Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 1821/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 4773/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die BeR.ung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. September 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers, nach der die ihm zu gewährende Verletztenrente zu bemessen ist.
Der 1983 geborene Kläger erlitt am 02.07.2008 auf dem Weg zur Arbeit einen Motorradunfall, der als Arbeitsunfall anerkannt ist. Hierbei zog er sich eine - mit Rekonstruktions-plattenosteosynthese und einer Reosteosynthese versorgte - zweitgradig offene Unterarmfraktur links, eine Rippenfraktur links und ein SHT (SHT) mit Bewusstlosigkeit zu. Nach Erstversorgung in der R.klinik B. befand sich der Kläger vom 04.07. bis 09.07.2008 in stationärer Behandlung der G.klinik L ... Im Bericht vom 09.07.2008 vertrat Leitender Oberarzt Dr. V. die Auffassung, es bestehe Arbeitsunfähigkeit für acht bis zehn Wochen, eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß werde nicht entstehen.
Im Zwischenbericht vom 07.01.2009 führte Dr. K., Leiter der Abteilung für Rehabilitation und Heilverfahrenssteuerung an der G.klinik L., aus, der Kläger habe sich eine Unterarmfraktur zugezogen, in deren weiteren Verlauf es nach Arbeitsbeginn zur Achsenverbiegung gekommen sei, deshalb habe am 01.10.2008 eine Reosteosynthese durchgeführt werden müssen. Aufgrund einer Refraktur im Bereich der Kallusformation nach erneutem Sturz werde ein weiteres konservatives Vorgehen mit erneuter Entlastung für drei Wochen unter funktioneller Übungsbehandlung empfohlen. Das Heilverfahren werde sicherlich noch zehn Wochen andauern.
Ab dem 16.03.2009 wurde eine Belastungserprobung und Arbeitstherapie eingeleitet mit einer Belastung von zunächst vier Stunden täglich für zwei Wochen und sodann sechs Stunden täglich für zwei Wochen.
Mit Abschlussbericht vom 12.05.2009 schloss Dr. K. das Heilverfahren zum 10.05.2009 ab. Eine vollschichtige Arbeitsfähigkeit bestehe ab 11.05.2009. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß werde voraussichtlich nicht verbleiben.
Im Ersten Rentengutachten vom 06.07.2009 nannte Prof. Dr. W. als Unfallfolgen diskrete funktionelle Einschränkungen im Bereich des linken Unterarmes, eine Muskelminderung im Bereich des linken Armes sowie radiologische Veränderungen. Die MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet schätzte er auf 20 v.H. bis zum 02.07.2009 und danach auf 10 v.H.
Im neurologischen Gutachten vom 12.08.2009 teilte Dr. S. mit, die bildgebende Diagnostik belege strukturelle Hirnverletzungen in geringem Ausmaß. Die neuropsychologische Testdiagnostik beweise geringe neuropsychologische Defizite, die sich im Alltag auswirkten. Es bestehe weiter eine Nervus radialis-Läsion mit teilweiser Restitution links, die sich auch im Alltag auswirke. Die MdE betrage ab dem Tag des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit auf neurologischem Fachgebiet 30 v.H. Sowohl die hirnorganischen Veränderungen als auch die Störung der Motorik und Sensibilität könnten sich deutlich bessern. Dies sei einer erneuten Begutachtung vorbehalten.
In der Stellungnahme zur Gesamt-MdE vom 07.09.2009 führte Dr. C. aus, die ausgeprägte neurologische MdE könne von unfallchirurgischer Seite nicht ganz nachvollzogen werden. Nehme man die MdE von 30 v.H. auf neurologischem Fachgebiet als Grundlage, wäre im Rahmen der integrierenden Gesamt-MdE eine MdE mit 30 v.H. gesamt zu sehen.
Der beratende Arzt der Beklagten Dr. M. schloss sich dem nicht an, sondern empfahl, die Hirnschädigung mit geringer Leistungsbeeinträchtigung mit einer MdE von 10 v.H. und eine inkomplette Läsion des Nervus radialis mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten. Die Gesamt-MdE sei bis 02.07.2009 auf 25 v.H. und danach auf 20 v.H. festzusetzen.
Mit Bescheid vom 08.10.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 25 v.H. vom 11.05.2009 bis 02.07.2009 und von 20 v.H. ab dem 03.07.2009 bis auf Weiteres.
Hiergegen erhob der Kläger am 06.11.2009 Widerspruch. In der Stellungnahme vom 12.02.2010 führte Dr. C. auf Anfrage der Beklagten aus, der Kläger habe bei dem Unfall ein mittelschweres bis schweres SHT, entsprechend Grad II bis III, erlitten. Es bestehe eine organisch-psychische Störung bei struktureller Hirnverletzung und nicht lediglich eine unspezifische leichtgradige diffuse Leistungsminderung. Dies begründe eine MdE von mindestens 20 v.H., wonach die Gesamt-MdE mit 30 v.H. gut begründet und nachvollziehbar sei. Dieser Beurteilung trat Dr. M. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 25.02.2010 entgegen.
Mit Widerspruchbescheid vom 26.03.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dr. C. sei von den gängigen MdE-Erfahrungswerten abgewichen, ohne dies überzeugend begründen zu können.
Gegen den am 29.03.2010 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 29.04.2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.
