L 1 KR 473/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 26 KR 25/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 473/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 64/12 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Köln vom 29.07.2011 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 11.01.2008 und 09.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2009 verurteilt, Krankengeld für die Zeit vom 29.10.2007 bis zum 23.11.2007 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Krankengeld für die Zeit vom 29.10.2007 bis 23.11.2007 (Gesamtbetrag 986,44 EUR).

Die am 00.00.1973 geborene Klägerin schloss am 17.10.2007 mit der Firma L-Warenhaus AG einen Arbeitsvertrag für Aushilfskräfte. Die Vertragsparteien vereinbarten eine Beschäftigung der Klägerin ab dem 29.10.2007 bis zum 31.12.2007 als Verkäuferin. Der Facharzt für Chirurgie Prof. Dr. O stellte am 22.10.2007 Arbeitsunfähigkeit vom 22.10.2007 bis 13.11.2007 und am 12.11.2007 weiterbestehende Arbeitsunfähigkeit bis zum 23.11.2007 fest. Am 24.11.2007 nahm die Klägerin die Tätigkeit auf. Vor Aufnahme ihrer Beschäftigung war die Klägerin gemäß § 10 SGB V familienversichert.

Mit Bescheid vom 11.01.2008 lehnte die Beklagte den Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 22.10.2007 bis 23.11.2007 ab: Weil die Klägerin zum Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme am 29.10.2007 arbeitsunfähig gewesen sei, sei ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht begründet worden. Bis zum 23.11.2007 bleibe die Familienversicherung erhalten, ein Anspruch auf Krankengeld werde hierdurch nicht begründet.

Mit einem am 29.04.2008 bei der Beklagten erstmals eingegangenen Schreiben legte die Klägerin einen Widerspruch vom 18.01.2008 gegen diese Entscheidung vor: Die zu Beginn der vereinbarten Beschäftigung bestehende Arbeitsunfähigkeit stehe gemäß § 186 Abs. 1 SGB V einer Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten als Beschäftigte nicht entgegen.

Mit Bescheid vom 09.05.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit dem Einleitungssatz "Wir haben erneut Ihren Widerspruch geprüft und sind zu folgendem Ergebnis gekommen " mit, dass sie keinen Anspruch auf Krankengeld habe. Nach Besprechungsergebnissen der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 24./25.06.1998 und 17./18.09.1998 entstehe bei Arbeitsunfähigkeit die Mitgliedschaft als versicherungspflichtig Beschäftigte nach § 186 Abs. 1 SGB V mit dem Tag, an dem ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bestehe. Die Klägerin habe ab dem 29.10.2007 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gehabt. Eine Mitgliedschaft entstehe demnach erst ab dem Tag, an dem die Klägerin Arbeitsentgelt erhalten habe, somit ab dem 24.11.2007.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.01.2008 wies die Beklagte mit Bescheid vom 29.01.2009 sowohl als verfristet als auch in der Sache nicht begründet zurück.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 12.02.2009 Klage erhoben. Sie hat weiterhin gemeint, die Arbeitsunfähigkeit stehe gemäß § 186 Abs. 1 SGB V einer Mitgliedschaft als versicherungspflichtig Beschäftigte ab 29.10.2007 nicht entgegen. Die Rechtsfigur des "missglückten Arbeitsversuchs" habe das BSG aufgegeben, aufgrund der seit 01.01.1998 gültigen Fassung des § 186 Abs. 1 SGB V sei für den Beginn der Mitgliedschaft als Beschäftigte in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erforderlich, dass die Arbeit tatsächlich aufgenommen wurde. Maßgeblich sei lediglich, dass ein bestimmter Tag für die Aufnahme der Beschäftigung vereinbart worden sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.01.2008 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29.01.2009 zu verurteilen, ihr Krankengeld vom 29.10.2007 bis 23.11.2007 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Auffassung beginnt für den Fall, dass ein Versicherter zum Zeitpunkt der arbeitsvertraglich vereinbarten Aufnahme der Beschäftigung arbeitsunfähig ist, die Mitgliedschaft erst mit dem Bestehen eines Entgeltvorzahlungsanspruchs bzw. der tatsächlichen Aufnahme der Beschäftigung. Die Beklagte hat auf die Begründung des Entwurfs zum Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen (BT-Drucksache 13/9741) verwiesen. Mit diesem Gesetz sei die aktuelle Fassung von § 186 Abs. 1 SGB V festgelegt worden, weshalb die Gesetzesbegründung für die Auslegung maßgeblich sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.07.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich der Argumentation der Beklagten angeschlossen und ergänzend gemeint, einem Anspruch auf Krankengeld stehe auch entgegen, dass der Klägerin kein Entgelt entgangen sei, das durch Krankengeld ersetzt werden müsse.

Gegen diese am 11.08.2011 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 24.08.2011 erhobene Berufung der Klägerin. Die Klägerin meint: Die sich aus der Gesetzesbegründung ergebende Einschränkung, für den Beginn der Mitgliedschaft als versicherungspflichtige Beschäftigte müsse ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehen, habe im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden und sei deshalb unbeachtlich.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 29.07.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 11.01.2008 und 09.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 29.01.2009 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 29.10.2007 bis 23.11.2007 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Gerichtsbescheid ist zu ändern, denn angefochtene Bescheid ist rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 29.10.2007 bis 23.11.2007.

1. Der Umstand, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.01.2008 möglicherweise verfristet erhoben wurde und dieser damit bindend geworden ist (Bestandskraft, § 77 SGG), steht der Zubilligung eines Anspruchs auf Krankengeld nicht entgegen. Denn die Beklagte hat mit Bescheid vom 09.05.2008 erneut über den Anspruch entschieden. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass Einigkeit darüber besteht, dass der Widerspruchsbescheid vom 29.01.2009 auch den Bescheid vom 09.05.2008 erfasst. Diese Interpretation des Widerspruchsbescheides ist zutreffend, denn die Beklagte hat sich in dem Widerspruchsbescheid ebenso wie in dem Bescheid vom 09.05.2008 zur Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs nicht (nur) auf die Bestandskraft des Bescheides vom 11.01.2008 berufen, sondern den Anspruch auch nach nochmaliger materieller Rechtsprüfung verneint.

2. Anspruch auf Krankengeld haben "Versicherte" ua dann, wenn - wie hier geltend gemacht wird - Krankheit sie arbeitsunfähig macht (§ 44 Abs 1 SGB V). Die Klägerin war ab dem 29.10.2007 Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld (dazu a). Sie war vom 29.10.2007 bis 23.11.2007 arbeitsunfähig (dazu b). Die nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V notwendige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit liegt für diesen Zeitraum ebenfalls vor (dazu c).

a) Mit dem Arbeitsvertrag vom 17.10.2007 ist die Klägerin ab 29.10.2007 bis zum 31.12.2007 ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis eingegangen. Damit war sie ab diesem Zeitraum versicherungspflichtig Beschäftigte gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Die nachrangige (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) Familienversicherung endete mit dem 28.10.2007, so dass ab dem 29.10.2007 der Ausnahmetatbestand des § 44 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nicht greift.

Der Umstand, dass die Klägerin zu Beginn der vereinbarten Beschäftigung arbeitsunfähig war, steht einer Mitgliedschaft ab dem 29.10.2007 nicht entgegen. Die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Beschäftigter beginnt gemäß § 186 Abs. 1 SGB V mit dem Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis. Ein Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 186 Abs. 1 SGB V liegt auch vor, wenn zum Zeitpunkt der geplanten Arbeitsaufnahme eine Freistellung von der Arbeit oder Arbeitsunfähigkeit bestehen (Peters, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 186 SGB V RdNr. 10; Michels, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 186 RdNr. 5; Felix, in: JurisPK-SGB V § 186 RdNr. 12).

Bei Arbeitsunfähigkeit ist der Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis für den Beginn der Mitgliedschaft unabhängig davon maßgeblich, ob der Beschäftigte Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat (aA Michels, in: Becker/Kingreen SGB V § 186 RdNr. 5; Baier, in: Krauskopf, SGB V, § 186 RdNr. 6; Sommer, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 186 RdNr. 13; Besprechungsergebnisse der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 24./25.06.1998 und vom 17./18.09.1998). Dem Anspruch auf Krankengeld steht damit nicht entgegen, dass die Klägerin wegen der vierwöchigen Wartezeit gem. § 3 Abs. 3 EFZG am 29.01.2007 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hatte.

Der Wortlaut von § 186 Abs. 1 SGB V ordnet eine Einschränkung auf Versicherte mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht an (so auch Peters, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 186 SGB V RdNr. 10; Hänlein, in: LPK-SGB V § 186 RdNr. 5; Sommer, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 186 RdNr. 13; offen gelassen von BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 9/06 R; SozR 4-2500 § 47 Nr. 6 = BSGE 98, 33). Diese ließe sich allein mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift begründen. Denn in der Begründung zur Neufassung des § 186 Abs. 1 SGB V ab 01.01.1998 durch das Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen wird ausgeführt (BT-Drucksache 13/9741 Seite 12):

"Die Vorschrift bewirkt darüber hinaus, dass eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung - ebenso wie die Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung - auch dann beginnt, wenn die Beschäftigung wegen einer Erkrankung nicht zu dem im Arbeitsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt aufgenommen werden kann, sofern der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts hat."

Eine dieser Gesetzesbegründung entsprechende teleologische Reduktion von § 186 Abs. 1 SGB V ist jedoch nicht vorzunehmen.

Allgemein anerkannt ist, dass bei der Auslegung von Rechtsnormen nicht nur am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist, sondern der Sinn der Norm zu erforschen ist. Maßgeblich für das Verständnis einer Rechtsvorschrift ist der in ihrem Wortlaut zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so dass der teleologischen, am Normzweck ausgerichteten Auslegung wesentliches Gewicht zukommt. Um den Sinn und Zweck einer Norm zu ermitteln, sind wiederum ihr Bedeutungszusammenhang und ihre Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen. Grundsätzlich zulässig ist in den danach zu ziehenden Grenzen die teleologische Reduktion, d.h. eine Auslegung, die zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs einer Norm gegenüber ihrem Wortlaut führt, weil Sinn und Zweck der Vorschrift dies gebieten (BSG, Urteil vom 04.12.2001 - B 2 U 37/00 R, SozR 3-2700 § 9 Nr. 6 m.w.N.).

Sinn und Zweck des § 186 Abs. 1 SGB V gebieten eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 186 Abs. 1 SGB V entsprechend der Gesetzesbegründung nicht zwingend (ebenso Hänlein, in: LPK-SGB V § 186 RdNr. 5). Eine solche Einschränkung findet ihre Rechtfertigung insbesondere nicht darin, dass Beschäftigungsverhältnis und Entgeltzahlung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung eine enge Verzahnung aufweisen und nach der mit § 186 Abs. 1 SGB V korrespondierenden Norm des § 190 Abs. 2 SGB V die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit Ablauf des Tages endet, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet (so aber Sommer, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 186 RdNr. 13). Denn bei dem von der Klägerin eingegangenen Beschäftigungsverhältnis, auf dessen Bestehen § 186 Abs. 1 SGB V allein abstellt, handelt es sich von Beginn an um ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis, im Rahmen dessen die Klägerin Arbeitsleistung und die Arbeitgeberin Entgeltzahlung schuldet. Die zu Beginn der Beschäftigung vorliegende Arbeitsunfähigkeit mit einem Ausschluss eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung gem. § 3 Abs. 3 EFZG ändert nichts an der Entgeltlichkeit des Beschäftigungsverhältnisses. Auch ist eine Einschränkung des Anwendungsbereichs - wie etwa das Sozialgericht meint - nicht mit dem Argument möglich, dass dem Betroffenen ohne Entgeltfortzahlungsanspruch kein Entgelt entgehe, das durch das Krankengeld als Entgeltersatzleistung (§ 47 Abs. 3 SGB V) ersetzt werden könne. Denn dem bei Beginn eines vereinbarten Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähigen Versicherten geht der vereinbarte Arbeitslohn wegen der Krankheit verloren. Den Verlust dieses Anspruchs auszugleichen, ist der Sinn und Zweck des Krankengeldes.

b) Die Klägerin war wegen Krankheit arbeitsunfähig vom 29.10.2007 bis 23.11.2007. Maßgeblicher beruflicher Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit (hierzu Brandts, in: Kasseler Kommentar zu Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB V RdNr. 30) ist hier das den Versicherungsschutz als entgeltlich Beschäftigte begründende Beschäftigungsverhältnis als Verkäuferin bei der L-AG. Der Senat hat ebenso wie die Beklagte keine Zweifel, dass sich die von Prof. Dr. O bis zum 23.11.2007 festgestellte Arbeitsunfähigkeit auf diese Tätigkeit bezieht. Auch wenn die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 22.10.2007 zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Beschäftigung noch nicht aufgenommen worden war, so steht für den Senat doch fest, dass Prof. Dr. O die Arbeitsfähigkeit im Hinblick auf die angestrebte Tätigkeit der Klägerin als Verkäuferin bei der L AG beurteilt hat. Denn zum einen hatte die Klägerin den Arbeitsvertrag bereits am 17.10.2007 abgeschlossen, zum anderen datiert die Folgebescheinigung wegen derselben Diagnose vom 12.11.2007, also einem Zeitpunkt nach Beginn der Beschäftigung.

c) Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin vom 29.10.2007 bis 23.11.2007 war ärztlich festgestellt. Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.

Für den Zeitraum vom 22.10.2007 bis zum 23.11.2007 liegt die notwendige ärztliche Feststellung vor. Prof. Dr. O attestierte am 22.10.2007 zunächst Arbeitsunfähigkeit vom 22.10.2007 bis 13.11.2007, sodass zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Begründung einer Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld am 29.10.2007 die ärztliche Feststellung mehr als einen Tag zuvor vorlag und sich bis zum 13.11.2007 erstreckte. Die erneute Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 12.11.2007 ließ an dem darauffolgenden Tag des 13.11.2007 den Krankengeldanspruch erneut entstehen und begründete ihn weiter bis zum 23.11.2007.

Der Anspruch scheitert nicht etwa daran, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bereits am 22.10.2007 - also zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 1 SGB V noch ohne Anspruch auf Krankengeld familienversichert war - erstmals ärztlich festgestellt worden war. Der Umfang des Versicherungsschutzes nach dem SGB V und speziell der Umfang des Krankengeldanspruchs beruhen auf dem im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung wirksamen Versicherungsverhältnis. Das zu diesem Zeitpunkt bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" einen Anspruch auf Krankengeld hat (BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R; Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 9/06 R, SozR 4-2500 § 47 Nr. 6 = BSGE 98,33). Die Forderung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V nach vorgeschalteter Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt soll lediglich einen Missbrauch und praktische Schwierigkeiten verhindern, zu denen die nachträgliche Behauptung und rückwirkende Feststellung von Arbeitsunfähigkeit führen könnte (vergl. nur BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1 = BSGE 95, 219; Brandts, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 46 SGB V RdNr. 2). Die Vorschrift legt damit nur den frühesten Zeitpunkt der Anspruchsentstehung fest. Einen weitergehenden Regelungsgehalt - insbesondere die Festlegung eines Begriffs der Anspruchsentstehung abweichend von den sonstigen allgemeinen Regeln des Sozialrechts - hat § 46 SGB V nicht (in diesem Sinne auch Joussen, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 46 RdNr. 1). Die Vorschrift schließt also nicht etwa den Krankengeldanspruch aus, wenn erst später im Laufe des festgestellten Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld begründet wird Auch für die Entstehung des Anspruchs auf Krankengeld gilt die (durch § 46 SGB V modifizierte) allgemeine Regel (§ 40 Abs. 1 SGB I), wonach Ansprüche entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 39/02 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 2)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen. Die Frage des Beginns der Mitgliedschaft als versicherungspflichtige Beschäftigte nach § 186 Abs. 1 SGB V ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und hat grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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