Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 1794/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3594/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.07.2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung des Klägers.
Der am 06.12.1935 geborene Kläger war von 1951 bis 1954 in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Seit 1974 ist er schweizerischer Staatsangehöriger. Er lebt in der Schweiz und bezieht eine Altersrente nach schweizerischem Recht. Am 10.02.2000 beantragte er bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden-Württemberg, Rechtvorgängerin der Beklagten, die Gewährung einer Regelaltersrente. Mit Rentenbescheid vom 31.01.2001 bewilligte die LVA eine monatliche Altersrente in Höhe von 67,86 DM ab dem 01.01.2001. Die Voraussetzungen der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) erfüllt der Kläger nicht.
Seit 1999 ist der Kläger bei dem schweizerischen Krankenversicherungsunternehmen "G. M.", das der schweizerischen Aufsicht unterliegt, auf der Basis einer "obligatorischen Krankenpflegeversicherung" in Bezug auf ambulante Arztbehandlungen, stationäre Krankenhausbehandlungen, Arzneimittel, Heilmittel und zahnärztliche Behandlungen sowie Zahnersatz versichert. Daneben besteht bei demselben Unternehmen eine freiwillige Zusatzversicherung in Bezug auf weitere Risiken im Krankheitsfall.
Am 17.08.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines Zuschusses zu seiner Krankenversicherung ab Beginn seiner Altersrente nebst gesetzlicher Verzinsung. Zur Begründung gab der Kläger an, jedenfalls vor der Gesetzesänderung zum 01.05.2007 habe ein Anspruch auf Zuschuss zu seiner schweizerischen Krankenversicherung bestanden. Aufgrund der geltenden Besitzstandsregelung gelte der Anspruch auch über dieses Datum hinaus fort. Ein früherer formeller Antrag sei nicht gestellt worden, da es die LVA verpasst habe, ihm im Rahmen des Rentenverfahrens das entsprechende Formular zugänglich zu machen. Er habe davon ausgehen müssen, dass die ihm übersandten Formulare vollständig sind. Mit Bescheid vom 28.08.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger unterliege als Bezieher einer Rente aus schweizerischer Rentenversicherung der obligatorischen Krankenversicherungspflicht nach schweizerischem Recht. Damit sei ein Anspruch auf Zuschuss zu den Aufwendungen ausgeschlossen. Den hiergegen am 05.10.2009 eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2010 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach dem ab dem 01.05.2007 geltenden Recht, sei kein Zuschuss zu gewähren, da die schweizerische Krankenversicherung des Klägers als Pflichtversicherung zu werten sei. Auch im Zeitpunkt des Rentenbeginns habe keine Möglichkeit zur Zahlung eines Beitragszuschusses bestanden, da nach dem damals gültigen deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommen die Zahlung eines Beitragszuschusses ausgeschlossen gewesen sei, wenn der Rentner in der Schweiz dem Krankenversicherungs-Obligatorium unterliegt. Ab Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens am 01.06.2002 hätte grundsätzlich hinsichtlich der Zusatzversicherungen die Möglichkeit zur Zahlung eines Beitragszuschusses bestanden. Es habe jedoch keine Veranlassung bestanden, den Kläger zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens hinsichtlich seiner Rechte zu beraten oder entsprechende Antragsformulare zu versenden. Die LVA habe in einer Pressemitteilung vom 29.05.2002 über das Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens informiert. Auch in den Medien sei nachhaltig berichtet worden.
Mit Rentenbescheid vom 10.02.2010 stellte die Beklagte die Regelaltersrente nach Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Freizügigkeitsabkommens am 01.06.2002 neu fest. Bereits zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides über die Regelaltersrente am 31.01.2001 sei bekannt gewesen, dass das Gemeinschaftsrecht im Verhältnis zur Schweiz eingeführt werde. Ein entsprechender Hinweis auf die zu gegebener Zeit erforderliche Antragstellung sei versehentlich unterblieben. Die neu festgestellte Rente in Höhe von 46,31 EUR monatlich werde rückwirkend ab dem 01.01.2005 gezahlt.
Am 28.04.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, es bestehe für die Zeit vom 01.06.2002 bis 30.04.2007 ein Rechtsanspruch auf Zahlung des Beitragszuschusses. Dies räume die Beklagte selbst ein. Aufgrund der Besitzstandsregelung in § 315 Abs 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sei laut einer internen Mitteilung der Beklagten der Beitragszuschuss auch über den 01.05.2007 hinaus zu zahlen. Die Beklagte nehme zu Unrecht an, ihre Aufklärungspflichten nicht verletzt zu haben. Der Widerspruchsausschuss habe zudem wörtlich einen Entwurf der DRV Bund übernommen und damit die Einlassungen des Klägers völlig ignoriert. Im Übrigen habe die Beklagte die rückwirkende Anwendung des Freizügigkeitsabkommens im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs anerkannt. Dies müsse auch in Bezug auf den Beitragszuschuss gelten.
Mit Urteil vom 25.07.2011 hat das SG den Bescheid vom 28.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 01.01.2005 einen Zuschuss zu dessen Aufwendungen für die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kosten seiner obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu zahlen und die jeweiligen monatlichen Zahlungsansprüche beginnend ab 01.03.2005 mit vier vom Hundert zu verzinsen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers hat das SG der Beklagten zu 2/3 auferlegt.
