Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1247/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1834/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. März 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die 1961 geborene Klägerin begehrt Verletztenrente wegen eines Unfalls am 23.03.1976, den sie als Schülerin auf dem Weg zur Schule erlitten hatte. Sie war von einem Pkw angefahren worden und erlitt eine Schädelfraktur, eine Schlüsselbeinfraktur links und Rippenfrakturen links. Der Württembergische Gemeindeunfallversicherungsverband, ein Rechtsvorgänger der Beklagten, lehnte mit Bescheid vom 23.04.1979 die Gewährung einer Rente ab, denn der Arbeitsunfall habe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade nicht verursacht.
Dem Bescheid lagen das neurologische Gutachten von Professor Dr. M. vom 14.10.1976 (zurückgebildete contusio cerebri ohne neurologische Ausfälle und psychische Hirnverletzungsfolgen), das HNO-ärztliche Gutachten von Professor Dr. B. vom 03.12.1976 (geringgradige Innenohrschwerhörigkeit links mit Ohrensausen, MdE um 10 v.H.), das augenärztliche Gutachten von Professor Dr. N. vom 20.06.1977 (Contusionsdeformität des Kammerwinkels, Sphinkterparese der Pupillen, Makulaschädigung, relativer zentraler Gesichtsfeldausfall mit Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,6, unfallbedingte MdE weniger als 10 v.H.) und das gynäkologische Gutachten von Professor Dr. Schi. vom 11.12.1978 (keine Unfallfolgen) mit den abschließenden Bewertungen zur Gesamt-MdE von 10 v.H. von Professor Dr. Me. vom 29.07.1977 und 21.03.1979 zugrunde.
Unter dem 17.10.2009 beantragten die bevollmächtigten Eltern der Klägerin (handschriftliche Vollmacht der Klägerin vom 09.03.2010), Gesundheitsstörungen der Klägerin (HWS-Beschwerden, Kieferschmerzen, Rückenbeschwerden) als Unfallfolgen anzuerkennen und der Klägerin eine angemessene Entschädigung zu gewähren. Die Klägerin übersandte eine Aufstellung ihrer momentanen Beschwerden und eine Darstellung ihres persönlichen und beruflichen Werdegangs (Abitur 1981, Fachhochschulabschluss in Religionspädagogik 1987 mit anschließender Tätigkeit als Bürokraft, Ausbildung zur Sekretärin ab Februar 1988 und Anstellung als Sekretärin ab September 1988; verheiratet -Heirat 1987- und Mutter von 4 Kindern).
Die Beklagte trat in ein Feststellungsverfahren ein und hörte die zahlreichen, von der Klägerin angegebenen behandelnden Ärzte an. U.a. teilte die Augenärztin Dr. Z. eine Akkommodationsstörung im Rahmen der Presbyopie (Altersweitsichtigkeit) mit (Arztbericht vom 28.05.2010). Nervenarzt Dr. Wi. berichtete über die Behandlung von Panikattacken und die Verarbeitung früherer traumatischer Erlebnisse bei Medikamentenmissbrauch, wobei ein cervikocephales Syndrom sowie ein Schädelhirntrauma, eine Innenohrschwerhörigkeit und eine Augenprellung anderweitig behandelt würden (Arztbericht vom 02.08.2010). Der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. Scho. hat die Klägerin als psychosomatischer Schmerzkonsiliararzt behandelt und dabei die Diagnosen eines Verdachts auf schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung und somatoforme Schmerzstörung gestellt. Die Klägerin habe über frühe Trennungstraumata berichtet, was 1995 in einer Psychotherapie nach Fehlgeburt erarbeitet worden sei. Die Klägern habe über multiple Beschwerden berichtet und leide unter Dauerängsten. Sie strebe eine Berentung an, um eine bessere finanzielle Absicherung zu haben (Arztberichte von Dr. Scho. vom 03.09.2010 und 08.03.2009). Im Arztbrief des Neurochirurgen PD Dr. K. , Bundeswehrkrankenhaus U. , vom 26.12.2009 nach Untersuchung am 03.12.2009 wurde ausgeführt, eine Indikation für eine kraniozervikale Stabilisation werde bei nicht überzeugendem Nachweis einer Instabilität im Bereich des kraniozervikalen Übergangs oder einer atlantoaxialen Instabilität nicht gesehen. In der Anamnese finde sich kein zeitnahes Unfallereignis, das eine Instabilität habe hervorrufen können. Nach einem Unfall mit Schädel-Hirn-Trauma vor etwa 14 Jahren hätten jahrelang keine wesentlichen Beschwerden bestanden.
