Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 2386/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3245/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Juni 2009 und der Bescheid des Beklagten vom 10. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2008 abgeändert und der Beklagte verurteilt, ab 01. März 2012 einen Grad der Behinderung von 40 festzustellen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet ein Achtel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren, im Übrigen sind außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Neufeststellung seines Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 50.
Für den 1948 geborenen Kläger wurde zuletzt mit Bescheid vom 11.11.2005 ein GdB von 30 wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom, Beschwerden am linken Arm festgestellt.
Am 02.04.2008 beantragte der Kläger die Neufeststellung seiner Behinderung und gab dazu an, dass er eine Verschlechterung eines Karpaltunnelsyndroms (KTS) trotz zweimaliger Operation erlitten habe. Er habe starke Schmerzen in der linken Hand, könne kaum noch etwas festhalten und bekomme deshalb starke Schmerzmittel. Dazu legte er Arztbriefe des Neurologen Dr. E. vom 26.03.2007, 20.03.2008 und 18.05.2006 vor, der einen Restzustand eines KTS nach zweifacher Operation (Daumenopposition links eingeschränkt, Fingerbeugung, Faustschluss regelrecht, Armreflexe seitengleich) feststellte. Es bestünden noch nächtliche Schmerzen und ein Pelzigkeitsgefühl in allen Fingern der linken Hand. Der Internist Dr. Fa. berichtete in Arztbriefen vom 16.04.2007, 09.01.2007 und 28.10.2006 über eine chronische Refluxerkrankung mit ringartiger Verengung der unteren Speiseröhre, die mittels Medikamenten erfolgreich therapiert werde. Der Kläger befand sich in schmerztherapeutischer Behandlung bei Dr. Schw. wegen eines KTS beidseits, Sulcus ulnaris Syndrom links, Insertionstendinose der linken Schulter, Bandscheibenprotrusion 4./5. Halswirbelkörper (HWK) links und 6./7. HWK rechts und eines chronischen Schmerzsyndroms Stadium III nach Gerbershagen (Arztbrief vom 24.11.2006).
Nach Anhörung seines ärztlichen Dienstes (Dr. B. , 09.04.2008) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10.04.2008 eine Änderung der bisherigen Entscheidung ab. Den dagegen gerichteten Widerspruch vom 21.04.2008 nahm der Beklagte zum Anlass den Vorgang erneut dem ärztlichen Dienst vorzulegen (Dr. C. , 05.05.2008). Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 02.06.2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er die Feststellung eines GdB von 50 begehrte. Zur Begründung legte er einen Arztbrief des Internisten und Rheumatologen Dr. Ki. vom 22.10.2008 vor, der eine Fibromyalgie, ein degeneratives Halswirbelsäulensyndrom (HWS-Syndrom), eine Refluxerkrankung und einen Zustand nach Operation KTS und sulcus ulnaris links mitteilte. Derzeit bestehe kein Anhalt für eine entzündlich rheumatische Systemerkrankung. Er reichte weiterhin einen Arztbrief des Facharztes für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. D. vom 19.01.2009 zu den Akten, der als Diagnose ein Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ mitteilte. Es bestehe ein zunehmender Ganzkörperschmerz mit Ausstrahlungsschmerz von der HWS in beide Arme bis in die Hände. In der HWS bestehe eine mittelgradige Bewegungseinschränkung in Seitneigung und Rotation. Es bestehe auch ein Lumbalsyndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung in beide Beine.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 02.04.2009 entgegen.
Das SG zog Befundunterlagen der Praxis für Allgemeinmedizin A. A. bei. Der Kläger war in neurologischer Behandlung bei Dr. Mü ... Der Kläger stellte sich dort wegen Beschwerden in den Armen vor. Dr. Mü. (Arztbriefe vom 14.01.2008 und 19.06.2008) ging zunächst von einer Restless Arms Symptomatik aus und verordnete Levodop. Darunter kam es zu einer vorübergehenden Besserung, nach einigen Monaten wieder zu einer Verschlechterung. Auch das rechte Bein könne der Kläger nicht ruhig hinlegen. Der Neurostatus war regelrecht, die weiteren Untersuchungen ergaben keine Erklärung für die Beschwerden, so dass Dr. Mü. den Verdacht auf eine somatoforme Störung äußerte und eine Zweitmeinung empfahl. Der Neurologe Dr. E. stellte in beiden Armen noch verlängerte Nervenleitgeschwindigkeiten der Medianusnerven fest, die Armeigenreflexe waren seitengleich (Arztbrief vom 21.02.2008). Eine urologische Kontrolle der Prostata zeigte ein benignes Prostatasyndrom ohne spezifische Behandlungsbedürftigkeit (Arztbrief Dr. Ti./B. vom 24.04.2008). Der Orthopäde Dr. Fe. schloss am 04.06.2008 bei Beschwerden an der linken Schulter eine Schultererkrankung aus und äußerte ebenfalls den Verdacht auf eine Somatisierungsstörung.
Das SG befragte die Fachärztin für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie Dr. Schw. schriftlich als sachverständige Zeugin. Sie gab unter dem 15.12.2008 an, es habe sich eine somatoforme Störung in Form einer Somatisierungsstörung eingestellt. Daneben berichte der Kläger über starke Schluckbeschwerden, starke Mattigkeit, starke Schulter-/Nackenschmerzen, ein starkes Schweregefühl in den Beinen, gleichzeitig eine starke Unruhe in den Beinen, eine starke Überempfindlichkeit gegen Kälte sowie ein übermäßig starkes Schlafbedürfnis und starke Reizbarkeit.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2009 wies das SG die Klage ab. Von Seiten des KTS sei eine wesentliche Verschlechterung nach den Operationen nicht nachweisbar. Das Fibromyalgiesyndrom sei als psychosomatische Erkrankung einzustufen. Die Wirbelsäulenbeschwerden bestünden im Wesentlichen ebenfalls in Schmerzen, so dass ein GdB von 30 nach wie vor ausreichend sei.
Gegen den ihm am 20.06.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.07.2009 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er ausgeführt hat, dass das schwere Fibromyalgiesyndrom bisher nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden habe. Er sei nicht mehr in der Lage, sein Hobby als Modelleisenbahner auszuüben, weil er seine Anlage im Garten nicht mehr warten könne. Selbst einfachste Gartenarbeit sei nicht mehr möglich. Zum Kartenspielen oder Lesen eines Buches benötige er einen Ständer, weil er nicht in der Lage sei, Karten und Buch zu halten. Selbst einen Kugelschreiber könne er inzwischen nicht mehr halten oder Briefmarken in ein Album stecken. Auch Sitzen könne er nicht mehr für längere Zeit ruhig. Seine Frau müsse ihn waschen, die Haare schneiden und ihn rasieren, Fleisch müsse vorgeschnitten werden. Er könne sich auch nicht mehr alleine einschenken. Wenn er seine Frau zum Einkaufen begleite, müsse häufiger der Einkauf wegen seiner Schmerzen abgebrochen werden.
Der Kläger hat einen Arztbrief des Internisten Dr. Eh. vom 01.12.2009 vorgelegt, der eine peptische Oesophagusstenose mit Ausbildung einer Pseudomembran sowie einen Kaskadenmagen und eine C-Gastritis festgestellt hat. In einem weiteren Arztbrief vom 09.06.2010 hat er diese Diagnosen bestätigt.
Dr. D. hat in einem Arztbrief vom 14.01.2010 ein schweres atypisches Fibromyalgiesyndrom, DD im Rahmen einer somatoformen Schmerzstörung, eine Periarthropathia humeroscapularis links mehr als rechts, ein degeneratives HWS-Syndrom mit Fehlstatik und degenerativen Veränderungen, keinen Hinweis für entzündlich-rheumatische Erkrankung, vorbekannte Reflux-Erkrankung, einen Zustand nach KTS-OP und Sulcus ulnaris-Syndrom OP links diagnostiziert. Es bestünden ausgeprägte Ganzkörperschmerzen mit Nachtschlafbehinderung.
