Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 3/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 219/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).
Die am ... 1947 geborene Klägerin erlernte vom 01. September 1964 bis 31. August 1966 den Beruf der Textilfachverkäuferin. Anschließend war sie von 1966 bis 1968 als Lehrausbilderin im Handel, von 1968 bis 1973 als Textilverkäuferin, von 1973 bis 1974 als Sachbearbeiterin Betriebswirtschaft, von 1974 bis 1976 als Sekretärin, von 1978 bis 1988 als Lohnbuchhalterin (nach Weiterbildung), von 1988 bis 1990 als Verkäuferin und Kassiererin sowie von 1990 bis 1994 als Mitarbeiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Stadtverwaltung tätig. Von 1994 bis 2003 war die Klägerin, nur unterbrochen durch eine Fortbildungs- sowie eine Trainingsmaßnahme, arbeitsuchend. Zuletzt war sie von Dezember 2003 bis November 2004 als Abteilungsleiterin im Besucherdienst der L. Z. 2004 GmbH tätig. Seit dem 01. Dezember 2007 bezieht sie eine Altersrente für Frauen.
Am 18. Januar 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog daraufhin den Rehaentlassungsbericht des Reha-Zentrums B. S. vom 14. Dezember 2005 bei. Die Klägerin befand sich dort vom 16. November 2005 bis zum 14. Dezember 2005 zur Rehabilitation. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten:
Tendinitis calcarea (kalkartige Ablagerungen in Sehnen und Sehnenfortsätzen) der rechten Schulter mit geringem Funktionsdefizit,
rezidivierende Lumboischialgien links bei Spondylolisthesis (Wirbelgleiten) L5/S1 Meyerding Grad II,
Cervicalsyndrom (Halswirbelsäulensyndrom) bei muskulärer Dysbalance,
Carpaltunnelsyndrom beidseits,
initiale Retropatellararthrose links.
Die Klägerin könne als Buchhalterin noch sechs Stunden und mehr tätig sein. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie noch leichte Arbeiten zeitweise im Stehen, überwiegend im Gehen und Sitzen verrichten. Tätigkeiten, die eine übermäßige Belastung des Halte- und Bewegungsapparates wie dauerhaftes Heben, Tragen und Bewegen von mittelschweren Lasten erforderten sowie Wirbelsäulenzwangshaltungen, Tätigkeiten in kniender oder hockender Position, Überkopfarbeiten und gehäuftes Treppensteigen seien nicht geeignet. Die Beklagte zog darüber hinaus ein sozialmedizinisches Gutachten des Dr. A. vom MDK Sachsen-Anhalt e.V. vom 14. September 2005 bei. Mit Bescheid vom 20. März 2006 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin ab. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche regelmäßig ausgeübt werden. Die Klägerin sei in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und in ihrem bisherigen Beruf als Abteilungsleiterin mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Hiergegen legte die Klägerin am 31. März 2006 Widerspruch ein. Es seien nicht alle Erkrankungen, insbesondere die Herzrhythmusstörungen und die Osteoporose, berücksichtigt worden. Der Abschlussbericht der Rehaeinrichtung sei unkorrekt und widersprüchlich. Ein Colitis-Schub, den sie während der Reha erlitten habe, sei überhaupt nicht erwähnt worden.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte Befundberichte der HNO-Ärztin Dr. M. vom 08. Mai 2006, der Fachärztin für Orthopädie D. vom 30. Mai 2006 und der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. W. vom 16. Juli 2006 ein. Anschließend erstattete die Fachärztin für Orthopädie Dr. K. auf Veranlassung der Beklagten das Gutachten vom 28. September 2006. Die Gutachterin diagnostizierte aufgrund ihrer Untersuchung am 19. September 2006 folgende Erkrankungen:
chronisches Lumbalsyndrom bei Spondylolisthesis L5/S1 nach Meyerding Grad II mit ausgeprägter Bandscheibendegeneration,
chronisches Cervicalsyndrom bei muskulärer Dysbalance,
Adipositas per magna mit einem Bodymaßindex von 44,4,
Karpaltunnelsyndrom rechts,
beginnende Gonarthrose,
beginnende Coxarthrose beidseits,
Senk-Spreizfuß beidseits,
Periarthritis humero scapularis rechts mit Bewegungseinschränkung (schmerzhafte Entzündung des Schultergelenks),
Osteopenie (Knochenschwund),
Nebendiagnosen: mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit, Ekzem im Bereich des perioralen Dreiecks, Herzrhythmusstörung, Hypertonus, Blasenschwäche bei Beckenbodeninsuffizienz, Hämorrhoiden, Krampfadern, Verdacht auf Colitis ulcerosa.
Die Gutachterin führte aus, dass die degenerativen Veränderungen nur relativ gering ausgeprägt seien. Aus orthopädischer Sicht stelle lediglich die Spondylolisthesis L5/S1 mit ausgeprägter Bandscheibendegeneration eine Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule dar. Aufgrund dessen seien überwiegend sitzende Tätigkeiten, ohne schweres Heben und Tragen vollschichtig möglich. Arbeiten in vorgebeugter Haltung, Überkopfarbeiten und Arbeiten in Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule oder in kniender und hockender Position seien unbedingt zu vermeiden. Als Buchhalterin könne die Klägerin noch sechs Stunden und mehr täglich tätig werden. Dr. M. erstellte auf Veranlassung der Beklagten ein internistisches Gutachten vom 30. September 2006. Die Internistin diagnostizierte aufgrund Untersuchung am 23. August 2006 eine Colitis ulcerosa (schwerwiegende Entzündung des Dickdarms) mit günstigem Verlauf sowie eine gut behandelte hypertone Herzerkrankung. Die Klägerin könne sechs Stunden und mehr eine Tätigkeit im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ohne Heben und Tragen von Lasten mit einem Gewicht von mehr als 10 kg verrichten. Vorstellbar sei eine Bürotätigkeit. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2006 zurück. Es bestehe weiterhin für den Hauptberuf der Klägerin als Abteilungsleiterin und für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich.