In den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, aufgrund des Freizügigkeitsabkommens stehe dem Beitragszuschuss nicht entgegen, dass der Kläger bei einem schweizerischen Krankenversicherungsunternehmen, das der dortigen Aufsicht unterliege, versichert sei. Dabei sei es unerheblich, ob die Versicherung obligatorisch oder freiwillig zustande gekommen sei. Das Tatbestandsmerkmal der Freiwilligkeit in § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI beziehe sich nur auf eine freiwillige Mitgliedschaft in einer (inländischen) gesetzlichen Krankenversicherung, nicht auf den Fall einer Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen. Dem Anspruch des Klägers stehe auch nicht die Ausschlussregelung des § 106 Abs 1 Satz 2 SGB VI entgegen. Die bis 30.04.2007 geltenden Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Unabhängig vom Eingreifen der Besitzstandsregelung des § 315 Abs 4 SGB VI habe daran auch die Gesetzesänderung zum 01.05.2007 nichts geändert. Denn die obligatorische Pflichtversicherung nach dem schweizerischen Recht stelle keine "gleichzeitige Pflichtversicherung in einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung" dar. Es fehle bereits am Kriterium der Gleichzeitigkeit, welches das Bestehen von zwei Versicherungsverhältnissen voraussetze. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Sinn und Zweck der Regelung, nämlich Doppelleistungen zu vermeiden, bestätige dieses Ergebnis. Im Übrigen stelle die obligatorische Krankenpflegeversicherung keine Pflichtversicherung dar. Die in der Schweiz geltende Rechtslage gleiche vielmehr dem seit dem 01.01.2009 in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht. Die Schweizer seien lediglich verpflichtet, eine Krankenversicherung mit einem bestimmten Basisschutz zu unterhalten. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung trete nicht kraft Gesetzes automatisch ein. Nur Letzteres könne als Pflichtversicherung gelten. Der Beitragszuschuss sei rückwirkend zu zahlen, da die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erfüllt seien. Die Beklagte hätte den Kläger auf die geänderte Rechtslage zum 01.06.2002 hinweisen müssen. Selbst nach der Auffassung der Beklagten habe jedenfalls ein Anspruch auf einen Beitragszuschuss zu den Zusatzversicherungen bestanden. Sie habe es gleichwohl unterlassen, den Kläger hierauf hinzuweisen. Es habe ein hinreichender Anlass zur Spontanberatung bestanden. Dies habe die Beklagte im Rahmen der Rentenberechnung selbst eingeräumt. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger im Rentenantragsformular einen Antrag auf Beitragszuschuss ausdrücklich verneint habe. Zu diesem Zeitpunkt habe nach Auffassung der Beklagten kein Anspruch bestanden. Die Beklagte habe nicht davon ausgehen können, dass der Kläger über die Gesetzesänderungen informiert gewesen sei und insoweit bewusst auch in der Zukunft auf einen Beitragszuschuss verzichten wolle. Durch die Veröffentlichung einer Pressemitteilung habe die Beklagte ihren Beratungs- bzw Hinweispflichten nicht genügt. Der Kläger habe rückwirkend jedoch nur für die Dauer von vier Jahren Anspruch auf einen Beitragszuschuss, da für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch § 44 Abs 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) entsprechend gelte.
Gegen das Urteil hat die Beklagte am 23.08.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung handele es sich um eine Pflichtversicherung. Dies werde auch in der Literatur zur Reform der schweizerischen Krankenversicherung vertreten. Die Pflichtversicherung nach dem schweizerischen Krankenversicherungsgesetz (KVG) werde in der Regel als Grund-/Basisversicherung bezeichnet. Diese könne durch eine Zusatzversicherung ergänzt werden, die dem privatrechtlichen Bereich zuzuordnen sei. Eine dem deutschen Recht vergleichbare Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung bestünde nicht. Obwohl die Krankenversicherung zum Teil durch private Krankenversicherungsunternehmen durchgeführt werde und durch Vertrag geregelt sei, handele es sich um gesetzliche Pflichtkrankenversicherungen. Das KVG gewähre den Versicherern im Prinzip finanzielle Autonomie. Für die obligatorische Versicherung werde ihnen aber ein Ausgabenumlageverfahren und das Verbot von Gewinnausschüttungen vorgeschrieben. Grundlage der obligatorischen Krankenpflegeversicherung seien Gesetz und Verordnung, für die Zusatzversicherungen nach dem Versicherungsvertragsgesetz ein Vertrag. Außerdem finde ein Risikoausgleich zwischen den Krankenversicherern statt. Das Wahlrecht der Versicherungspflichtigen unter den Unternehmen sei dem Wahlrecht in der deutschen Krankenversicherung vergleichbar. Zudem sei die Versicherungspflicht in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht mit der seit dem 01.01.2009 gültigen Rechtslage in Deutschland vergleichbar. Die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung gelte in Deutschland weiterhin. Eine solche Trennung existiere in der Schweiz nicht. Eine automatische Einbeziehung in die Pflichtversicherung bestehe nach schweizerischem Recht nicht. Auch im Fall einer öffentlich-rechtlichen Krankenkasse bestünde lediglich eine Pflicht zum Abschluss eines Krankenversicherungsschutzes. Die somit bestehende Pflichtversicherung schließe die Gewährung eines Beitragszuschusses aus. In einem solchen Fall komme eine Beitragsbeteiligung nur über § 249a SGB V in Betracht, wenn die Beiträge aus der deutschen Rente erhoben werden. Da vorliegend jedoch eine Kopfprämie erhoben werde, seien auch diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Schließlich überzeuge auch nicht das Argument des SG, der Wortlaut in § 106 SGB VI ("gleichzeitig") setze zwei Versicherungsverhältnisse voraus. Diese Formulierung schließe lediglich einen Zuschuss zu einer privaten Zusatzversicherung aus. Ungeachtet dessen, habe der Kläger mit der "G. M." zwei Versicherungsverhältnisse abgeschlossen und dies sogar bei zwei unterschiedlichen Gesellschaften.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.07.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung wiederholt der Kläger im Wesentlichen seine Argumente aus dem Vor- und Klageverfahren. Ergänzend hat er darauf hingewiesen, dass seine Rechtsauffassung mittlerweile durch mehrere (im Einzelnen bezeichnete) Urteile der Sozialgerichtsbarkeit gestützt werde. Zudem habe es die Beklagte versäumt, zu dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch des Klägers auszuführen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 28.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat ab dem 01.01.2005 Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kosten seiner obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei der "G. M.".
Nach § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI in der ab dem 01.01.2002 gültigen Fassung erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Seit dem 01.05.2007 (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007, BGBl I 554) ist in Satz 2 der Norm geregelt, dass dies nicht gilt, wenn die Rentenbezieher gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind.
Der Kläger ist Rentenbezieher. Er bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Unerheblich ist, ob die Rente zu Recht und in welcher Höhe die Rente bezogen wird (Böttiger in juris-PK, § 106 RdNr 48, 51 mwN).