Prof. Dr. Li. , hospital S. , Klinik für Neurologie, hat in einem Brief vom 07.08.2008 ein chronisches Schmerzsyndrom mit brennenden Parästhesien der oberen Extremitäten linksbetont, derzeit unklärer Ätiologie, einen Zustand nach KTS-Operation links und Sulcus-ulnaris-Operation links mitgeteilt. Die HWS Beweglichkeit sei frei, die Muskeleigenreflexe beidseits mittellebhaft, Sensibilitätsprüfungen regelrecht, Koordination, Gang- und Standprüfungen altersentsprechend unauffällig. Der Neurostatus sei komplett unauffällig gewesen.
Der Kläger hat ein Attest des Neurologen Dr. Mü. vom 19.07.2010 zu den Akten gereicht. Danach leidet er an bilateralen Brachialgien, für die bisher keine sichere organische Ursache gefunden worden sei. Er bedürfe einer umfangreichen Schmerzmedikation, es könne sich auch um eine somatoforme Störung bzw. Schmerzkrankheit handeln.
In einem Entlassungsbericht des A. Rheumazentrums B. vom 21.10.2010 über einen stationären Aufenthalt vom 15. bis 21.10.2010 ergeben sich die Diagnosen Fibromyalgiesyndrom, arterieller Bluthochdruck, Thrombopenie. Der Kläger sei wegen ambulant nicht länger führbaren Gelenk- und Rückenschmerzen stationär aufgenommen worden und mit einem multimodalen rheumatologischen Komplexprogramm behandelt worden. Der Finger-Boden-Abstand betrage 0 cm, das Zeichen nach Schober 10/14 cm. Der Nackengriff werde unter endgradiger Schmerzangabe komplett durchgeführt. Der Faustschluss sei komplett, die Handkraft regelrecht. Es bestehe kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, 18 von 18 Tenderpoints seien positiv. Es falle eine diskrete Schiefhaltung des Kopfes auf, die HWS sei im Übrigen aber frei beweglich, es bestehe eine verstärkte Brustkyphosierung.
Der Kläger hat einen MRT Befund der HWS des Zentrums für Radiologie und Nuklearmedizin vom 29.07.2011 sowie einen Arztbrief des Neurochirurgen Dr. H. vom 11.08.2011 (Armschmerz, Fibromyalgie, Sudeckdystrophie linker Arm) vorgelegt. Dr. H. ist darin zu dem Ergebnis gekommen, dass die Veränderungen in der HWS eher mäßig und altersentsprechend seien und eine Operation ziemlich sicher zu keiner Veränderung führen würde. Der Neurochirurg Dr. J. hat in einem Arztbrief vom 06.09.2012 ein aufgebrauchtes Bandscheibenfach L5/S1 mitgeteilt. Eine operative Therapieoption bestehe nicht.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.06.2009 sowie den Bescheid vom 14.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid. Er hat ärztliche Stellungnahmen von Dr. G. vom 05.05.2010, Dr. R. vom 07.04.2011 und Dr. W. vom 11.09.2012 vorgelegt.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers ein Gutachten der Internistin und Rheumatologin Dr. Ri. vom 11.11.2010 eingeholt. Der Kläger hat bei der dortigen Untersuchung am 14.10.2010 angegeben, Schmerzen in den Händen und Unterschenkeln zu haben. Er habe bei geringer Belastung Atemnot und es bestünden Erschöpfungszustände. Er könne höchstens vier Stunden schlafen und leide unter Morgensteifigkeit. Bei der orientierenden neurologischen Untersuchung hat Dr. Ri. regelrechte Muskeleigenreflexe, keine pathologischen Reflexe, keine Muskelatrophien, keine Paresen und keine gröberen Sensibilitätsstörungen feststellen können. Es bestehe ein Druckschmerz an den Sehnenansätzen der oberen und unteren Extremität, die Kontrollpunkte seien positiv, synovitische Schwellungen bestünden nicht. Die Wirbelsäule sei in ihrer Beweglichkeit um ein Drittel in der Lateralflexion und Rotation eingeschränkt. Das Zeichen nach Schober betrage 3 cm, dasjenige nach Ott 3 cm, der Finger-Boden-Abstand 40 cm. Die linke Schulter könne bis 130° gehoben werden. In den Röntgenbildern der Hände sei eine deutliche Rhizarthrose beidseits erkennbar. Dr. Ri. hat ein schweres chronisches Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ, ein depressives Syndrom als Komorbität (Einzel-GdB für beides 50), ein degeneratives HWS-Syndrom (EinzelGdB 20), ein degeneratives Lendenwirbelsäulen-Syndrom (LWS-Syndrom), eine Periarthropatia humeroscapularis links (EinzelGdB 20) und einen Zustand nach KTS-Operation links (EinzelGdB 0) als Diagnosen angegeben. Es bestehe ein Gesamt-GdB von 50. Es sei ein weitgehender sozialer Rückzug erfolgt, der Kläger könne seinen Hobbies nicht mehr nachgehen, gehe kaum noch aus dem Haus, treffe kaum noch Freunde. Dr. Ri. hat Ausführungen zum Stand der medizinischen Erkenntnisse zum Fibromyalgie-Syndrom und dessen Therapie gemacht.
Der Senat hat von Amts wegen ein Gutachten des Orthopäden Dr. Cl. vom 02.12.2011 eingeholt. Bei der dortigen Untersuchung am 01.12.2011 hat der Kläger Schmerzen seitens der HWS, der oberen Extremitäten, der unteren LWS und angrenzenden Beckenregion sowie Störungen der Fingerfeinmotorik und einen abends auftretenden Kontrollverlust der Füße angegeben. Dr. Cl. hat einen mäßiggradigen, teilfixierten Rundrücken festgestellt. Die Beweglichkeit sei deshalb etwas eingeschränkt (Ott 30/31). Die Rückenmuskulatur sei teilweise verspannt und druckschmerzhaft gewesen. Die HWS sei in der Drehbewegung endgradig eingeschränkt, i.Ü. nicht relevant beeinträchtigt. Der Reflexstatus sei seitengleich, die Motorik und Sensibilität intakt. Der linke Arm sei in allen Gelenken frei beweglich, die LWS frei entfaltbar. Beide Schultergelenke seien frei beweglich gewesen. Es bestehe eine gering ausgeprägte Insertionstendopathie der Unterarmstreckmuskulatur. Die grobe Kraft in den Händen sei seitengleich ausgeprägt. Nervenwurzelreizerscheinungen oder ein Schulter-Arm-Syndrom seien bei seiner Untersuchung nicht feststellbar. Die bei ihm feststellbaren Beeinträchtigungen im Achsenskelett rechtfertigten allenfalls einen GdB von 20. Da eine Schultersymptomatik erfahrungsgemäß Schwankungen unterworfen sei, werde empfohlen, diese zusammen mit den Wirbelsäulenbeschwerden mit einem GdB von 30 zu berücksichtigen. Der festgestellte Speiseröhrengleitbruch bedinge einen TeilGdB von 10 und erhöhe den GdB nicht.
Dazu hat der Kläger vorgetragen, dass er im Jahr 2005 bei dem mit Dr. Cl. in Gemeinschaftspraxis tätigen Dr. Tr. in Behandlung gewesen sei.