Die Beklagte hat die Veränderungsmitteilung des behandelnden Chirurgen Dr. R. vom 10.06.2010 vorgelegt, wonach der Kläger am 27.05.2010 aus der ambulanten Behandlung entlassen und ab 07.06.2010 wieder arbeitsfähig sei. Dr. R. bewertete die MdE nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus mit 20 v.H. In der sachverständigen Zeugenaussage vom 21.03.2011 hat Dr. R. mitgeteilt, nach Entfernung von Osteosynthesematerial seien die neurologischen Begleitverletzungen des Nervus radialis und Nervus ulnaris ad integrum behoben. Es sei eine nur marginale Kraftminderung und eine mäßige Bewegungseinschränkung bezüglich Haltekraft, Kraftausdauer, insbesondere Fingerstreckung und -spreizung sowie in der endgradigen Beweglichkeit der linken Hand verblieben. Bezüglich der Umfangsmaße bestehe ein Defizit am Oberarm mit 2 cm, am Unterarm mit 1 cm. Von Seiten der Hirnleistung habe sich die selektive Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit im Vergleich zum Vorgutachten eher noch akzentuiert. Hier sei mit einer weiteren Besserung nicht mehr zu rechnen. Zusammenfassend bedingten die Unfallfolgen eine MdE von 20 v.H. auf traumatologischem und 30 v.H. auf neurologischem Fachgebiet. Beigefügt war ein für eine private Versicherung von Dr. C. am 01.03.2011 erstelltes neurologisches Gutachten. Darin wird ausgeführt, als Unfallfolge auf neurologischem Fachgebiet seien im Wesentlichen die neuropsychologischen Auffälligkeiten bei Zustand nach mittelschwerem SHT zu werten und mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten.
Die Beklagte hat zur Feststellung der Rente auf Dauer ein weiteres neurologisches Gutachten bei Dr. H. eingeholt. Im Gutachten vom 28.02.2011 hat dieser ausgeführt, nach schwerem SHT mit struktureller Hirnschädigung fänden sich bei guter Besserung im Verlauf jetzt nur noch leichte zentral bedingte Störungen, die man am besten im Sinne einer "Pseudoneurasthenie" nach Hirntrauma einordnen könne mit leichten Gedächtnisstörungen sowie einer gesteigerten psychovegetativen Irritierbarkeit. Hirnlokale Störungen (im Sinne einer Hemiparese oder neuropsychologischer fokaler Syndrome), eine organische Wesensänderung oder signifikante unfallbedingte Einschränkungen im kognitiv-mnestischen Bereich ließen sich letztlich nicht belegen, wobei zu berücksichtigen sei, dass der Kläger bei niedrigem Bildungsstand immer schon Probleme im theoretischen Bereich gehabt habe, was die Wertigkeit testpsychometrischer Auffälligkeiten einschränke. Die durch das pseudoneurasthenische Syndrom mit leichten Gedächtnisstörungen und gesteigerter psychovegetativer Irritierbarkeit bedingte Teil-MdE schätzte er auf 10 v.H. Eine darüber hinaus bestehende geringe Teilschädigung des Nervus radialis, die sich in einer motorischen Störung der Streckung und Abduktion des Daumens äußere und keine ausgeprägten funktionellen Einschränkungen mehr verursache, bedinge eine Teil-MdE von 5 v.H. Die Gesamt-MdE im neuropsychiatrischen Bereich betrage 15 v.H.
In einem weiteren von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 23.03.2011 stellte Dr. E., Chefarzt der R.klinik B., als noch bestehende Unfallfolgen eine linksseitige radioulnare Dissoziation sowie dorsalwärtige Subluxation des distalen Radioulnargelenkes bei Zustand nach (Z.n.) zweitgradig offener Unterarmfraktur links, Z.n. Fraktur der zweiten Rippe links und Z.n. SHT 1. bis 2. Grades fest. Es bestünden funktionelle Einschränkungen im Bereich des linken Unterarmes und linken Handgelenkes, vor allem des linken Radioulnargelenkes sowie eine geringe Atrophie der Unterarmmuskulatur links. Aus unfallchirurgischer Sicht betrage die MdE 10 v.H. Unter Berücksichtigung der MdE auf neurologischem Fachgebiet sei die Gesamt-MdE mit 20 v.H. einzuschätzen.
Dieser Beurteilung stimmte der Prüfarzt Dr. K. in der Stellungnahme vom 04.05.2011 zu, bezüglich der Unfallfolgen liege ein Dauerzustand vor.
Mit Bescheid vom 19.05.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. anstelle der vorläufigen Entschädigung.
Mit Urteil vom 28.09.2011 änderte das SG den Bescheid der Beklagten vom 08.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2010 ab und verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab 11.05.2009 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. zu gewähren. Zur Begründung führte es aus, auch der nach Klageerhebung ergangene Bescheid vom 19.05.2011 sei gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Die Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet seien mit einer Teil-MdE um 10 v.H. zu bewerten. Die aufgrund des unfallbedingten SHTs verbliebenen neuropsychologischen Defizite seien mit einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu bewerten. Hierbei könne dahingestellt bleiben, ob für die Gedächtnisstörungen mit gesteigerter psychovegetativer Irritierbarkeit eine MdE von nur 20 v.H. anzusetzen sei oder bei zusätzlicher Berücksichtigung der von Dr. C. berichteten Defizite (Beeinträchtigung der Lern- und Merkfähigkeit, Reaktionsverlangsamung, Störung der kognitiven Flexibilität und reduzierte Belastbarkeit) die MdE einen Wert um 30 v.H erreiche. Vorliegend sei auch eine einfache Addierung der Einzel-MdE auf chirurgischem und nervenärztlichem Fachgebiet geboten, da sich diese weitgehend nicht überschnitten.
Gegen das am 06.10.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.11.2011 Berufung eingelegt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens durch Dr. X., Institut für Neurologische Begutachtung am Klinikum D., und eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens durch Dipl.-Psych. Dr. N ...