Der Kläger ist zwar nicht freiwillig in der (deutschen) gesetzlichen Krankenversicherung und auch nicht "bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt" versichert. Seine schweizerische Krankenversicherung ist letzterer Alternative des § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI jedoch gleichzustellen.
Dies folgt aus zwischenstaatlichem Recht, das nach § 30 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) die Anwendung deutschen Sozialrechts auch ohne inländischen Wohnsitz ermöglicht. In Art 8 iVm Anhang II Art 1 iVm Abschnitt A Ziff 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen) vom 21.06.1999 (in Kraft getreten am 01.06.2002) wird zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit auf die Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 Bezug genommen. Nach Art 10 dieser Verordnung dürfen Geldleistungen bei Alter nicht gekürzt, geändert oder entzogen werden, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates als des Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.
Zu diesen Geldleistungen bei Alter im Sinne des Art 10 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 gehört nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auch ein im Recht des Mitgliedstaates vorgesehener Zuschuss zu den Kosten der Krankenversicherung, der von den Rentenversicherungsträgern gewährt wird und auf eine Erhöhung des Rentenbetrages hinausläuft (Urteil vom 06.07.2000, C-73/99, SozR 3-6050 Art 10 Nr 6). Der EuGH hat in dieser Entscheidung, in der es um einen Zuschuss zu einer niederländischen Pflichtversicherung ging, ausdrücklich ausgeführt, dass ein im Recht eines Mitgliedstaates vorgesehener Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung – wie § 106 SGB VI und § 249a SGB V – eine Geldleistung bei Alter im Sinne der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 ist, auf die der Bezieher einer nach dem Recht eines Staates zu zahlenden Rente auch dann Anspruch hat, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat wohnt und dort der Krankenversicherungspflicht unterliegt. Dies gilt über das Freizügigkeitsabkommen auch für die Schweiz (ebenso: LSG Baden-Württemberg 14.04.2011, L 10 R 5221/07, juris; LSG Berlin-Brandenburg 09.06.2010, L 4 R 583/06, juris).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EuGH ist § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI in seiner zweiten Alternative ("bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt") dahingehend europarechtskonform auszulegen, dass hierunter auch Krankenversicherungsunternehmen, die der Aufsicht eines anderen EU-Mitgliedsstaates oder der Schweiz unterliegen, fallen, wenn zur Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge die deutsche Rente nicht herangezogen wird. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine Pflichtkrankenversicherung, für die auch nach Ansicht des Senats kein Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses nach § 106 SGB VI besteht, bei einer ausländischen Krankenversicherung im Geltungsbereich der Verordnungen (EWG) Nr 1408/71 bzw (EG) Nr 883/2007 nur vorliegt, wenn der Abschluss der Krankenversicherung gesetzlich vorgeschrieben ist und die Beiträge zu dieser Versicherung kraft Gesetzes auch aus der deutschen Rente erhoben werden. Damit wird sichergestellt, dass der Versicherte vom deutschen Rentenversicherungsträger einen Beitragszuschuss zur ausländischen Krankenversicherung entweder über § 249a SGB V (analog) oder nach § 106 SGB VI erhält.
Dieses Verständnis des § 106 SGB VI trägt dem Umstand Rechnung, dass die Organisation der Krankenversicherung der anderen EU-Mitgliedsstaaten bzw der Schweiz mit dem inländischen System nicht ohne Weiteres vergleichbar ist. Dies zeigt sich am Fall der schweizerischen Krankenversicherung, die eine Unterscheidung zwischen gesetzlicher und privater Versicherung wie es das deutsche Recht vorsieht nicht kennt. Die Feststellung, ob ein Versicherter dort dem deutschen Recht entsprechend "freiwillig gesetzlich", "pflichtversichert" oder "privat versichert" ist, ist ohne identische Systeme nicht zuverlässig zu treffen. Die nach deutschem Recht vorgesehene Unterscheidung zwischen Pflichtversicherung und freiwilliger bzw privater Versicherung hat zur Folge, dass entweder an den Versicherten ein Zuschuss ausgezahlt wird (§ 106 SGB VI) oder ein Teil der aus der Rente zu zahlenden gesetzlichen Beiträge übernommen wird (§ 249a SGB V). Wenn aber Letzteres – wie vorliegend – aufgrund der ausländischen Regelungen zur Finanzierung der Krankenversicherung nicht umsetzbar ist, weil keine einkommensabhängigen Beiträge, sondern Kopfpauschalen zu entrichten sind, kann dies nicht dazu führen, dass dem Bezieher einer deutschen Rente aufgrund seines Wohnsitzes in einem anderen EU-Mitgliedsstaats bzw der Schweiz der Zuschuss zu den Kosten der Krankenversicherung als Teil seines Rentenanspruchs verwehrt bleibt. Dies würde gegen den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, auf dem die genannten EG-Verordnungen beruhen, verstoßen. Sind demnach die Voraussetzungen des § 249a SGB V – wie vorliegend – nicht erfüllt und entstehen dem Bezieher einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung für seinen Krankenversicherungsschutz in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bzw der Schweiz Kosten, dann hat sich die Beklagte über eine entsprechende Anwendung des § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI an diesen Kosten zu beteiligen.