Einer Anregung von Dr. Cl. folgend hat der Senat von Amts wegen ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Ni. vom 02.07.2012 eingeholt. Dort hat der Kläger angegeben, er leide nunmehr auch unter Hüftschmerzen rechts, die er mit Schmerzmitteln lindern könne. Stimmungsmäßig gehe es ihm relativ gut, besonders da er seit 01.01.2012 in Rente (wegen Erwerbsminderung) sei. Dr. Ni. hat die Beeinträchtigungen des Klägers im täglichen Leben, seinen Tagesablauf, seine familiäre Situation und seinen Werdegang erfragt. Dr. Ni. hat in der Untersuchung klopfschmerzhafte Dornfortsätze der HWS, eine leichte Funktionsstörung der LWS, im Übrigen keinen pathologischen körperlichen Befund festgestellt. Bei den Gangprüfungen weise der Kläger Unsicherheiten auf. Psychisch haben sich eine vermehrte psychosomatische Anspannung bei der körperlichen Untersuchung, anankastische Persönlichkeitsmerkmale mit somatischer Beschwerdefixierung, im Übrigen aber kein pathologischer Befund gezeigt. Dr. Ni. ist deshalb zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine symmetrische Polyneuropathie (der Beine) unklarer Ätiologie und Zustand nach KTS OP links bestehe. Daneben stünden die orthopädischen Diagnosen. Die auftretenden depressiven Verstimmungen seien als Teil der somatoformen Störung zu sehen und nicht als Ausdruck einer eigenen Diagnosekategorie. Die Polyneuropathie stehe ebenfalls im Zusammenhang mit den Schmerzen. Die psychischen Gesundheitsstörungen bedingten einen GdB von 20, die Polyneuropathie ebenfalls 20, so dass unter Einbeziehung der orthopädischen Beschwerden ein GesamtGdB von 40 anzusetzen sei. Seit April 2008 bestehe die somatoforme Schmerzstörung, im April 2012 sei erstmals die Polyneuropathie festgestellt worden.
Dr. Ni. hat seinem Gutachten einen Entlassungsbericht des hospitals S. vom 13.04.2012 über einen stationären Aufenthalt vom 13.03.2012 bis 22.03.2012 (Neurologie) beigefügt. Dort hat der Kläger eine zunehmende Gangstörung mitgeteilt. Im Liegen träten Beschwerden in beiden Waden auf. Die apparativen Untersuchungen hätten Hinweise auf eine mäßig ausgeprägte gemischte sensomotorische Polyneuropathie (Muskulus tibialis rechts) sowie einen Bandscheibenvorfall im Bereich L5/S1 und L2/3 ergeben. Weiterhin hat eine Biopsie eine ausgeprägte chronische Neuropathie des Nervus suralis rechts gezeigt. Die Ursache hat bei der stationären Behandlung nicht aufgeklärt werden können.
Der Kläger ist der Schilderung des Tagesablaufs entgegen getreten. Sein Tagesablauf sei nicht so positiv wie dargestellt. Seine Ehefrau nehme ihm vieles ab, das habe sich aufgrund der langen Dauer der Beschwerden inzwischen eingespielt. Der positive Eindruck von Dr. Ni. rühre vor allem daher, dass er gerade von vier Wochen Urlaub zurückgekommen sei und es ihm deshalb besser gegangen sei. Außerdem habe er auf jeden Fall vermeiden wollen, als psychisch eingeschränkt eingeordnet zu werden. Er sei von einer psychiatrischen Einweisung seines Vaters in seiner Kindheit traumatisiert, die als Makel auf ihm laste.
Der Beklagte hat einen Vergleich mit einem GdB von 40 ab April 2012 angeboten. Das hat der Kläger abgelehnt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Karlsruhe sowie die beim Senat angefallenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und teilweise begründet.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen – welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören – zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96 – BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendett wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, aaO, RdNr 30).
Nach diesen Kriterien ist der GdB beim Kläger bis einschließlich Februar 2012 mit 30 und ab März 2012 mit 40 zu bewerten. Beim Kläger liegen Behinderungen von Seiten der Speiseröhre und einer Gastritis bei Kaskadenmagen, der Wirbelsäule, durch ein Schulter-Arm-Syndrom, ein chronisches Schmerzsyndrom und eine Polyneuropathie der Beine vor.
Die beim Kläger vorliegenden Beschwerden durch die Verengung der Speiseröhre und die Gastritis sind mit einem GdB von 10 zu bewerten. Nach Nr. 10.1 Teil B VG (nr. 26.10 AHP) werden funktionelle Stenosen der Speiseröhre ohne wesentliche Behinderung der Nahrungsaufnahme mit einem GdB von 0 bis 10 bewertet, bei einer deutlichen Behinderung der Nahrungsaufnahme ist ein GdB von 20 bis 40 gerechtfertigt. Eine Refluxkrankheit der Speiseröhre mit anhaltenden Refluxbeschwerden je nach Ausmaß bedingt einen GdB von 10 bis 30. Eine chronische Gastritis bedingt einen GdB von 0 bis 10, Nr. 10.2.1 Teil B VG (Nr. 26.10 AHP). Beim Kläger besteht eine ringförmige Stenose der Speiseröhre, die zwischenzeitlich zu einer Pseudomembram der Speiseröhre geführt hat. Eine Störung der Nahrungsaufnahme besteht bei dem bei einer Körpergröße von 171 cm 83 kg schweren Kläger nicht. Eine Refluxkrankheit wurde bei ihm nicht (mehr) festgestellt, jedenfalls wurden besondere Beschwerden nach Medikation nicht mehr dargestellt und vom Kläger auch nicht behauptet. Darüber hinaus wurde eine Gastritis diagnostiziert. Diese Befunde sind mit einem GdB von 10 ausreichend berücksichtigt.
Die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule sind mit einem GdB von höchstens 20 ausreichend bewertet. Nach Nr. 18.9 Teil B VG, der im Wesentlichen Nr. 26.18 AHP entspricht, werden Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität mit einem GdB von 0 bewertet, bei geringen funktionellen Auswirkungen besteht ein GdB von 10, bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt wird ein GdB von 20 festgestellt, bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mittelgradigen bis schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ist ein höherer GdB gerechtfertigt. Mittelgradige Auswirkungen sind dabei Verformung, häufig wiederkehrende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage anhaltende Wirbelsäulensyndrome. Nach dem Gutachten von Dr. Cl. war nur die HWS endgradig eingeschränkt, die übrige Wirbelsäule frei beweglich. Diese Befunde rechtfertigen allenfalls einen GdB von 10, denn sie bedeuten allenfalls geringe funktionelle Auswirkungen in der HWS. Der vorgelegte Arztbrief von Dr. J. vom 06.09.2012 belegt keinen hiervon abweichenden Befund. Dr. Cl. hatte bei seiner Untersuchung des Klägers am 01.12.2011 dessen lumbosakralen – also L5/S1 betreffenden – Schmerzangaben auf eine praesakrale Osteochondrose (Bandscheibenraumverschmälerung) und der in dieser Wirbelsäulenetage assoziierten Spondylarthrose zurückgeführt, was sich mit dem Befund von Dr. J. über einen Bandscheibenfachaufbrauch bei Spondylarthrose in L5/S 1 deckt. Eine relevante Stenose oder Zeichen einer radikulären Kompression hatte auch Dr. J. ausgeschlossen, was die Bewertung einer nur geringgradigen Funktionseinschränkung der LWS durch Dr. Cl. bestätigt. Der Senat sieht sich an der Verwertung des Gutachtens von Dr. Cl. insofern nicht dadurch gehindert, dass der Kläger vorgetragen hat, mehr als fünf Jahre vor der Untersuchung durch Dr. Cl. bei einem anderen Arzt derselben Praxis in Behandlung gewesen zu sein, denn der Kläger hat nichts vorgetragen, das darauf schließen ließe, dass Dr. Cl. insofern ihm gegenüber voreingenommen oder sonst an einer unparteiischen Erstellung des Gutachtens gehindert gewesen wäre.