Im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 29.05.2012 hat Dr. X. unter Einbeziehung des neuropsychologischen Gutachtens ausgeführt, auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestünden beim Kläger leichte, kognitive Störungen in Form einer beeinträchtigten fokussierten Aufmerksamkeit/visuellen Suche, reduzierten kognitiven Flexibilität, Einschränkungen bei der formal lexikalischen Wortflüssigkeit sowie leichte Lern- und Gedächtnisprobleme. Darüber hinaus bestünden leichte Residuen einer Nervus radialis-Läsion (leichte Fingerstrecker-/Daumenstreckerschwäche links), Sensibilitätsstörungen an der Unterarmstreckseite, distal betont, Hypästhesie/Hypalgesie distal, in einem kleinen Bezirk leichte Dysästhesien sowie belastungsabhängig verstärkte Parästhesien. Die nur bei starker manueller Anstrengung auftretenden, kurz anhaltenden Muskelkrämpfe im Bereich der linken Hand seien möglicherweise Folgen einer Muskelschädigung durch die Weichteilverletzung. Alle diese Gesundheitsstörungen seien wesentlich durch den Unfall vom 02.07.2008 verursacht worden. Als Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet seien ein SHT mit leichter struktureller Hirnschädigung sowie noch leichten kognitiven Störungen, leichte Residuen einer Nervus radialis-Schädigung links durch die unfallbedingte offene Unterarmfraktur sowie residuale Sensibilitätsstörungen durch Schädigung von Hautnerven an der Streckseite des Unterarmes durch die Weichteilverletzung und durch die Operationen anzusehen. Die MdE infolge der Hirnschädigung mit geringer Leistungsbeeinträchtigung schätze er auf 10 v.H. Die MdE für die inkomplette Läsion des Nervus radialis links schätze er unter Mitberücksichtigung der durch die Schädigung von Hautnerven bedingten Sensibilitätsstörungen an der Streckseite des linken Unterarmes ebenfalls auf 10 v.H. Unter Berücksichtigung der MdE auf chirurgischem Gebiet schätze er die Gesamt-MdE ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit bis zum 02.07.2009 auf 30 v.H., ab dem 03.07.2009 auf 25 v.H. Dabei seien geringe Überschneidungen der MdE auf chirurgischem und neurologischem Gebiet berücksichtigt.
Die Beklagte hat zur Berufungsbegründung vorgetragen, die Hirnschädigung mit geringer Leistungsbeeinträchtigung sei zutreffend mit einer Teil-MdE von 10 v.H. bewertet. Zusammen mit den noch gering ausgeprägten Folgen der Nervus-radialis-Teilschädigung links ergebe sich eine unfallbedingte neurologische MdE von 15 v.H. Unter Berücksichtigung der Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet mit einer Teil-MdE von 10 v.H. sei die Gesamt-MdE mit 20 v.H. zu bewerten. Die im angefochtenen Bescheid getroffene MdE-Feststellung sei darüber hinaus auch dann nicht rechtswidrig, wenn den MdE-Empfehlungen des Sachverständigen Dr. X. gefolgt werde, da die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich nicht befugt seien, die vom Unfallversicherungsträger festgesetzte MdE um nur 5 v.H. zu ändern.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig.
Gegenstand des Verfahrens sind neben dem Bescheid vom 08.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2010, mit denen die Beklagte über eine Rente als vorläufige Entschädigung entschieden hat, auch der nach Klageerhebung ergangene Bescheid vom 19.05.2011, mit dem die Beklagte eine Rente auf unbestimmte Zeit bewilligt hat. Dieser Bescheid ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ohne diesen jedoch in den Tenor seiner Entscheidung aufzunehmen, gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Die Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers ist abzuweisen.
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens auf höhere Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente geleistet, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE ist damit abhängig von den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens sowie dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, in juris). Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung; sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei der Bewertung der MdE grundsätzlich nur um eine Schätzung, bei welcher der Grad der unfallbedingten MdE nicht völlig genau, sondern nur annäherungsweise feststellbar ist. Denn anders als etwa bei dem ebenfalls zu den Grundlagen der Rentenberechnung gehörenden Jahresarbeitsverdienst lässt sich der Prozentsatz der unfallbedingten MdE in aller Regel nicht mathematisch exakt festlegen, sondern nur annähernd bestimmen. Wie jede Schätzung enthält auch die Bewertung der MdE eine gewisse Schwankungsbreite. Hieraus hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass jede innerhalb einer Toleranzspanne liegende Schätzung gleichermaßen rechtmäßig ist, soweit dabei bestimmte Grenzen nicht überschritten werden. Als äußerste Grenze der Spanne hat schon das frühere Reichsversicherungsamt Abweichungen um 5 Prozentpunkte nach oben oder nach unten angesehen. Das BSG ist dem gefolgt und hat dabei auf gesetzliche Regelungen verwiesen, nach denen eine MdE von 10 v.H. die untere Grenze dessen ist, was medizinisch und wirtschaftlich messbar sei. Danach ist eine Schätzung der MdE durch den Versicherungsträger so lange als rechtmäßig anzusehen, wie eine spätere Schätzung durch das Gericht bzw. den von ihm gehörten ärztlichen Sachverständigen nicht um mehr als 5 Prozentpunkte von der früheren abweicht. Dies gilt allerdings nur, sofern im Verwaltungsverfahren die Schätzungsgrundlagen richtig ermittelt worden sind, alle für die Schätzung wesentlichen Umstände hinreichend gewürdigt, insbesondere die für die Schätzung relevanten Befunde vollständig und richtig erhoben worden sind und unverändert vorliegen sowie die Schätzung selbst nicht auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht (BSG, Urteil vom 17.12.1975 - 2 RU 35/75; Urteil vom 07.12.1976 - 8 RU 14/76 - beide in Juris).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden getroffene MdE-Bewertung nicht zu beanstanden.
Als Unfallfolgen bestanden beim Kläger auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet als Folgen einer zweitgradig offenen Unterarmfraktur links funktionelle Einschränkungen im Bereich des linken Unterarmes und linken Handgelenkes, vor allem des linken Radioulnargelenks sowie eine Atrophie der Unterarmmuskulatur links. Diese bedingten zunächst eine Teil-MdE von 20 v.H. bis zum 02.07.2009 und danach von 10 v.H. Der Senat stützt sich hierbei auf die Beurteilung von Prof. Dr. W. im Ersten Rentengutachten vom 06.07.2009 sowie von Dr. E. im zweiten Rentengutachten vom 23.03.2011.
