Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 11 R 1053/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einstufung eines Versicherten nach § 240 SGB VI, wenn das Facharbeiterzeugnis in der DDR im Rahmen einer Erwachsenenqualifizierung erworben worden ist.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011 verurteilt, dem Kläger ab 1. September 2009 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer sowie ab 1. September 2012 bis zum 31. August 2013 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Der Kläger streitet mit der Beklagten über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der 1960 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Baufacharbeiters und erwarb ein entsprechendes Facharbeiterzeugnis (Zeugnis vom 15. Juli 1979, Seite 13 Verwaltungsakte). Ab Juli 1979 bis Februar 1996 arbeitete er als Schlosser. Im August 1982 erwarb er einen Facharbeiterabschluss als Betriebsschlosser (Zeugnis vom 27. August 1982, Seite 13 Verwaltungsakte). Ab April 1996 bis Oktober 1998 arbeitete er als Baufacharbeiter. Von Mai 1999 bis Juni 2000 arbeitete er wiederum als Schlosser. Von Januar 2003 bis Juli 2003 war er als Vorarbeiter tätig. Von März 2004 bis November 2004 war er als Hausmeister beschäftigt, von August 2007 bis Juli 2008 als Monteur und von August 2008 bis Mai 2009 als Schlosser und Monteur bei einer Zeitarbeitsfirma.
Ab 20. April 2009 war der Kläger wegen Rückenschmerzen krankgeschrieben (siehe Unterlagen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt, Seite 3 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Am 8. September 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Im Zeitraum vom 11. November 2009 bis zum 2. Dezember 2009 führte er eine Rehabilitationsmaßnahme in der Rehabilitationsklinik B. durch (siehe Rehabilitationsentlassungsbericht vom 21. Dezember 2009, Seite 9 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Am 26. November 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte Befundberichte ein (Dipl.-Med. F., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 13. Dezember 2010; Dr. H., Facharzt für Orthopädie, vom 11. Januar 2011) und beauftragte Dipl.-Med. B., Facharzt für Orthopädie, mit der Erstellung eines Gutachtens (Gutachten vom 2. Februar 2011, Seite 29 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 14. Februar 2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den gegen den Bescheid am 7. März 2011 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2011 zurück. Darin führte sie unter anderem aus, dass bei dem Kläger ein Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft und extreme Temperaturschwankungen, ohne häufiges Hocken und Knien sowie ohne häufige Überkopfarbeiten vorliege. In seinem Hauptberuf als Schlosser sei er der Gruppe der Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen. Er sei daher zumutbar auf die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer für ein Dentallabor verweisbar.
Am 7. Oktober 2011 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Halle erhoben. Durch verschiedene bei ihm vorliegende Krankheitsbilder sei er nicht mehr an der Lage, eine Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt auszuüben. Auch die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer für Dentallabore könne er nicht ausüben. Durch starke Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, den Knien und der Hüfte sei bereits das Ein- und Aussteigen aus einem Fahrzeug mit größten Schwierigkeiten verbunden. Da er viele Jahre in seinem Beruf als Schlosser gearbeitet habe, sei es schwierig für ihn, sich an einen neuen Arbeitsplatz anzupassen und zu gewöhnen. Er sei nicht leicht integrierbar. Er sei auch nicht in der Lage, Strecken über 500 m zurück zu legen. Außerdem seien zusätzliche Pausen nötig.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011 zu verurteilen, dem Kläger ab 1. September 2009 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer und ab 1. September 2012 unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles am 14. Februar 2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31. August 2013 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen im Bescheid und Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt (Dipl.-Med. F. vom 13. Dezember 2011, Seite 62 Gerichtsakte; Dr. H. vom 15. Dezember 2011, Seite 67 Gerichtsakte), die Akte des Klägers von der Agentur für Arbeit beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch Prof. Dr. R., Facharzt für Orthopädie (Gutachten vom 15. Februar 2012, Seite 86 Gerichtsakte).
