfalls eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Rücknahme zu entnehmen. Das Urteil setze sich nämlich nicht mit der Vorschrift des § 45 SGB X auseinander, was ansonsten erforderlich gewesen wäre. Das Urteil des SG Berlin habe nur materiell-rechtlichen, keinen verfahrensrechtlichen Charakter. Ein Teil der Forderung (EUR 3.916,80) sei verjährt, da eine Unterbrechung der Verjährung gegenüber dem Antragsteller erst mit dessen Beiladung zum Verfahren vor dem SG Berlin im Jahre 2007 eingetreten sei. Die Beitragsforderung verstoße gegen Treu und Glauben und führe daher zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, denn die Antragsgegnerin habe ihn davon abgehalten, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Er habe den Terminsvertreter der Antragsgegnerin gefragt, ob man gegen das Urteil in Berufung gehen solle. Dieser habe geantwortet, angesichts der Prozesskosten von EUR 5.000,00 werde die Antragsgegnerin das Urteil nicht anfechten, weil ohnehin nicht mehr dabei herauskomme. Diese unzutreffende Einschätzung sei nach Erhalt des schriftlichen Urteils durch die unrichtige Bezeichnung der Beigeladenen weiter verstärkt worden. Im Übrigen stehe die Existenz seines Betriebs auf dem Spiel. Der Bescheid vom 04. September 2012 sei bereits mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig. Die rechtliche Situation sei dieselbe wie beim Beschluss des SG Reutlingen vom 14. Dezember 2011 - S 11 KR 1341/11 ER -. Das obiter dictum des LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 16. Mai 2012, § 45 SGB X sei nicht maßgeblich, weil der Bescheid vom 22. Dezember 2005 nicht bestandskräftig geworden sei, sei unrichtig, denn das Klageverfahren sei zwischen der DRV Bund und der Antragsgegnerin anhängig gewesen, nur in diesem Verhältnis sei der Bescheid nicht unanfechtbar gewesen. Die Antragsgegnerin nehme nicht zur Kenntnis, was das LSG Baden-Württemberg in dem Beschluss vom 04. April 2012 - L 5 KR 288/12 ER-B - festgestellt habe. Der Antragsteller legte eine Monatsbilanz für August 2012 vor, wonach ihm für seinen Lebensunterhalt, außergewöhnliche Auslagen wie Reparaturen und Vorsorge EUR 2.578,00 verblieben.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Das Bestehen der Beitragsschuld sei nach der rechtskräftigen Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg nicht von der Hand zu weisen. Dieses habe im Übrigen auch festgestellt, dass § 45 SGB X nicht anwendbar sei. Belege zur befürchteten Insolvenz seien bisher nicht beigebracht worden. Im Übrigen sei eine Ratenvereinbarung möglich.
Mit Beschluss vom 21. September 2012 wies das SG Reutlingen den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 04./07. September 2012 zurück. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung in dem hier streitigen Zeitraum. Die Schreiben vom 04. und 07. September 2012 stellten einen Verwaltungsakt dar. Die Begründung für die im Bescheid vom 04. September 2012 verfügte Beitragsforderung sei dem Schreiben vom 07. September 2012 und dem vorangegangenen Schriftwechsel zu entnehmen. Gemäß § 42 SGB X sei ein Verwaltungsakt nicht deshalb aufzuheben, weil er verfahrens- oder formfehlerhaft zustande gekommen sei. Die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2005 stehe wegen der aufgrund der formellen Rechtskraft des Urteils des SG Berlin nunmehr eingetretenen Gestaltungswirkung nicht entgegen. Damit sei nunmehr die Statusentscheidung der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2005 hinsichtlich der Rentenversicherungspflicht wirksam aufgehoben. Der Antragsteller und A. W. seien zu diesem Verfahren beigeladen worden. Die Beitragsforderung für den Zeitraum November 2005 bis Oktober 2010 ergebe sich unmittelbar aus der Sozialversicherungspflicht. Verjährung sei nicht eingetreten. Die vierjährige Verjährung nach § 25 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) werde gemäß § 198 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) durch ein Beitragsverfahren gehemmt. Ein Beitragsverfahren in diesem Sinne sei jedes Verwaltungsverfahren gemäß § 8 SGB X, das auf Feststellung der Beitragspflicht nach Grund oder Höhe oder auf die Zahlung der Beiträge gerichtet sei. Auch ein Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht, von dem die Beitragspflicht des Arbeitgebers abhänge, sei ein solches Beitragsverfahren. Da der Antragsteller im November 2005 die versicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des A. W. beantragt habe, was nach Klagerhebung durch die DRV Bund im Dezember 2006 zum Klageverfahren vor dem SG Berlin geführt habe, zu dem der Antragsteller und A. W. beigeladen worden seien, sei eine Hemmung der Verjährung eingetreten. Ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen wirtschaftlichen Belastung des Antragstellers sei nicht vorgetragen, dem könne durch Einräumung von Ratenzahlung begegnet werden.