Eine geringe residuale Nervus radialis-Teilschädigung, welche eine leichte Finger- und Daumenstreckerschwäche links bedingt, sowie Sensibilitätsstörungen an der Unterarmstreckseite (unfallbedingte Schädigung von Hautnerven) sind gleichfalls mit einer Einzel-MdE von 10 v.H. zu bewerten.
Darüber hinaus bestehen als dauerhafte Folge des SHTs leichte kognitive Störungen in Form einer beeinträchtigten fokussierten Aufmerksamkeit/visuellen Suche, einer reduzierten kognitiven Flexibilität mit Einschränkungen bei der formal lexikalischen Wortflüssigkeit und leichte Lern- und Gedächtnisprobleme. Die MdE infolge der Hirnschädigung mit geringer Leistungsbeeinträchtigung ist mit 10 v.H. zu bewerten. Der Senat stützt sich hierbei auf die Feststellungen und Bewertungen von Dr. X. im Gutachten vom 29.05.2012 sowie von Dr. N. im neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 05.06.2012. Dr. N. ist aufgrund einer umfassenden testpsychologischen Untersuchung des Klägers zu der Beurteilung gelangt, dass beim Kläger Defizite der kognitiven Flexibilität und Defizite im verbalen Lernen und Gedächtnis vorliegen, deren Ausmaß jedoch als leicht einzuschätzen sind. Allerdings ergaben sich bei der neuropsychologischen Untersuchung durch die Verhaltensbeobachtung während der Testsituation sowie durch Vergleiche mit vorherigen Leistungsbefunden auch Hinweise auf eine geringe Motivation und eine mangelnde Anstrengungsbereitschaft. Im Verlauf der Testung war eine steigende Anspannung sichtbar geworden, der Kläger war zunehmend gereizter geworden, lehnte jedoch angebotene Pausen wiederholt ab. Dr. N. hat dies dahingehend interpretiert, dass der Kläger ein Verhalten gezeigt habe, welches sich im Sinne eines inneren Widerstandes gegen die Gutachtenssituation interpretieren lasse, der ihn gehindert habe, sein volles Leistungsniveau zu erreichen. Zwar hätten keine Anhaltspunkte für Aggravation oder Simulation vorgelegen. Aufgrund der in einzelnen Teilbereichen im Vergleich zu den Vorbefunden deutlich verschlechterten Leistungen hätten sich jedoch Zweifel an einer kontinuierlichen Anstrengungsbereitschaft ergeben. Es bestünden demnach berechtigte Zweifel, dass die in den Testergebnissen gezeigten Fähigkeiten und Einschränkungen dem tatsächlichen kognitiven Leistungsvermögen entsprächen. Deshalb sei zu erwarten, dass sich der Abruf einiger Leistungen unter günstigen motivationalen und situativen Bedingungen bessere. Der Senat hält diese Beurteilung für überzeugend und macht sie sich zu eigen.
Der Senat folgt nicht der Beurteilung von Dr. C. in dessen Stellungnahme vom 12.02.2010 bzw. den Gutachten vom 01.03.2011 und 12.08.2009, wonach die neuropsychologischen Auffälligkeiten bei Zustand nach mittelschwerem SHT mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten seien. Denn bei der zweiten Begutachtung erzielte der Kläger teilweise schlechtere Ergebnisse als bei der 18 Monate zuvor durchgeführten Voruntersuchung. Soweit Dr. C. dies auf die schnellere Testdurchführung mit geringerer Erholungszeit zurückführte, ist er nicht der Frage nachgegangen, welche Ergebnisse der Kläger bei ausreichender Erholungszeit hätte erzielen können. Hiermit hat sich jedoch Dr. N. eingehend auseinandergesetzt und zutreffend ausgeführt, das Verhalten des Klägers während der Testsituation habe deutliche Hinweise darauf ergeben, dass es ihm im Sinne einer Reaktanz auf die Gutachtenssituation nicht gelungen sei, sein volles Leistungsniveau zu erreichen. Er habe plakativ seine Erschöpfung demonstriert, angebotene Pausen jedoch wiederholt abgelehnt. Hierfür sprächen auch die im Vergleich zu den Vorbefunden deutlich verschlechterten Leistungen.
Der Senat teilt nicht die von Dr. X. getroffene Beurteilung der Gesamt-MdE, wonach diese ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit vom 11.05.2009 bis zum 02.07.2009 auf 30 v.H. und ab dem 03.07.2009 auf 25 v.H zu schätzen sei. Denn zur Überzeugung des Senats überschneiden sich die am linken Arm bzw. der linken Hand auf unfallchirurgisch-orthopädischem und neurologischem Fachgebiet verbliebenen Gesundheitsbeeinträchtigungen weitgehend. So hat Dr. X. z.B. ausgeführt, eine leichte Finger- und Daumenstreckerschwäche links sei bedingt durch die geringe residuale Nervus radialis-Teilschädigung, möglicherweise jedoch auch durch direkte Muskelschädigungen infolge der Weichteilverletzung.
Dies kann letztlich jedoch dahingestellt bleiben, da die Bescheide selbst dann rechtmäßig sind, wenn der Beurteilung der Gesamt-MdE durch den Sachverständigen Dr. X. im Gutachten vom 29.05.2012 gefolgt wird. Denn die Beklagte hat die Schätzungsgrundlagen richtig ermittelt, alle für die Schätzung wesentlichen Umstände hinreichend gewürdigt und ihrer Schätzung auch keine falschen oder unsachlichen Erwägungen zugrunde gelegt. Die Beklagte hat nämlich alle verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt und auch deren jeweiligen Schweregrad zutreffend angenommen. Sie ist lediglich von einer stärkeren Überschneidung der durch die einzelnen Gesundheitsbeeinträchtigungen bedingten Funktionsstörungen ausgegangen. Sie ist in den angefochtenen Bescheiden auch nicht um mehr als 5 Prozentpunkte von der Schätzung des gerichtlichen Sachverständigen abgewichen, so dass ihre Schätzung als rechtmäßig anzusehen ist.