Mit Bescheid vom 15.02.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente weiterhin ab. Als Unfallfolgen wurde anerkannt ein folgenlos ausgeheiltes Schädel-Hirn-Trauma, eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit links, eine Schwäche des Pupillenschließmuskels, ein relativer zentraler Gesichtsfeldsausfall sowie narbige Veränderungen der Netzhaut im Bereich der Netzhautmitte nach Prellung des linken Auges. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2011 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 06.05.2011 Klage zum Sozialgericht Konstanz mit der Begründung, sie habe damals einen Tinnitus und eine seelische Schädigung erlitten. Auch habe der Unfall zu einem Schaden an der Halswirbelsäule geführt, weshalb auch die Schwindel-symptomatik und das diagnostizierte chronische Schmerzsyndrom Grad III nach Gerbershagen sowie die Kieferentzündung mit Nachfolgeoperationen und die diagnostizierte Depression Unfallfolgen seien.
Das Sozialgericht zog medizinische Unterlagen von den benannten Ärzten der Klägerin bei und veranlasste das nervenärztlich-psychosomatische Gutachten nach Aktenlage vom 20.12.2011. Darin kam Prof. Dr. S. zu dem Ergebnis, bei der Klägerin liege eine Somatisierungsstörung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor. Diese Gesundheitsstörungen seien durch den Arbeitsunfall weder verursacht noch verschlimmert worden. Eine unfallbedingte MdE bestehe nicht.
Mit Urteil vom 16.03.2012 wies das Sozialgericht Klage ab und stützte sich hierbei auf das Gutachten von Prof. Dr. S ...
Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 28.03.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.04.2012 Berufung eingelegt und macht zur Begründung geltend, das Sozialgericht habe versäumt, von sämtlichen von der Klägerin benannten Ärzten Stellungnahmen einzuholen. Dies sei aber erforderlich gewesen, um den Gesundheitszustand mit dem Kausalzusammenhang vollends aufzuklären. Das Sozialgericht hätte sich ein eigenes Bild machen müssen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16.03.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 15.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2011 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.03.1976 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass bereits im Verwaltungsverfahren Arztberichte von allen behandelnden Ärzten auf nervenärztlichem, augenärztlichem, internistischem, orthopädischem, zahnärztlichem und schmerztherapeutischem Fachgebiet eingeholt worden seien. Ebenso habe das Sozialgericht Unterlagen von behandelnden Ärzten und die Akten bei der Deutschen Rentenversicherung Bund angefordert. Aufgrund der umfangreichen Aktenunterlagen sei es dem Sachverständigen Prof. Dr. S. möglich gewesen, sein fachärztliches Gutachten zu erstellen.
Mit richterlicher Verfügung vom 19.07.2012 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Beklagten vom 25.07.2012, Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 17.08.2000).
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
II.
Der Senat kann über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind auf diese beabsichtigte Vorgehensweise mit richterlicher Verfügung vom 18.07.2012 hingewiesen worden. Innerhalb der ihnen gesetzten Äußerungsfrist haben die Beteiligten gegen diese Verfahrensweise keine Einwände erhoben.
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 15.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2011 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen des versicherten Schülerunfalls am 23.03.1976.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze für die Gewährung einer Verletztenrente bei Vorliegen einer rentenberechtigenden MdE zutreffend dargestellt und rechtlich zutreffend angewendet. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung insoweit auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Insbesondere sind die Rechtsvorschriften des zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) anzuwenden, weil Gegenstand des Rechtsstreits zwar der Anspruch auf Rente aus einem vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Versicherungsfall am 23.03.1976 ist, jedoch die Fälligkeit des Rentenanspruchs auch nach dem Klagevorbringen erst nach Inkrafttreten des SGB VII eingetreten sein soll. Der Leistungsanspruch war daher erstmals nach diesem Zeitpunkt festzusetzen (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII, vgl. BSG SozR 4-2700 § 214 Nr. 1).