Wegen des Inhaltes des Rehabilitationsentlassungsberichtes, der Befundberichte, der Gutachten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte verwiesen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat ab 1. September 2009 einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer. Der insoweit entgegenstehende Bescheid vom 14. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011 ist rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und war abzuändern.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Dieser Anspruch ist von dem Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu unterscheiden, da § 240 Abs. 1 SGB VI einen eigenen Anspruch normiert. Dies ergibt sich bereits aus § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 4 SGB VI sowie § 89 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 und 11 SGB VI. Danach ist die Rente nach § 240 Abs. 1 SGB VI als eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach den Vorschriften des Fünften Kapitels von einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu unterscheiden (siehe z. B. Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 33, Rn. 5).
Der Kläger ist seit dem 20. April 2009 berufsunfähig.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit vom bisherigen Beruf auszugehen. Es ist zu prüfen, ob dieser Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausgeübt werden kann. Ist der Versicherte hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten der Versicherte verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urt. vom 24. Januar 1994, Az: 4 RA 35/93, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; Urteil vom 16. November 2000, Az: B 13 RJ 79/99 R, SozR 3-2600 § 43 Nr. 23, S. 78; jeweils m.w.N.). Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei ist nicht unbedingt auf die letzte Berufstätigkeit abzustellen, sondern auf diejenige, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1985, Az: 4a RJ 53/84, SozR 2200 § 1246 Nr. 130 m.w.N.).
Bisheriger Beruf des Klägers in diesem Sinne ist dessen Tätigkeit als Schlosser. Diese Tätigkeit ist die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit, die der Kläger ausgeübt hat. Auch in Hinsicht auf die sonstige Erwerbsbiografie des Klägers ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit als Schlosser sein Hauptberuf ist.
Den Beruf als Schlosser kann der Kläger seit 20. April 2009 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit vor der Rehabilitationsmaßnahme) dauerhaft nicht mehr ausüben. Verschiedene orthopädische Erkrankungen und damit einhergehende Funktionseinschränkungen schlossen es nach Einschätzung der Rehabilitationsklinik B. aus, dass der Kläger die Tätigkeit als Schlosser weiterhin ausübt. Auch Dipl.-Med. B. kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Kläger als Schlosser auf Dauer nicht mehr einsetzbar ist. Da bei der Tätigkeit als Schlosser auch schwere Tätigkeitsanteile anfallen können und der Kläger nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichten kann, ist diese Einschätzung nachvollziehbar. Da die Beklagte ebenfalls davon ausgeht, dass der Kläger nicht mehr als Schlosser einsetzbar ist, kann auf eine weitere Begründung verzichtet werden.
Damit ist der Kläger aber noch nicht berufsunfähig. Die soziale Zumutbarkeit eines Verweisungsberufs richtet sich nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Arbeiter- und Angestelltenberufe in Gruppen eingeteilt, wobei der Stufenbildung im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt wurde. Sozial zumutbar sind grundsätzlich nur Tätigkeiten der im Verhältnis zum bisherigen Beruf gleichen oder nächst niederen Stufe (vgl. BSG, 12.9.1991 - 5 RJ 34/90 - SozR 3-2200 § 1246, Nr. 17, S. 65, m.w.N.; BSG 22.2.1990 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 2, S. 9).
Dabei werden folgende Stufen unterschieden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3) und weitere hier nicht in Betracht kommende Stufen mit höheren Qualifikationsanforderungen (zu diesen Stufen: BSG, 29.7.2004 - B 4 RA 5/04 R - zit. nach Juris). Die Stufe 2, auch als Gruppe der Angelernten bezeichnet, unterteilt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wegen der Vielschichtigkeit und Inhomogenität dieser Berufsgruppe in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit von 3 bis 12 Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten zuzuordnen (vgl. BSG, 29.3.1994 - 13 RJ 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Bei Angelernten des oberen Bereichs sind im Gegensatz zu Angelernten des unteren Bereichs sowie Ungelernten Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (Niesel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI, Rn. 101, 102).
Der Kläger ist als Facharbeiter in die Stufe 3 einzuordnen.