Dem Anspruch des Klägers auf einen Zuschuss zu seinen Aufwendungen zur Krankenversicherung steht Satz 2 des § 106 Abs 1 SGB VI in der ab 01.05.2007 gültigen Fassung nicht entgegen. Auf die Anwendbarkeit des Übergangsrechts nach § 315 Abs 4 SGB VI kommt es daher nicht an. Schon der Wortlaut der Ausschlussregelung in § 106 Abs 1 Satz 2 SGB VI ("wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind") rechtfertigt die Auffassung der Beklagten nicht. Denn aus dem Wort "gleichzeitig" folgt, dass zeitgleich mit dem Versicherungsverhältnis, für das ein Zuschuss begehrt wird, ein Pflichtversicherungsverhältnis in einer (in- oder ausländischen) gesetzlichen Krankenversicherung bestehen muss (LSG Baden-Württemberg 14.04.2011, L 10 R 5221/07, juris). Das bedeutet, dass der Ausschluss nur dann greift, wenn neben einer bestehenden Pflichtversicherung ein Zuschuss zu einer weiteren privaten Zusatzkrankenversicherung begehrt wird. Anlass für die Gesetzesänderung zum 01.05.2007 war die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 30.06.1983, 11 RAz 1/82 in SozR 2200 § 1304e Nr 15; BSG 02.08.1989, 1 RA 33/88 in SozR 2200 § 1304e Nr 21; BSG 20.03.1980, 11 RJz 7/79 in SozR 2200 § 1304e Nr 5), wonach eine ausländische gesetzliche Krankenversicherung nur dann eine den Beitragszuschuss zur privaten Zusatzversicherung ausschließende Pflichtkrankenversicherung darstellt, wenn deren Leistungen im Wesentlichen denen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gleichen (BT-Drucks 16/3794, S 37 f). Aufgrund des mit der Prüfung der Vergleichbarkeit der Krankenversicherungssysteme verbundenen Verwaltungsaufwands und der damit einhergehenden Rechtsstreitigkeiten gewährte die Deutsche Rentenversicherung in der Vergangenheit Beitragszuschüsse zu ergänzenden privaten Versicherungen. Der Gesetzgeber sah darin eine Ungleichbehandlung zu im Ausland lebenden, aber in der deutschen Pflichtkrankenversicherung versicherten Rentnern. Aus Gründen der Gleichbehandlung und der Verwaltungspraktikabilität regelte der Gesetzgeber deshalb, dass auch eine ausländische Pflichtkrankenversicherung die Zahlung eines Zuschusses zu einer privaten Versicherung ausschließt (BT-Drucks 16/3794, S 37 f). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger begehrt keinen Zuschuss zu seinen Aufwendungen für eine private Zusatzkrankenversicherung, sondern für seinen originären Krankenversicherungsschutz in der Schweiz. Die Ausschlussregelung des § 106 Abs 1 Satz 2 SGB VI findet daher keine Anwendung.
Schließlich hat der Kläger den Zuschuss auch beantragt (§ 19 Satz 1 SGB IV). Er ist dabei so zu stellen, als habe er den Antrag auf Gewährung eines Zuschusses ab Beginn der Rechtsänderung zum 01.06.2002 (Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens) rechtzeitig gestellt.
Grundsätzlich wird der Zuschuss gemäß § 108 iVm § 99 Abs 1 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn der Zuschuss bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, beantragt wird. Bei späterer Antragstellung wird erst von dem Kalendermonat an geleistet, in dem der Zuschuss beantragt wird. Aufgrund des erst am 17.08.2009 gestellten Antrags wäre der Zuschuss danach erst ab dem 01.09.2009 zu gewähren. Vorliegend ist der Kläger in Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jedoch so zu stellen, als habe er rechtzeitig den Zuschuss beantragt.
Der richterrechtlich aus den sozialen Rechten entwickelte, verschuldensunabhängige sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 15 und 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch ( SGB I )) verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zugefügt hat sowie ferner, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl BSG 11.03.2004, B 13 RJ 16/03 R, BSGE 92, 241). Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist (vgl BSG 12.10.1979, 12 RK 47/77, juris). Voraussetzung ist damit neben der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen bzw unrichtigen Beratung, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Handlung, ausgeglichen werden kann (BSG 11.03.2004, B 13 RJ 16/03 R, BSGE 92, 241).
Die genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Beratung verletzt, wodurch dem Kläger ein Nachteil entstanden ist. Aufgrund des mit dem Antrag des Klägers vom 10.02.2000 eingeleiteten Rentenverfahrens bestand ein konkreter Anlass zur Beratung nach § 14 SGB I (allg zur Betreuungspflicht des Versicherungsträgers bei laufendem Rentenverfahren: BSG 25.04.1978, 5 RJ 18/77, BSGE 46, 124; BSG 22.11.1988, 5/4a RJ 79/87, SozR 5750 Art 2 § 6 Nr 4; BSG 17.08.2000, B 13 RJ 87/98 R, juris). Die Sozialleistungsträger haben nach § 2 SGB I im Rahmen eines laufenden Verwaltungsverfahrens sicherzustellen, dass die sozialen Rechte des Versicherten möglichst weitgehend gewahrt werden. Für die Träger der Rentenversicherung gilt darüber hinaus, dass sie die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen sollen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen (§ 115 Abs 6 SGB VI). Im Zeitpunkt der Erteilung des Rentenbescheides am 31.01.2001 war zwar das Freizügigkeitsabkommen vom 21.06.1999 noch nicht in Kraft getreten. Wie die Beklagte aber selbst einräumt, war es bereits bekannt, dass das Gemeinschaftsrecht im Verhältnis zur Schweiz eingeführt wird. Die Beklagte hätte daher darauf hinweisen müssen, dass der Kläger zu gegebener Zeit einen Antrag stellen muss. Durch die Veröffentlichung einer Pressemitteilung hat die Beklagte ihren Beratungs- bzw Hinweispflichten nicht genügt. Im Zusammenhang mit der Rentenhöhe hat dies die Beklagte ausdrücklich anerkannt. Entsprechendes muss in Bezug auf die Zusatzleistungen gelten.
Die Begrenzung der rückwirkenden Gewährung des Zuschusses auf vier Jahre (vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Antrag gestellt wurde) folgt aus dem in § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X enthaltenen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach die nachträgliche Erfüllung von Ansprüchen auf Sozialleistungen auf vier Jahre beschränkt ist (vgl BSG 27.03.2007, B 13 R 58/06 R, SozR 4-1300 § 44 Nr 9).
Der Zinsanspruch resultiert aus § 44 Abs 1 SGB I. Aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist der Kläger so zu stellen, als habe er rechtzeitig einen Antrag auf Gewährung eines Zuschusses ab Beginn der Rechtsänderung zum 01.06.2002 (Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens) gestellt. Damit steht § 44 Abs 2 SGB I, wonach die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger beginnt, einer Verzinsung wie vom SG tenoriert (ab dem 01.03.2005) nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der streitigen Rechtsfragen zugelassen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung des Klägers.
