Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 269/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 4/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf operative Straffung ihrer Haut im Bereich des Bauches, der Oberarme und der Oberschenkel zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Die 0000 geborene Klägerin hatte im Jahre 2009 ein Körpergewicht von 185 kg bei einer Größe von 184 cm. Dies entsprach einem BMI (Body-Mass-Index) von 54,6. Nach einer bariatrischen (Magenbypass-)Operation in 2009 nahm sie 70 kg ab. Das erreichte Gewicht hält sie seit 2011 im wesentlichen konstant; im September 2012 betrug es 117 kg bei einer Körpergröße von 184 cm (BMI: 34,6). Durch die Gewichtsreduktion kam es zu einer starken Faltenbildung (Cutis laxa) im Bereich des Bauches, der Oberarme und der Oberschenkel.
Am 06.07.2011 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine operative Straffung der Haut im Bereich des Bauches durch eine Abdomioplastik, ggf. ein Bodylift, desweiteren im Bereich der Oberschenkel und Oberarme. Sie legte hierzu eine befürwortende Stellungnahme von Professor Dr. Q. und Dr. E., Klinik für Plastische Chirurgie des Universitätsklinikums Aachen, vom 09.06.2011 vor. Die Ärzte meinten, nur durch diese operativen Maßnahmen könne die Gewichtskonstanz beibehalten und eine weitere Gewichtsreduktion gefördert werden.
In einem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) stellte Dr. G. fest, Hautlappenüberschüsse seien keine körperliche Anomalie, die als Krankheit zu bewerten wäre; sie führten auch nicht zu einer schweren Entstellung; Hautveränderungen/-irritationen seien dermatologisch behandelbar.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 19.09.2011 ab.
Dagegen erhob die Klägerin am 10.10.2011 Widerspruch. Sie legte hierzu ärztliche Bescheinigungen ihrer behandelnden Orthopädin Dr. F. vom 20.10.2011, der Dermatologin Dr. L. vom 20.10.2011 und der Gynäkologin Dr. T. vom 27.10.2011 vor, in denen diese die operativen Maßnahmen befürworteten.
In einem weiteren von der Beklagten veranlassten MDK-Gutachten vom 30.11.2011 kam Dr. N. zu keiner anderen Beurteilung als der Vorgutachter. Die MDK-Ärztin führte aus, durch Pflege, Hygiene und hautärztliche Behandlung hätten dauerhafte Hautveränderungen bisher verhindert werden können; die Weiterführung dieser Maßnahmen sei indiziert und zu empfehlen; aus den Unterlagen ergäbe sich nicht, dass über mehrere Monate eine konsequente dermatologische Mitbehandlung erforderlich gewesen sei, ohne dass es zu einer Rückbildung von Hautveränderungen gekommen wäre.
Darauf wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 04.04.2011 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 13.04.2012 Klage erhoben. Sie verweist auf die bereits vorgelegten ärztlichen Atteste. Orthopädischerseits seien Krankengymnastik und muskelstabilisierende Maßnahmen notwendig, die jedoch durch die hypertrophen Hautlappen behindert würden. Aufgrund der Reibung an den Oberschenkelinnenseiten komme es vor allen beim Laufen langer Strecken zu schmerzhaften Rötungen der Haut.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.09.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2012 zu verurteilen, ihr eine operative Behandlung zur Straffung der Haut im Bereich des Bauches, der Oberarme und der Oberschenkel zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass dem Umstand, dass die Hautlappen infolge der von der Krankenkasse übernommenen Magenbypass-Operation entstanden seien, keine rechtliche Bedeutung zukomme. Eine Indikation für die Hautstraffungsoperation bestehe nicht.
Das Gericht hat sich zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Lichtbilder der Klägerin vorlegen lassen, die deren Arme, Beine, Bauch und Ganzkörper zeigen. Sodann sind Befundberichte eingeholt worden von dem Allgemeinmedizinischer Dr. B., der Orthopädin Dr. F. und der Dermatologin Dr. N ... Wegen des Ergebnisses wird auf die Berichte vom 03.09., 04.09. und 27.09.2012 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine operative Straffung der Haut im Bereich des Bauches, der Oberarme und der Oberschenkel zu Lasten der GKV.
Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte An-spruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt also eine "Krankheit" voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R = BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3 m.w.N.). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R = SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 m.w.N.).
Die bei der Klägerin infolge der Reduzierung des Körpergewichts um 70 kg entstandenen Hautlappenüberschüsse im Bauchbereich im Sinne einer sogenannten "Fettschürze" können schon deshalb nicht als behandlungsbedürftige Krankheit bewertet werden, weil damit keine körperliche Fehlfunktion verbunden ist (vgl. hierzu Urteile der Kammer vom 08.09.2009 - S 13 KR 85/09 – und vom 03.08.2010 – S 13 KR 162/09 - , LSG NRW Urteil vom 08.05.2008 - L 5 KR 91/07 -; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2006 - L 4 KR 60/04 -; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2006 - L 5 KR 65/05 -; Sächsisches LSG, Urteil vom 23.03.2005 - L 1 KR 24/04 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.07.2004 - L 11 KR 896/94 -).