Bei in der ehemaligen DDR erlernten Berufen kommt der Facharbeiterstatus in Betracht, wenn sie im alten Bundesgebiet diesen Status haben, auch wenn nur eine zweijährige Ausbildung vorgeschrieben war (Niesel in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 43, Rn. 31). Für den Erwerb von Berufsschutz ist nicht erheblich, ob der Versicherte im Einzelfall die Regelausbildungszeit durchlaufen hat. Vielmehr ist der Erwerb einer Facharbeiterqualifikation auch im Rahmen einer Erwachsenenbildung möglich (BSG, Urteil vom 20. Juni 2002, B 13 RJ 13/02 R, dokumentiert in juris, 1. Orientierungssatz). Das Bundessozialgericht hat dazu in einer weiteren Entscheidung ausgeführt (Urteil vom 21. Juni 2001, B 13 RJ 45/00 R, dokumentiert in juris, Rn. 32): "Demgegenüber ist jedenfalls davon auszugehen, daß der Tätigkeit des Klägers als Lager- und Transportarbeiter entgegen der Auffassung der Beklagten Facharbeiterqualität beizumessen ist. Der Kläger verfügt für diesen Beruf über ein entsprechendes Facharbeiterzeugnis vom 17. Januar 1986. Unerheblich ist, daß er nicht die Regelausbildungszeit von 2 1/2 Jahren durchlaufen hat, sondern das Facharbeiterzeugnis im Rahmen einer - besonderen - Erwachsenenausbildung erworben hat. Grundsätzlich wird als Voraussetzung für die Einstufung als Facharbeiter auf eine regelmäßige Ausbildungsdauer von über zwei Jahren abgestellt (vgl zB BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 15). Dies schließt im Einzelfall eine kürzere oder längere Ausbildungsdauer nicht aus. So ist auch nach dem Berufsbildungsgesetz eine Abkürzung oder Verlängerung der Ausbildungsdauer möglich (vgl dort § 29). Nichts anderes kann gelten, soweit für bestimmte Personengruppen generell eine verkürzte Ausbildung für einen Beruf möglich ist, dessen allgemeine Regelausbildung über zwei Jahren liegt (vgl zum Erwachsenenberuf auch BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 14)."
Ein Facharbeiter in diesem Sinne, der in seinem erlernten Beruf tätig wird, ist "a priori" Facharbeiter (Niesel, a. a. O., Rn. 31, 30). Bei diesen muss dann nicht mehr geprüft werden, ob er die Tätigkeit einem Facharbeiter vergleichbar ausgeübt hat. Dieses Erfordernis besteht nur, wenn ein Versicherter ohne Facharbeiterabschluss in einem Beruf tätig geworden ist, für den eine Facharbeiterausbildung vorgeschrieben ist.
Der Kläger hat zuletzt als Schlosser arbeitet. Dies wird auch durch die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III des letzten Arbeitgebers, der T. GmbH, vom 24. April 2009 (Seite 206 Akte der Agentur für Arbeit) bestätigt. Die Tätigkeit eines Schlossers in der DDR ist der Tätigkeit als Schlosser in den Altbundesländern vergleichbar (siehe Seite 117 ff. Gerichtsakte). Dass der Kläger den Facharbeiterabschluss nur im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung erreicht hat, spielt nach der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes keine Rolle. Sofern die Beklagte einwendet, dass die Ausbildungszeit unter zwei Jahren lag, kommt es darauf nicht an. Zum einem dauerte die Facharbeiterausbildung in der Erwachsenqualifizierung in der DDR in der Regel zwischen einem halben Jahr und anderthalb Jahren, da vorhandene Qualifikationen und bereits erworbene Arbeits- und Lebenserfahrungen konsequent berücksichtigt worden sind (Dietrich in "Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung" - Das System beruflicher Erwachsenenbildung in der ehemaligen DDR mit Ausblick auf künftige Strukturprobleme in den neuen Bundesländern, 1991, www.iab.de Stichwortsuche: Dietrich DDR). Zum anderen verkennt die Beklagte hier nach Ansicht des Gerichtes die Prüfungsreihenfolge. Bei in der DDR erworbenen Facharbeiterabschlüssen ist zu fragen, ob der Facharbeiterstatus deshalb eingeräumt werden kann, weil in den Altbundesländern vergleichbare Berufsbilder diesen Status haben. Wird diese Frage bejaht, hat der Betreffende Versicherte den Facharbeiterstatus, sofern er im Beruf gearbeitet hat. Die Beklagte kann das gefundene Ergebnis nicht dadurch in Abrede stellen, dass der Facharbeiterabschluss an sich in Frage gestellt wird. Damit würde letztendlich das Facharbeiterzeugnis entwertet, welches ausdrücklich den Facharbeiterstatus verleiht. Etwas anderes kann bei in der DDR verliehenen Facharbeiterzeugnissen nur gelten, wenn es keine vergleichbaren Facharbeitertätigkeiten in den Altbundesländern gab bzw. gibt (siehe z. B. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 31. August 2004, L 6 RJ 83/03, dokumentiert in juris).