Das Vorbringen im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Senat hält das Gutachten von Prof. Dr. S. ebenso wie das Sozialgericht für nachvollziehbar und überzeugend. Der Sachverständige hat seine fachmedizinische Beurteilung auf die von der Beklagten bereits beigezogenen Arztunterlagen, die nach 1979 entstanden sind, und auf Arztbriefe ab 2008 auf den unterschiedlichsten fachärztlichen Bereichen gestützt, wie sie auf Seite 3-7 des Gutachtens aufgelistet sind. Ebenso hat er die vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen mit übersandten Unterlagen gewürdigt, die aber nach seiner Beurteilung keine neuen Gesichtspunkte über die bereits in der Verwaltungsakte befindlichen Arztbefunde hinaus ergeben haben, wie sich Seite 7 seines Gutachtens entnehmen lässt. Er hatte bereits ein Gutachten im Rentenverfahren der Klägerin vor der 8. Kammer des Sozialgerichts (S 8 RJ 3067/06) erstattet, und war mit der Beweisanordnung des Sozialgerichts vom 05.12.2011 aufgefordert worden, die dort erhobenen Befunde zu berücksichtigen, dem der Sachverständige mit Wiedergabe seines im Rentenverfahren bei der Untersuchung der Klägern erhobenen Befundes auf Seite 7 seines Gutachtens vom 20.12.2011 nachgekommen ist.
Seine Beurteilung, dass eine unfallfremde Somatisierungsstörung bei der Klägerin vorliegt, dass das unfallbedingte Schädel-Hirn-Trauma keine hirnorganischen Folgen hinterlassen hatte, da das durchgeführte Kernspintomogramm unauffällig war, und dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der psychosomatischen Erkrankung und dem Unfall weder empirisch noch sonst durch einen kausalen Mechanismus beschrieben werden kann, ist für den Senat deshalb überzeugend. Auch seine Einschätzung, dass der zeitliche Verlauf mit Angstsymptomen bereits in der Kindheit und dem ersten Auftreten körperlicher Beschwerden lange Zeit nach dem Unfall gegen einen Unfallzusammenhang spricht, ist für den Senat nachvollziehbar. Prof. Dr. S. beschreibt für die Zeit nach Ablegen des Abiturs und bis Beendigung des Studiums der Religionspädagogik eine von körperlichen Beschwerden freie Zeit, weshalb Brückensymptome nach den im wesentlichen folgenlos ausgeheilten Unfallverletzungen bis zum erstmaligen Auftreten somatischer Beschwerden nicht vorliegen. Zeitgleich haben sich jedoch vielerlei lebensphasisch-typische Ängste entwickelt und sich schließlich körperliche Beschwerden an eigentlich sämtlichen Organsystemen ausgebreitet, was in keinem Unfallzusammenhang steht.
Zu weiteren Ermittlungen sah sich der Senat nicht veranlasst. Der Sachverständige hat die ihm zugänglichen Arztbefunde aus den ihm überlassenen Akten in nachvollziehbarer Weise ausgewertet und hierauf seine gutachterlichen Schlussfolgerungen gestützt, die mit den Beurteilungen anderer Ärzte, wie im Tatbestand dargestellt, auch übereinstimmen. Dass im Behandlungs- oder Beschwerdeverlauf ausfüllungsbedürftige Lücken bestehen, die gegebenenfalls zu einer anderen Bewertung hätten Anlass geben können, ist für den Senat nicht zu erkennen. Welche Gesundheitsstörungen oder therapeutischen Maßnahmen nicht berücksichtigt worden sind, hat die Klägerin nicht vorgetragen, geschweige denn hat sie dargelegt, unter welchen medizinischen oder rechtlichen Gesichtspunkten eine andere Kausalitätsbeurteilung anhand welcher Befunde hätte vorgenommen werden müssen. Für den Senat sind solche Gesichtspunkte aufgrund der überzeugenden gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. S. auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die 1961 geborene Klägerin begehrt Verletztenrente wegen eines Unfalls am 23.03.1976, den sie als Schülerin auf dem Weg zur Schule erlitten hatte. Sie war von einem Pkw angefahren worden und erlitt eine Schädelfraktur, eine Schlüsselbeinfraktur links und Rippenfrakturen links. Der Württembergische Gemeindeunfallversicherungsverband, ein Rechtsvorgänger der Beklagten, lehnte mit Bescheid vom 23.04.1979 die Gewährung einer Rente ab, denn der Arbeitsunfall habe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade nicht verursacht.