Eine Regelwidrigkeit und damit eine Krankheit ließe sich allenfalls in Bezug auf Hautveränderungen (Ekzem/Rötung/Pilzbildung) begründen, sofern diese durch die Reibung im Bereich der Oberarme und der Oberschenkel und die überhängende Bauchdecke hervorgerufen würden, wie die Klägerin und ihre Ärzte dies angesprochen haben. Solche Hautveränderungen führen jedoch nicht dazu, dass die beantragten operativen Eingriffe vorgenommen werden müssten; denn sie sind dermatologisch behandelbar. Die Klägerin hat weder dargelegt noch ist aus den Arztbesuchen ersichtlich, dass bei ihr eine therapieresistente Hauterkrankung durch die Reibung und die Falten der Bauchdecke vorliegt.
Soweit der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. B. eine psychische Belastung ("psychisch labil", "depressiv", Minderwertigkeitsprobleme") durch die erschlaffte Haut geltend macht, vermag dies einen operativen Eingriff ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Denn nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteile vom 19.10.2004 und 28.02.2008, a.a.O.) ist derartigen Belastungen nicht mit chirurgischen Eingriffen in eine an sich gesunde Körpersubstanz, sondern mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu begegnen (ebenso in Bezug auf eine Bauchdeckenplastik: LSG NRW, Urteil vom 08.05.2008 - L 5 KR 91/07; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2006 - L 5 KR 65/05; Sächsisches LSG, Urteil vom 23.03.2005 - L 1 KR 24/04 und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.07.2004 - L 11 KR 896/04; speziell in Bezug auf eine Bodylift-(Hautstraffungs-)Operation: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2006 - L 4 KR 60/04).
Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich im Hinblick auf die Hautlappenüberschüsse auch nicht damit begründen, dass die Klägerin wegen einer äußerlichen Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen und die begehrte Straffungsoperation durchzuführen wäre. Die Kammer konnte sich aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Fotografien davon überzeugen, dass die überschüssige Haut weder im Bereich der Oberarme und Oberschenkel noch im Bereich des Bauches entstellend ist. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr - so das BSG (Urteil vom 28.02.2008, a.a.O.) - "muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist ... Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt". Nach diesen Maßstäben sind nach Überzeugung der Kammer die Hautlappenüberschüsse der Klägerin nicht entstellend. Die Bauchhautfalte bildet zwar eine Schürze, kann jedoch durch weite Kleidung bedeckt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf operative Straffung ihrer Haut im Bereich des Bauches, der Oberarme und der Oberschenkel zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Die 0000 geborene Klägerin hatte im Jahre 2009 ein Körpergewicht von 185 kg bei einer Größe von 184 cm. Dies entsprach einem BMI (Body-Mass-Index) von 54,6. Nach einer bariatrischen (Magenbypass-)Operation in 2009 nahm sie 70 kg ab. Das erreichte Gewicht hält sie seit 2011 im wesentlichen konstant; im September 2012 betrug es 117 kg bei einer Körpergröße von 184 cm (BMI: 34,6). Durch die Gewichtsreduktion kam es zu einer starken Faltenbildung (Cutis laxa) im Bereich des Bauches, der Oberarme und der Oberschenkel.
Am 06.07.2011 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine operative Straffung der Haut im Bereich des Bauches durch eine Abdomioplastik, ggf. ein Bodylift, desweiteren im Bereich der Oberschenkel und Oberarme. Sie legte hierzu eine befürwortende Stellungnahme von Professor Dr. Q. und Dr. E., Klinik für Plastische Chirurgie des Universitätsklinikums Aachen, vom 09.06.2011 vor. Die Ärzte meinten, nur durch diese operativen Maßnahmen könne die Gewichtskonstanz beibehalten und eine weitere Gewichtsreduktion gefördert werden.
In einem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) stellte Dr. G. fest, Hautlappenüberschüsse seien keine körperliche Anomalie, die als Krankheit zu bewerten wäre; sie führten auch nicht zu einer schweren Entstellung; Hautveränderungen/-irritationen seien dermatologisch behandelbar.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 19.09.2011 ab.
Dagegen erhob die Klägerin am 10.10.2011 Widerspruch. Sie legte hierzu ärztliche Bescheinigungen ihrer behandelnden Orthopädin Dr. F. vom 20.10.2011, der Dermatologin Dr. L. vom 20.10.2011 und der Gynäkologin Dr. T. vom 27.10.2011 vor, in denen diese die operativen Maßnahmen befürworteten.
In einem weiteren von der Beklagten veranlassten MDK-Gutachten vom 30.11.2011 kam Dr. N. zu keiner anderen Beurteilung als der Vorgutachter. Die MDK-Ärztin führte aus, durch Pflege, Hygiene und hautärztliche Behandlung hätten dauerhafte Hautveränderungen bisher verhindert werden können; die Weiterführung dieser Maßnahmen sei indiziert und zu empfehlen; aus den Unterlagen ergäbe sich nicht, dass über mehrere Monate eine konsequente dermatologische Mitbehandlung erforderlich gewesen sei, ohne dass es zu einer Rückbildung von Hautveränderungen gekommen wäre.