Das Urteil des SG war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers, nach der die ihm zu gewährende Verletztenrente zu bemessen ist.
Der 1983 geborene Kläger erlitt am 02.07.2008 auf dem Weg zur Arbeit einen Motorradunfall, der als Arbeitsunfall anerkannt ist. Hierbei zog er sich eine - mit Rekonstruktions-plattenosteosynthese und einer Reosteosynthese versorgte - zweitgradig offene Unterarmfraktur links, eine Rippenfraktur links und ein SHT (SHT) mit Bewusstlosigkeit zu. Nach Erstversorgung in der R.klinik B. befand sich der Kläger vom 04.07. bis 09.07.2008 in stationärer Behandlung der G.klinik L ... Im Bericht vom 09.07.2008 vertrat Leitender Oberarzt Dr. V. die Auffassung, es bestehe Arbeitsunfähigkeit für acht bis zehn Wochen, eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß werde nicht entstehen.
Im Zwischenbericht vom 07.01.2009 führte Dr. K., Leiter der Abteilung für Rehabilitation und Heilverfahrenssteuerung an der G.klinik L., aus, der Kläger habe sich eine Unterarmfraktur zugezogen, in deren weiteren Verlauf es nach Arbeitsbeginn zur Achsenverbiegung gekommen sei, deshalb habe am 01.10.2008 eine Reosteosynthese durchgeführt werden müssen. Aufgrund einer Refraktur im Bereich der Kallusformation nach erneutem Sturz werde ein weiteres konservatives Vorgehen mit erneuter Entlastung für drei Wochen unter funktioneller Übungsbehandlung empfohlen. Das Heilverfahren werde sicherlich noch zehn Wochen andauern.
Ab dem 16.03.2009 wurde eine Belastungserprobung und Arbeitstherapie eingeleitet mit einer Belastung von zunächst vier Stunden täglich für zwei Wochen und sodann sechs Stunden täglich für zwei Wochen.
Mit Abschlussbericht vom 12.05.2009 schloss Dr. K. das Heilverfahren zum 10.05.2009 ab. Eine vollschichtige Arbeitsfähigkeit bestehe ab 11.05.2009. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß werde voraussichtlich nicht verbleiben.
Im Ersten Rentengutachten vom 06.07.2009 nannte Prof. Dr. W. als Unfallfolgen diskrete funktionelle Einschränkungen im Bereich des linken Unterarmes, eine Muskelminderung im Bereich des linken Armes sowie radiologische Veränderungen. Die MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet schätzte er auf 20 v.H. bis zum 02.07.2009 und danach auf 10 v.H.
Im neurologischen Gutachten vom 12.08.2009 teilte Dr. S. mit, die bildgebende Diagnostik belege strukturelle Hirnverletzungen in geringem Ausmaß. Die neuropsychologische Testdiagnostik beweise geringe neuropsychologische Defizite, die sich im Alltag auswirkten. Es bestehe weiter eine Nervus radialis-Läsion mit teilweiser Restitution links, die sich auch im Alltag auswirke. Die MdE betrage ab dem Tag des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit auf neurologischem Fachgebiet 30 v.H. Sowohl die hirnorganischen Veränderungen als auch die Störung der Motorik und Sensibilität könnten sich deutlich bessern. Dies sei einer erneuten Begutachtung vorbehalten.
In der Stellungnahme zur Gesamt-MdE vom 07.09.2009 führte Dr. C. aus, die ausgeprägte neurologische MdE könne von unfallchirurgischer Seite nicht ganz nachvollzogen werden. Nehme man die MdE von 30 v.H. auf neurologischem Fachgebiet als Grundlage, wäre im Rahmen der integrierenden Gesamt-MdE eine MdE mit 30 v.H. gesamt zu sehen.
Der beratende Arzt der Beklagten Dr. M. schloss sich dem nicht an, sondern empfahl, die Hirnschädigung mit geringer Leistungsbeeinträchtigung mit einer MdE von 10 v.H. und eine inkomplette Läsion des Nervus radialis mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten. Die Gesamt-MdE sei bis 02.07.2009 auf 25 v.H. und danach auf 20 v.H. festzusetzen.
Mit Bescheid vom 08.10.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 25 v.H. vom 11.05.2009 bis 02.07.2009 und von 20 v.H. ab dem 03.07.2009 bis auf Weiteres.
Hiergegen erhob der Kläger am 06.11.2009 Widerspruch. In der Stellungnahme vom 12.02.2010 führte Dr. C. auf Anfrage der Beklagten aus, der Kläger habe bei dem Unfall ein mittelschweres bis schweres SHT, entsprechend Grad II bis III, erlitten. Es bestehe eine organisch-psychische Störung bei struktureller Hirnverletzung und nicht lediglich eine unspezifische leichtgradige diffuse Leistungsminderung. Dies begründe eine MdE von mindestens 20 v.H., wonach die Gesamt-MdE mit 30 v.H. gut begründet und nachvollziehbar sei. Dieser Beurteilung trat Dr. M. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 25.02.2010 entgegen.
Mit Widerspruchbescheid vom 26.03.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dr. C. sei von den gängigen MdE-Erfahrungswerten abgewichen, ohne dies überzeugend begründen zu können.
Gegen den am 29.03.2010 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 29.04.2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.