Dem Bescheid lagen das neurologische Gutachten von Professor Dr. M. vom 14.10.1976 (zurückgebildete contusio cerebri ohne neurologische Ausfälle und psychische Hirnverletzungsfolgen), das HNO-ärztliche Gutachten von Professor Dr. B. vom 03.12.1976 (geringgradige Innenohrschwerhörigkeit links mit Ohrensausen, MdE um 10 v.H.), das augenärztliche Gutachten von Professor Dr. N. vom 20.06.1977 (Contusionsdeformität des Kammerwinkels, Sphinkterparese der Pupillen, Makulaschädigung, relativer zentraler Gesichtsfeldausfall mit Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,6, unfallbedingte MdE weniger als 10 v.H.) und das gynäkologische Gutachten von Professor Dr. Schi. vom 11.12.1978 (keine Unfallfolgen) mit den abschließenden Bewertungen zur Gesamt-MdE von 10 v.H. von Professor Dr. Me. vom 29.07.1977 und 21.03.1979 zugrunde.
Unter dem 17.10.2009 beantragten die bevollmächtigten Eltern der Klägerin (handschriftliche Vollmacht der Klägerin vom 09.03.2010), Gesundheitsstörungen der Klägerin (HWS-Beschwerden, Kieferschmerzen, Rückenbeschwerden) als Unfallfolgen anzuerkennen und der Klägerin eine angemessene Entschädigung zu gewähren. Die Klägerin übersandte eine Aufstellung ihrer momentanen Beschwerden und eine Darstellung ihres persönlichen und beruflichen Werdegangs (Abitur 1981, Fachhochschulabschluss in Religionspädagogik 1987 mit anschließender Tätigkeit als Bürokraft, Ausbildung zur Sekretärin ab Februar 1988 und Anstellung als Sekretärin ab September 1988; verheiratet -Heirat 1987- und Mutter von 4 Kindern).
Die Beklagte trat in ein Feststellungsverfahren ein und hörte die zahlreichen, von der Klägerin angegebenen behandelnden Ärzte an. U.a. teilte die Augenärztin Dr. Z. eine Akkommodationsstörung im Rahmen der Presbyopie (Altersweitsichtigkeit) mit (Arztbericht vom 28.05.2010). Nervenarzt Dr. Wi. berichtete über die Behandlung von Panikattacken und die Verarbeitung früherer traumatischer Erlebnisse bei Medikamentenmissbrauch, wobei ein cervikocephales Syndrom sowie ein Schädelhirntrauma, eine Innenohrschwerhörigkeit und eine Augenprellung anderweitig behandelt würden (Arztbericht vom 02.08.2010). Der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. Scho. hat die Klägerin als psychosomatischer Schmerzkonsiliararzt behandelt und dabei die Diagnosen eines Verdachts auf schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung und somatoforme Schmerzstörung gestellt. Die Klägerin habe über frühe Trennungstraumata berichtet, was 1995 in einer Psychotherapie nach Fehlgeburt erarbeitet worden sei. Die Klägern habe über multiple Beschwerden berichtet und leide unter Dauerängsten. Sie strebe eine Berentung an, um eine bessere finanzielle Absicherung zu haben (Arztberichte von Dr. Scho. vom 03.09.2010 und 08.03.2009). Im Arztbrief des Neurochirurgen PD Dr. K. , Bundeswehrkrankenhaus U. , vom 26.12.2009 nach Untersuchung am 03.12.2009 wurde ausgeführt, eine Indikation für eine kraniozervikale Stabilisation werde bei nicht überzeugendem Nachweis einer Instabilität im Bereich des kraniozervikalen Übergangs oder einer atlantoaxialen Instabilität nicht gesehen. In der Anamnese finde sich kein zeitnahes Unfallereignis, das eine Instabilität habe hervorrufen können. Nach einem Unfall mit Schädel-Hirn-Trauma vor etwa 14 Jahren hätten jahrelang keine wesentlichen Beschwerden bestanden.