Darauf wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 04.04.2011 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 13.04.2012 Klage erhoben. Sie verweist auf die bereits vorgelegten ärztlichen Atteste. Orthopädischerseits seien Krankengymnastik und muskelstabilisierende Maßnahmen notwendig, die jedoch durch die hypertrophen Hautlappen behindert würden. Aufgrund der Reibung an den Oberschenkelinnenseiten komme es vor allen beim Laufen langer Strecken zu schmerzhaften Rötungen der Haut.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.09.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2012 zu verurteilen, ihr eine operative Behandlung zur Straffung der Haut im Bereich des Bauches, der Oberarme und der Oberschenkel zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass dem Umstand, dass die Hautlappen infolge der von der Krankenkasse übernommenen Magenbypass-Operation entstanden seien, keine rechtliche Bedeutung zukomme. Eine Indikation für die Hautstraffungsoperation bestehe nicht.
Das Gericht hat sich zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Lichtbilder der Klägerin vorlegen lassen, die deren Arme, Beine, Bauch und Ganzkörper zeigen. Sodann sind Befundberichte eingeholt worden von dem Allgemeinmedizinischer Dr. B., der Orthopädin Dr. F. und der Dermatologin Dr. N ... Wegen des Ergebnisses wird auf die Berichte vom 03.09., 04.09. und 27.09.2012 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine operative Straffung der Haut im Bereich des Bauches, der Oberarme und der Oberschenkel zu Lasten der GKV.
Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte An-spruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt also eine "Krankheit" voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R = BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3 m.w.N.). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R = SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 m.w.N.).
Die bei der Klägerin infolge der Reduzierung des Körpergewichts um 70 kg entstandenen Hautlappenüberschüsse im Bauchbereich im Sinne einer sogenannten "Fettschürze" können schon deshalb nicht als behandlungsbedürftige Krankheit bewertet werden, weil damit keine körperliche Fehlfunktion verbunden ist (vgl. hierzu Urteile der Kammer vom 08.09.2009 - S 13 KR 85/09 – und vom 03.08.2010 – S 13 KR 162/09 - , LSG NRW Urteil vom 08.05.2008 - L 5 KR 91/07 -; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2006 - L 4 KR 60/04 -; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2006 - L 5 KR 65/05 -; Sächsisches LSG, Urteil vom 23.03.2005 - L 1 KR 24/04 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.07.2004 - L 11 KR 896/94 -).
Eine Regelwidrigkeit und damit eine Krankheit ließe sich allenfalls in Bezug auf Hautveränderungen (Ekzem/Rötung/Pilzbildung) begründen, sofern diese durch die Reibung im Bereich der Oberarme und der Oberschenkel und die überhängende Bauchdecke hervorgerufen würden, wie die Klägerin und ihre Ärzte dies angesprochen haben. Solche Hautveränderungen führen jedoch nicht dazu, dass die beantragten operativen Eingriffe vorgenommen werden müssten; denn sie sind dermatologisch behandelbar. Die Klägerin hat weder dargelegt noch ist aus den Arztbesuchen ersichtlich, dass bei ihr eine therapieresistente Hauterkrankung durch die Reibung und die Falten der Bauchdecke vorliegt.
Soweit der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. B. eine psychische Belastung ("psychisch labil", "depressiv", Minderwertigkeitsprobleme") durch die erschlaffte Haut geltend macht, vermag dies einen operativen Eingriff ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Denn nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteile vom 19.10.2004 und 28.02.2008, a.a.O.) ist derartigen Belastungen nicht mit chirurgischen Eingriffen in eine an sich gesunde Körpersubstanz, sondern mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu begegnen (ebenso in Bezug auf eine Bauchdeckenplastik: LSG NRW, Urteil vom 08.05.2008 - L 5 KR 91/07; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2006 - L 5 KR 65/05; Sächsisches LSG, Urteil vom 23.03.2005 - L 1 KR 24/04 und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.07.2004 - L 11 KR 896/04; speziell in Bezug auf eine Bodylift-(Hautstraffungs-)Operation: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2006 - L 4 KR 60/04).
Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich im Hinblick auf die Hautlappenüberschüsse auch nicht damit begründen, dass die Klägerin wegen einer äußerlichen Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen und die begehrte Straffungsoperation durchzuführen wäre. Die Kammer konnte sich aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Fotografien davon überzeugen, dass die überschüssige Haut weder im Bereich der Oberarme und Oberschenkel noch im Bereich des Bauches entstellend ist. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr - so das BSG (Urteil vom 28.02.2008, a.a.O.) - "muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist ... Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt". Nach diesen Maßstäben sind nach Überzeugung der Kammer die Hautlappenüberschüsse der Klägerin nicht entstellend. Die Bauchhautfalte bildet zwar eine Schürze, kann jedoch durch weite Kleidung bedeckt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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