Der am 06.12.1935 geborene Kläger war von 1951 bis 1954 in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Seit 1974 ist er schweizerischer Staatsangehöriger. Er lebt in der Schweiz und bezieht eine Altersrente nach schweizerischem Recht. Am 10.02.2000 beantragte er bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden-Württemberg, Rechtvorgängerin der Beklagten, die Gewährung einer Regelaltersrente. Mit Rentenbescheid vom 31.01.2001 bewilligte die LVA eine monatliche Altersrente in Höhe von 67,86 DM ab dem 01.01.2001. Die Voraussetzungen der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) erfüllt der Kläger nicht.
Seit 1999 ist der Kläger bei dem schweizerischen Krankenversicherungsunternehmen "G. M.", das der schweizerischen Aufsicht unterliegt, auf der Basis einer "obligatorischen Krankenpflegeversicherung" in Bezug auf ambulante Arztbehandlungen, stationäre Krankenhausbehandlungen, Arzneimittel, Heilmittel und zahnärztliche Behandlungen sowie Zahnersatz versichert. Daneben besteht bei demselben Unternehmen eine freiwillige Zusatzversicherung in Bezug auf weitere Risiken im Krankheitsfall.
Am 17.08.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines Zuschusses zu seiner Krankenversicherung ab Beginn seiner Altersrente nebst gesetzlicher Verzinsung. Zur Begründung gab der Kläger an, jedenfalls vor der Gesetzesänderung zum 01.05.2007 habe ein Anspruch auf Zuschuss zu seiner schweizerischen Krankenversicherung bestanden. Aufgrund der geltenden Besitzstandsregelung gelte der Anspruch auch über dieses Datum hinaus fort. Ein früherer formeller Antrag sei nicht gestellt worden, da es die LVA verpasst habe, ihm im Rahmen des Rentenverfahrens das entsprechende Formular zugänglich zu machen. Er habe davon ausgehen müssen, dass die ihm übersandten Formulare vollständig sind. Mit Bescheid vom 28.08.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger unterliege als Bezieher einer Rente aus schweizerischer Rentenversicherung der obligatorischen Krankenversicherungspflicht nach schweizerischem Recht. Damit sei ein Anspruch auf Zuschuss zu den Aufwendungen ausgeschlossen. Den hiergegen am 05.10.2009 eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2010 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach dem ab dem 01.05.2007 geltenden Recht, sei kein Zuschuss zu gewähren, da die schweizerische Krankenversicherung des Klägers als Pflichtversicherung zu werten sei. Auch im Zeitpunkt des Rentenbeginns habe keine Möglichkeit zur Zahlung eines Beitragszuschusses bestanden, da nach dem damals gültigen deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommen die Zahlung eines Beitragszuschusses ausgeschlossen gewesen sei, wenn der Rentner in der Schweiz dem Krankenversicherungs-Obligatorium unterliegt. Ab Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens am 01.06.2002 hätte grundsätzlich hinsichtlich der Zusatzversicherungen die Möglichkeit zur Zahlung eines Beitragszuschusses bestanden. Es habe jedoch keine Veranlassung bestanden, den Kläger zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens hinsichtlich seiner Rechte zu beraten oder entsprechende Antragsformulare zu versenden. Die LVA habe in einer Pressemitteilung vom 29.05.2002 über das Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens informiert. Auch in den Medien sei nachhaltig berichtet worden.
Mit Rentenbescheid vom 10.02.2010 stellte die Beklagte die Regelaltersrente nach Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Freizügigkeitsabkommens am 01.06.2002 neu fest. Bereits zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides über die Regelaltersrente am 31.01.2001 sei bekannt gewesen, dass das Gemeinschaftsrecht im Verhältnis zur Schweiz eingeführt werde. Ein entsprechender Hinweis auf die zu gegebener Zeit erforderliche Antragstellung sei versehentlich unterblieben. Die neu festgestellte Rente in Höhe von 46,31 EUR monatlich werde rückwirkend ab dem 01.01.2005 gezahlt.
Am 28.04.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, es bestehe für die Zeit vom 01.06.2002 bis 30.04.2007 ein Rechtsanspruch auf Zahlung des Beitragszuschusses. Dies räume die Beklagte selbst ein. Aufgrund der Besitzstandsregelung in § 315 Abs 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sei laut einer internen Mitteilung der Beklagten der Beitragszuschuss auch über den 01.05.2007 hinaus zu zahlen. Die Beklagte nehme zu Unrecht an, ihre Aufklärungspflichten nicht verletzt zu haben. Der Widerspruchsausschuss habe zudem wörtlich einen Entwurf der DRV Bund übernommen und damit die Einlassungen des Klägers völlig ignoriert. Im Übrigen habe die Beklagte die rückwirkende Anwendung des Freizügigkeitsabkommens im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs anerkannt. Dies müsse auch in Bezug auf den Beitragszuschuss gelten.
Mit Urteil vom 25.07.2011 hat das SG den Bescheid vom 28.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 01.01.2005 einen Zuschuss zu dessen Aufwendungen für die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kosten seiner obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu zahlen und die jeweiligen monatlichen Zahlungsansprüche beginnend ab 01.03.2005 mit vier vom Hundert zu verzinsen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers hat das SG der Beklagten zu 2/3 auferlegt.