Selbst bei Zugrundelegung der Befunde von Dr. Ri. ist ein höherer GdB als 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers nicht gerechtfertigt. Sie hat eine um ein Drittel eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule mitgeteilt, ohne insofern verwertbare Funktionsparameter anzugeben. Eine Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit um ein Drittel rechtfertigt aber allenfalls die Einstufung als geringe bis mittelgradige funktionelle Auswirkung, die keinen höheren GdB als 20 rechtfertigen. Auch Dr. Ri. hat den GdB für die Wirbelsäulenbeschwerden im Ergebnis nicht höher eingeschätzt, denn sie hat den LWS-Beschwerden keinen und den HWS-Beschwerden ebenfalls einen GdB von 20 zugeordnet. Die darüber hinaus vorliegenden Schmerzen sind bei den Folgen des Fibromyalgiesyndroms zu berücksichtigen, wie sowohl Dr. Cl. als auch Dr. Ri. zutreffend und nachvollziehbar ausgeführt haben.
Die Beschwerden des Klägers von Seiten der Schulter bedingen keinen höheren GdB als 10. Nach den Befunden von Dr. Ri. konnte der Kläger seinen Arm in der Schulter bis 130° heben, bei Dr. Cl. waren beide Schultern frei beweglich. Nach Nr. 18.13 Teil B VG (Nr. 26.18 AHP) rechtfertigt eine Einschränkung der Beweglichkeit der Schulter auf 120° einen GdB von 10, bei einer Einschränkung auf 90° Armhebung mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit ist ein GdB von 20 anzunehmen. Die reine Bewegungseinschränkung, die Dr. Ri. mitgeteilt hat, bedingt deshalb allenfalls unter Berücksichtigung der weiteren Beschwerden durch die Schultersymptomatik einen GdB von 10.
Die beim Kläger vorliegende somatoforme Schmerzstörung vom Typ Fibromyalgie bedingt einen GdB von allenfalls 30. Sowohl Dr. Ri. als auch Dr. Ni. haben das Fibromyalgie-Syndrom in Übereinstimmung mit dem ärztlichen Dienst des Beklagten unter die somatoformen Störungen eingeordnet. Diese sind nach Nr. 3.7 Teil B VG, der im Wesentlichen Nr. 26.3 AHP entspricht, unter die Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen einzuordnen. Bei einer solchen Behinderung besteht ein GdB von 0 bis 20 bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen. Ein GdB von 30 bis 40 wird bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit z.B. bei ausgeprägteren depressiven, hypochondrischen, asthenischen oder phobischen Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoformen Störungen angenommen. Ein GdB von 50 und mehr wird bei schweren Störungen wie z.B. schweren Zwangskrankheiten mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten angenommen.
Beim Kläger besteht eine somatoforme Störung, die sich in Schmerzen verschiedener Lokalisation, vor allem aber in den Händen und den Unterschenkeln, ausdrückt. Nach dem Gutachten von Dr. Ni. besteht keine Neigung zu Depression, einen Teil seiner Hobbies kann der Kläger – teilweise zusammen mit dem Freund seiner Tochter – ausüben. Nach den Befunden von Dr. Ri. leidet der Kläger darüber hinaus unter Schlafstörungen und erhöhter Erschöpfbarkeit, die allerdings bei der Untersuchung durch Dr. Ni. nicht mehr angesprochen wurden. Sofern der Kläger nunmehr ausführt, dass er bei der Untersuchung durch Dr. Ni. aus dem Urlaub gekommen und besonders gut erholt gewesen sei und er außerdem nicht als psychisch erkrankt eingestuft werden wolle, führt das nicht zu einer anderen Entscheidung. Selbst wenn man nämlich die Angaben des Klägers gegenüber Dr. Ri. zugrunde legt, die im Wesentlichen mit den vom SG eingeholten Befunden übereinstimmen, ist der Kläger psychosomatisch angespannt, leidet unter Schlafstörungen, einer Mattigkeit und schnellen Erschöpfbarkeit, schweren Beinen und vor allem unter Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, für die keine organische Erklärung gefunden werden kann. Diese Beschwerden rechtfertigen die von Dr. Ri. und Dr. Ni. vorgenommene Einschätzung als Somatisierungsstörung. Sie schränkt die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich ein, entspricht aber nicht einer schweren Zwangskrankheit, die einen GdB von 50 bedingen könnte. Vielmehr ist es dem Kläger nach eigenen Angaben offenbar möglich, durch ausreichende Entspannung eine Verringerung der Beschwerden zu erreichen. Zwischenzeitlich auftretende depressive Phasen sind nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. Ni. als Teil der somatoformen Störung anzusehen und nicht gesondert zu berücksichtigen. Ein höherer GdB als 30 ergibt sich daraus jedenfalls nicht.
Die von Dr. Ni. und im hospital im März 2012 diagnostizierte Polyneuropathie ist mit einem GdB von 20 zutreffend eingeschätzt. Nach Nr. 3.11 Teil B VG ergeben sich die Funktionsbeeinträchtigungen bei den Polyneuropathien aufgrund motorischer Ausfälle, sensibler Störungen oder Kombinationen von beiden. Bei den sensiblen Störungen und Schmerzen ist zu berücksichtigen, dass schon leichte Störungen zu Beeinträchtigungen z.B. bei Feinbewegungen führen können. Nach den Befunden von Dr. Ni. und des hospitals leidet der Kläger an einer zunehmenden Gangstörung im Sinne einer Unsicherheit bei verschiedenen Gangvarianten und Beschwerden in den Waden im Liegen. Sensibilität und Motorik werden von Dr. Ni. als unauffällig beschrieben. Die Einschränkungen des Klägers können insofern in Anlehnung an die Nervenbeeinträchtigungen an den Beinen (Nr. 18.14 Teil B VG) eingestuft werden. Eine Berücksichtigung mit einem GdB von 20 ist insofern zutreffend. Entgegen den Ausführungen von Dr. Ni. wurde die Polyneuropathie nicht im April 2012 sondern während des stationären Aufenthalts im hospital im März 2012 erstmals festgestellt, so dass diese Behinderung bereits ab März 2012 zu berücksichtigen ist.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Ausgehend von einem GdB von 30 für die somatoforme Schmerzstörung vom Typ Fibromyalgie wird der GdB durch die Beschwerden von Seiten der Speiseröhre (Teil-GdB 10), des Magens (Teil-GdB 10) und der Schulter (Teil-GdB 10) nicht erhöht. Auch die Beschwerden in Wirbelsäule (Teil-GdB 10, allenfalls knapp 20) bedingen keine Erhöhung des GdB, denn auch diese Beschwerden bestehen im Wesentlichen in Schmerzen, die aber schon im GdB von 30 berücksichtigt sind, so dass eine erneute Berücksichtigung durch Erhöhung des GdB auf 40 eine Doppelbewertung bedeuten würde. Der GdB von 30 für die somatoforme Schmerzstörung wird aber durch den GdB von 20 für die Polyneuropathie um 10 auf 40 erhöht. Sowohl die Schmerzstörung als auch die Polyneuropathie führt zu Schmerzen in den Unterschenkeln und schweren Beinen. Die Polyneuropathie führt zu einer Gangunsicherheit des Klägers, die er aufgrund der Auswirkungen der somatoformen Störung auf die Hände nicht in gleicher Weise wie ein ansonsten nicht behinderter Mensch kompensieren kann, so dass eine Erhöhung auf 40 gerechtfertigt ist. Eine weitere Erhöhung auf einen GdB von 50 ist demgegenüber nicht möglich.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Die einen höheren GdB rechtfertigende Änderung des Behinderungszustandes trat erst im Berufungsverfahren ein, weshalb für eine Änderung der Kostenentscheidung des angefochtenen Gerichtsbescheids des SG kein Anlass bestand.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet ein Achtel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren, im Übrigen sind außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Neufeststellung seines Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 50.