Die Beklagte hat die Veränderungsmitteilung des behandelnden Chirurgen Dr. R. vom 10.06.2010 vorgelegt, wonach der Kläger am 27.05.2010 aus der ambulanten Behandlung entlassen und ab 07.06.2010 wieder arbeitsfähig sei. Dr. R. bewertete die MdE nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus mit 20 v.H. In der sachverständigen Zeugenaussage vom 21.03.2011 hat Dr. R. mitgeteilt, nach Entfernung von Osteosynthesematerial seien die neurologischen Begleitverletzungen des Nervus radialis und Nervus ulnaris ad integrum behoben. Es sei eine nur marginale Kraftminderung und eine mäßige Bewegungseinschränkung bezüglich Haltekraft, Kraftausdauer, insbesondere Fingerstreckung und -spreizung sowie in der endgradigen Beweglichkeit der linken Hand verblieben. Bezüglich der Umfangsmaße bestehe ein Defizit am Oberarm mit 2 cm, am Unterarm mit 1 cm. Von Seiten der Hirnleistung habe sich die selektive Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit im Vergleich zum Vorgutachten eher noch akzentuiert. Hier sei mit einer weiteren Besserung nicht mehr zu rechnen. Zusammenfassend bedingten die Unfallfolgen eine MdE von 20 v.H. auf traumatologischem und 30 v.H. auf neurologischem Fachgebiet. Beigefügt war ein für eine private Versicherung von Dr. C. am 01.03.2011 erstelltes neurologisches Gutachten. Darin wird ausgeführt, als Unfallfolge auf neurologischem Fachgebiet seien im Wesentlichen die neuropsychologischen Auffälligkeiten bei Zustand nach mittelschwerem SHT zu werten und mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten.
Die Beklagte hat zur Feststellung der Rente auf Dauer ein weiteres neurologisches Gutachten bei Dr. H. eingeholt. Im Gutachten vom 28.02.2011 hat dieser ausgeführt, nach schwerem SHT mit struktureller Hirnschädigung fänden sich bei guter Besserung im Verlauf jetzt nur noch leichte zentral bedingte Störungen, die man am besten im Sinne einer "Pseudoneurasthenie" nach Hirntrauma einordnen könne mit leichten Gedächtnisstörungen sowie einer gesteigerten psychovegetativen Irritierbarkeit. Hirnlokale Störungen (im Sinne einer Hemiparese oder neuropsychologischer fokaler Syndrome), eine organische Wesensänderung oder signifikante unfallbedingte Einschränkungen im kognitiv-mnestischen Bereich ließen sich letztlich nicht belegen, wobei zu berücksichtigen sei, dass der Kläger bei niedrigem Bildungsstand immer schon Probleme im theoretischen Bereich gehabt habe, was die Wertigkeit testpsychometrischer Auffälligkeiten einschränke. Die durch das pseudoneurasthenische Syndrom mit leichten Gedächtnisstörungen und gesteigerter psychovegetativer Irritierbarkeit bedingte Teil-MdE schätzte er auf 10 v.H. Eine darüber hinaus bestehende geringe Teilschädigung des Nervus radialis, die sich in einer motorischen Störung der Streckung und Abduktion des Daumens äußere und keine ausgeprägten funktionellen Einschränkungen mehr verursache, bedinge eine Teil-MdE von 5 v.H. Die Gesamt-MdE im neuropsychiatrischen Bereich betrage 15 v.H.
In einem weiteren von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 23.03.2011 stellte Dr. E., Chefarzt der R.klinik B., als noch bestehende Unfallfolgen eine linksseitige radioulnare Dissoziation sowie dorsalwärtige Subluxation des distalen Radioulnargelenkes bei Zustand nach (Z.n.) zweitgradig offener Unterarmfraktur links, Z.n. Fraktur der zweiten Rippe links und Z.n. SHT 1. bis 2. Grades fest. Es bestünden funktionelle Einschränkungen im Bereich des linken Unterarmes und linken Handgelenkes, vor allem des linken Radioulnargelenkes sowie eine geringe Atrophie der Unterarmmuskulatur links. Aus unfallchirurgischer Sicht betrage die MdE 10 v.H. Unter Berücksichtigung der MdE auf neurologischem Fachgebiet sei die Gesamt-MdE mit 20 v.H. einzuschätzen.
Dieser Beurteilung stimmte der Prüfarzt Dr. K. in der Stellungnahme vom 04.05.2011 zu, bezüglich der Unfallfolgen liege ein Dauerzustand vor.
Mit Bescheid vom 19.05.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. anstelle der vorläufigen Entschädigung.
Mit Urteil vom 28.09.2011 änderte das SG den Bescheid der Beklagten vom 08.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2010 ab und verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab 11.05.2009 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. zu gewähren. Zur Begründung führte es aus, auch der nach Klageerhebung ergangene Bescheid vom 19.05.2011 sei gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Die Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet seien mit einer Teil-MdE um 10 v.H. zu bewerten. Die aufgrund des unfallbedingten SHTs verbliebenen neuropsychologischen Defizite seien mit einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu bewerten. Hierbei könne dahingestellt bleiben, ob für die Gedächtnisstörungen mit gesteigerter psychovegetativer Irritierbarkeit eine MdE von nur 20 v.H. anzusetzen sei oder bei zusätzlicher Berücksichtigung der von Dr. C. berichteten Defizite (Beeinträchtigung der Lern- und Merkfähigkeit, Reaktionsverlangsamung, Störung der kognitiven Flexibilität und reduzierte Belastbarkeit) die MdE einen Wert um 30 v.H erreiche. Vorliegend sei auch eine einfache Addierung der Einzel-MdE auf chirurgischem und nervenärztlichem Fachgebiet geboten, da sich diese weitgehend nicht überschnitten.
Gegen das am 06.10.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.11.2011 Berufung eingelegt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens durch Dr. X., Institut für Neurologische Begutachtung am Klinikum D., und eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens durch Dipl.-Psych. Dr. N ...