In den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, aufgrund des Freizügigkeitsabkommens stehe dem Beitragszuschuss nicht entgegen, dass der Kläger bei einem schweizerischen Krankenversicherungsunternehmen, das der dortigen Aufsicht unterliege, versichert sei. Dabei sei es unerheblich, ob die Versicherung obligatorisch oder freiwillig zustande gekommen sei. Das Tatbestandsmerkmal der Freiwilligkeit in § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI beziehe sich nur auf eine freiwillige Mitgliedschaft in einer (inländischen) gesetzlichen Krankenversicherung, nicht auf den Fall einer Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen. Dem Anspruch des Klägers stehe auch nicht die Ausschlussregelung des § 106 Abs 1 Satz 2 SGB VI entgegen. Die bis 30.04.2007 geltenden Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Unabhängig vom Eingreifen der Besitzstandsregelung des § 315 Abs 4 SGB VI habe daran auch die Gesetzesänderung zum 01.05.2007 nichts geändert. Denn die obligatorische Pflichtversicherung nach dem schweizerischen Recht stelle keine "gleichzeitige Pflichtversicherung in einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung" dar. Es fehle bereits am Kriterium der Gleichzeitigkeit, welches das Bestehen von zwei Versicherungsverhältnissen voraussetze. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Sinn und Zweck der Regelung, nämlich Doppelleistungen zu vermeiden, bestätige dieses Ergebnis. Im Übrigen stelle die obligatorische Krankenpflegeversicherung keine Pflichtversicherung dar. Die in der Schweiz geltende Rechtslage gleiche vielmehr dem seit dem 01.01.2009 in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht. Die Schweizer seien lediglich verpflichtet, eine Krankenversicherung mit einem bestimmten Basisschutz zu unterhalten. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung trete nicht kraft Gesetzes automatisch ein. Nur Letzteres könne als Pflichtversicherung gelten. Der Beitragszuschuss sei rückwirkend zu zahlen, da die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erfüllt seien. Die Beklagte hätte den Kläger auf die geänderte Rechtslage zum 01.06.2002 hinweisen müssen. Selbst nach der Auffassung der Beklagten habe jedenfalls ein Anspruch auf einen Beitragszuschuss zu den Zusatzversicherungen bestanden. Sie habe es gleichwohl unterlassen, den Kläger hierauf hinzuweisen. Es habe ein hinreichender Anlass zur Spontanberatung bestanden. Dies habe die Beklagte im Rahmen der Rentenberechnung selbst eingeräumt. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger im Rentenantragsformular einen Antrag auf Beitragszuschuss ausdrücklich verneint habe. Zu diesem Zeitpunkt habe nach Auffassung der Beklagten kein Anspruch bestanden. Die Beklagte habe nicht davon ausgehen können, dass der Kläger über die Gesetzesänderungen informiert gewesen sei und insoweit bewusst auch in der Zukunft auf einen Beitragszuschuss verzichten wolle. Durch die Veröffentlichung einer Pressemitteilung habe die Beklagte ihren Beratungs- bzw Hinweispflichten nicht genügt. Der Kläger habe rückwirkend jedoch nur für die Dauer von vier Jahren Anspruch auf einen Beitragszuschuss, da für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch § 44 Abs 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) entsprechend gelte.
Gegen das Urteil hat die Beklagte am 23.08.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung handele es sich um eine Pflichtversicherung. Dies werde auch in der Literatur zur Reform der schweizerischen Krankenversicherung vertreten. Die Pflichtversicherung nach dem schweizerischen Krankenversicherungsgesetz (KVG) werde in der Regel als Grund-/Basisversicherung bezeichnet. Diese könne durch eine Zusatzversicherung ergänzt werden, die dem privatrechtlichen Bereich zuzuordnen sei. Eine dem deutschen Recht vergleichbare Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung bestünde nicht. Obwohl die Krankenversicherung zum Teil durch private Krankenversicherungsunternehmen durchgeführt werde und durch Vertrag geregelt sei, handele es sich um gesetzliche Pflichtkrankenversicherungen. Das KVG gewähre den Versicherern im Prinzip finanzielle Autonomie. Für die obligatorische Versicherung werde ihnen aber ein Ausgabenumlageverfahren und das Verbot von Gewinnausschüttungen vorgeschrieben. Grundlage der obligatorischen Krankenpflegeversicherung seien Gesetz und Verordnung, für die Zusatzversicherungen nach dem Versicherungsvertragsgesetz ein Vertrag. Außerdem finde ein Risikoausgleich zwischen den Krankenversicherern statt. Das Wahlrecht der Versicherungspflichtigen unter den Unternehmen sei dem Wahlrecht in der deutschen Krankenversicherung vergleichbar. Zudem sei die Versicherungspflicht in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht mit der seit dem 01.01.2009 gültigen Rechtslage in Deutschland vergleichbar. Die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung gelte in Deutschland weiterhin. Eine solche Trennung existiere in der Schweiz nicht. Eine automatische Einbeziehung in die Pflichtversicherung bestehe nach schweizerischem Recht nicht. Auch im Fall einer öffentlich-rechtlichen Krankenkasse bestünde lediglich eine Pflicht zum Abschluss eines Krankenversicherungsschutzes. Die somit bestehende Pflichtversicherung schließe die Gewährung eines Beitragszuschusses aus. In einem solchen Fall komme eine Beitragsbeteiligung nur über § 249a SGB V in Betracht, wenn die Beiträge aus der deutschen Rente erhoben werden. Da vorliegend jedoch eine Kopfprämie erhoben werde, seien auch diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Schließlich überzeuge auch nicht das Argument des SG, der Wortlaut in § 106 SGB VI ("gleichzeitig") setze zwei Versicherungsverhältnisse voraus. Diese Formulierung schließe lediglich einen Zuschuss zu einer privaten Zusatzversicherung aus. Ungeachtet dessen, habe der Kläger mit der "G. M." zwei Versicherungsverhältnisse abgeschlossen und dies sogar bei zwei unterschiedlichen Gesellschaften.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.07.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung wiederholt der Kläger im Wesentlichen seine Argumente aus dem Vor- und Klageverfahren. Ergänzend hat er darauf hingewiesen, dass seine Rechtsauffassung mittlerweile durch mehrere (im Einzelnen bezeichnete) Urteile der Sozialgerichtsbarkeit gestützt werde. Zudem habe es die Beklagte versäumt, zu dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch des Klägers auszuführen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 28.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat ab dem 01.01.2005 Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kosten seiner obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei der "G. M.".
Nach § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI in der ab dem 01.01.2002 gültigen Fassung erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Seit dem 01.05.2007 (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007, BGBl I 554) ist in Satz 2 der Norm geregelt, dass dies nicht gilt, wenn die Rentenbezieher gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind.
Der Kläger ist Rentenbezieher. Er bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Unerheblich ist, ob die Rente zu Recht und in welcher Höhe die Rente bezogen wird (Böttiger in juris-PK, § 106 RdNr 48, 51 mwN).