Für den 1948 geborenen Kläger wurde zuletzt mit Bescheid vom 11.11.2005 ein GdB von 30 wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom, Beschwerden am linken Arm festgestellt.
Am 02.04.2008 beantragte der Kläger die Neufeststellung seiner Behinderung und gab dazu an, dass er eine Verschlechterung eines Karpaltunnelsyndroms (KTS) trotz zweimaliger Operation erlitten habe. Er habe starke Schmerzen in der linken Hand, könne kaum noch etwas festhalten und bekomme deshalb starke Schmerzmittel. Dazu legte er Arztbriefe des Neurologen Dr. E. vom 26.03.2007, 20.03.2008 und 18.05.2006 vor, der einen Restzustand eines KTS nach zweifacher Operation (Daumenopposition links eingeschränkt, Fingerbeugung, Faustschluss regelrecht, Armreflexe seitengleich) feststellte. Es bestünden noch nächtliche Schmerzen und ein Pelzigkeitsgefühl in allen Fingern der linken Hand. Der Internist Dr. Fa. berichtete in Arztbriefen vom 16.04.2007, 09.01.2007 und 28.10.2006 über eine chronische Refluxerkrankung mit ringartiger Verengung der unteren Speiseröhre, die mittels Medikamenten erfolgreich therapiert werde. Der Kläger befand sich in schmerztherapeutischer Behandlung bei Dr. Schw. wegen eines KTS beidseits, Sulcus ulnaris Syndrom links, Insertionstendinose der linken Schulter, Bandscheibenprotrusion 4./5. Halswirbelkörper (HWK) links und 6./7. HWK rechts und eines chronischen Schmerzsyndroms Stadium III nach Gerbershagen (Arztbrief vom 24.11.2006).
Nach Anhörung seines ärztlichen Dienstes (Dr. B. , 09.04.2008) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10.04.2008 eine Änderung der bisherigen Entscheidung ab. Den dagegen gerichteten Widerspruch vom 21.04.2008 nahm der Beklagte zum Anlass den Vorgang erneut dem ärztlichen Dienst vorzulegen (Dr. C. , 05.05.2008). Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 02.06.2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er die Feststellung eines GdB von 50 begehrte. Zur Begründung legte er einen Arztbrief des Internisten und Rheumatologen Dr. Ki. vom 22.10.2008 vor, der eine Fibromyalgie, ein degeneratives Halswirbelsäulensyndrom (HWS-Syndrom), eine Refluxerkrankung und einen Zustand nach Operation KTS und sulcus ulnaris links mitteilte. Derzeit bestehe kein Anhalt für eine entzündlich rheumatische Systemerkrankung. Er reichte weiterhin einen Arztbrief des Facharztes für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. D. vom 19.01.2009 zu den Akten, der als Diagnose ein Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ mitteilte. Es bestehe ein zunehmender Ganzkörperschmerz mit Ausstrahlungsschmerz von der HWS in beide Arme bis in die Hände. In der HWS bestehe eine mittelgradige Bewegungseinschränkung in Seitneigung und Rotation. Es bestehe auch ein Lumbalsyndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung in beide Beine.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 02.04.2009 entgegen.
Das SG zog Befundunterlagen der Praxis für Allgemeinmedizin A. A. bei. Der Kläger war in neurologischer Behandlung bei Dr. Mü ... Der Kläger stellte sich dort wegen Beschwerden in den Armen vor. Dr. Mü. (Arztbriefe vom 14.01.2008 und 19.06.2008) ging zunächst von einer Restless Arms Symptomatik aus und verordnete Levodop. Darunter kam es zu einer vorübergehenden Besserung, nach einigen Monaten wieder zu einer Verschlechterung. Auch das rechte Bein könne der Kläger nicht ruhig hinlegen. Der Neurostatus war regelrecht, die weiteren Untersuchungen ergaben keine Erklärung für die Beschwerden, so dass Dr. Mü. den Verdacht auf eine somatoforme Störung äußerte und eine Zweitmeinung empfahl. Der Neurologe Dr. E. stellte in beiden Armen noch verlängerte Nervenleitgeschwindigkeiten der Medianusnerven fest, die Armeigenreflexe waren seitengleich (Arztbrief vom 21.02.2008). Eine urologische Kontrolle der Prostata zeigte ein benignes Prostatasyndrom ohne spezifische Behandlungsbedürftigkeit (Arztbrief Dr. Ti./B. vom 24.04.2008). Der Orthopäde Dr. Fe. schloss am 04.06.2008 bei Beschwerden an der linken Schulter eine Schultererkrankung aus und äußerte ebenfalls den Verdacht auf eine Somatisierungsstörung.
Das SG befragte die Fachärztin für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie Dr. Schw. schriftlich als sachverständige Zeugin. Sie gab unter dem 15.12.2008 an, es habe sich eine somatoforme Störung in Form einer Somatisierungsstörung eingestellt. Daneben berichte der Kläger über starke Schluckbeschwerden, starke Mattigkeit, starke Schulter-/Nackenschmerzen, ein starkes Schweregefühl in den Beinen, gleichzeitig eine starke Unruhe in den Beinen, eine starke Überempfindlichkeit gegen Kälte sowie ein übermäßig starkes Schlafbedürfnis und starke Reizbarkeit.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2009 wies das SG die Klage ab. Von Seiten des KTS sei eine wesentliche Verschlechterung nach den Operationen nicht nachweisbar. Das Fibromyalgiesyndrom sei als psychosomatische Erkrankung einzustufen. Die Wirbelsäulenbeschwerden bestünden im Wesentlichen ebenfalls in Schmerzen, so dass ein GdB von 30 nach wie vor ausreichend sei.
Gegen den ihm am 20.06.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.07.2009 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er ausgeführt hat, dass das schwere Fibromyalgiesyndrom bisher nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden habe. Er sei nicht mehr in der Lage, sein Hobby als Modelleisenbahner auszuüben, weil er seine Anlage im Garten nicht mehr warten könne. Selbst einfachste Gartenarbeit sei nicht mehr möglich. Zum Kartenspielen oder Lesen eines Buches benötige er einen Ständer, weil er nicht in der Lage sei, Karten und Buch zu halten. Selbst einen Kugelschreiber könne er inzwischen nicht mehr halten oder Briefmarken in ein Album stecken. Auch Sitzen könne er nicht mehr für längere Zeit ruhig. Seine Frau müsse ihn waschen, die Haare schneiden und ihn rasieren, Fleisch müsse vorgeschnitten werden. Er könne sich auch nicht mehr alleine einschenken. Wenn er seine Frau zum Einkaufen begleite, müsse häufiger der Einkauf wegen seiner Schmerzen abgebrochen werden.
Der Kläger hat einen Arztbrief des Internisten Dr. Eh. vom 01.12.2009 vorgelegt, der eine peptische Oesophagusstenose mit Ausbildung einer Pseudomembran sowie einen Kaskadenmagen und eine C-Gastritis festgestellt hat. In einem weiteren Arztbrief vom 09.06.2010 hat er diese Diagnosen bestätigt.
Dr. D. hat in einem Arztbrief vom 14.01.2010 ein schweres atypisches Fibromyalgiesyndrom, DD im Rahmen einer somatoformen Schmerzstörung, eine Periarthropathia humeroscapularis links mehr als rechts, ein degeneratives HWS-Syndrom mit Fehlstatik und degenerativen Veränderungen, keinen Hinweis für entzündlich-rheumatische Erkrankung, vorbekannte Reflux-Erkrankung, einen Zustand nach KTS-OP und Sulcus ulnaris-Syndrom OP links diagnostiziert. Es bestünden ausgeprägte Ganzkörperschmerzen mit Nachtschlafbehinderung.