Der Kläger kann nicht auf die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer in einem Dentallabor verwiesen werden. Diese Tätigkeit ist ihm nicht zumutbar, da es sich dabei um eine ungelernte Tätigkeit handelt. Davon geht die Beklagte im Widerspruchsbescheid aus, wenn sie ausführt, dass die Tätigkeit in drei Monaten erlernbar ist. Auch das Gericht ist überzeugt davon, dass diese Tätigkeit innerhalb weniger Tage zu erlernen ist. An der im Bescheid vom 14. Februar 2011 genannten Verweisungstätigkeit als Montierer hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid nicht mehr festgehalten, da hier keine Möglichkeit besteht, erforderliche Haltungswechsel durchzuführen (siehe Stellungnahme des prüfärztlichen Dienstes vom 1. Juli 2011, Seite 46 Gutachtenteil Verwaltungsakte).
Bei einem Leistungsfall am 20. April 2009 liegen auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vor. Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 50 Abs. 1 Satz 1, § 51 Abs. 1 SGB VI: siehe Seite 34 Verwaltungsakte). Im Zeitraum vom 20. April 2004 bis zum 19. April 2009 hat der Kläger 61 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen (siehe Seite 8 Kontenspiegel vom 13. Januar 2011, Seite 29 Verwaltungsakte Rückseite). Die Voraussetzung des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ist somit ebenfalls erfüllt.
Die Rente beginnt am 1. September 2009 (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI), da der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 8. September 2009 als Antrag auf Rente gilt (§ 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI) und damit bei einem Leistungsfall am 20. April 2009 nicht innerhalb der Dreikalendermonatsfrist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum 31. Juli 2009 gestellt worden ist. Die Rente ist nach § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI auf Dauer zu gewähren, da die Gesundheitseinschränkungen des Klägers, die ihn hindern, die Tätigkeit als Schlosser auszuüben, auf Dauer bestehen.
Der Kläger hat für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2012 auch einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Volle Erwerbsminderung liegt auch vor, wenn Versicherte nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Dazu gehört z. B. auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (siehe zuletzt BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011, B 13 R 79/11 R, dokumentiert in juris, Rn. 20).
Nach dem Gutachten von Prof. Dr. R. ist der Kläger zumindest seit der Untersuchung am 14. Februar 2012 aufgrund einer Coxarthrose insbesondere im Bereich des linken Hüftgelenk nicht mehr in der Lage, wegen der dabei auftretenden Schmerzen viermal täglich eine Wegstrecke von 500 m zurücklegen. Der Kläger kann auch nicht auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs verwiesen werden, da die Ehefrau den PKW, der auch auf sie angemeldet ist, benötigt, um damit zur Arbeit zu fahren. Die Beklagte hat auch nicht durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine ausreichende Mobilität des Klägers wiederhergestellt (BSG, a. a. O., Rn. 24).
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind erfüllt (allgemeine Wartezeit s. o., 3/5-Belegung wegen § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI).