Gegen den am 28. November 2006 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 02. Januar 2007 beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben. Der Klageschrift war eine Kopie des Widerspruchsbescheides beigefügt. Auf Seite 1 des Widerspruchsbescheides war vermerkt: "erhalten 28.11.2006, Poststempel 27.11.2006, Berlin 1083". Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt. Aufgrund eines Kanzleiversehens durch die Rechtsanwaltsfachangestellte Frau S. sei die zum 28. Dezember 2006 abgelaufene Klagefrist übersehen worden. In der Sache hat die Klägerin vorgetragen, dass sie seit über 30 Jahren an Rückenschmerzen im Lenden- und Halswirbelsäulenbereich, einem chronischen Wirbelsäulensyndrom unter akuter Zunahme der Schmerzen seit 2004 leide. Resultierend aus den Veränderungen im Halswirbelsäulenbereich habe sie im Abstand von zirka vier bis fünf Wochen extrem starke Kopfschmerzen. Im Bereich der Lendenwirbelsäule habe sie ständig ununterbrochene Schmerzen, welche in beide Beine ausstrahlen würden. Sie habe ständig vorherrschende Schmerzen im rechten Knie. Im Segment L5/S1 bestehe eine schwere Bandscheibendegeneration. Sie habe alle drei bis vier Wochen eine Injektionsbehandlung und gehe ebenfalls zur Physiotherapie. Sie leide an Verschleißerscheinungen in beiden Schultergelenken, einer chronischen Darmerkrankung seit 1994, einer mittelschweren Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, beidseitiger Schwerhörigkeit, Osteoporose im Anfangsstadium, Blasenschwäche und Schlafapnoe. Sie sei nicht als Abteilungsleiterin, sondern nur als Schreibkraft tätig gewesen.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass die Klage unzulässig sei. Das Kanzleiversehen führe nicht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Daraufhin hat die Klägerin am 09. Februar 2007 einen Überprüfungsantrag gestellt, den die Beklagte mit Bescheid vom 02. April 2008 (GA 67) abgelehnt hat. Der Bescheid hat den Hinweis auf § 96 SGG enthalten.
Das SG hat Befundberichte der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. W. vom 23. Juli 2008, der HNO-Ärztin Dr. M. vom 21. Juli 2008, des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 20. Juli 2008, des Facharztes für Frauenheilkunde Dr. M. vom 24. Juli 2008 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. M. vom 17. August 2008 eingeholt. Anschließend hat das SG die Klage mit Urteil vom 11. Mai 2009 abgewiesen. Die Klage sei nach Erlass des Überprüfungsbescheides vom 02. April 2008 zulässig. Dieser Bescheid sei nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Voraussetzungen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) lägen nicht vor. Ein Absinken des gesundheitlichen Leistungsvermögens für eine Erwerbstätigkeit unter die maßgebliche Grenze von drei bzw. sechs Stunden könne das Gericht nicht feststellen. Die Klägerin sei in der Lage, eine leichte körperliche Arbeit im Wechsel der Haltungsarten in einem zeitlichen Umfang von mehr als sechs Stunden zu verrichten. Eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit sei ebenfalls nicht gegeben. Abzustellen sei auf die Tätigkeit als Mitarbeiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit oder Lohnbuchhalterin. Diese Tätigkeiten könne die Klägerin noch verrichten.
Gegen das am 12. Juni 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Juli 2009 (Montag) Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass die Tatsachenfeststellung unvollständig sei. Das SG habe lediglich fünf der neun genannten Ärzte befragt. Im Übrigen verweist sie auf die Klagebegründung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Mai 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2006 und den Bescheid vom 02. April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01. Februar 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiterhin hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Mai 2009 zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag sowie die Begründung des Urteils.
Der Senat hat zur weiteren medizinischen Sachverhaltsermittlung Befundberichte des Facharztes für Innere Medizin Dr. W. vom 12. Februar 2010, des Facharztes für Frauenheilkunde Dr. M. vom 10. Februar 2010, der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. B. vom 11. Februar 2010, des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 14. Februar 2010, der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. M. vom 15. Februar 2010 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. M. vom 28. Januar 2010 eingeholt. Auf Antrag der Klägerin ist der Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt worden. Der Gutachter hat in seinem Gutachten vom 24. Januar 2012 diagnostiziert:
Fehlstatik der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen insbesondere an der Halswirbelsäule und im Lenden-Kreuzbeinübergang mit Wirbelgleiten im Segment L5/S1,
Verschleißleiden des rechten Schultergelenkes und Schultereckgelenkes ohne aktuell nachweisbare Funktionseinschränkung,
chronische Dickdarmerkrankung letztlich ungeklärter Ursache,
Adipositas (erhebliches Übergewicht),
Schwerhörigkeit, mit Hörgeräten kompensiert.
Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen bis 10 kg verrichten. Sie sei in der Lage, Arbeiten im Gehen, Stehen, vorzugsweise im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen, auszuüben. Arbeiten mit ständigen, längeren bzw. häufigen oder gelegentlichen einseitigen körperlichen Belastungen oder Zwangshaltungen könne sie nicht mehr verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten im Knien, Hocken, Bücken, in Zwangshaltungen, Arbeiten auf gefahrgeneigten Arbeitsstellen wie auf Gerüsten, Leitern etc ... Der Klägerin seien Arbeiten in einem zeitlichen Ausmaß bis zu sechs Stunden täglich an fünf Tagen die Woche zumutbar. Eine zeitlich darüber hinausgehende Beschäftigung würde wahrscheinlich ihr körperliches Leistungsvermögen übersteigen. Es bestünden keine wesentlichen Unterschiede im Ergebnis zu dem Gutachten von Dr. K. und dem internistischen Gutachten vom 23. August 2006. Durch die Zunahme des Lebensalters der Klägerin halte er eine zeitliche Beschränkung auf maximal sechs Stunden täglich für medizinisch begründet. Auf richterliche Nachfrage hat Dr. S. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 17. April 2012 ausgeführt, dass der Klägerin sechs Stunden tägliche Arbeitzeit im Durchschnitt zumutbar sein dürften.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf deren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 20. März 2006 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 sowie der Bescheid vom 02. April 2008 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
I.
Die Klage war entgegen der Auffassung des SG von Anfang an zulässig. Sie war insbesondere nicht verfristet. Nach § 87 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben. Erfolgt die Bekanntgabe wie hier mit einfachem Brief, so gilt der Widerspruchsbescheid gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB X). Auf dem Widerspruchsbescheid in der Verwaltungsakte der Beklagen befindet sich der Vermerk "abgesandt ZWSt" sowie das Datum 24. November 2006. Dieser Absendevermerk belegt jedoch lediglich die Erledigung in der zentralen Widerspruchsstelle. Dies ist kein Beweis, wann der Widerspruchsbescheid zur Post gegeben wurde. Insbesondere datieren die abschließenden Verfügungen in der Verwaltungsakte vom 28. November 2006. Nach dem Vermerk der Klägerseite auf dem Widerspruchsbescheid wurde dieser laut Poststempel am 27. November 2006 in Berlin abgesandt. Dies ist auch aufgrund des Zugangs des Widerspruchsbescheides am 28. November 2006 glaubhaft und nachvollziehbar. Unter Anwendung der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X galt damit der Widerspruchsbescheid am 30. November 2006 als bekannt gegeben. Die Zugangsfiktion nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt selbst dann, wenn der Zugang tatsächlich früher erfolgt ist (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, 2010, § 37, Rdnr. 12). Ausgehend von einer Bekanntmachung des Widerspruchsbescheides am 30. November 2006 endete die Klagefrist des § 87 SGG deshalb am 30. Dezember 2006 (Samstag). Die Klage wurde am 02. Januar 2007 somit fristgerecht erhoben.
II.
Gegenstand des Rechtsstreits ist neben dem Bescheid vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 auch der Überprüfungsbescheid vom 02. April 2008 geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG (in der am 01. April 2008 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 – BGBl I 2008, 444) wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Verfahrens, wenn er den mit der Klage angefochtenen früheren Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Geändert oder ersetzt wird ein Bescheid immer nur dann, wenn er – zumindest teilweise – denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft bzw. wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird. Ein bloßer Sachzusammenhang mit dem anfänglich erhobenen Anspruch ist nicht ausreichend (Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 20. Juli 2005 – SozR 4-1500 § 96 Nr. 3 Rdnr. 7 m.w.N., so noch zur früheren, weitergehenden Fassung; fortgeführt von BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 82/09 – veröffentlicht in juris). Mit dem Bescheid vom 02. April 2008 hat die Beklagte es während des Gerichtsverfahrens abgelehnt, im Sinne des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs nach § 44 Abs. 1 SGB X tätig zu werden. Auch solche Bescheide ändern oder ersetzen den Gegenstand des Verfahrens. Nur so kann zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen verhindert werden, dass über denselben Streitgegenstand mehrere gerichtliche Verfahren geführt werden (Urteile des BSG vom 20. Juli 2005 und 20. Oktober 2010, a.a.O.).
III.
Streitgegenständlich ist ein Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 01. Februar 2006, wie dies die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG beantragt hat. Für den Zeitraum davor – ab Antragstellung, gegebenenfalls ab Beantragung der Rehabilitation – sind die Bescheide bestandskräftig.
1.
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, dann einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist derjenige teilweise erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 Zweiter Halbsatz SGB VI).
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin noch in der Lage war und ist, mindestens sechs Stunden täglich einer körperlich leichten Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Zu vermeiden sind dabei Tätigkeiten im Knien, Hocken, Bücken, in Zwangshaltungen, Arbeiten auf gefahrgeneigten Arbeitsstellen wie auf Gerüsten, Leitern etc ... Insoweit folgt der Senat aufgrund eigener Urteilsbildung den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters Dr. S. in dem Gutachten vom 24. Januar 2012, der Gutachterin Dr. K. in dem Gutachten vom 28. September 2006 sowie den Ausführungen der Gutachterin Dr. M. in dem Gutachten vom 30. September 2006. In dem Gutachten von Dr. S. wurde der Klägerin ein sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten bescheinigt. Die Gutachter im Verwaltungsverfahren schätzten sogar ein, dass die Klägerin noch vollschichtig tätig sein kann. Nach diesen ärztlichen Unterlagen liegen bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen vor, die ihr Leistungsvermögen im Erwerbsleben beeinflussen:
Fehlstatik der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen insbesondere an der Halswirbelsäule und im Lenden-Kreuzbeinübergang mit Wirbelgleiten im Segment L5/S1,
Verschleißleiden des rechten Schultergelenkes und Schultereckgelenkes ohne aktuell nachweisbare Funktionseinschränkung,
chronische Dickdarmerkrankung letztlich ungeklärter Ursache,
Adipositas (erhebliches Übergewicht),
Schwerhörigkeit, mit Hörgeräten kompensiert,
gut behandelte hypertone Herzkrankheit.
Dr. S. stellte aufgrund seiner Untersuchung am 10. Januar 2012 fest, dass die Ergebnisse der messenden Untersuchungen aufgrund der Fettleibigkeit der Klägerin zur Beurteilung des Funktionsstatuts nur bedingt verwertbar sind. Anhand der Röntgenaufnahmen erkannte der Gutachter, dass im Bereich der Halswirbelsäule die Form der Wirbelkörper und der Zwischenwirbelräume unauffällig ist. Man sieht keine wesentlichen Zeichen eines vorauseilenden Verschleißes. Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ist der Zwischenwirbelraum im Lenden-Kreuzbeinübergangssegment L5/S1 weitgehend aufgehoben. Die übrigen Zwischenwirbelräume stellen sich unauffällig dar. Die Wirbelsäulenerkrankung führt zu einer verminderten Belastbarkeit des Achsenorgans, insbesondere für axiale Belastungen (schweres Heben und Tragen). Zu einer zusätzlichen Minderung der körperlichen Belastbarkeit führt der beginnende Verschleiß der Kniegelenke mit zusätzlicher Einschränkung der körperlichen Mobilität der Klägerin. Hierzu trägt ferner das erhebliche Übergewicht bei.
Die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der Orthopädin Dr. K. und der Internistin Dr. M. stützen die Leistungseinschätzung von Dr. S ... Dr. K. stellte im Gutachten vom 28. September 2006 gleichfalls fest, dass lediglich die Spondylolisthesis L5/S1 mit ausgeprägter Bandscheibendegeneration eine Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule darstellt. Die degenerativen Veränderungen sind nur relativ gering ausgeprägt. Die Internistin Dr. M. stellte fest, dass die Klägerin auf internistischem Fachgebiet an einer Colitis ulcerosa mit einem günstigen Krankheitsverlauf leidet. Die Hypertonie-Herzerkrankung erscheint ebenfalls gut behandelt, wobei das massive Übergewicht die Therapie kompliziert.
Die von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. M. im Befundbericht vom 28. Januar 2010 gemachte Feststellung, dass der Schulterschmerz rechts schlechter geworden sei, führt nicht zu einer weiteren Leistungseinschränkung. Dr. S. stellte im Gutachten nachvollziehbar fest, dass die aktive Beweglichkeit der Schultergelenke in allen Ebenen beiderseits frei ist.
Im Ergebnis der Beurteilungen ergibt sich das eingangs geschilderte Leistungsbild. Mit einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich ist die Klägerin aber nicht teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI.
2.
Ist die Klägerin danach schon nicht teilweise erwerbsgemindert, so ist sie erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Denn dies erfordert gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, dass ein Versicherter wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Da die Klägerin, wie dargelegt, noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, erfüllt sie dieses Kriterium nicht.
Die Klägerin ist auch nicht deshalb voll erwerbsgemindert, weil sie wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann. Eine konkrete Verweisungstätigkeit ist daher nicht zu benennen. Ihr Restleistungsvermögen reicht vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 –, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f.; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt in BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R – juris, Rdnr. 14 ff.).
Schließlich ist sie auch nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. S ... Dies korreliert mit der Angabe der Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Dr. K., beim Nordic walking etwa 3 km mit Stöcken laufen zu können.
3.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Danach haben Versicherte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Die Klägerin ist zwar vor diesem Zeitpunkt geboren worden (nämlich 15. November 1947), sie ist aber nicht berufsunfähig.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit vom bisherigen Beruf der Versicherten auszugehen. Es ist zu prüfen, ob sie diesen Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiter ausüben können. Sind sie hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten die Versicherten verwiesen werden können. Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei ist nicht unbedingt auf die letzte Berufstätigkeit abzustellen, sondern auf diejenige, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 16. November 2000 – B 13 RJ 79/99 R –, SozR 3-2600 § 43 Nr. 23). Bisheriger Beruf der Klägerin in diesem Sinne ist der der Verwaltungsangestellten/Sekretärin. Diese Tätigkeit hat sie bis 1994 ausgeübt. Von ihrem erlernten Beruf der Textilfachverkäuferin hat sie sich aus anderen als aus gesundheitlichen Gründen gelöst. Die Beschäftigung im Besucherdienst der Landesgartenschau ist ebenfalls für die Beurteilung des bisherigen Berufes unerheblich, da die Klägerin dies nur befristet für ein Jahr ausgeübt hat. Die von den Gutachtern gegebenen Leistungseinschätzungen stehen der Tätigkeit als Verwaltungsangestellte/Sekretärin nicht entgegen. Dr. K. stellte fest, dass die Klägerin als Buchhalterin mehr als sechs Stunden tätig sein kann. Vorstellbar für die Internistin Dr. M. ist gleichfalls eine vollschichtige Bürotätigkeit. Somit kann die Klägerin ihren bisherigen Beruf noch ausüben und ist deshalb auch nicht berufsunfähig.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).
Die am ... 1947 geborene Klägerin erlernte vom 01. September 1964 bis 31. August 1966 den Beruf der Textilfachverkäuferin. Anschließend war sie von 1966 bis 1968 als Lehrausbilderin im Handel, von 1968 bis 1973 als Textilverkäuferin, von 1973 bis 1974 als Sachbearbeiterin Betriebswirtschaft, von 1974 bis 1976 als Sekretärin, von 1978 bis 1988 als Lohnbuchhalterin (nach Weiterbildung), von 1988 bis 1990 als Verkäuferin und Kassiererin sowie von 1990 bis 1994 als Mitarbeiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Stadtverwaltung tätig. Von 1994 bis 2003 war die Klägerin, nur unterbrochen durch eine Fortbildungs- sowie eine Trainingsmaßnahme, arbeitsuchend. Zuletzt war sie von Dezember 2003 bis November 2004 als Abteilungsleiterin im Besucherdienst der L. Z. 2004 GmbH tätig. Seit dem 01. Dezember 2007 bezieht sie eine Altersrente für Frauen.
Am 18. Januar 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog daraufhin den Rehaentlassungsbericht des Reha-Zentrums B. S. vom 14. Dezember 2005 bei. Die Klägerin befand sich dort vom 16. November 2005 bis zum 14. Dezember 2005 zur Rehabilitation. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten:
Tendinitis calcarea (kalkartige Ablagerungen in Sehnen und Sehnenfortsätzen) der rechten Schulter mit geringem Funktionsdefizit,
rezidivierende Lumboischialgien links bei Spondylolisthesis (Wirbelgleiten) L5/S1 Meyerding Grad II,
Cervicalsyndrom (Halswirbelsäulensyndrom) bei muskulärer Dysbalance,
Carpaltunnelsyndrom beidseits,
initiale Retropatellararthrose links.
Die Klägerin könne als Buchhalterin noch sechs Stunden und mehr tätig sein. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie noch leichte Arbeiten zeitweise im Stehen, überwiegend im Gehen und Sitzen verrichten. Tätigkeiten, die eine übermäßige Belastung des Halte- und Bewegungsapparates wie dauerhaftes Heben, Tragen und Bewegen von mittelschweren Lasten erforderten sowie Wirbelsäulenzwangshaltungen, Tätigkeiten in kniender oder hockender Position, Überkopfarbeiten und gehäuftes Treppensteigen seien nicht geeignet. Die Beklagte zog darüber hinaus ein sozialmedizinisches Gutachten des Dr. A. vom MDK Sachsen-Anhalt e.V. vom 14. September 2005 bei. Mit Bescheid vom 20. März 2006 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin ab. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche regelmäßig ausgeübt werden. Die Klägerin sei in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und in ihrem bisherigen Beruf als Abteilungsleiterin mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Hiergegen legte die Klägerin am 31. März 2006 Widerspruch ein. Es seien nicht alle Erkrankungen, insbesondere die Herzrhythmusstörungen und die Osteoporose, berücksichtigt worden. Der Abschlussbericht der Rehaeinrichtung sei unkorrekt und widersprüchlich. Ein Colitis-Schub, den sie während der Reha erlitten habe, sei überhaupt nicht erwähnt worden.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte Befundberichte der HNO-Ärztin Dr. M. vom 08. Mai 2006, der Fachärztin für Orthopädie D. vom 30. Mai 2006 und der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. W. vom 16. Juli 2006 ein. Anschließend erstattete die Fachärztin für Orthopädie Dr. K. auf Veranlassung der Beklagten das Gutachten vom 28. September 2006. Die Gutachterin diagnostizierte aufgrund ihrer Untersuchung am 19. September 2006 folgende Erkrankungen:
chronisches Lumbalsyndrom bei Spondylolisthesis L5/S1 nach Meyerding Grad II mit ausgeprägter Bandscheibendegeneration,
chronisches Cervicalsyndrom bei muskulärer Dysbalance,
Adipositas per magna mit einem Bodymaßindex von 44,4,
Karpaltunnelsyndrom rechts,
beginnende Gonarthrose,
beginnende Coxarthrose beidseits,
Senk-Spreizfuß beidseits,
Periarthritis humero scapularis rechts mit Bewegungseinschränkung (schmerzhafte Entzündung des Schultergelenks),
Osteopenie (Knochenschwund),
Nebendiagnosen: mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit, Ekzem im Bereich des perioralen Dreiecks, Herzrhythmusstörung, Hypertonus, Blasenschwäche bei Beckenbodeninsuffizienz, Hämorrhoiden, Krampfadern, Verdacht auf Colitis ulcerosa.
Die Gutachterin führte aus, dass die degenerativen Veränderungen nur relativ gering ausgeprägt seien. Aus orthopädischer Sicht stelle lediglich die Spondylolisthesis L5/S1 mit ausgeprägter Bandscheibendegeneration eine Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule dar. Aufgrund dessen seien überwiegend sitzende Tätigkeiten, ohne schweres Heben und Tragen vollschichtig möglich. Arbeiten in vorgebeugter Haltung, Überkopfarbeiten und Arbeiten in Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule oder in kniender und hockender Position seien unbedingt zu vermeiden. Als Buchhalterin könne die Klägerin noch sechs Stunden und mehr täglich tätig werden. Dr. M. erstellte auf Veranlassung der Beklagten ein internistisches Gutachten vom 30. September 2006. Die Internistin diagnostizierte aufgrund Untersuchung am 23. August 2006 eine Colitis ulcerosa (schwerwiegende Entzündung des Dickdarms) mit günstigem Verlauf sowie eine gut behandelte hypertone Herzerkrankung. Die Klägerin könne sechs Stunden und mehr eine Tätigkeit im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ohne Heben und Tragen von Lasten mit einem Gewicht von mehr als 10 kg verrichten. Vorstellbar sei eine Bürotätigkeit. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2006 zurück. Es bestehe weiterhin für den Hauptberuf der Klägerin als Abteilungsleiterin und für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich.
Gegen den am 28. November 2006 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 02. Januar 2007 beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben. Der Klageschrift war eine Kopie des Widerspruchsbescheides beigefügt. Auf Seite 1 des Widerspruchsbescheides war vermerkt: "erhalten 28.11.2006, Poststempel 27.11.2006, Berlin 1083". Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt. Aufgrund eines Kanzleiversehens durch die Rechtsanwaltsfachangestellte Frau S. sei die zum 28. Dezember 2006 abgelaufene Klagefrist übersehen worden. In der Sache hat die Klägerin vorgetragen, dass sie seit über 30 Jahren an Rückenschmerzen im Lenden- und Halswirbelsäulenbereich, einem chronischen Wirbelsäulensyndrom unter akuter Zunahme der Schmerzen seit 2004 leide. Resultierend aus den Veränderungen im Halswirbelsäulenbereich habe sie im Abstand von zirka vier bis fünf Wochen extrem starke Kopfschmerzen. Im Bereich der Lendenwirbelsäule habe sie ständig ununterbrochene Schmerzen, welche in beide Beine ausstrahlen würden. Sie habe ständig vorherrschende Schmerzen im rechten Knie. Im Segment L5/S1 bestehe eine schwere Bandscheibendegeneration. Sie habe alle drei bis vier Wochen eine Injektionsbehandlung und gehe ebenfalls zur Physiotherapie. Sie leide an Verschleißerscheinungen in beiden Schultergelenken, einer chronischen Darmerkrankung seit 1994, einer mittelschweren Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, beidseitiger Schwerhörigkeit, Osteoporose im Anfangsstadium, Blasenschwäche und Schlafapnoe. Sie sei nicht als Abteilungsleiterin, sondern nur als Schreibkraft tätig gewesen.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass die Klage unzulässig sei. Das Kanzleiversehen führe nicht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Daraufhin hat die Klägerin am 09. Februar 2007 einen Überprüfungsantrag gestellt, den die Beklagte mit Bescheid vom 02. April 2008 (GA 67) abgelehnt hat. Der Bescheid hat den Hinweis auf § 96 SGG enthalten.
Das SG hat Befundberichte der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. W. vom 23. Juli 2008, der HNO-Ärztin Dr. M. vom 21. Juli 2008, des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 20. Juli 2008, des Facharztes für Frauenheilkunde Dr. M. vom 24. Juli 2008 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. M. vom 17. August 2008 eingeholt. Anschließend hat das SG die Klage mit Urteil vom 11. Mai 2009 abgewiesen. Die Klage sei nach Erlass des Überprüfungsbescheides vom 02. April 2008 zulässig. Dieser Bescheid sei nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Voraussetzungen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) lägen nicht vor. Ein Absinken des gesundheitlichen Leistungsvermögens für eine Erwerbstätigkeit unter die maßgebliche Grenze von drei bzw. sechs Stunden könne das Gericht nicht feststellen. Die Klägerin sei in der Lage, eine leichte körperliche Arbeit im Wechsel der Haltungsarten in einem zeitlichen Umfang von mehr als sechs Stunden zu verrichten. Eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit sei ebenfalls nicht gegeben. Abzustellen sei auf die Tätigkeit als Mitarbeiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit oder Lohnbuchhalterin. Diese Tätigkeiten könne die Klägerin noch verrichten.
Gegen das am 12. Juni 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Juli 2009 (Montag) Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass die Tatsachenfeststellung unvollständig sei. Das SG habe lediglich fünf der neun genannten Ärzte befragt. Im Übrigen verweist sie auf die Klagebegründung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Mai 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2006 und den Bescheid vom 02. April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01. Februar 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiterhin hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Mai 2009 zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag sowie die Begründung des Urteils.
Der Senat hat zur weiteren medizinischen Sachverhaltsermittlung Befundberichte des Facharztes für Innere Medizin Dr. W. vom 12. Februar 2010, des Facharztes für Frauenheilkunde Dr. M. vom 10. Februar 2010, der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. B. vom 11. Februar 2010, des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 14. Februar 2010, der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. M. vom 15. Februar 2010 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. M. vom 28. Januar 2010 eingeholt. Auf Antrag der Klägerin ist der Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt worden. Der Gutachter hat in seinem Gutachten vom 24. Januar 2012 diagnostiziert:
Fehlstatik der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen insbesondere an der Halswirbelsäule und im Lenden-Kreuzbeinübergang mit Wirbelgleiten im Segment L5/S1,
Verschleißleiden des rechten Schultergelenkes und Schultereckgelenkes ohne aktuell nachweisbare Funktionseinschränkung,
chronische Dickdarmerkrankung letztlich ungeklärter Ursache,
Adipositas (erhebliches Übergewicht),
Schwerhörigkeit, mit Hörgeräten kompensiert.
Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen bis 10 kg verrichten. Sie sei in der Lage, Arbeiten im Gehen, Stehen, vorzugsweise im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen, auszuüben. Arbeiten mit ständigen, längeren bzw. häufigen oder gelegentlichen einseitigen körperlichen Belastungen oder Zwangshaltungen könne sie nicht mehr verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten im Knien, Hocken, Bücken, in Zwangshaltungen, Arbeiten auf gefahrgeneigten Arbeitsstellen wie auf Gerüsten, Leitern etc ... Der Klägerin seien Arbeiten in einem zeitlichen Ausmaß bis zu sechs Stunden täglich an fünf Tagen die Woche zumutbar. Eine zeitlich darüber hinausgehende Beschäftigung würde wahrscheinlich ihr körperliches Leistungsvermögen übersteigen. Es bestünden keine wesentlichen Unterschiede im Ergebnis zu dem Gutachten von Dr. K. und dem internistischen Gutachten vom 23. August 2006. Durch die Zunahme des Lebensalters der Klägerin halte er eine zeitliche Beschränkung auf maximal sechs Stunden täglich für medizinisch begründet. Auf richterliche Nachfrage hat Dr. S. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 17. April 2012 ausgeführt, dass der Klägerin sechs Stunden tägliche Arbeitzeit im Durchschnitt zumutbar sein dürften.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf deren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 20. März 2006 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 sowie der Bescheid vom 02. April 2008 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
I.
Die Klage war entgegen der Auffassung des SG von Anfang an zulässig. Sie war insbesondere nicht verfristet. Nach § 87 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben. Erfolgt die Bekanntgabe wie hier mit einfachem Brief, so gilt der Widerspruchsbescheid gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB X). Auf dem Widerspruchsbescheid in der Verwaltungsakte der Beklagen befindet sich der Vermerk "abgesandt ZWSt" sowie das Datum 24. November 2006. Dieser Absendevermerk belegt jedoch lediglich die Erledigung in der zentralen Widerspruchsstelle. Dies ist kein Beweis, wann der Widerspruchsbescheid zur Post gegeben wurde. Insbesondere datieren die abschließenden Verfügungen in der Verwaltungsakte vom 28. November 2006. Nach dem Vermerk der Klägerseite auf dem Widerspruchsbescheid wurde dieser laut Poststempel am 27. November 2006 in Berlin abgesandt. Dies ist auch aufgrund des Zugangs des Widerspruchsbescheides am 28. November 2006 glaubhaft und nachvollziehbar. Unter Anwendung der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X galt damit der Widerspruchsbescheid am 30. November 2006 als bekannt gegeben. Die Zugangsfiktion nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt selbst dann, wenn der Zugang tatsächlich früher erfolgt ist (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, 2010, § 37, Rdnr. 12). Ausgehend von einer Bekanntmachung des Widerspruchsbescheides am 30. November 2006 endete die Klagefrist des § 87 SGG deshalb am 30. Dezember 2006 (Samstag). Die Klage wurde am 02. Januar 2007 somit fristgerecht erhoben.
II.
Gegenstand des Rechtsstreits ist neben dem Bescheid vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 auch der Überprüfungsbescheid vom 02. April 2008 geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG (in der am 01. April 2008 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 – BGBl I 2008, 444) wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Verfahrens, wenn er den mit der Klage angefochtenen früheren Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Geändert oder ersetzt wird ein Bescheid immer nur dann, wenn er – zumindest teilweise – denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft bzw. wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird. Ein bloßer Sachzusammenhang mit dem anfänglich erhobenen Anspruch ist nicht ausreichend (Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 20. Juli 2005 – SozR 4-1500 § 96 Nr. 3 Rdnr. 7 m.w.N., so noch zur früheren, weitergehenden Fassung; fortgeführt von BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 82/09 – veröffentlicht in juris). Mit dem Bescheid vom 02. April 2008 hat die Beklagte es während des Gerichtsverfahrens abgelehnt, im Sinne des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs nach § 44 Abs. 1 SGB X tätig zu werden. Auch solche Bescheide ändern oder ersetzen den Gegenstand des Verfahrens. Nur so kann zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen verhindert werden, dass über denselben Streitgegenstand mehrere gerichtliche Verfahren geführt werden (Urteile des BSG vom 20. Juli 2005 und 20. Oktober 2010, a.a.O.).
III.
Streitgegenständlich ist ein Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 01. Februar 2006, wie dies die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG beantragt hat. Für den Zeitraum davor – ab Antragstellung, gegebenenfalls ab Beantragung der Rehabilitation – sind die Bescheide bestandskräftig.
1.
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, dann einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist derjenige teilweise erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 Zweiter Halbsatz SGB VI).
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin noch in der Lage war und ist, mindestens sechs Stunden täglich einer körperlich leichten Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Zu vermeiden sind dabei Tätigkeiten im Knien, Hocken, Bücken, in Zwangshaltungen, Arbeiten auf gefahrgeneigten Arbeitsstellen wie auf Gerüsten, Leitern etc ... Insoweit folgt der Senat aufgrund eigener Urteilsbildung den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters Dr. S. in dem Gutachten vom 24. Januar 2012, der Gutachterin Dr. K. in dem Gutachten vom 28. September 2006 sowie den Ausführungen der Gutachterin Dr. M. in dem Gutachten vom 30. September 2006. In dem Gutachten von Dr. S. wurde der Klägerin ein sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten bescheinigt. Die Gutachter im Verwaltungsverfahren schätzten sogar ein, dass die Klägerin noch vollschichtig tätig sein kann. Nach diesen ärztlichen Unterlagen liegen bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen vor, die ihr Leistungsvermögen im Erwerbsleben beeinflussen:
Fehlstatik der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen insbesondere an der Halswirbelsäule und im Lenden-Kreuzbeinübergang mit Wirbelgleiten im Segment L5/S1,
Verschleißleiden des rechten Schultergelenkes und Schultereckgelenkes ohne aktuell nachweisbare Funktionseinschränkung,
chronische Dickdarmerkrankung letztlich ungeklärter Ursache,
Adipositas (erhebliches Übergewicht),
Schwerhörigkeit, mit Hörgeräten kompensiert,
gut behandelte hypertone Herzkrankheit.