Prof. Dr. Li. , hospital S. , Klinik für Neurologie, hat in einem Brief vom 07.08.2008 ein chronisches Schmerzsyndrom mit brennenden Parästhesien der oberen Extremitäten linksbetont, derzeit unklärer Ätiologie, einen Zustand nach KTS-Operation links und Sulcus-ulnaris-Operation links mitgeteilt. Die HWS Beweglichkeit sei frei, die Muskeleigenreflexe beidseits mittellebhaft, Sensibilitätsprüfungen regelrecht, Koordination, Gang- und Standprüfungen altersentsprechend unauffällig. Der Neurostatus sei komplett unauffällig gewesen.
Der Kläger hat ein Attest des Neurologen Dr. Mü. vom 19.07.2010 zu den Akten gereicht. Danach leidet er an bilateralen Brachialgien, für die bisher keine sichere organische Ursache gefunden worden sei. Er bedürfe einer umfangreichen Schmerzmedikation, es könne sich auch um eine somatoforme Störung bzw. Schmerzkrankheit handeln.
In einem Entlassungsbericht des A. Rheumazentrums B. vom 21.10.2010 über einen stationären Aufenthalt vom 15. bis 21.10.2010 ergeben sich die Diagnosen Fibromyalgiesyndrom, arterieller Bluthochdruck, Thrombopenie. Der Kläger sei wegen ambulant nicht länger führbaren Gelenk- und Rückenschmerzen stationär aufgenommen worden und mit einem multimodalen rheumatologischen Komplexprogramm behandelt worden. Der Finger-Boden-Abstand betrage 0 cm, das Zeichen nach Schober 10/14 cm. Der Nackengriff werde unter endgradiger Schmerzangabe komplett durchgeführt. Der Faustschluss sei komplett, die Handkraft regelrecht. Es bestehe kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, 18 von 18 Tenderpoints seien positiv. Es falle eine diskrete Schiefhaltung des Kopfes auf, die HWS sei im Übrigen aber frei beweglich, es bestehe eine verstärkte Brustkyphosierung.
Der Kläger hat einen MRT Befund der HWS des Zentrums für Radiologie und Nuklearmedizin vom 29.07.2011 sowie einen Arztbrief des Neurochirurgen Dr. H. vom 11.08.2011 (Armschmerz, Fibromyalgie, Sudeckdystrophie linker Arm) vorgelegt. Dr. H. ist darin zu dem Ergebnis gekommen, dass die Veränderungen in der HWS eher mäßig und altersentsprechend seien und eine Operation ziemlich sicher zu keiner Veränderung führen würde. Der Neurochirurg Dr. J. hat in einem Arztbrief vom 06.09.2012 ein aufgebrauchtes Bandscheibenfach L5/S1 mitgeteilt. Eine operative Therapieoption bestehe nicht.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.06.2009 sowie den Bescheid vom 14.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid. Er hat ärztliche Stellungnahmen von Dr. G. vom 05.05.2010, Dr. R. vom 07.04.2011 und Dr. W. vom 11.09.2012 vorgelegt.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers ein Gutachten der Internistin und Rheumatologin Dr. Ri. vom 11.11.2010 eingeholt. Der Kläger hat bei der dortigen Untersuchung am 14.10.2010 angegeben, Schmerzen in den Händen und Unterschenkeln zu haben. Er habe bei geringer Belastung Atemnot und es bestünden Erschöpfungszustände. Er könne höchstens vier Stunden schlafen und leide unter Morgensteifigkeit. Bei der orientierenden neurologischen Untersuchung hat Dr. Ri. regelrechte Muskeleigenreflexe, keine pathologischen Reflexe, keine Muskelatrophien, keine Paresen und keine gröberen Sensibilitätsstörungen feststellen können. Es bestehe ein Druckschmerz an den Sehnenansätzen der oberen und unteren Extremität, die Kontrollpunkte seien positiv, synovitische Schwellungen bestünden nicht. Die Wirbelsäule sei in ihrer Beweglichkeit um ein Drittel in der Lateralflexion und Rotation eingeschränkt. Das Zeichen nach Schober betrage 3 cm, dasjenige nach Ott 3 cm, der Finger-Boden-Abstand 40 cm. Die linke Schulter könne bis 130° gehoben werden. In den Röntgenbildern der Hände sei eine deutliche Rhizarthrose beidseits erkennbar. Dr. Ri. hat ein schweres chronisches Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ, ein depressives Syndrom als Komorbität (Einzel-GdB für beides 50), ein degeneratives HWS-Syndrom (EinzelGdB 20), ein degeneratives Lendenwirbelsäulen-Syndrom (LWS-Syndrom), eine Periarthropatia humeroscapularis links (EinzelGdB 20) und einen Zustand nach KTS-Operation links (EinzelGdB 0) als Diagnosen angegeben. Es bestehe ein Gesamt-GdB von 50. Es sei ein weitgehender sozialer Rückzug erfolgt, der Kläger könne seinen Hobbies nicht mehr nachgehen, gehe kaum noch aus dem Haus, treffe kaum noch Freunde. Dr. Ri. hat Ausführungen zum Stand der medizinischen Erkenntnisse zum Fibromyalgie-Syndrom und dessen Therapie gemacht.
Der Senat hat von Amts wegen ein Gutachten des Orthopäden Dr. Cl. vom 02.12.2011 eingeholt. Bei der dortigen Untersuchung am 01.12.2011 hat der Kläger Schmerzen seitens der HWS, der oberen Extremitäten, der unteren LWS und angrenzenden Beckenregion sowie Störungen der Fingerfeinmotorik und einen abends auftretenden Kontrollverlust der Füße angegeben. Dr. Cl. hat einen mäßiggradigen, teilfixierten Rundrücken festgestellt. Die Beweglichkeit sei deshalb etwas eingeschränkt (Ott 30/31). Die Rückenmuskulatur sei teilweise verspannt und druckschmerzhaft gewesen. Die HWS sei in der Drehbewegung endgradig eingeschränkt, i.Ü. nicht relevant beeinträchtigt. Der Reflexstatus sei seitengleich, die Motorik und Sensibilität intakt. Der linke Arm sei in allen Gelenken frei beweglich, die LWS frei entfaltbar. Beide Schultergelenke seien frei beweglich gewesen. Es bestehe eine gering ausgeprägte Insertionstendopathie der Unterarmstreckmuskulatur. Die grobe Kraft in den Händen sei seitengleich ausgeprägt. Nervenwurzelreizerscheinungen oder ein Schulter-Arm-Syndrom seien bei seiner Untersuchung nicht feststellbar. Die bei ihm feststellbaren Beeinträchtigungen im Achsenskelett rechtfertigten allenfalls einen GdB von 20. Da eine Schultersymptomatik erfahrungsgemäß Schwankungen unterworfen sei, werde empfohlen, diese zusammen mit den Wirbelsäulenbeschwerden mit einem GdB von 30 zu berücksichtigen. Der festgestellte Speiseröhrengleitbruch bedinge einen TeilGdB von 10 und erhöhe den GdB nicht.
Dazu hat der Kläger vorgetragen, dass er im Jahr 2005 bei dem mit Dr. Cl. in Gemeinschaftspraxis tätigen Dr. Tr. in Behandlung gewesen sei.