Die Rente ist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 und 5 SGB VI zu befristen, da die Wegefähigkeit nach Einschätzung des Gutachters wieder erreicht werden kann (Versorgung mit Hüftprothesen). Sie beginnt nach § 101 Abs. 1 SGB VI ausgehend von dem Leistungsfall am 14. Februar 2012 am 1. September 2012. Während des Bezuges der Rente wegen voller Erwerbsminderung und der Rente nach § 240 SGB VI wird nur die höhere Rente geleistet (§ 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger streitet mit der Beklagten über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der 1960 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Baufacharbeiters und erwarb ein entsprechendes Facharbeiterzeugnis (Zeugnis vom 15. Juli 1979, Seite 13 Verwaltungsakte). Ab Juli 1979 bis Februar 1996 arbeitete er als Schlosser. Im August 1982 erwarb er einen Facharbeiterabschluss als Betriebsschlosser (Zeugnis vom 27. August 1982, Seite 13 Verwaltungsakte). Ab April 1996 bis Oktober 1998 arbeitete er als Baufacharbeiter. Von Mai 1999 bis Juni 2000 arbeitete er wiederum als Schlosser. Von Januar 2003 bis Juli 2003 war er als Vorarbeiter tätig. Von März 2004 bis November 2004 war er als Hausmeister beschäftigt, von August 2007 bis Juli 2008 als Monteur und von August 2008 bis Mai 2009 als Schlosser und Monteur bei einer Zeitarbeitsfirma.
Ab 20. April 2009 war der Kläger wegen Rückenschmerzen krankgeschrieben (siehe Unterlagen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt, Seite 3 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Am 8. September 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Im Zeitraum vom 11. November 2009 bis zum 2. Dezember 2009 führte er eine Rehabilitationsmaßnahme in der Rehabilitationsklinik B. durch (siehe Rehabilitationsentlassungsbericht vom 21. Dezember 2009, Seite 9 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Am 26. November 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte Befundberichte ein (Dipl.-Med. F., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 13. Dezember 2010; Dr. H., Facharzt für Orthopädie, vom 11. Januar 2011) und beauftragte Dipl.-Med. B., Facharzt für Orthopädie, mit der Erstellung eines Gutachtens (Gutachten vom 2. Februar 2011, Seite 29 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 14. Februar 2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den gegen den Bescheid am 7. März 2011 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2011 zurück. Darin führte sie unter anderem aus, dass bei dem Kläger ein Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft und extreme Temperaturschwankungen, ohne häufiges Hocken und Knien sowie ohne häufige Überkopfarbeiten vorliege. In seinem Hauptberuf als Schlosser sei er der Gruppe der Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen. Er sei daher zumutbar auf die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer für ein Dentallabor verweisbar.
Am 7. Oktober 2011 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Halle erhoben. Durch verschiedene bei ihm vorliegende Krankheitsbilder sei er nicht mehr an der Lage, eine Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt auszuüben. Auch die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer für Dentallabore könne er nicht ausüben. Durch starke Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, den Knien und der Hüfte sei bereits das Ein- und Aussteigen aus einem Fahrzeug mit größten Schwierigkeiten verbunden. Da er viele Jahre in seinem Beruf als Schlosser gearbeitet habe, sei es schwierig für ihn, sich an einen neuen Arbeitsplatz anzupassen und zu gewöhnen. Er sei nicht leicht integrierbar. Er sei auch nicht in der Lage, Strecken über 500 m zurück zu legen. Außerdem seien zusätzliche Pausen nötig.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011 zu verurteilen, dem Kläger ab 1. September 2009 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer und ab 1. September 2012 unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles am 14. Februar 2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31. August 2013 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen im Bescheid und Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt (Dipl.-Med. F. vom 13. Dezember 2011, Seite 62 Gerichtsakte; Dr. H. vom 15. Dezember 2011, Seite 67 Gerichtsakte), die Akte des Klägers von der Agentur für Arbeit beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch Prof. Dr. R., Facharzt für Orthopädie (Gutachten vom 15. Februar 2012, Seite 86 Gerichtsakte).
Wegen des Inhaltes des Rehabilitationsentlassungsberichtes, der Befundberichte, der Gutachten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte verwiesen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat ab 1. September 2009 einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer. Der insoweit entgegenstehende Bescheid vom 14. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011 ist rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und war abzuändern.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Dieser Anspruch ist von dem Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu unterscheiden, da § 240 Abs. 1 SGB VI einen eigenen Anspruch normiert. Dies ergibt sich bereits aus § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 4 SGB VI sowie § 89 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 und 11 SGB VI. Danach ist die Rente nach § 240 Abs. 1 SGB VI als eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach den Vorschriften des Fünften Kapitels von einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu unterscheiden (siehe z. B. Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 33, Rn. 5).
Der Kläger ist seit dem 20. April 2009 berufsunfähig.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit vom bisherigen Beruf auszugehen. Es ist zu prüfen, ob dieser Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausgeübt werden kann. Ist der Versicherte hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten der Versicherte verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urt. vom 24. Januar 1994, Az: 4 RA 35/93, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; Urteil vom 16. November 2000, Az: B 13 RJ 79/99 R, SozR 3-2600 § 43 Nr. 23, S. 78; jeweils m.w.N.). Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei ist nicht unbedingt auf die letzte Berufstätigkeit abzustellen, sondern auf diejenige, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1985, Az: 4a RJ 53/84, SozR 2200 § 1246 Nr. 130 m.w.N.).
Bisheriger Beruf des Klägers in diesem Sinne ist dessen Tätigkeit als Schlosser. Diese Tätigkeit ist die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit, die der Kläger ausgeübt hat. Auch in Hinsicht auf die sonstige Erwerbsbiografie des Klägers ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit als Schlosser sein Hauptberuf ist.
Den Beruf als Schlosser kann der Kläger seit 20. April 2009 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit vor der Rehabilitationsmaßnahme) dauerhaft nicht mehr ausüben. Verschiedene orthopädische Erkrankungen und damit einhergehende Funktionseinschränkungen schlossen es nach Einschätzung der Rehabilitationsklinik B. aus, dass der Kläger die Tätigkeit als Schlosser weiterhin ausübt. Auch Dipl.-Med. B. kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Kläger als Schlosser auf Dauer nicht mehr einsetzbar ist. Da bei der Tätigkeit als Schlosser auch schwere Tätigkeitsanteile anfallen können und der Kläger nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichten kann, ist diese Einschätzung nachvollziehbar. Da die Beklagte ebenfalls davon ausgeht, dass der Kläger nicht mehr als Schlosser einsetzbar ist, kann auf eine weitere Begründung verzichtet werden.
Damit ist der Kläger aber noch nicht berufsunfähig. Die soziale Zumutbarkeit eines Verweisungsberufs richtet sich nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Arbeiter- und Angestelltenberufe in Gruppen eingeteilt, wobei der Stufenbildung im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt wurde. Sozial zumutbar sind grundsätzlich nur Tätigkeiten der im Verhältnis zum bisherigen Beruf gleichen oder nächst niederen Stufe (vgl. BSG, 12.9.1991 - 5 RJ 34/90 - SozR 3-2200 § 1246, Nr. 17, S. 65, m.w.N.; BSG 22.2.1990 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 2, S. 9).
Dabei werden folgende Stufen unterschieden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3) und weitere hier nicht in Betracht kommende Stufen mit höheren Qualifikationsanforderungen (zu diesen Stufen: BSG, 29.7.2004 - B 4 RA 5/04 R - zit. nach Juris). Die Stufe 2, auch als Gruppe der Angelernten bezeichnet, unterteilt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wegen der Vielschichtigkeit und Inhomogenität dieser Berufsgruppe in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit von 3 bis 12 Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten zuzuordnen (vgl. BSG, 29.3.1994 - 13 RJ 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Bei Angelernten des oberen Bereichs sind im Gegensatz zu Angelernten des unteren Bereichs sowie Ungelernten Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (Niesel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI, Rn. 101, 102).
Der Kläger ist als Facharbeiter in die Stufe 3 einzuordnen.