Im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 29.05.2012 hat Dr. X. unter Einbeziehung des neuropsychologischen Gutachtens ausgeführt, auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestünden beim Kläger leichte, kognitive Störungen in Form einer beeinträchtigten fokussierten Aufmerksamkeit/visuellen Suche, reduzierten kognitiven Flexibilität, Einschränkungen bei der formal lexikalischen Wortflüssigkeit sowie leichte Lern- und Gedächtnisprobleme. Darüber hinaus bestünden leichte Residuen einer Nervus radialis-Läsion (leichte Fingerstrecker-/Daumenstreckerschwäche links), Sensibilitätsstörungen an der Unterarmstreckseite, distal betont, Hypästhesie/Hypalgesie distal, in einem kleinen Bezirk leichte Dysästhesien sowie belastungsabhängig verstärkte Parästhesien. Die nur bei starker manueller Anstrengung auftretenden, kurz anhaltenden Muskelkrämpfe im Bereich der linken Hand seien möglicherweise Folgen einer Muskelschädigung durch die Weichteilverletzung. Alle diese Gesundheitsstörungen seien wesentlich durch den Unfall vom 02.07.2008 verursacht worden. Als Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet seien ein SHT mit leichter struktureller Hirnschädigung sowie noch leichten kognitiven Störungen, leichte Residuen einer Nervus radialis-Schädigung links durch die unfallbedingte offene Unterarmfraktur sowie residuale Sensibilitätsstörungen durch Schädigung von Hautnerven an der Streckseite des Unterarmes durch die Weichteilverletzung und durch die Operationen anzusehen. Die MdE infolge der Hirnschädigung mit geringer Leistungsbeeinträchtigung schätze er auf 10 v.H. Die MdE für die inkomplette Läsion des Nervus radialis links schätze er unter Mitberücksichtigung der durch die Schädigung von Hautnerven bedingten Sensibilitätsstörungen an der Streckseite des linken Unterarmes ebenfalls auf 10 v.H. Unter Berücksichtigung der MdE auf chirurgischem Gebiet schätze er die Gesamt-MdE ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit bis zum 02.07.2009 auf 30 v.H., ab dem 03.07.2009 auf 25 v.H. Dabei seien geringe Überschneidungen der MdE auf chirurgischem und neurologischem Gebiet berücksichtigt.
Die Beklagte hat zur Berufungsbegründung vorgetragen, die Hirnschädigung mit geringer Leistungsbeeinträchtigung sei zutreffend mit einer Teil-MdE von 10 v.H. bewertet. Zusammen mit den noch gering ausgeprägten Folgen der Nervus-radialis-Teilschädigung links ergebe sich eine unfallbedingte neurologische MdE von 15 v.H. Unter Berücksichtigung der Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet mit einer Teil-MdE von 10 v.H. sei die Gesamt-MdE mit 20 v.H. zu bewerten. Die im angefochtenen Bescheid getroffene MdE-Feststellung sei darüber hinaus auch dann nicht rechtswidrig, wenn den MdE-Empfehlungen des Sachverständigen Dr. X. gefolgt werde, da die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich nicht befugt seien, die vom Unfallversicherungsträger festgesetzte MdE um nur 5 v.H. zu ändern.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig.
Gegenstand des Verfahrens sind neben dem Bescheid vom 08.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2010, mit denen die Beklagte über eine Rente als vorläufige Entschädigung entschieden hat, auch der nach Klageerhebung ergangene Bescheid vom 19.05.2011, mit dem die Beklagte eine Rente auf unbestimmte Zeit bewilligt hat. Dieser Bescheid ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ohne diesen jedoch in den Tenor seiner Entscheidung aufzunehmen, gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Die Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers ist abzuweisen.
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens auf höhere Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente geleistet, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE ist damit abhängig von den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens sowie dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, in juris). Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung; sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei der Bewertung der MdE grundsätzlich nur um eine Schätzung, bei welcher der Grad der unfallbedingten MdE nicht völlig genau, sondern nur annäherungsweise feststellbar ist. Denn anders als etwa bei dem ebenfalls zu den Grundlagen der Rentenberechnung gehörenden Jahresarbeitsverdienst lässt sich der Prozentsatz der unfallbedingten MdE in aller Regel nicht mathematisch exakt festlegen, sondern nur annähernd bestimmen. Wie jede Schätzung enthält auch die Bewertung der MdE eine gewisse Schwankungsbreite. Hieraus hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass jede innerhalb einer Toleranzspanne liegende Schätzung gleichermaßen rechtmäßig ist, soweit dabei bestimmte Grenzen nicht überschritten werden. Als äußerste Grenze der Spanne hat schon das frühere Reichsversicherungsamt Abweichungen um 5 Prozentpunkte nach oben oder nach unten angesehen. Das BSG ist dem gefolgt und hat dabei auf gesetzliche Regelungen verwiesen, nach denen eine MdE von 10 v.H. die untere Grenze dessen ist, was medizinisch und wirtschaftlich messbar sei. Danach ist eine Schätzung der MdE durch den Versicherungsträger so lange als rechtmäßig anzusehen, wie eine spätere Schätzung durch das Gericht bzw. den von ihm gehörten ärztlichen Sachverständigen nicht um mehr als 5 Prozentpunkte von der früheren abweicht. Dies gilt allerdings nur, sofern im Verwaltungsverfahren die Schätzungsgrundlagen richtig ermittelt worden sind, alle für die Schätzung wesentlichen Umstände hinreichend gewürdigt, insbesondere die für die Schätzung relevanten Befunde vollständig und richtig erhoben worden sind und unverändert vorliegen sowie die Schätzung selbst nicht auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht (BSG, Urteil vom 17.12.1975 - 2 RU 35/75; Urteil vom 07.12.1976 - 8 RU 14/76 - beide in Juris).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden getroffene MdE-Bewertung nicht zu beanstanden.
Als Unfallfolgen bestanden beim Kläger auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet als Folgen einer zweitgradig offenen Unterarmfraktur links funktionelle Einschränkungen im Bereich des linken Unterarmes und linken Handgelenkes, vor allem des linken Radioulnargelenks sowie eine Atrophie der Unterarmmuskulatur links. Diese bedingten zunächst eine Teil-MdE von 20 v.H. bis zum 02.07.2009 und danach von 10 v.H. Der Senat stützt sich hierbei auf die Beurteilung von Prof. Dr. W. im Ersten Rentengutachten vom 06.07.2009 sowie von Dr. E. im zweiten Rentengutachten vom 23.03.2011.