Der Kläger ist zwar nicht freiwillig in der (deutschen) gesetzlichen Krankenversicherung und auch nicht "bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt" versichert. Seine schweizerische Krankenversicherung ist letzterer Alternative des § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI jedoch gleichzustellen.
Dies folgt aus zwischenstaatlichem Recht, das nach § 30 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) die Anwendung deutschen Sozialrechts auch ohne inländischen Wohnsitz ermöglicht. In Art 8 iVm Anhang II Art 1 iVm Abschnitt A Ziff 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen) vom 21.06.1999 (in Kraft getreten am 01.06.2002) wird zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit auf die Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 Bezug genommen. Nach Art 10 dieser Verordnung dürfen Geldleistungen bei Alter nicht gekürzt, geändert oder entzogen werden, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates als des Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.
Zu diesen Geldleistungen bei Alter im Sinne des Art 10 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 gehört nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auch ein im Recht des Mitgliedstaates vorgesehener Zuschuss zu den Kosten der Krankenversicherung, der von den Rentenversicherungsträgern gewährt wird und auf eine Erhöhung des Rentenbetrages hinausläuft (Urteil vom 06.07.2000, C-73/99, SozR 3-6050 Art 10 Nr 6). Der EuGH hat in dieser Entscheidung, in der es um einen Zuschuss zu einer niederländischen Pflichtversicherung ging, ausdrücklich ausgeführt, dass ein im Recht eines Mitgliedstaates vorgesehener Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung – wie § 106 SGB VI und § 249a SGB V – eine Geldleistung bei Alter im Sinne der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 ist, auf die der Bezieher einer nach dem Recht eines Staates zu zahlenden Rente auch dann Anspruch hat, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat wohnt und dort der Krankenversicherungspflicht unterliegt. Dies gilt über das Freizügigkeitsabkommen auch für die Schweiz (ebenso: LSG Baden-Württemberg 14.04.2011, L 10 R 5221/07, juris; LSG Berlin-Brandenburg 09.06.2010, L 4 R 583/06, juris).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EuGH ist § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI in seiner zweiten Alternative ("bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt") dahingehend europarechtskonform auszulegen, dass hierunter auch Krankenversicherungsunternehmen, die der Aufsicht eines anderen EU-Mitgliedsstaates oder der Schweiz unterliegen, fallen, wenn zur Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge die deutsche Rente nicht herangezogen wird. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine Pflichtkrankenversicherung, für die auch nach Ansicht des Senats kein Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses nach § 106 SGB VI besteht, bei einer ausländischen Krankenversicherung im Geltungsbereich der Verordnungen (EWG) Nr 1408/71 bzw (EG) Nr 883/2007 nur vorliegt, wenn der Abschluss der Krankenversicherung gesetzlich vorgeschrieben ist und die Beiträge zu dieser Versicherung kraft Gesetzes auch aus der deutschen Rente erhoben werden. Damit wird sichergestellt, dass der Versicherte vom deutschen Rentenversicherungsträger einen Beitragszuschuss zur ausländischen Krankenversicherung entweder über § 249a SGB V (analog) oder nach § 106 SGB VI erhält.
Dieses Verständnis des § 106 SGB VI trägt dem Umstand Rechnung, dass die Organisation der Krankenversicherung der anderen EU-Mitgliedsstaaten bzw der Schweiz mit dem inländischen System nicht ohne Weiteres vergleichbar ist. Dies zeigt sich am Fall der schweizerischen Krankenversicherung, die eine Unterscheidung zwischen gesetzlicher und privater Versicherung wie es das deutsche Recht vorsieht nicht kennt. Die Feststellung, ob ein Versicherter dort dem deutschen Recht entsprechend "freiwillig gesetzlich", "pflichtversichert" oder "privat versichert" ist, ist ohne identische Systeme nicht zuverlässig zu treffen. Die nach deutschem Recht vorgesehene Unterscheidung zwischen Pflichtversicherung und freiwilliger bzw privater Versicherung hat zur Folge, dass entweder an den Versicherten ein Zuschuss ausgezahlt wird (§ 106 SGB VI) oder ein Teil der aus der Rente zu zahlenden gesetzlichen Beiträge übernommen wird (§ 249a SGB V). Wenn aber Letzteres – wie vorliegend – aufgrund der ausländischen Regelungen zur Finanzierung der Krankenversicherung nicht umsetzbar ist, weil keine einkommensabhängigen Beiträge, sondern Kopfpauschalen zu entrichten sind, kann dies nicht dazu führen, dass dem Bezieher einer deutschen Rente aufgrund seines Wohnsitzes in einem anderen EU-Mitgliedsstaats bzw der Schweiz der Zuschuss zu den Kosten der Krankenversicherung als Teil seines Rentenanspruchs verwehrt bleibt. Dies würde gegen den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, auf dem die genannten EG-Verordnungen beruhen, verstoßen. Sind demnach die Voraussetzungen des § 249a SGB V – wie vorliegend – nicht erfüllt und entstehen dem Bezieher einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung für seinen Krankenversicherungsschutz in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bzw der Schweiz Kosten, dann hat sich die Beklagte über eine entsprechende Anwendung des § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI an diesen Kosten zu beteiligen.