Bei in der ehemaligen DDR erlernten Berufen kommt der Facharbeiterstatus in Betracht, wenn sie im alten Bundesgebiet diesen Status haben, auch wenn nur eine zweijährige Ausbildung vorgeschrieben war (Niesel in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 43, Rn. 31). Für den Erwerb von Berufsschutz ist nicht erheblich, ob der Versicherte im Einzelfall die Regelausbildungszeit durchlaufen hat. Vielmehr ist der Erwerb einer Facharbeiterqualifikation auch im Rahmen einer Erwachsenenbildung möglich (BSG, Urteil vom 20. Juni 2002, B 13 RJ 13/02 R, dokumentiert in juris, 1. Orientierungssatz). Das Bundessozialgericht hat dazu in einer weiteren Entscheidung ausgeführt (Urteil vom 21. Juni 2001, B 13 RJ 45/00 R, dokumentiert in juris, Rn. 32): "Demgegenüber ist jedenfalls davon auszugehen, daß der Tätigkeit des Klägers als Lager- und Transportarbeiter entgegen der Auffassung der Beklagten Facharbeiterqualität beizumessen ist. Der Kläger verfügt für diesen Beruf über ein entsprechendes Facharbeiterzeugnis vom 17. Januar 1986. Unerheblich ist, daß er nicht die Regelausbildungszeit von 2 1/2 Jahren durchlaufen hat, sondern das Facharbeiterzeugnis im Rahmen einer - besonderen - Erwachsenenausbildung erworben hat. Grundsätzlich wird als Voraussetzung für die Einstufung als Facharbeiter auf eine regelmäßige Ausbildungsdauer von über zwei Jahren abgestellt (vgl zB BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 15). Dies schließt im Einzelfall eine kürzere oder längere Ausbildungsdauer nicht aus. So ist auch nach dem Berufsbildungsgesetz eine Abkürzung oder Verlängerung der Ausbildungsdauer möglich (vgl dort § 29). Nichts anderes kann gelten, soweit für bestimmte Personengruppen generell eine verkürzte Ausbildung für einen Beruf möglich ist, dessen allgemeine Regelausbildung über zwei Jahren liegt (vgl zum Erwachsenenberuf auch BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 14)."
Ein Facharbeiter in diesem Sinne, der in seinem erlernten Beruf tätig wird, ist "a priori" Facharbeiter (Niesel, a. a. O., Rn. 31, 30). Bei diesen muss dann nicht mehr geprüft werden, ob er die Tätigkeit einem Facharbeiter vergleichbar ausgeübt hat. Dieses Erfordernis besteht nur, wenn ein Versicherter ohne Facharbeiterabschluss in einem Beruf tätig geworden ist, für den eine Facharbeiterausbildung vorgeschrieben ist.
Der Kläger hat zuletzt als Schlosser arbeitet. Dies wird auch durch die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III des letzten Arbeitgebers, der T. GmbH, vom 24. April 2009 (Seite 206 Akte der Agentur für Arbeit) bestätigt. Die Tätigkeit eines Schlossers in der DDR ist der Tätigkeit als Schlosser in den Altbundesländern vergleichbar (siehe Seite 117 ff. Gerichtsakte). Dass der Kläger den Facharbeiterabschluss nur im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung erreicht hat, spielt nach der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes keine Rolle. Sofern die Beklagte einwendet, dass die Ausbildungszeit unter zwei Jahren lag, kommt es darauf nicht an. Zum einem dauerte die Facharbeiterausbildung in der Erwachsenqualifizierung in der DDR in der Regel zwischen einem halben Jahr und anderthalb Jahren, da vorhandene Qualifikationen und bereits erworbene Arbeits- und Lebenserfahrungen konsequent berücksichtigt worden sind (Dietrich in "Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung" - Das System beruflicher Erwachsenenbildung in der ehemaligen DDR mit Ausblick auf künftige Strukturprobleme in den neuen Bundesländern, 1991, www.iab.de Stichwortsuche: Dietrich DDR). Zum anderen verkennt die Beklagte hier nach Ansicht des Gerichtes die Prüfungsreihenfolge. Bei in der DDR erworbenen Facharbeiterabschlüssen ist zu fragen, ob der Facharbeiterstatus deshalb eingeräumt werden kann, weil in den Altbundesländern vergleichbare Berufsbilder diesen Status haben. Wird diese Frage bejaht, hat der Betreffende Versicherte den Facharbeiterstatus, sofern er im Beruf gearbeitet hat. Die Beklagte kann das gefundene Ergebnis nicht dadurch in Abrede stellen, dass der Facharbeiterabschluss an sich in Frage gestellt wird. Damit würde letztendlich das Facharbeiterzeugnis entwertet, welches ausdrücklich den Facharbeiterstatus verleiht. Etwas anderes kann bei in der DDR verliehenen Facharbeiterzeugnissen nur gelten, wenn es keine vergleichbaren Facharbeitertätigkeiten in den Altbundesländern gab bzw. gibt (siehe z. B. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 31. August 2004, L 6 RJ 83/03, dokumentiert in juris).