Einer Anregung von Dr. Cl. folgend hat der Senat von Amts wegen ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Ni. vom 02.07.2012 eingeholt. Dort hat der Kläger angegeben, er leide nunmehr auch unter Hüftschmerzen rechts, die er mit Schmerzmitteln lindern könne. Stimmungsmäßig gehe es ihm relativ gut, besonders da er seit 01.01.2012 in Rente (wegen Erwerbsminderung) sei. Dr. Ni. hat die Beeinträchtigungen des Klägers im täglichen Leben, seinen Tagesablauf, seine familiäre Situation und seinen Werdegang erfragt. Dr. Ni. hat in der Untersuchung klopfschmerzhafte Dornfortsätze der HWS, eine leichte Funktionsstörung der LWS, im Übrigen keinen pathologischen körperlichen Befund festgestellt. Bei den Gangprüfungen weise der Kläger Unsicherheiten auf. Psychisch haben sich eine vermehrte psychosomatische Anspannung bei der körperlichen Untersuchung, anankastische Persönlichkeitsmerkmale mit somatischer Beschwerdefixierung, im Übrigen aber kein pathologischer Befund gezeigt. Dr. Ni. ist deshalb zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine symmetrische Polyneuropathie (der Beine) unklarer Ätiologie und Zustand nach KTS OP links bestehe. Daneben stünden die orthopädischen Diagnosen. Die auftretenden depressiven Verstimmungen seien als Teil der somatoformen Störung zu sehen und nicht als Ausdruck einer eigenen Diagnosekategorie. Die Polyneuropathie stehe ebenfalls im Zusammenhang mit den Schmerzen. Die psychischen Gesundheitsstörungen bedingten einen GdB von 20, die Polyneuropathie ebenfalls 20, so dass unter Einbeziehung der orthopädischen Beschwerden ein GesamtGdB von 40 anzusetzen sei. Seit April 2008 bestehe die somatoforme Schmerzstörung, im April 2012 sei erstmals die Polyneuropathie festgestellt worden.
Dr. Ni. hat seinem Gutachten einen Entlassungsbericht des hospitals S. vom 13.04.2012 über einen stationären Aufenthalt vom 13.03.2012 bis 22.03.2012 (Neurologie) beigefügt. Dort hat der Kläger eine zunehmende Gangstörung mitgeteilt. Im Liegen träten Beschwerden in beiden Waden auf. Die apparativen Untersuchungen hätten Hinweise auf eine mäßig ausgeprägte gemischte sensomotorische Polyneuropathie (Muskulus tibialis rechts) sowie einen Bandscheibenvorfall im Bereich L5/S1 und L2/3 ergeben. Weiterhin hat eine Biopsie eine ausgeprägte chronische Neuropathie des Nervus suralis rechts gezeigt. Die Ursache hat bei der stationären Behandlung nicht aufgeklärt werden können.
Der Kläger ist der Schilderung des Tagesablaufs entgegen getreten. Sein Tagesablauf sei nicht so positiv wie dargestellt. Seine Ehefrau nehme ihm vieles ab, das habe sich aufgrund der langen Dauer der Beschwerden inzwischen eingespielt. Der positive Eindruck von Dr. Ni. rühre vor allem daher, dass er gerade von vier Wochen Urlaub zurückgekommen sei und es ihm deshalb besser gegangen sei. Außerdem habe er auf jeden Fall vermeiden wollen, als psychisch eingeschränkt eingeordnet zu werden. Er sei von einer psychiatrischen Einweisung seines Vaters in seiner Kindheit traumatisiert, die als Makel auf ihm laste.
Der Beklagte hat einen Vergleich mit einem GdB von 40 ab April 2012 angeboten. Das hat der Kläger abgelehnt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Karlsruhe sowie die beim Senat angefallenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und teilweise begründet.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen – welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören – zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96 – BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendett wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, aaO, RdNr 30).
Nach diesen Kriterien ist der GdB beim Kläger bis einschließlich Februar 2012 mit 30 und ab März 2012 mit 40 zu bewerten. Beim Kläger liegen Behinderungen von Seiten der Speiseröhre und einer Gastritis bei Kaskadenmagen, der Wirbelsäule, durch ein Schulter-Arm-Syndrom, ein chronisches Schmerzsyndrom und eine Polyneuropathie der Beine vor.
Die beim Kläger vorliegenden Beschwerden durch die Verengung der Speiseröhre und die Gastritis sind mit einem GdB von 10 zu bewerten. Nach Nr. 10.1 Teil B VG (nr. 26.10 AHP) werden funktionelle Stenosen der Speiseröhre ohne wesentliche Behinderung der Nahrungsaufnahme mit einem GdB von 0 bis 10 bewertet, bei einer deutlichen Behinderung der Nahrungsaufnahme ist ein GdB von 20 bis 40 gerechtfertigt. Eine Refluxkrankheit der Speiseröhre mit anhaltenden Refluxbeschwerden je nach Ausmaß bedingt einen GdB von 10 bis 30. Eine chronische Gastritis bedingt einen GdB von 0 bis 10, Nr. 10.2.1 Teil B VG (Nr. 26.10 AHP). Beim Kläger besteht eine ringförmige Stenose der Speiseröhre, die zwischenzeitlich zu einer Pseudomembram der Speiseröhre geführt hat. Eine Störung der Nahrungsaufnahme besteht bei dem bei einer Körpergröße von 171 cm 83 kg schweren Kläger nicht. Eine Refluxkrankheit wurde bei ihm nicht (mehr) festgestellt, jedenfalls wurden besondere Beschwerden nach Medikation nicht mehr dargestellt und vom Kläger auch nicht behauptet. Darüber hinaus wurde eine Gastritis diagnostiziert. Diese Befunde sind mit einem GdB von 10 ausreichend berücksichtigt.
Die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule sind mit einem GdB von höchstens 20 ausreichend bewertet. Nach Nr. 18.9 Teil B VG, der im Wesentlichen Nr. 26.18 AHP entspricht, werden Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität mit einem GdB von 0 bewertet, bei geringen funktionellen Auswirkungen besteht ein GdB von 10, bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt wird ein GdB von 20 festgestellt, bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mittelgradigen bis schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ist ein höherer GdB gerechtfertigt. Mittelgradige Auswirkungen sind dabei Verformung, häufig wiederkehrende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage anhaltende Wirbelsäulensyndrome. Nach dem Gutachten von Dr. Cl. war nur die HWS endgradig eingeschränkt, die übrige Wirbelsäule frei beweglich. Diese Befunde rechtfertigen allenfalls einen GdB von 10, denn sie bedeuten allenfalls geringe funktionelle Auswirkungen in der HWS. Der vorgelegte Arztbrief von Dr. J. vom 06.09.2012 belegt keinen hiervon abweichenden Befund. Dr. Cl. hatte bei seiner Untersuchung des Klägers am 01.12.2011 dessen lumbosakralen – also L5/S1 betreffenden – Schmerzangaben auf eine praesakrale Osteochondrose (Bandscheibenraumverschmälerung) und der in dieser Wirbelsäulenetage assoziierten Spondylarthrose zurückgeführt, was sich mit dem Befund von Dr. J. über einen Bandscheibenfachaufbrauch bei Spondylarthrose in L5/S 1 deckt. Eine relevante Stenose oder Zeichen einer radikulären Kompression hatte auch Dr. J. ausgeschlossen, was die Bewertung einer nur geringgradigen Funktionseinschränkung der LWS durch Dr. Cl. bestätigt. Der Senat sieht sich an der Verwertung des Gutachtens von Dr. Cl. insofern nicht dadurch gehindert, dass der Kläger vorgetragen hat, mehr als fünf Jahre vor der Untersuchung durch Dr. Cl. bei einem anderen Arzt derselben Praxis in Behandlung gewesen zu sein, denn der Kläger hat nichts vorgetragen, das darauf schließen ließe, dass Dr. Cl. insofern ihm gegenüber voreingenommen oder sonst an einer unparteiischen Erstellung des Gutachtens gehindert gewesen wäre.