Dem Anspruch des Klägers auf einen Zuschuss zu seinen Aufwendungen zur Krankenversicherung steht Satz 2 des § 106 Abs 1 SGB VI in der ab 01.05.2007 gültigen Fassung nicht entgegen. Auf die Anwendbarkeit des Übergangsrechts nach § 315 Abs 4 SGB VI kommt es daher nicht an. Schon der Wortlaut der Ausschlussregelung in § 106 Abs 1 Satz 2 SGB VI ("wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind") rechtfertigt die Auffassung der Beklagten nicht. Denn aus dem Wort "gleichzeitig" folgt, dass zeitgleich mit dem Versicherungsverhältnis, für das ein Zuschuss begehrt wird, ein Pflichtversicherungsverhältnis in einer (in- oder ausländischen) gesetzlichen Krankenversicherung bestehen muss (LSG Baden-Württemberg 14.04.2011, L 10 R 5221/07, juris). Das bedeutet, dass der Ausschluss nur dann greift, wenn neben einer bestehenden Pflichtversicherung ein Zuschuss zu einer weiteren privaten Zusatzkrankenversicherung begehrt wird. Anlass für die Gesetzesänderung zum 01.05.2007 war die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 30.06.1983, 11 RAz 1/82 in SozR 2200 § 1304e Nr 15; BSG 02.08.1989, 1 RA 33/88 in SozR 2200 § 1304e Nr 21; BSG 20.03.1980, 11 RJz 7/79 in SozR 2200 § 1304e Nr 5), wonach eine ausländische gesetzliche Krankenversicherung nur dann eine den Beitragszuschuss zur privaten Zusatzversicherung ausschließende Pflichtkrankenversicherung darstellt, wenn deren Leistungen im Wesentlichen denen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gleichen (BT-Drucks 16/3794, S 37 f). Aufgrund des mit der Prüfung der Vergleichbarkeit der Krankenversicherungssysteme verbundenen Verwaltungsaufwands und der damit einhergehenden Rechtsstreitigkeiten gewährte die Deutsche Rentenversicherung in der Vergangenheit Beitragszuschüsse zu ergänzenden privaten Versicherungen. Der Gesetzgeber sah darin eine Ungleichbehandlung zu im Ausland lebenden, aber in der deutschen Pflichtkrankenversicherung versicherten Rentnern. Aus Gründen der Gleichbehandlung und der Verwaltungspraktikabilität regelte der Gesetzgeber deshalb, dass auch eine ausländische Pflichtkrankenversicherung die Zahlung eines Zuschusses zu einer privaten Versicherung ausschließt (BT-Drucks 16/3794, S 37 f). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger begehrt keinen Zuschuss zu seinen Aufwendungen für eine private Zusatzkrankenversicherung, sondern für seinen originären Krankenversicherungsschutz in der Schweiz. Die Ausschlussregelung des § 106 Abs 1 Satz 2 SGB VI findet daher keine Anwendung.
Schließlich hat der Kläger den Zuschuss auch beantragt (§ 19 Satz 1 SGB IV). Er ist dabei so zu stellen, als habe er den Antrag auf Gewährung eines Zuschusses ab Beginn der Rechtsänderung zum 01.06.2002 (Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens) rechtzeitig gestellt.
Grundsätzlich wird der Zuschuss gemäß § 108 iVm § 99 Abs 1 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn der Zuschuss bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, beantragt wird. Bei späterer Antragstellung wird erst von dem Kalendermonat an geleistet, in dem der Zuschuss beantragt wird. Aufgrund des erst am 17.08.2009 gestellten Antrags wäre der Zuschuss danach erst ab dem 01.09.2009 zu gewähren. Vorliegend ist der Kläger in Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jedoch so zu stellen, als habe er rechtzeitig den Zuschuss beantragt.
Der richterrechtlich aus den sozialen Rechten entwickelte, verschuldensunabhängige sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 15 und 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch ( SGB I )) verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zugefügt hat sowie ferner, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl BSG 11.03.2004, B 13 RJ 16/03 R, BSGE 92, 241). Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist (vgl BSG 12.10.1979, 12 RK 47/77, juris). Voraussetzung ist damit neben der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen bzw unrichtigen Beratung, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Handlung, ausgeglichen werden kann (BSG 11.03.2004, B 13 RJ 16/03 R, BSGE 92, 241).
Die genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Beratung verletzt, wodurch dem Kläger ein Nachteil entstanden ist. Aufgrund des mit dem Antrag des Klägers vom 10.02.2000 eingeleiteten Rentenverfahrens bestand ein konkreter Anlass zur Beratung nach § 14 SGB I (allg zur Betreuungspflicht des Versicherungsträgers bei laufendem Rentenverfahren: BSG 25.04.1978, 5 RJ 18/77, BSGE 46, 124; BSG 22.11.1988, 5/4a RJ 79/87, SozR 5750 Art 2 § 6 Nr 4; BSG 17.08.2000, B 13 RJ 87/98 R, juris). Die Sozialleistungsträger haben nach § 2 SGB I im Rahmen eines laufenden Verwaltungsverfahrens sicherzustellen, dass die sozialen Rechte des Versicherten möglichst weitgehend gewahrt werden. Für die Träger der Rentenversicherung gilt darüber hinaus, dass sie die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen sollen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen (§ 115 Abs 6 SGB VI). Im Zeitpunkt der Erteilung des Rentenbescheides am 31.01.2001 war zwar das Freizügigkeitsabkommen vom 21.06.1999 noch nicht in Kraft getreten. Wie die Beklagte aber selbst einräumt, war es bereits bekannt, dass das Gemeinschaftsrecht im Verhältnis zur Schweiz eingeführt wird. Die Beklagte hätte daher darauf hinweisen müssen, dass der Kläger zu gegebener Zeit einen Antrag stellen muss. Durch die Veröffentlichung einer Pressemitteilung hat die Beklagte ihren Beratungs- bzw Hinweispflichten nicht genügt. Im Zusammenhang mit der Rentenhöhe hat dies die Beklagte ausdrücklich anerkannt. Entsprechendes muss in Bezug auf die Zusatzleistungen gelten.
Die Begrenzung der rückwirkenden Gewährung des Zuschusses auf vier Jahre (vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Antrag gestellt wurde) folgt aus dem in § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X enthaltenen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach die nachträgliche Erfüllung von Ansprüchen auf Sozialleistungen auf vier Jahre beschränkt ist (vgl BSG 27.03.2007, B 13 R 58/06 R, SozR 4-1300 § 44 Nr 9).
Der Zinsanspruch resultiert aus § 44 Abs 1 SGB I. Aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist der Kläger so zu stellen, als habe er rechtzeitig einen Antrag auf Gewährung eines Zuschusses ab Beginn der Rechtsänderung zum 01.06.2002 (Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens) gestellt. Damit steht § 44 Abs 2 SGB I, wonach die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger beginnt, einer Verzinsung wie vom SG tenoriert (ab dem 01.03.2005) nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der streitigen Rechtsfragen zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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