Der Kläger kann nicht auf die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer in einem Dentallabor verwiesen werden. Diese Tätigkeit ist ihm nicht zumutbar, da es sich dabei um eine ungelernte Tätigkeit handelt. Davon geht die Beklagte im Widerspruchsbescheid aus, wenn sie ausführt, dass die Tätigkeit in drei Monaten erlernbar ist. Auch das Gericht ist überzeugt davon, dass diese Tätigkeit innerhalb weniger Tage zu erlernen ist. An der im Bescheid vom 14. Februar 2011 genannten Verweisungstätigkeit als Montierer hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid nicht mehr festgehalten, da hier keine Möglichkeit besteht, erforderliche Haltungswechsel durchzuführen (siehe Stellungnahme des prüfärztlichen Dienstes vom 1. Juli 2011, Seite 46 Gutachtenteil Verwaltungsakte).
Bei einem Leistungsfall am 20. April 2009 liegen auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vor. Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 50 Abs. 1 Satz 1, § 51 Abs. 1 SGB VI: siehe Seite 34 Verwaltungsakte). Im Zeitraum vom 20. April 2004 bis zum 19. April 2009 hat der Kläger 61 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen (siehe Seite 8 Kontenspiegel vom 13. Januar 2011, Seite 29 Verwaltungsakte Rückseite). Die Voraussetzung des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ist somit ebenfalls erfüllt.
Die Rente beginnt am 1. September 2009 (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI), da der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 8. September 2009 als Antrag auf Rente gilt (§ 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI) und damit bei einem Leistungsfall am 20. April 2009 nicht innerhalb der Dreikalendermonatsfrist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum 31. Juli 2009 gestellt worden ist. Die Rente ist nach § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI auf Dauer zu gewähren, da die Gesundheitseinschränkungen des Klägers, die ihn hindern, die Tätigkeit als Schlosser auszuüben, auf Dauer bestehen.
Der Kläger hat für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2012 auch einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Volle Erwerbsminderung liegt auch vor, wenn Versicherte nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Dazu gehört z. B. auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (siehe zuletzt BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011, B 13 R 79/11 R, dokumentiert in juris, Rn. 20).
Nach dem Gutachten von Prof. Dr. R. ist der Kläger zumindest seit der Untersuchung am 14. Februar 2012 aufgrund einer Coxarthrose insbesondere im Bereich des linken Hüftgelenk nicht mehr in der Lage, wegen der dabei auftretenden Schmerzen viermal täglich eine Wegstrecke von 500 m zurücklegen. Der Kläger kann auch nicht auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs verwiesen werden, da die Ehefrau den PKW, der auch auf sie angemeldet ist, benötigt, um damit zur Arbeit zu fahren. Die Beklagte hat auch nicht durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine ausreichende Mobilität des Klägers wiederhergestellt (BSG, a. a. O., Rn. 24).
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind erfüllt (allgemeine Wartezeit s. o., 3/5-Belegung wegen § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI).
Die Rente ist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 und 5 SGB VI zu befristen, da die Wegefähigkeit nach Einschätzung des Gutachters wieder erreicht werden kann (Versorgung mit Hüftprothesen). Sie beginnt nach § 101 Abs. 1 SGB VI ausgehend von dem Leistungsfall am 14. Februar 2012 am 1. September 2012. Während des Bezuges der Rente wegen voller Erwerbsminderung und der Rente nach § 240 SGB VI wird nur die höhere Rente geleistet (§ 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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