Mit Bescheid vom 15.02.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente weiterhin ab. Als Unfallfolgen wurde anerkannt ein folgenlos ausgeheiltes Schädel-Hirn-Trauma, eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit links, eine Schwäche des Pupillenschließmuskels, ein relativer zentraler Gesichtsfeldsausfall sowie narbige Veränderungen der Netzhaut im Bereich der Netzhautmitte nach Prellung des linken Auges. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2011 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 06.05.2011 Klage zum Sozialgericht Konstanz mit der Begründung, sie habe damals einen Tinnitus und eine seelische Schädigung erlitten. Auch habe der Unfall zu einem Schaden an der Halswirbelsäule geführt, weshalb auch die Schwindel-symptomatik und das diagnostizierte chronische Schmerzsyndrom Grad III nach Gerbershagen sowie die Kieferentzündung mit Nachfolgeoperationen und die diagnostizierte Depression Unfallfolgen seien.
Das Sozialgericht zog medizinische Unterlagen von den benannten Ärzten der Klägerin bei und veranlasste das nervenärztlich-psychosomatische Gutachten nach Aktenlage vom 20.12.2011. Darin kam Prof. Dr. S. zu dem Ergebnis, bei der Klägerin liege eine Somatisierungsstörung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor. Diese Gesundheitsstörungen seien durch den Arbeitsunfall weder verursacht noch verschlimmert worden. Eine unfallbedingte MdE bestehe nicht.
Mit Urteil vom 16.03.2012 wies das Sozialgericht Klage ab und stützte sich hierbei auf das Gutachten von Prof. Dr. S ...
Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 28.03.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.04.2012 Berufung eingelegt und macht zur Begründung geltend, das Sozialgericht habe versäumt, von sämtlichen von der Klägerin benannten Ärzten Stellungnahmen einzuholen. Dies sei aber erforderlich gewesen, um den Gesundheitszustand mit dem Kausalzusammenhang vollends aufzuklären. Das Sozialgericht hätte sich ein eigenes Bild machen müssen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16.03.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 15.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2011 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.03.1976 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass bereits im Verwaltungsverfahren Arztberichte von allen behandelnden Ärzten auf nervenärztlichem, augenärztlichem, internistischem, orthopädischem, zahnärztlichem und schmerztherapeutischem Fachgebiet eingeholt worden seien. Ebenso habe das Sozialgericht Unterlagen von behandelnden Ärzten und die Akten bei der Deutschen Rentenversicherung Bund angefordert. Aufgrund der umfangreichen Aktenunterlagen sei es dem Sachverständigen Prof. Dr. S. möglich gewesen, sein fachärztliches Gutachten zu erstellen.
Mit richterlicher Verfügung vom 19.07.2012 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Beklagten vom 25.07.2012, Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 17.08.2000).
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
II.
Der Senat kann über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind auf diese beabsichtigte Vorgehensweise mit richterlicher Verfügung vom 18.07.2012 hingewiesen worden. Innerhalb der ihnen gesetzten Äußerungsfrist haben die Beteiligten gegen diese Verfahrensweise keine Einwände erhoben.
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 15.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2011 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen des versicherten Schülerunfalls am 23.03.1976.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze für die Gewährung einer Verletztenrente bei Vorliegen einer rentenberechtigenden MdE zutreffend dargestellt und rechtlich zutreffend angewendet. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung insoweit auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Insbesondere sind die Rechtsvorschriften des zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) anzuwenden, weil Gegenstand des Rechtsstreits zwar der Anspruch auf Rente aus einem vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Versicherungsfall am 23.03.1976 ist, jedoch die Fälligkeit des Rentenanspruchs auch nach dem Klagevorbringen erst nach Inkrafttreten des SGB VII eingetreten sein soll. Der Leistungsanspruch war daher erstmals nach diesem Zeitpunkt festzusetzen (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII, vgl. BSG SozR 4-2700 § 214 Nr. 1).