Gegen den am 25. September 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 26. September 2012 Beschwerde zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Dieses Verfahren sei die Wiederholung des vom LSG Baden-Württemberg bereits entschiedenen Verfahrens L 5 KR 288/12 ER-B, das notwendig sei, weil die Antragsgegnerin und das SG Reutlingen der Ansicht seien, es betreffe einen neu erlassenen Heranziehungsbescheid nicht. Dies sei formal richtig, die tragenden Gründe des genannten Beschlusses des LSG Baden-Württemberg vom 04. April 2012 würden aber weiterhin gelten. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Dahinstehen könne, ob ein ausdrücklich aufhebender Verfügungssatz im Urteil des SG Berlin unterblieben sei, weil man ihn vergessen habe oder ob dies angesichts der Schwierigkeiten des anzuwendenden § 45 SGB X geschehen sei. Das LSG Baden-Württemberg habe nicht ausgesprochen, dass die Wirkung seines Beschlusses nur bis zur Rechtskraft des Urteils des SG Berlin gelte, weil damals alle Beteiligten davon ausgegangen seien, das Urteil sei bereits rechtskräftig. Bei Richtigkeit der von der Antragsgegnerin und dem SG Reutlingen vertretenen Rechtsansicht zu § 45 SGB X wäre diese Vorschrift überflüssig.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. September 2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04./07. September 2012 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das SG Reutlingen habe zu Recht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Da vorliegend ausschließlich Beiträge zur Rentenversicherung betroffen seien, die nach Aufhebung der Statusentscheidung vom 22. Dezember 2005 angefallen seien, könne aus dem Beschluss des LSG Baden-Württemberg im Verfahren L 5 KR 288/12 ER-B nicht die Rechtswidrigkeit der hier vorliegenden Beitragsforderung gefolgert werden. Ausschlaggebend sei die damals noch nicht bestehende Rechtskraft des Urteils des SG Berlin über die Statusentscheidung gewesen. Eine Beratung des Terminvertreters hinsichtlich der Einlegung von Rechtsmitteln gegen das Urteil des SG Berlin habe nicht stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die Akte L 5 KR 288/12 ER-B, die SG-Akten S 11 KR 1343/11 ER, S 11 KR 2514/12 ER und S 11 KR 1858/11 sowie auf den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der Senat hat das Rubrum hinsichtlich des Antragstellers anders als das SG Reutlingen gefasst. Der Bescheid vom 04. September 2012 richtet sich allein an den Antragsteller und nicht an die GbR. Auch betrifft die Nachforderung der Beiträge zur Rentenversicherung den Zeitraum vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010, in welchem der Antragsteller sein Unternehmen als Einzelunternehmen führte.
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der seit 11. August 2010 geltenden Fassung des Art. 6 Drittes Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 05. August 2010 (BGBl I, S. 1127) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung statthaft, da Gegenstand des Verfahrens die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von EUR 32.380,06 ist und damit der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 von EUR 750,00 überschritten wäre.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das SG Reutlingen hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Beitragsbescheid vom 04./07. September 2012 anzuordnen.
1. Der Senat geht - wie das SG Reutlingen - davon aus, dass ein einheitlicher Beitragsbescheid vom 04./07. September 2012 vorliegt. Unter dem 04. September 2012 erfolgte die Regelung, nämlich die Festsetzung von Beiträgen zur Rentenversicherung für die Zeit vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010 in Höhe von EUR 32.380,06, ohne dass eine Begründung erfolgte. Diese Begründung holte die Antragsgegnerin unter dem 07. September 2012 nach.
2. Dem vom Antragsteller gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 04./07. September 2012 anzuordnen, stehen die Beschlüsse des SG Reutlingen vom 14. Dezember 2011 und des LSG Baden-Württemberg vom 04. April 2012 nicht entgegen. Das vorliegende Antragsverfahren betrifft mit der Nachforderung von Beiträgen zur Rentenversicherung wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des A. W. für die Zeit vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010 einen völlig anderen Streitgegenstand. Streitgegenstand des vorangegangenen Anordnungsverfahrens ist demgegenüber die Frage, ob die Antragsgegnerin die dem Antragsteller für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis 31. Oktober 2005 in Höhe von EUR 13.542,12 erstatteten Beiträge zur Rentenversicherung zurückfordern kann oder nicht. Es handelt sich also nicht - wie der Antragsteller meint - um eine Wiederholung des vorangegangenen Anordnungsverfahrens. Die Gründe, die im vorangegangenen Anordnungsverfahrens zu einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage geführt haben, sind für das vorliegende Anordnungsverfahren unerheblich. Für die Frage, ob die Antragsgegnerin die erstatteten Beiträge zurückfordern kann, ist maßgeblich, ob sie, wenn - was sich den vorliegenden Akten nicht entnehmen lässt - die Erstattung durch Bescheid erfolgt sein sollte, diesen Erstattungsbescheid nach § 45 SGB X zurücknehmen und den gezahlten Betrag nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückfordern kann oder ob sie, wenn die Erstattung nicht durch einen Bescheid erfolgt sein sollte, den gezahlten Betrag nach § 50 Abs. 2 SGB X zurückfordern kann.
3. Rechtsgrundlage für den von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist § 86b Abs. 1 SGG, welche in Anfechtungssachen u.a. die gerichtliche Korrektur der fehlenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage regelt. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
a) Der Widerspruch hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Vorliegend forderte die Antragsgegnerin Beiträge zur Rentenversicherung an.
b) Die Frage, ob eine aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu entscheiden. Maßgeblich ist, ob das Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit schwerer wiegt als das gegenläufige Interesse am Erhalt der aufschiebenden Wirkung. Die Interessenabwägung fällt grundsätzlich von vornherein zu Gunsten der sofortigen Vollziehbarkeit aus, wenn der Widerspruch oder die Klage gegen den Verwaltungsakt aufgrund der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur summarischen Prüfung erkennbar aussichtslos ist. Sie fällt von vornherein für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung aus, wenn der Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung erkennbar rechtswidrig ist. Ist keiner dieser Fälle der erkennbaren Aussichtslosigkeit der Klage oder der erkennbaren Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gegeben, so sind die Beteiligteninteressen anhand sonstiger Umstände im Einzelfall zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen.
Bei Beitragsstreitigkeiten liegen ernstliche Zweifel in Sinne des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG nur dann vor, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Juni 2010 - L 11 R 1903/10 ER-B - nicht veröffentlicht; Beschluss vom 19. Juli 2012 - L 11 R 1789/12 ER-B - in juris). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Vollziehung häufig nicht durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01. Juli 2004 - L 5 B 2/04 KR ER - m.w.N., in juris). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann.
Nach dem gegenwärtigen Stand ist es für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 04./07. September 2012 Erfolg haben wird.
aa) Der Bescheid vom 04./07. September 2012 ist nicht formell rechtswidrig.
Der Bescheid vom 04./07. September 2012 ist entgegen der Auffassung des Antragstellers hinreichend bestimmt. Gemäß § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Erforderlich ist, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und der Betroffene mit den Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten (Krasney in Kasseler Kommentar, Stand 01. April 2012, § 33 SGB X RdNr. 3). Erforderlich ist weiterhin eine bestimmte Kennzeichnung des Adressaten, die hinreichende Bestimmtheit der Regelung eines Einzelfalls, der maßgebende Sachverhalt muss sich aus dem Verwaltungsakt ergeben (Krasney, a.a.O., RdNr. 4ff). Unbestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R -; SozR 4 2600 § 96a Nr. 9). Diesen Vorgaben entspricht der Bescheid vom 04./07. September 2012. Der Bescheid vom 04. September 2012 enthält den Verfügungssatz, die Aufforderung an den Antragsteller, die Beitragsforderung in bestimmter Höhe (EUR 32.083,06) zu zahlen, das ergänzende Schreiben vom 07. September 2012 führt aus, dass Beiträge zur Rentenversicherung für den Zeitraum Dezember 2005 bis Oktober 2010 gefordert sind und die Berechnung auf den vom Antragsteller vorgelegten Beitragsnachweisen beruht. Dass er verpflichtet sein soll, EUR 32.083,06 an Beiträge zur Rentenversicherung für A. W. zu zahlen, hat der Antragsteller auch so verstanden. Denn er wendet sich gegen seine Beitragspflicht, weil er der Auffassung ist, dem stehe der Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2005 entgegen, den die Antragsgegnerin nicht nach § 45 SGB X aufgehoben habe.
Die Beitragsnachforderung ist auch nicht wegen eines Begründungsmangels rechtswidrig. Gemäß § 35 Abs. 1 SGB X ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Der Bescheid vom 04./07. September 2012 enthält keine Aufschlüsselung der Beiträge. Einer Begründung bedarf es nach § 35 Abs. 2 Nr. 2 SGB X nicht, soweit dem Adressaten des Verwaltungsaktes die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder die Begründung für ihn ohne Weiteres erkennbar ist. Dies kann auch aufgrund eines vorangegangenen Schriftwechsels der Fall sein (Krasney in Kasseler Kommentar, RdNr. 9 zu § 35 SGB X). Das gleiche gilt für die Berechnungsgrundlagen einer Beitragsforderung. Die Beitragsnachforderung betraf ausschließlich Beiträge zur Rentenversicherung für den Beschäftigten A. W. im Zeitraum Dezember 2005 bis Oktober 2010 und wurde von der Antragsgegnerin unter Zugrundelegung der vom Antragsteller übersandten Beitragsnachweise, die nach § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV u.a. bereits für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle gelten, berechnet. Damit war die Forderung für den Antragsteller ohne Weiteres nachvollziehbar.
bb) Rechtsgrundlage für die Nachforderung von Beiträgen zur Rentenversicherung für A. W. durch die Antragsgegnerin ist § 28h Abs. 2 SGB IV i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Danach entscheidet die Einzugsstelle über Versicherungspflicht und Beitragshöhe unter anderem in der Rentenversicherung. Versicherungspflichtig in der Rentenversicherung sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI Beschäftigte. Wer abhängig Beschäftigter ist, richtet sich nach § 7 SGB IV.
(a) Dass A. W. beim Antragsteller vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung beschäftigt war, steht aufgrund des Urteils des SG Berlin vom 27. Oktober 2010 rechtskräftig fest, seitdem die Berufung des hiesigen Antragstellers durch Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 16. Mai 2012 als unzulässig verworfen wurde. Entgegen der Ansicht des Antragstellers steht der Versicherungspflicht nicht der Bescheid vom 22. Dezember 2005 entgegen, mit dem die Antragsgegnerin eine selbstständige Tätigkeit des A. W. im Unternehmen des Antragstellers ab 01. Januar 2001 festgestellt hatte. Diese Statusentscheidung ist vom SG Berlin mit Urteil vom 27. Oktober 2010 aufgehoben worden. Der Urteilstenor enthält den Ausspruch, der Bescheid vom 22. Dezember 2005 werde, soweit das Bestehen von Rentenversicherungspflicht negiert werde, aufgehoben. Einer Rücknahme dieses Bescheids durch die Antragsgegnerin bedurfte und bedarf es hinsichtlich der Versicherungspflicht des A. W. in der Rentenversicherung nicht.
Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt werden. Die Anfechtungsklage als Sonderfall der Gestaltungsklage ist eine Aufhebungsklage. Mit ihr kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung beantragt werden. Ein entsprechendes Urteil beseitigt die Wirkungen des Hoheitsakts (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 54 RdNr. 3). Bei der Anfechtungsklage tritt die gestaltende Wirkung mit der Rechtskraft ein, ohne dass es einer Vollstreckung bedarf oder eine solche möglich wäre (Keller, a.a.O., § 131 RdNr. 16).
Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Gemäß § 69 Nr. 3 SGG ist der Beigeladene Beteiligter am Verfahren. Somit waren sowohl der Antragsteller als auch A. W. am Klageverfahren der DRV Bund gegen die hiesige Antragsgegnerin beim SG Berlin durch die dort erfolgte Beiladung beteiligt, so dass die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils auch ihnen gegenüber einsetzte. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes durch Urteil ist eine anderweitige Aufhebung im Sinne von § 39 SGB X (Roos in von Wulffen, SGB X, Komm., 7. Aufl. RdNr. 13 zu § 39). Nach § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
Im Übrigen wäre § 45 SGB X und der daraus folgende Vertrauensschutz auch bei einer Aufhebung des Bescheides durch die Behörde während des laufenden Anfechtungsverfahrens nicht einschlägig. § 49 SGB X sieht vor, dass § 45 Abs. 1 bis 4, §§ 47 und 48 SGB X nicht gelten, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird. Im Falle der Anfechtung eines Verwaltungsaktes durch Dritte entfällt der für begünstigende Verwaltungsakte geltende Bestandsschutz (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, Komm., 7. Aufl., § 49 RdNr. 2).
(b) Der Antragsteller ist Beitragsschuldner. Nach § 174 Abs. 1 SGB VI gelten für die Zahlung der Beiträge unter anderem von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV) entsprechend. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitsgeber zu zahlen. Da A. W. beim Antragsteller im Zeitraum vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010 beschäftigt war, war der Antragsteller in diesem Zeitraum Arbeitgeber.
(c) Die Beiträge für den Zeitraum vom 01. November 2005 bis 28. Oktober 2010 sind nicht verjährt.
Gemäß § 25 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung wurden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind spätestens am Fünfzehnten des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der seit 01. Januar 2006 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und SGB VI vom 03. August 2005 (BGBl. I, S. 2269) sind Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 04./07 September 2012 sind danach Beiträge für die Zeit ab September 2008 schon deshalb nicht verjährt, weil die vierjährige Verjährungsfrist nicht abgelaufen ist.
Unabhängig davon war die Verjährung gehemmt. § 198 Satz 2 SGB VI sieht vor, dass ein Beitragsverfahren oder ein Verfahren über einen Rentenanspruch die Verjährung hemmt und die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach Abschluss des Verfahrens endet. Der Begriff des Beitragsverfahrens ist weit auszulegen, darunter fällt auch ein Verfahren bei der Einzugsstelle (Peters in Kasseler Kommentar, § 198 SGB VI RdNr. 4 m.w.N.). Hier begann die Hemmung der Verjährung im November 2005 mit dem Antrag des Antragstellers auf versicherungsrechtliche Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen. Diese dauerte bis zum 16. November 2012 an, nämlich sechs Monate nach der Verwerfung der Berufung des Antragstellers als unzulässig durch Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg, mit dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde.
(d) Eine Verwirkung der Beitragsnachforderung nach Treu und Glauben (zu den Voraussetzungen z.B. BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 1/04 R - SozR 4-2400 § 22 Nr. 2) ist für den Senat nicht erkennbar. Der Vortrag des Antragstellers, der Terminsvertreter der Antragsgegnerin vor dem SG Berlin habe ihm von der Einlegung einer Berufung abgeraten, wird von der Antragsgegnerin bestritten. Dem Antragsteller hätte es unabhängig von Äußerungen des Terminsvertreters der Antragsgegnerin als Beteiligtem am Klageverfahren oblegen, unabhängigen Rechtsrat einzuholen, falls er nicht in der Lage war, seine Interessen selbst wahrzunehmen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt mit 25 v.H. der geltend gemachten Summe von EUR 32.380,06, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 02. Juli 2010 - L 4 R 2129/10 ER-B - nicht veröffentlicht). Somit ergibt sich ein Streitwert von EUR 8.095,00.
6. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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