Eine geringe residuale Nervus radialis-Teilschädigung, welche eine leichte Finger- und Daumenstreckerschwäche links bedingt, sowie Sensibilitätsstörungen an der Unterarmstreckseite (unfallbedingte Schädigung von Hautnerven) sind gleichfalls mit einer Einzel-MdE von 10 v.H. zu bewerten.
Darüber hinaus bestehen als dauerhafte Folge des SHTs leichte kognitive Störungen in Form einer beeinträchtigten fokussierten Aufmerksamkeit/visuellen Suche, einer reduzierten kognitiven Flexibilität mit Einschränkungen bei der formal lexikalischen Wortflüssigkeit und leichte Lern- und Gedächtnisprobleme. Die MdE infolge der Hirnschädigung mit geringer Leistungsbeeinträchtigung ist mit 10 v.H. zu bewerten. Der Senat stützt sich hierbei auf die Feststellungen und Bewertungen von Dr. X. im Gutachten vom 29.05.2012 sowie von Dr. N. im neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 05.06.2012. Dr. N. ist aufgrund einer umfassenden testpsychologischen Untersuchung des Klägers zu der Beurteilung gelangt, dass beim Kläger Defizite der kognitiven Flexibilität und Defizite im verbalen Lernen und Gedächtnis vorliegen, deren Ausmaß jedoch als leicht einzuschätzen sind. Allerdings ergaben sich bei der neuropsychologischen Untersuchung durch die Verhaltensbeobachtung während der Testsituation sowie durch Vergleiche mit vorherigen Leistungsbefunden auch Hinweise auf eine geringe Motivation und eine mangelnde Anstrengungsbereitschaft. Im Verlauf der Testung war eine steigende Anspannung sichtbar geworden, der Kläger war zunehmend gereizter geworden, lehnte jedoch angebotene Pausen wiederholt ab. Dr. N. hat dies dahingehend interpretiert, dass der Kläger ein Verhalten gezeigt habe, welches sich im Sinne eines inneren Widerstandes gegen die Gutachtenssituation interpretieren lasse, der ihn gehindert habe, sein volles Leistungsniveau zu erreichen. Zwar hätten keine Anhaltspunkte für Aggravation oder Simulation vorgelegen. Aufgrund der in einzelnen Teilbereichen im Vergleich zu den Vorbefunden deutlich verschlechterten Leistungen hätten sich jedoch Zweifel an einer kontinuierlichen Anstrengungsbereitschaft ergeben. Es bestünden demnach berechtigte Zweifel, dass die in den Testergebnissen gezeigten Fähigkeiten und Einschränkungen dem tatsächlichen kognitiven Leistungsvermögen entsprächen. Deshalb sei zu erwarten, dass sich der Abruf einiger Leistungen unter günstigen motivationalen und situativen Bedingungen bessere. Der Senat hält diese Beurteilung für überzeugend und macht sie sich zu eigen.
Der Senat folgt nicht der Beurteilung von Dr. C. in dessen Stellungnahme vom 12.02.2010 bzw. den Gutachten vom 01.03.2011 und 12.08.2009, wonach die neuropsychologischen Auffälligkeiten bei Zustand nach mittelschwerem SHT mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten seien. Denn bei der zweiten Begutachtung erzielte der Kläger teilweise schlechtere Ergebnisse als bei der 18 Monate zuvor durchgeführten Voruntersuchung. Soweit Dr. C. dies auf die schnellere Testdurchführung mit geringerer Erholungszeit zurückführte, ist er nicht der Frage nachgegangen, welche Ergebnisse der Kläger bei ausreichender Erholungszeit hätte erzielen können. Hiermit hat sich jedoch Dr. N. eingehend auseinandergesetzt und zutreffend ausgeführt, das Verhalten des Klägers während der Testsituation habe deutliche Hinweise darauf ergeben, dass es ihm im Sinne einer Reaktanz auf die Gutachtenssituation nicht gelungen sei, sein volles Leistungsniveau zu erreichen. Er habe plakativ seine Erschöpfung demonstriert, angebotene Pausen jedoch wiederholt abgelehnt. Hierfür sprächen auch die im Vergleich zu den Vorbefunden deutlich verschlechterten Leistungen.
Der Senat teilt nicht die von Dr. X. getroffene Beurteilung der Gesamt-MdE, wonach diese ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit vom 11.05.2009 bis zum 02.07.2009 auf 30 v.H. und ab dem 03.07.2009 auf 25 v.H zu schätzen sei. Denn zur Überzeugung des Senats überschneiden sich die am linken Arm bzw. der linken Hand auf unfallchirurgisch-orthopädischem und neurologischem Fachgebiet verbliebenen Gesundheitsbeeinträchtigungen weitgehend. So hat Dr. X. z.B. ausgeführt, eine leichte Finger- und Daumenstreckerschwäche links sei bedingt durch die geringe residuale Nervus radialis-Teilschädigung, möglicherweise jedoch auch durch direkte Muskelschädigungen infolge der Weichteilverletzung.
Dies kann letztlich jedoch dahingestellt bleiben, da die Bescheide selbst dann rechtmäßig sind, wenn der Beurteilung der Gesamt-MdE durch den Sachverständigen Dr. X. im Gutachten vom 29.05.2012 gefolgt wird. Denn die Beklagte hat die Schätzungsgrundlagen richtig ermittelt, alle für die Schätzung wesentlichen Umstände hinreichend gewürdigt und ihrer Schätzung auch keine falschen oder unsachlichen Erwägungen zugrunde gelegt. Die Beklagte hat nämlich alle verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt und auch deren jeweiligen Schweregrad zutreffend angenommen. Sie ist lediglich von einer stärkeren Überschneidung der durch die einzelnen Gesundheitsbeeinträchtigungen bedingten Funktionsstörungen ausgegangen. Sie ist in den angefochtenen Bescheiden auch nicht um mehr als 5 Prozentpunkte von der Schätzung des gerichtlichen Sachverständigen abgewichen, so dass ihre Schätzung als rechtmäßig anzusehen ist.
Das Urteil des SG war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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