Das Vorbringen im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Senat hält das Gutachten von Prof. Dr. S. ebenso wie das Sozialgericht für nachvollziehbar und überzeugend. Der Sachverständige hat seine fachmedizinische Beurteilung auf die von der Beklagten bereits beigezogenen Arztunterlagen, die nach 1979 entstanden sind, und auf Arztbriefe ab 2008 auf den unterschiedlichsten fachärztlichen Bereichen gestützt, wie sie auf Seite 3-7 des Gutachtens aufgelistet sind. Ebenso hat er die vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen mit übersandten Unterlagen gewürdigt, die aber nach seiner Beurteilung keine neuen Gesichtspunkte über die bereits in der Verwaltungsakte befindlichen Arztbefunde hinaus ergeben haben, wie sich Seite 7 seines Gutachtens entnehmen lässt. Er hatte bereits ein Gutachten im Rentenverfahren der Klägerin vor der 8. Kammer des Sozialgerichts (S 8 RJ 3067/06) erstattet, und war mit der Beweisanordnung des Sozialgerichts vom 05.12.2011 aufgefordert worden, die dort erhobenen Befunde zu berücksichtigen, dem der Sachverständige mit Wiedergabe seines im Rentenverfahren bei der Untersuchung der Klägern erhobenen Befundes auf Seite 7 seines Gutachtens vom 20.12.2011 nachgekommen ist.
Seine Beurteilung, dass eine unfallfremde Somatisierungsstörung bei der Klägerin vorliegt, dass das unfallbedingte Schädel-Hirn-Trauma keine hirnorganischen Folgen hinterlassen hatte, da das durchgeführte Kernspintomogramm unauffällig war, und dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der psychosomatischen Erkrankung und dem Unfall weder empirisch noch sonst durch einen kausalen Mechanismus beschrieben werden kann, ist für den Senat deshalb überzeugend. Auch seine Einschätzung, dass der zeitliche Verlauf mit Angstsymptomen bereits in der Kindheit und dem ersten Auftreten körperlicher Beschwerden lange Zeit nach dem Unfall gegen einen Unfallzusammenhang spricht, ist für den Senat nachvollziehbar. Prof. Dr. S. beschreibt für die Zeit nach Ablegen des Abiturs und bis Beendigung des Studiums der Religionspädagogik eine von körperlichen Beschwerden freie Zeit, weshalb Brückensymptome nach den im wesentlichen folgenlos ausgeheilten Unfallverletzungen bis zum erstmaligen Auftreten somatischer Beschwerden nicht vorliegen. Zeitgleich haben sich jedoch vielerlei lebensphasisch-typische Ängste entwickelt und sich schließlich körperliche Beschwerden an eigentlich sämtlichen Organsystemen ausgebreitet, was in keinem Unfallzusammenhang steht.
Zu weiteren Ermittlungen sah sich der Senat nicht veranlasst. Der Sachverständige hat die ihm zugänglichen Arztbefunde aus den ihm überlassenen Akten in nachvollziehbarer Weise ausgewertet und hierauf seine gutachterlichen Schlussfolgerungen gestützt, die mit den Beurteilungen anderer Ärzte, wie im Tatbestand dargestellt, auch übereinstimmen. Dass im Behandlungs- oder Beschwerdeverlauf ausfüllungsbedürftige Lücken bestehen, die gegebenenfalls zu einer anderen Bewertung hätten Anlass geben können, ist für den Senat nicht zu erkennen. Welche Gesundheitsstörungen oder therapeutischen Maßnahmen nicht berücksichtigt worden sind, hat die Klägerin nicht vorgetragen, geschweige denn hat sie dargelegt, unter welchen medizinischen oder rechtlichen Gesichtspunkten eine andere Kausalitätsbeurteilung anhand welcher Befunde hätte vorgenommen werden müssen. Für den Senat sind solche Gesichtspunkte aufgrund der überzeugenden gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. S. auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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