Dr. S. stellte aufgrund seiner Untersuchung am 10. Januar 2012 fest, dass die Ergebnisse der messenden Untersuchungen aufgrund der Fettleibigkeit der Klägerin zur Beurteilung des Funktionsstatuts nur bedingt verwertbar sind. Anhand der Röntgenaufnahmen erkannte der Gutachter, dass im Bereich der Halswirbelsäule die Form der Wirbelkörper und der Zwischenwirbelräume unauffällig ist. Man sieht keine wesentlichen Zeichen eines vorauseilenden Verschleißes. Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ist der Zwischenwirbelraum im Lenden-Kreuzbeinübergangssegment L5/S1 weitgehend aufgehoben. Die übrigen Zwischenwirbelräume stellen sich unauffällig dar. Die Wirbelsäulenerkrankung führt zu einer verminderten Belastbarkeit des Achsenorgans, insbesondere für axiale Belastungen (schweres Heben und Tragen). Zu einer zusätzlichen Minderung der körperlichen Belastbarkeit führt der beginnende Verschleiß der Kniegelenke mit zusätzlicher Einschränkung der körperlichen Mobilität der Klägerin. Hierzu trägt ferner das erhebliche Übergewicht bei.
Die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der Orthopädin Dr. K. und der Internistin Dr. M. stützen die Leistungseinschätzung von Dr. S ... Dr. K. stellte im Gutachten vom 28. September 2006 gleichfalls fest, dass lediglich die Spondylolisthesis L5/S1 mit ausgeprägter Bandscheibendegeneration eine Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule darstellt. Die degenerativen Veränderungen sind nur relativ gering ausgeprägt. Die Internistin Dr. M. stellte fest, dass die Klägerin auf internistischem Fachgebiet an einer Colitis ulcerosa mit einem günstigen Krankheitsverlauf leidet. Die Hypertonie-Herzerkrankung erscheint ebenfalls gut behandelt, wobei das massive Übergewicht die Therapie kompliziert.
Die von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. M. im Befundbericht vom 28. Januar 2010 gemachte Feststellung, dass der Schulterschmerz rechts schlechter geworden sei, führt nicht zu einer weiteren Leistungseinschränkung. Dr. S. stellte im Gutachten nachvollziehbar fest, dass die aktive Beweglichkeit der Schultergelenke in allen Ebenen beiderseits frei ist.
Im Ergebnis der Beurteilungen ergibt sich das eingangs geschilderte Leistungsbild. Mit einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich ist die Klägerin aber nicht teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI.
2.
Ist die Klägerin danach schon nicht teilweise erwerbsgemindert, so ist sie erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Denn dies erfordert gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, dass ein Versicherter wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Da die Klägerin, wie dargelegt, noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, erfüllt sie dieses Kriterium nicht.
Die Klägerin ist auch nicht deshalb voll erwerbsgemindert, weil sie wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann. Eine konkrete Verweisungstätigkeit ist daher nicht zu benennen. Ihr Restleistungsvermögen reicht vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 –, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f.; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt in BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R – juris, Rdnr. 14 ff.).
Schließlich ist sie auch nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. S ... Dies korreliert mit der Angabe der Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Dr. K., beim Nordic walking etwa 3 km mit Stöcken laufen zu können.
3.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Danach haben Versicherte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Die Klägerin ist zwar vor diesem Zeitpunkt geboren worden (nämlich 15. November 1947), sie ist aber nicht berufsunfähig.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit vom bisherigen Beruf der Versicherten auszugehen. Es ist zu prüfen, ob sie diesen Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiter ausüben können. Sind sie hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten die Versicherten verwiesen werden können. Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei ist nicht unbedingt auf die letzte Berufstätigkeit abzustellen, sondern auf diejenige, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 16. November 2000 – B 13 RJ 79/99 R –, SozR 3-2600 § 43 Nr. 23). Bisheriger Beruf der Klägerin in diesem Sinne ist der der Verwaltungsangestellten/Sekretärin. Diese Tätigkeit hat sie bis 1994 ausgeübt. Von ihrem erlernten Beruf der Textilfachverkäuferin hat sie sich aus anderen als aus gesundheitlichen Gründen gelöst. Die Beschäftigung im Besucherdienst der Landesgartenschau ist ebenfalls für die Beurteilung des bisherigen Berufes unerheblich, da die Klägerin dies nur befristet für ein Jahr ausgeübt hat. Die von den Gutachtern gegebenen Leistungseinschätzungen stehen der Tätigkeit als Verwaltungsangestellte/Sekretärin nicht entgegen. Dr. K. stellte fest, dass die Klägerin als Buchhalterin mehr als sechs Stunden tätig sein kann. Vorstellbar für die Internistin Dr. M. ist gleichfalls eine vollschichtige Bürotätigkeit. Somit kann die Klägerin ihren bisherigen Beruf noch ausüben und ist deshalb auch nicht berufsunfähig.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
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