Selbst bei Zugrundelegung der Befunde von Dr. Ri. ist ein höherer GdB als 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers nicht gerechtfertigt. Sie hat eine um ein Drittel eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule mitgeteilt, ohne insofern verwertbare Funktionsparameter anzugeben. Eine Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit um ein Drittel rechtfertigt aber allenfalls die Einstufung als geringe bis mittelgradige funktionelle Auswirkung, die keinen höheren GdB als 20 rechtfertigen. Auch Dr. Ri. hat den GdB für die Wirbelsäulenbeschwerden im Ergebnis nicht höher eingeschätzt, denn sie hat den LWS-Beschwerden keinen und den HWS-Beschwerden ebenfalls einen GdB von 20 zugeordnet. Die darüber hinaus vorliegenden Schmerzen sind bei den Folgen des Fibromyalgiesyndroms zu berücksichtigen, wie sowohl Dr. Cl. als auch Dr. Ri. zutreffend und nachvollziehbar ausgeführt haben.
Die Beschwerden des Klägers von Seiten der Schulter bedingen keinen höheren GdB als 10. Nach den Befunden von Dr. Ri. konnte der Kläger seinen Arm in der Schulter bis 130° heben, bei Dr. Cl. waren beide Schultern frei beweglich. Nach Nr. 18.13 Teil B VG (Nr. 26.18 AHP) rechtfertigt eine Einschränkung der Beweglichkeit der Schulter auf 120° einen GdB von 10, bei einer Einschränkung auf 90° Armhebung mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit ist ein GdB von 20 anzunehmen. Die reine Bewegungseinschränkung, die Dr. Ri. mitgeteilt hat, bedingt deshalb allenfalls unter Berücksichtigung der weiteren Beschwerden durch die Schultersymptomatik einen GdB von 10.
Die beim Kläger vorliegende somatoforme Schmerzstörung vom Typ Fibromyalgie bedingt einen GdB von allenfalls 30. Sowohl Dr. Ri. als auch Dr. Ni. haben das Fibromyalgie-Syndrom in Übereinstimmung mit dem ärztlichen Dienst des Beklagten unter die somatoformen Störungen eingeordnet. Diese sind nach Nr. 3.7 Teil B VG, der im Wesentlichen Nr. 26.3 AHP entspricht, unter die Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen einzuordnen. Bei einer solchen Behinderung besteht ein GdB von 0 bis 20 bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen. Ein GdB von 30 bis 40 wird bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit z.B. bei ausgeprägteren depressiven, hypochondrischen, asthenischen oder phobischen Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoformen Störungen angenommen. Ein GdB von 50 und mehr wird bei schweren Störungen wie z.B. schweren Zwangskrankheiten mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten angenommen.
Beim Kläger besteht eine somatoforme Störung, die sich in Schmerzen verschiedener Lokalisation, vor allem aber in den Händen und den Unterschenkeln, ausdrückt. Nach dem Gutachten von Dr. Ni. besteht keine Neigung zu Depression, einen Teil seiner Hobbies kann der Kläger – teilweise zusammen mit dem Freund seiner Tochter – ausüben. Nach den Befunden von Dr. Ri. leidet der Kläger darüber hinaus unter Schlafstörungen und erhöhter Erschöpfbarkeit, die allerdings bei der Untersuchung durch Dr. Ni. nicht mehr angesprochen wurden. Sofern der Kläger nunmehr ausführt, dass er bei der Untersuchung durch Dr. Ni. aus dem Urlaub gekommen und besonders gut erholt gewesen sei und er außerdem nicht als psychisch erkrankt eingestuft werden wolle, führt das nicht zu einer anderen Entscheidung. Selbst wenn man nämlich die Angaben des Klägers gegenüber Dr. Ri. zugrunde legt, die im Wesentlichen mit den vom SG eingeholten Befunden übereinstimmen, ist der Kläger psychosomatisch angespannt, leidet unter Schlafstörungen, einer Mattigkeit und schnellen Erschöpfbarkeit, schweren Beinen und vor allem unter Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, für die keine organische Erklärung gefunden werden kann. Diese Beschwerden rechtfertigen die von Dr. Ri. und Dr. Ni. vorgenommene Einschätzung als Somatisierungsstörung. Sie schränkt die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich ein, entspricht aber nicht einer schweren Zwangskrankheit, die einen GdB von 50 bedingen könnte. Vielmehr ist es dem Kläger nach eigenen Angaben offenbar möglich, durch ausreichende Entspannung eine Verringerung der Beschwerden zu erreichen. Zwischenzeitlich auftretende depressive Phasen sind nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. Ni. als Teil der somatoformen Störung anzusehen und nicht gesondert zu berücksichtigen. Ein höherer GdB als 30 ergibt sich daraus jedenfalls nicht.
Die von Dr. Ni. und im hospital im März 2012 diagnostizierte Polyneuropathie ist mit einem GdB von 20 zutreffend eingeschätzt. Nach Nr. 3.11 Teil B VG ergeben sich die Funktionsbeeinträchtigungen bei den Polyneuropathien aufgrund motorischer Ausfälle, sensibler Störungen oder Kombinationen von beiden. Bei den sensiblen Störungen und Schmerzen ist zu berücksichtigen, dass schon leichte Störungen zu Beeinträchtigungen z.B. bei Feinbewegungen führen können. Nach den Befunden von Dr. Ni. und des hospitals leidet der Kläger an einer zunehmenden Gangstörung im Sinne einer Unsicherheit bei verschiedenen Gangvarianten und Beschwerden in den Waden im Liegen. Sensibilität und Motorik werden von Dr. Ni. als unauffällig beschrieben. Die Einschränkungen des Klägers können insofern in Anlehnung an die Nervenbeeinträchtigungen an den Beinen (Nr. 18.14 Teil B VG) eingestuft werden. Eine Berücksichtigung mit einem GdB von 20 ist insofern zutreffend. Entgegen den Ausführungen von Dr. Ni. wurde die Polyneuropathie nicht im April 2012 sondern während des stationären Aufenthalts im hospital im März 2012 erstmals festgestellt, so dass diese Behinderung bereits ab März 2012 zu berücksichtigen ist.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Ausgehend von einem GdB von 30 für die somatoforme Schmerzstörung vom Typ Fibromyalgie wird der GdB durch die Beschwerden von Seiten der Speiseröhre (Teil-GdB 10), des Magens (Teil-GdB 10) und der Schulter (Teil-GdB 10) nicht erhöht. Auch die Beschwerden in Wirbelsäule (Teil-GdB 10, allenfalls knapp 20) bedingen keine Erhöhung des GdB, denn auch diese Beschwerden bestehen im Wesentlichen in Schmerzen, die aber schon im GdB von 30 berücksichtigt sind, so dass eine erneute Berücksichtigung durch Erhöhung des GdB auf 40 eine Doppelbewertung bedeuten würde. Der GdB von 30 für die somatoforme Schmerzstörung wird aber durch den GdB von 20 für die Polyneuropathie um 10 auf 40 erhöht. Sowohl die Schmerzstörung als auch die Polyneuropathie führt zu Schmerzen in den Unterschenkeln und schweren Beinen. Die Polyneuropathie führt zu einer Gangunsicherheit des Klägers, die er aufgrund der Auswirkungen der somatoformen Störung auf die Hände nicht in gleicher Weise wie ein ansonsten nicht behinderter Mensch kompensieren kann, so dass eine Erhöhung auf 40 gerechtfertigt ist. Eine weitere Erhöhung auf einen GdB von 50 ist demgegenüber nicht möglich.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Die einen höheren GdB rechtfertigende Änderung des Behinderungszustandes trat erst im Berufungsverfahren ein, weshalb für eine Änderung der Kostenentscheidung des angefochtenen Gerichtsbescheids des SG kein Anlass bestand.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved